TE Vfgh Erkenntnis 1997/6/27 G213/96

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Veröffentlicht am 27.06.1997
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Index

96 Straßenbau
96/02 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs2
B-VG Art140 Abs1 / Allg
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs4
B-VG Art140 Abs5 / Fristsetzung
BStFG 1996 §1
BStFG 1996 §2
BStFG 1996 §7
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Aufhebung der Verordnungsermächtigung des BStFG 1996 zur Festlegung der einer fahrleistungsabhängigen Maut (Road-pricing-System) unterliegenden Bundesstraßenstrecken mangels hinreichender gesetzlicher Determinierung; keine Gleichheitswidrigkeit der Regelung über die Einbeziehung von Brücken in das Road-pricing-System infolge Möglichkeit eines gleichheitskonformen Vollzuges; Unzulässigkeit der Anträge der Wiener Landesregierung auf Aufhebung der nach Einbringung der Anfechtung novellierten Bestimmungen über die Einhebung einer zeitabhängigen Maut auf Autobahnen und autobahnähnlichen Bundesstraßen

Spruch

I. §1 Abs2 des Bundesgesetzes betreffend die Finanzierung von Bundesstraßen (Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 - BStFG 1996), i.e. Art20 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II.                                 Der Antrag, das Wort

"Brücken," in §1 Abs1 zweiter Satz des

Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, als

verfassungswidrig aufzuheben, wird abgewiesen.

III.        Im übrigen wird der Antrag

zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Art20 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 201, (mit dem 9 Bundesgesetze erlassen und 90 Bundesgesetze abgeändert wurden,) wurde das Bundesgesetz betreffend die Finanzierung von Bundesstraßen (Bundesstraßenfinanzierungsgesetz 1996 - BStFG 1996) erlassen. Dieses Bundesgesetz regelt die Mauteinhebung an Bundesstraßen und die Verwendung der Mauteinnahmen und enthält diese Regelungen begleitende Vorschriften.

§1 Abs1 BStFG 1996 lautet:

"Der Benützer von Bundesstraßen A (Bundesautobahnen), sowie von mehrspurigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B, die ähnliche Merkmale wie Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) aufweisen, hat dem Bund als Entgelt eine fahrleistungsabhängige Maut zu leisten. Darüber hinaus können Brücken, Tunnel und Gebirgspässe auf sonstigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B ebenfalls fahrleistungsabhängig bemautet werden. Der Bund hat die Mauteinhebung den Bundesstraßengesellschaften (§§1 und 3 des Bundesgesetzes betreffend Maßnahmen im Bereich der Bundesstraßengesellschaften, BGBl. Nr. 826/1992 in der jeweils geltenden Fassung) zu übertragen."

Ihre Wirksamkeit sollen die die fahrleistungsabhängige Mauteinhebung betreffenden Regelungen erst ab einem noch unbestimmten Zeitpunkt ab dem Jahr 1998 entfalten. Das ergibt sich aus §2 BStFG 1996; diese Bestimmung lautet:

"§2. Der Bund hat während des Jahres 1998 mit der Einhebung einer fahrleistungsabhängigen Maut für mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren von außen auch automatisch erfaßbare Merkmale einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 Tonnen für den überwiegenden Teil der betroffenen Kraftfahrzeuge entsprechen, zu beginnen, sofern die Einhebung mittels elektronischer Einrichtungen (§4) zu diesem Zeitpunkt möglich und insgesamt eine zuverlässige Abwicklung der Bemautung gewährleistet ist. Während des Jahres 2001 hat unter der gleichen Voraussetzung der Bund für alle anderen Kraftfahrzeugkategorien ebenfalls mit der Einhebung einer fahrleistungsabhängigen Maut zu beginnen."

Die Entscheidung darüber, auf welchen Bundesstraßenstrecken bzw. Bundesstraßenteilen die fahrleistungsabhängige Maut zunächst einzuführen ist, überläßt §1 Abs2 leg.cit. einer verordnungsmäßigen Festlegung:

"Die Festlegung jener Bundesstraßenstrecken, für die erstmals eine fahrleistungsabhängige Maut einzuheben ist, hat nach Anhörung der betroffenen Bundesländer durch Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu erfolgen."

Bis zur Einführung einer fahrleistungsabhängigen Maut unterliegt die Benützung von Bundesautobahnen und Bundesschnellstraßen nach Maßgabe des §7 einer zeitabhängigen Maut. §7 leg.cit. lautete in der - angefochtenen - Stammfassung:

"§7. (1) Solange für Fahrzeuge, die von den in Abs2 genannten Kategorien umfaßt werden, keine fahrleistungsabhängige Maut auf Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) und Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) eingehoben wird, unterliegt deren Benützung einer zeitabhängigen Maut, die von den Bundesstraßengesellschaften ab 1. Jänner 1997 namens des Bundes einzuheben ist. Die Maut ist vor der mautpflichtigen Straßenbenützung durch Anbringung einer Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten.

(2) Der Preis einer Jahresvignette samt Umsatzsteuer beträgt für

   1. einspurige Kraftfahrzeuge .................... 220 S,

   2. mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes

      zulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich

      3,5 Tonnen beträgt ........................... 550 S,

   3. Omnibusse, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt .. 6 000 S,

   4. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination mehr

      als 3,5 Tonnen bis einschließlich 7,5 Tonnen

      beträgt .................................... 6 000 S

   und für

   5. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination mehr

      als 7,5 Tonnen, aber weniger als 12 Tonnen

      beträgt ................................... 12 000 S.

   (3) Der Preis einer Zweimonatsvignette samt Umsatzsteuer

beträgt für

   1. mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes

      zulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich

      3,5 Tonnen beträgt ........................... 150 S,

   2. Omnibusse, deren höchstes zulässiges

      Geamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt ... 1 500 S,

   3. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination

      mehr als 3,5 Tonnen bis einschließlich

      7,5 Tonnen beträgt ......................... 1 500 S

   und für

   4. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination

      mehr als 7,5 Tonnen, aber weniger als

      12 Tonnen beträgt .......................... 3 000 S.

   (4) Der Preis einer Wochenvignette samt Umsatzsteuer beträgt

für

   1. Omnibusse, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt .... 300 S,

   2. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination

      mehr als 3,5 Tonnen bis einschließlich

      7,5 Tonnen beträgt ........................... 300 S

   und für

   3. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination mehr

      als 7,5 Tonnen, aber weniger als

      12 Tonnen beträgt ............................ 600 S.

(5) Für Anhänger, die von mehrspurigen Kraftfahrzeugen gezogen werden, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich 3,5 Tonnen beträgt, ist keine zeitabhängige Maut zu entrichten. Mehrspurige Kraftfahrzeuge, die als Schlaf- oder Aufenthaltsraum eingerichtet sind (Wohnmobile), gelten unabhängig von ihrem höchsten zulässigen Gesamtgewicht als solche, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich 3,5 Tonnen beträgt. Für Anhänger, die von Omnibussen gezogen werden, ist keine zeitabhängige Maut zu entrichten.

(6) Nach Erwerb von Jahres-, Zweimonats- oder Wochenvignetten ist für die Benützung von Mautstrecken gemäß Abs1 mit einer Fahrzeugkombination, die in eine höhere Bemessungsgrundlage fällt als die, für welche die zeitabhängige Maut entrichtet wurde, eine Tageszusatzvignette zu erwerben, deren Preis samt Umsatzsteuer 100 S beträgt. Für die Benützung von Mautstrecken gemäß Abs1 mit Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen, für die zulässigerweise bereits eine Straßenbenützungsabgabe entrichtet wurde, ist keine zeitabhängige Maut zu entrichten.

(7) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen im Rahmen der Mautfestsetzung für Strecken, die von den Bundesstraßengesellschaften bemautet werden, Regelungen treffen, die es den Straßenbenützern mit Personenkraftwagen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich 3,5 Tonnen beträgt, ermöglichen,

1. zusammen mit dem Erwerb einer Zweimonatsvignette zusätzlich Mautkarten der Bundesstraßengesellschaften zu einem Gesamtpreis von 350 S samt Umsatzsteuer für zwei beliebige Fahrten innerhalb der Gültigkeitsdauer der Zweimonatsvignette auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits von den Bundesstraßengesellschaften bemauteten Strecken zu erwerben,

2. als Arbeitnehmer und Zulassungsbesitzer eines mit einer Jahresvignette ausgestatteten Personenkraftwagens eine auf die Gültigkeitsdauer der Jahresvignette begrenzte Mautkarte einer Bundesstraßengesellschaft kostenlos zu erwerben, die zu Fahrten vom Wohnort zum Arbeitsplatz des Arbeitnehmers berechtigt, wobei die näheren Regelungen der Mautordnung vorbehalten sind, und

3. beim Besitz einer Jahresvignette und zusätzlichem Erwerb einer Jahresmautkarte einer Bundesstraßengesellschaft für Fahrten innerhalb der Gültigkeitsdauer der Jahresvignette auf einer beliebigen, im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits von dieser Bundesstraßengesellschaft bemauteten Strecke, den Preis der Jahresvignette auf den jeweils gültigen Jahresmautkartenpreis angerechnet zu erhalten.

(8) Die Jahresvignette, deren Gültigkeit sich auf ein Kalenderjahr bezieht, berechtigt zur Straßenbenützung auch im Dezember des Vorjahres und im Jänner des Folgejahres. Die Zweimonatsvignette berechtigt zur Straßenbenützung im Zeitraum von zwei aufeinanderfolgenden Kalendermonaten. Die Wochenvignette berechtigt zur Straßenbenützung vom Beginn eines Samstags bis zum Ablauf des darauffolgenden Samstags.

(9) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen unter Bedachtnahme auf Veränderungen des vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarten Verbraucherpreisindex 1986 oder des an seine Stelle tretenden Index durch Verordnung die zeitabhängigen Mauten gemäß Abs2 bis 4, 6 und 7 Z1 erhöhen.

(10) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung im öffentlichen Interesse Fahrzeuge bestimmter Benützergruppen, insbesondere die in ArtIV §10 Abs2 ASFINAG-Gesetz und §2 des Straßenbenützungsabgabegesetzes, BGBl. Nr. 629/1994, genannten, von der Mautpflicht ausnehmen.

(11) Die Bundesstraßengesellschaften haben in der Mautordnung Festlegungen über die Beschaffenheit und Anbringung der Mautvignetten an den Fahrzeugen zu treffen. Es kann des weiteren statt des Anbringens einer Wochenvignette oder einer Tageszusatzvignette auch das Mitführen einer Zahlungsbestätigung über die Entrichtung der zeitabhängigen Maut vorgesehen werden.

(12) Wenn die Mautvignette zerstört wird, ist vor der nächsten mautpflichtigen Straßenbenützung eine Ersatzvignette am Fahrzeug anzubringen. In der Mautordnung ist zu regeln, unter welchen Voraussetzungen die Ersatzvignette kostenlos abzugeben ist."

Mit einer (am 29. November 1996 ausgegebenen) Novelle zum BStFG 1996, BGBl. 656/1996, wurde §7 noch vor seinem Wirksamkeitsbeginn mehrfach geändert. Die Änderungen beziehen sich auf die Abs3, 4, 6, 7, 8 und 10. Die Abs3 und 4 lauten nunmehr folgendermaßen:

"(3) Der Preis einer Zweimonatsvignette samt Umsatzsteuer beträgt für

   1. einspurige Kraftfahrzeuge ..................... 80 S,

   2. mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes

      zulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich

      3,5 Tonnen beträgt ........................... 150 S,

   3. Omnibusse, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt .. 1 500 S,

   4. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination mehr

      als 3,5 Tonnen bis einschließlich

      7,5 Tonnen beträgt ......................... 1 500 S

   und für

   5. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination mehr

      als 7,5 Tonnen, aber weniger als

      12 Tonnen beträgt .......................... 3 000 S,

   (4) Der Preis einer Wochenvignette samt Umsatzsteuer beträgt

für

   1. mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes

      zulässiges Gesamtgewicht bis

      einschließlich 3,5 Tonnen beträgt ............. 70 S,

   2. Omnibusse, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt .... 300 S,

   3. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination mehr

      als 3,5 Tonnen bis einschließlich

      7,5 Tonnen beträgt ........................... 300 S

   und für

   4. mehrspurige Kraftfahrzeuge und von diesen

      gezogene Anhänger, deren höchstes zulässiges

      Gesamtgewicht allein oder in Kombination

      mehr als 7,5 Tonnen, aber weniger als

      12 Tonnen beträgt ............................ 600 S."

Im ersten Satz des Abs6 wurde die Zahl "100" durch "60" ersetzt.

Hinsichtlich des Abs7 wurde angeordnet, daß die Z1 zu entfallen habe; die Z2 und 3 erhielten die Bezeichnungen "1" und "2".

In Abs8 wurde der letzte Satz geändert. Dieser lautet nunmehr:

"Die Wochenvignette berechtigt zur Straßenbenützung vom Beginn eines Freitags bis zum Ablauf des übernächsten Sonntags."

§7 Abs10 lautet idF der Novelle 656/1996:

"(10) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen durch Verordnung im öffentlichen Interesse Fahrzeuge betimmter Benützergruppen, insbesondere die in Artikel IV §10 Abs2 ASFINAG-Gesetz und §2 des Straßenbenützungsabgabegesetzes, BGBl. Nr. 629/1994, genannten, von der Mautpflicht ausnehmen, sofern die Wirtschaftlichkeit und die zuverlässige Abwicklung der Mauteinhebung nicht beeinträchtigt werden."

Gemäß §6 haben die "Bundesstraßengesellschaften ... deutlich und rechtzeitig auf fahrleistungs- und zeitabhängig bemautete Strecken hinzuweisen. Die Mautordnung und die Mauttarife sind von den Bundesstraßengesellschaften im Amtsblatt zur Wiener Zeitung kundzumachen. Im grenznahen Bereich ist die Information durch Hinweise und Anschläge sicherzustellen".

Zum Mautschuldner bestimmt das Gesetz in §8 primär den Kraftfahrzeuglenker, subsidiär unter den in der genannten Bestimmung näher geregelten Voraussetzungen den Zulassungsbesitzer.

Über die Verwendung der Mauteinnahmen bestimmen sodann die §§9 und 10 des Gesetzes folgendes:

"§9. (1) Die Bundesstraßengesellschaften haben die Einnahmen aus den zeitabhängigen Mauten, die nicht zur Deckung von Ausgaben gemäß Artikel II §4 Abs1 ASFINAG-Gesetz dienen, monatlich an den Bund abzuführen.

(2) Die Einnahmen aus den zeitabhängigen Mauten für einspurige Kraftfahrzeuge und für mehrspurige Kraftfahrzeuge, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht bis einschließlich 3,5 Tonnen beträgt, die nicht zur Deckung von Ausgaben gemäß Artikel II §4 Abs1 ASFINAG-Gesetz dienen, sind für die Errichtung und Erweiterung von Bundesstraßen, vornehmlich von Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) und Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) zu verwenden.

(3) In einer Verordnung gemäß §1 Abs3, in der die Übertragung der Planung, Errichtung oder Erweiterung von Mautstrecken gemäß §1 Abs1 erfolgt, kann eine Verwendung der fahrleistungsabhängigen Mauten, die sonst gemäß Artikel IV §11 Abs2 und Artikel VIII §3 Abs2 ASFINAG-Gesetz an die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft abzuführen wären, vorgesehen werden, bis die Mautstrecken gemäß §1 Abs1 fertiggestellt sind.

§10. Die Einnahmen aus den namens des Bundes eingehobenen zeitabhängigen Mauten und auf gemäß §1 Abs2 festgelegten Mautstrecken eingehobenen fahrleistungsabhängigen Mauten werden den Bundesstraßengesellschaften insoweit überlassen, als sie damit sämtliche Kosten für die Einhebung der genannten Mauten sowie die Kosten für das Tilgungserfordernis und den Zinsenaufwand aus Kreditoperationen gemäß §1 Abs4 decken können."

§12 enthält in Abs1 einen Straftatbestand und im übrigen diesen begleitende Bestimmungen. Abs1 lautete in der Stammfassung:

"(1) Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit diesen

1.

Mautstrecken gemäß §1 Abs1 benützen, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu

entrichten, oder

2.

mautpflichtige Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) oder Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen)

benützen, ohne die zeitabhängige Maut vor der mautpflichtigen Straßenbenützung ordnungsgemäß zu entrichten,

begehen eine Verwaltungsübertretung und sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 60 000 S zu bestrafen."

Auch diese Bestimmung wurde durch die Novelle BGBl. 656/1996 geändert und lautet nunmehr:

"(1) Lenker von Kraftfahrzeugen, die mit diesen

1. Mautstrecken gemäß §1 Abs1 benützen, ohne die fahrleistungsabhängige Maut ordnungsgemäß zu

entrichten, oder

2.

mautpflichtige Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) oder Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen)

benützen, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben,

begehen eine Verwaltungsübertretung und sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 3 000 S bis zu 60 000 S zu bestrafen."

Mit der Vollziehung des Bundesgesetzes ist gemäß seinem §15 zum Teil (und zwar auch hinsichtlich des §2) der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, hinsichtlich einiger Bestimmungen, darunter jener des §1 Abs1 bis 4 und des §7, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen berufen; für die Vollziehung anderer Bestimmungen ist der Bundesminister für Finanzen zuständig, hinsichtlich einer Bestimmung der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.

2. Aufgrund des §1 Abs2 BStFG 1996 erließ der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen) die Verordnung "über die Festlegung von Bundesstraßenstrecken, für die erstmals eine fahrleistungsabhängige Maut einzuheben ist (Mautstreckenverordnung)", BGBl. 615/1996. Diese lautet:

"Auf Grund des §1 Abs2 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, wird im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen verordnet:

Es wird festgelegt, daß zusätzlich zu den bisher bereits zu bemautenden Bundesstraßenstrecken der A 9 Pyhrn Autobahn im Bereich von St. Michael bis Übelbach und des Bosruck-Tunnels, der A 10 Tauern Autobahn im Bereich zwischen der Anschlußstelle Flachau und der Anschlußstelle Rennweg, der A 11 Karawanken Autobahn im Bereich der Tunnelstrecke, der A 13 Brenner Autobahn und der S 16 Arlberg Schnellstraße im Bereich der Tunnelstrecke von St. Anton am Arlberg bis Langen am Arlberg auch für folgende Strecken die Einführung einer fahrleistungsabhängigen Maut erfolgt:

1. - 24. (Es folgt eine Aufzählung aller Autobahnen und Schnellstraßen, soweit für ihre Benützung bisher noch keine Maut erhoben wurde)

25.

B 301 Wiener Südrand Straße

26.

B 302 Wiener Nordrand Straße im Bereich der Strecke Hirschstetten (A 23, B 3d) bis zur Anbindung an die B 8 Angerner Straße (einschließlich Umfahrung Süßenbrunn)

27.

B 315 Reschen Straße im Bereich der Südumfahrung Landeck."

II. Aufgrund ihres Beschlusses vom 6. August 1996 beantragt die Wiener Landesregierung gestützt auf Art140 Abs1 B-VG die Aufhebung von Teilen des BStFG 1996 in der Stammfassung, und zwar primär der folgenden Bestimmungen:

§1 Abs1 erster Satz,

das Wort "Brücken," in §1 Abs1 zweiter Satz sowie

§7

(sowie damit in unmittelbarem Zusammenhang stehend die Wortfolge "und zeit" in §6,

§9 Abs1 und 2,

die Worte "zeitabhängige Mauten und" in §10,

§12 Abs1 Z2

und die Worte "des §7," in §15 BStFG 1996).

In eventu beantragt die Landesregierung,

§1 Abs2 und §7

(sowie damit in unmittelbarem Zusammenhang stehend

die Wortfolge "und zeit" in §6,

§9 Abs1 und 2,

die Worte "zeitabhängige Mauten und" in §10,

§12 Abs1 Z2 und

die Worte "des §7, "in §15 BStFG 1996) als

verfassungswidrig aufzuheben.

In einem weiteren Eventualantrag beantragt die Wiener Landesregierung,

"die Beträge '300 S' in §7 Abs4 Z1, '300 S' in §7 Abs4 Z2 und '600 S' in §7 Abs4 Z3 sowie die Wortfolge

'Arbeitnehmer und' in §7 Abs7 Z2 BStFG 1996" als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Landesregierung legt dar, daß das BStFG 1996 gemäß Art49 Abs1 B-VG seine verbindliche Kraft am 1. Mai 1996 erhalten hat und nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ab diesem Zeitpunkt eine Anfechtung von Bestimmungen des Gesetzes im Rahmen der abstrakten Normenkontrolle zulässig sei, obwohl die Bestimmungen des angefochtenen Gesetzes ihre Wirksamkeit für die zeitabhängige Maut erst ab 1. Jänner 1997 (§7) bzw. für die fahrleistungsabhängige Maut zu einem unbestimmten, zukünftigen Zeitpunkt ab dem Jahr 1998, der von der Möglichkeit der Einhebung mittels elektronischer Einrichtungen abhängig ist (§2), entfalten.

Ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die angefochtenen Bestimmungen begründet die Wiener Landesregierung im wesentlichen wie folgt:

"1.1. Zu §1 Abs1 erster Satz und §7 BStFG 1996:

1.1.1. Regelungsgehalt:

§1 Abs1 erster Satz BStFG 1996 verpflichtet den Benützer von Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) sowie von mehrspurigen Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) und Bundesstraßen B, die ähnliche Merkmale wie Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) aufweisen, zur Leistung einer fahrleistungsabhängigen Maut als Entgelt an den Bund. Solange eine solche fahrleistungsabhängige Maut auf Bundesstraßen A (Bundesautobahnen) und Bundesstraßen S (Bundesschnellstraßen) nicht eingehoben wird, unterliegt deren Benützung einer zeitabhängigen Maut (§7 BStFG 1996).

Die genannten Bestimmungen beziehen sich auf sämtliche Bundesstraßen A und S im gesamten Bundesgebiet. Eine Möglichkeit zur Ausnahme bestimmter Straßenzüge ist nicht vorgesehen. Es werden damit Überlandstrecken mit Straßen innerhalb von großstädtischen Ballungsräumen gleichgesetzt. Im Gemeindegebiet von Wien sind jedenfalls die A 4-Ostautobahn, die

A 22-Donauuferautobahn sowie die A 23-Südosttangente betroffen.

1.1.2. Funktion der Straßen:

Die Funktion von Bundesstraßen A, Bundesstraßen S und Bundesstraßen B, die ähnliche Merkmale wie Bundesstraßen A aufweisen, liegt in der Herstellung von hochrangigen Verkehrsverbindungen internationaler oder zumindest überörtlicher Bedeutung, was gemäß Art10 Abs1 Z9 B-VG Voraussetzung für die Erklärung zur Bundesstraße ist ('Bedeutung für den Durchzugsverkehr'). Die Benützung dieser Straßen ist dadurch gekennzeichnet, daß in der Regel längere Wegstrecken zurückgelegt werden, die regelmäßig das Ortsgebiet einer Gemeinde überschreiten.

Landes- und Gemeindestraßen dienen hingegen vorwiegend dem Nahverkehr innerhalb einer Gemeinde bzw. Region. Nach dem vom Wiener Gemeinderat am 15. April 1994 beschlossenen Wiener Verkehrskonzept sollen diese Straßen (in Wien gibt es nur Gemeinde-, nicht jedoch Landesstraßen, vgl. VfSlg. 6770) vorrangig für Straßenbahn und Bus, somit für den öffentlichen Verkehr (siehe Wiener Verkehrskonzept Seiten 39ff, 94 und 113), sowie für den Fußgängerverkehr (siehe Wiener Verkehrskonzept Seiten 11 und 29ff) zur Verfügung stehen.

In großstädtischen Ballungsgebieten, nicht zuletzt in Wien, kommt Bundesstraßen neben ihrer Funktion für den Durchzugsverkehr auch eine wichtige Aufgabe im Bereich des Nahverkehrs zu. Zur Entlastung dichtverbauter Stadtgebiete von den Belastungen des Individualverkehrs (Lärm, Abgase, etc.) sind 'Stadtautobahnen' und andere hochrangige Straßenverbindungen notwendige Voraussetzung für ein rasches und die Umwelt nicht über die Maßen strapazierendes Fortkommen innerhalb der Stadt. Zeitweise werden sie auch als Umleitungsstrecken für Gemeindestraßen benötigt.

Daraus ergibt sich, daß Bundesstraßen in Großstädten vorwiegend für den Verkehr innerhalb derselben Gemeinde benützt werden und kurze Wegstrecken dominieren. Die Funktion derartiger Bundesstraßen ist daher zu einem wesentlichen Teil nicht mit jener anderer Bundesstraßen zu vergleichen.

Besonders deutlich wird die Situation bei den Wiener Donaubrücken, die sämtlich Bundesstraßen darstellen. Gewisse Teile des Wiener Gemeindegebietes sind daher von anderen Teilen des Gemeindegebietes derselben Gemeinde nur über Bundesstraßen zu erreichen. Dies macht deutlich, daß der gesamte Nahverkehr der Gemeinde über diese Brücken und damit über Bundesstraßen abgewickelt werden muß.

Durch die hohe Bevölkerungsdichte in Ballungsräumen liegt das Verkehrsaufkommen in diesen Gebieten weit über dem Durchschnitt im sonstigen Bundesgebiet. Verkehrsregulierende Maßnahmen haben daher allein vom Volumen her in Ballungsgebieten stärkere Auswirkungen als in weniger dicht besiedelten Gebieten.

1.1.3. Gleichheitssatz:

Auf Grund der dargestellten Besonderheiten von städtischen Ballungsräumen ergeben sich Bedenken aus dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes.

Der Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG) richtet sich auch an den Gesetzgeber. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist dabei zwar ein rechtspolitischer Gestaltungsrahmen gewährleistet, doch ist der Gesetzgeber innerhalb dieses Rahmens gehalten, voneinander abweichende Sachverhalte in sachlicher Wertung differenziert zu behandeln und umgekehrt sachlich nicht gerechtfertigte Wertungen zu unterlassen (vgl. z.B. VfSlg. 8457, 10064, 10084).

Wie sich aus Punkt 1.1.2. ergibt, haben Bundesstraßen in und außerhalb von städtischen Ballungsgebieten unterschiedliche Funktion bzw. entspricht die Funktion von Bundesstraßen in städtischen Ballungsgebieten wesentlich auch der Funktion, die außerhalb dieser Gebiete Landes- und Gemeindestraßen erfüllen. Da das Gesetz diese Umstände nicht berücksichtigt, ist es schon deshalb mit Gleichheitswidrigkeit belastet.

1.1.4. Ordnungssystem:

Ob eine Regelung sachlich gerechtfertigt ist, ist nach den Wertungen der gesamten Rechtsordnung zu bestimmen, da der Gesetzgeber ein von ihm selbst geschaffenes Ordnungssystem nicht willkürlich verlassen darf (VfSlg. 4379, 5862, vgl. auch Antoniolli, ÖJZ 1956, 646ff).

An oberster Stelle stehen dabei die Staatsziele, wozu vor allem auch der umfassende Umweltschutz gehört (VfSlg. 10791, 12009). Dies ergibt sich aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 27. November 1984 über den umfassenden Umweltschutz, BGBl. Nr. 491/1984, wonach sich die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) zum umfassenden Umweltschutz bekennt. In §1 Abs2 dieses Bundesverfassungsgesetzes ist ausdrücklich die Reinhaltung der Luft und die Vermeidung von Störungen durch Lärm angeführt. Das Staatsziel des umfassenden Umweltschutzes ist in jedem Fall zu berücksichtigen, wobei eine Mißachtung dieses Gebotes das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung darstellt (VfSlg. 11294; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7. Auflage, 1992, Seite 475).

Eine Regelung, welche die Benützung bestimmter Straßenstrecken im Vergleich zu anderen Straßen verteuert, hat auf Grund der hohen Mobilität des Individualverkehrs zur Folge, daß Umgehungsmöglichkeiten gesucht werden. Neben Verkehrsmittelwechsel, Reduktion der Fahrtenhäufigkeit und Zielsubstitutionen erwähnt daher die Mautstudie Österreich (Seite 193) bei einer Mauthöhe von 0,3 S/km werktags ('Niedermaut') 23 % Routenänderungen.

Gerade in großstädtischen Ballungsgebieten stehen durch das relativ dichte Straßennetz Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung, deren Kapazität jedoch nicht geeignet ist, den Umgehungsverkehr von derart bedeutenden Verkehrsträgern wie der

A 23-Südosttangente (100.000 KFZ/24 Stunden im Jahre 1990 laut Statistischem Jahrbuch der Stadt Wien 1993; 160.000 KFZ/24 Stunden laut händischer Straßenverkehrszählung 1995) aufzunehmen. So beträgt etwa die durchschnittliche Zahl von KFZ/24 Stunden auf den der Südosttangente benachbarten Straßenzügen Gudrunstraße und Simmeringer Hauptstraße jeweils nur rund 20.000 (vgl. Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 1993). Auch auf diese Frage wurde im Zuge des Gesetzgebungsprozesses keine Rücksicht genommen und sie findet daher auch in den Regelungen des BStFG 1996 keine Berücksichtigung.

Durch diesen Umgehungsverkehr wird es auf den Gemeindestraßen Wiens zu erheblich nachteiligen Auswirkungen kommen. Einerseits wären der öffentliche Verkehr, Fußgänger und Radfahrer durch das erhöhte Verkehrsaufkommen beeinträchtigt, andererseits würde das Unfallrisiko erheblich ansteigen. Darüber hinaus hätten diese Veränderungen äußerst negative Konsequenzen für die Anrainer der betroffenen Straßen im Hinblick auf Lärm- und Schadstoffimmissionen. Gerade Personen mit niedrigen Einkommen und dementsprechend schlecht ausgerüsteten Fahrzeugen (z.B. Autos aus Ungarn, Tschechien, Polen, etc. ohne Katalysator) werden auf Gemeindestraßen ausweichen, was besondere Umweltprobleme mit sich bringt. Die Mautstudie Österreich spricht von Steigerungen an Schadstoffemissionen von teilweise bis zu 45 % (Seite 36). Unverständlicherweise wird dabei auf städtische Ballungsräume und insbesondere Wien überhaupt nicht näher eingegangen. Es ist der Stadt Wien nicht möglich, diese Konsequenzen durch entsprechende Straßenbauten abzufedern. Im übrigen ist ein effektiver Schutz vor Lärm und Abgasen (z.B. durch Schallschutzwände, Begrünung) nur auf Bundesstraßen möglich, die meist in gewisser Entfernung an Wohngebäuden vorbeiführen, während Gemeindestraßen meist direkt an Wohnungen angrenzen.

Die genannten Effekte dürften so stark sein, daß in der Mautstudie Österreich (Seite 196) sogar mit sogenannten 'Rückverlagerungen' gerechnet wird (bei einer Maut von 0,3 S/km 3 %, Mautstudie Österreich, Seite 200), d.h. daß Personen, die an sich bereit wären, Umwege in Kauf zu nehmen, um der Mautpflicht zu entgehen, sich durch die negativen Begleitumstände (Stauungen, Unfälle, etc.) wieder entschließen, die Autobahn zu benützen.

Der Entschließungsantrag der Abgeordneten Dkfm. Mag. Mühlbachler, Ing. Gartlehner und Kollegen (72 der Beilagen XX. GP des Nationalrates), in dem eine Untersuchung über die Verdrängung des Verkehrsaufkommens auf die niederrangigen Straßen gefordert wird, zeigt ebenfalls, wie ernst die Problematik ist.

In seinem Erkenntnis vom 28. Februar 1996, V357/94-20, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Prüfung der innerstädtischen Verkehrssituation für die Erlassung einer Verordnung gemäß §4 Abs1 Bundesstraßengesetz 1971 Voraussetzung ist. Es ist eine rational nachprüfbare Abwägung zwischen den zu beachtenden Kriterien der Wirtschaftlichkeit und des Umweltschutzes vorzunehmen, sodaß erst dann eine Planungsentscheidung getroffen werden kann, wenn Klarheit unter den Gesichtspunkten 'der Verkehrserfordernisse, der Verkehrssicherheit, der funktionellen Bedeutung des Straßenzuges, des Umweltschutzes und der Wirtschaftlichkeit' gegeben ist.

Nach 24 Abs1 Z1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz ist seit 1.7.1994 vor Erlassung einer Verordnung gemäß §4 Bundesstraßengesetz 1971 eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen, die alle Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Luft, Klima, etc. (vgl. §1 UVP-G) zu berücksichtigen hat. Dabei sind auch mittelbare Auswirkungen festzustellen, zu beschreiben und zu bewerten (§1 Abs1 Z1 UVP-G). Die Auswirkung von Bundesstraßen auf die Belastung anderer Straßen und damit auf die Immissionssituation stellt eine solche mittelbare Auswirkung dar.

Aus dem Zusammenhalt dieser Bestimmungen läßt sich gerade im Bereich des Bundesstraßenrechtes von einem 'Ordnungssystem Umweltschutz' sprechen, wonach bei allen Planungsvorhaben, die Auswirkungen auf Verkehrsströme haben, Umweltaspekte zu berücksichtigen sind. Obwohl auch das BStFG 1996 solche Auswirkungen hat, wurde ohne sachliche Rechtfertigung darauf kein Bedacht genommen und somit das genannte Ordnungssystem verletzt.

1.1.5. Einheit des Wirtschaftsgebietes:

Bei Betrachtung der Gesamtrechtsordnung ist auch auf die Bestimmung des Art4 B-VG Bedacht zu nehmen, wonach das Bundesgebiet ein einheitliches Währungs-, Wirtschafts- und Zollgebiet bildet. Innerhalb des Bundes dürfen Zwischenzollinien oder sonstige Verkehrsbeschränkungen nicht errichtet werden. Zwar kann dieses Gebot eines einheitlichen Wirtschaftsgebietes nicht dahin verstanden werden, daß unterschiedliche Beeinflussungen von Wirtschaftsabläufen generell unzulässig wären (VfSlg. 1281), doch ist daraus abzuleiten, daß durch gesetzgeberische Maßnahmen die Markthomogenität nicht gestört werden darf (Azizi, ÖJZ 1985, 97). Ein Markt liegt dabei vor, wenn Preis- und Mengenentscheidungen nur unter Betrachtung der gesamten Tauschgruppe zustande kommen können.

Vor Erlassung des BStFG 1996 wurde die Auswirkung der gegenständlichen Mauteinhebung auf Preis- und Mengenentscheidungen überhaupt nicht geprüft. Es erscheint jedoch evident, daß Wien durch sein dichtes Netz an Hauptverkehrsadern, die von der Mautpflicht betroffen sind, wesentlich stärker betroffen ist als andere Regionen Österreichs. Dieser Standortnachteil kann Unternehmensansiedlungen negativ beeinflussen, weshalb die Markthomogenität entsprechend im Gesetz Berücksichtigung finden hätte müssen.

Gewerbetreibende in Wien und im übrigen Bundesgebiet werden durch das BStFG 1996 unterschiedlich behandelt, weil in Wien die Benützung von Autobahnen bzw. Donaubrücken unumgänglich ist, um die gewerblichen Tätigkeiten, insbesondere die Anfahrt zu Kunden, in einem Zeitraum ausüben zu können, der annähernd vergleichbar mit jenem ist, welcher hiefür außerhalb Wiens erforderlich ist. Dies würde zu einer Benachteiligung Wiens im Standortwettbewerb führen, was gerade durch Art4 B-VG verhindert werden sollte.

Bereits 1966 hat Barfuß (Zum Verfassungsgebot der Einheitlichkeit des Währungs-, Wirtschafts- und Zollgebietes, ÖJZ 1966, 142) die Auffassung vertreten, daß Straßenmauten außer in den Fällen des §9 Abs1 Z6 FAG 1959, BGBl. Nr. 97 (nunmehr §14 Abs1 Z6 FAG 1993, BGBl. Nr. 30 - 'Mautabgaben für die Benützung von Höhenstraßen von besonderer Bedeutung, die nicht vorwiegend der Verbindung von ganzjährig bewohnten Siedlungen mit dem übrigen Verkehrsnetz, sondern unter Überwindung größerer Höhenunterschiede der Zugänglichmachung von Naturschönheiten dienen') unzulässig sind. Wenngleich diese Auffassung etwas zu restriktiv erscheint, zeigt sie doch deutlich, daß eine generelle und undifferenzierte Mauteinhebung auf sämtlichen Bundesstraßen im Sinne des BStFG 1996 auch in großstädtischen Ballungsräumen im Hinblick auf das Gebot der Wirtschaftseinheit des Art4 B-VG bedenklich ist.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 12. Dezember 1995, V136/94, ausgesprochen, daß das innerstaatliche Recht richtlinienkonform im Sinne der auf den EG-Vertrag gestützten Rechtsprechung des EuGH zu interpretieren ist. Dies muß umso mehr für die Konformität nationalen Rechts mit dem EG-Vertrag gelten. Art4 B-VG ist daher auch unter Berücksichtigung der Art30 und 74 EWGV zu interpretieren, wonach Verkehrsbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung unzulässig sind und die Mitgliedstaaten eine gemeinsame Verkehrspolitik verfolgen. Eine Regelung, die einseitig diskriminierend auf ein bestimmtes Teilgebiet des einheitlichen Wirtschaftsgebietes wirkt, ist jedoch mit dieser Bestimmung nicht vereinbar.

1.1.6. §7 Abs4 F-VG 1948:

Gemäß §7 Abs4 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948) hat der Bund grundsätzliche Anordnungen (Art12 und 15 des B-VG) zur Verhinderung von Erschwerungen des Verkehrs und der wirtschaftlichen Beziehungen im Verhältnis zum Ausland oder zwischen den Ländern und Landesteilen, zur Verhinderung der übermäßigen oder verkehrserschwerenden Belastung der Benützung öffentlicher Verkehrswege und Einrichtungen mit Abgaben und zur Verhinderung der Schädigung der Bundesfinanzen zu treffen.

Die Kompetenzzuteilung ist eine Aufteilung staatlicher Aufgaben (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 7. Auflage, 1992, Seite 100). Nach §7 Abs4 F-VG ist der Bund somit nicht nur zur Erlassung von (Grundsatz-)Gesetzen berechtigt, es ist ihm gerade auch aufgetragen, übermäßige oder verkehrserschwerende Belastungen der Benützung öffentlicher Verkehrswege mit Abgaben zu verhindern, nicht aber für eine ungleiche Belastung zu sorgen, wie sie im Verhältnis Wien gegenüber den anderen Ländern durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkt wird.

Auch der einfache Bundesgesetzgeber hat im Sinne des Berücksichtigungsprinzipes (vgl. VfSlg. 10292) auf die Aufgaben und Ziele der Bundesgrundsatzgesetzgebung Bedacht zu nehmen. Da dies nicht geschehen ist, widersprechen die angefochtenen Bestimmungen auch §7 Abs4 F-VG 1948.

1.1.7. Schlußfolgerung:

Aus den angeführten Wertungen der Gesamtrechtsordnung ergibt sich somit, daß die völlige Außerachtlassung der besonderen Situation großstädtischer Ballungsräume sachlich nicht gerechtfertigt ist und somit die Bestimmungen des §1 Abs1 erster Satz und des §7 BStFG 1996 (die Absätze der zuletztgenannten Bestimmung stehen miteinander in untrennbarem Zusammenhang, ebenso die Wortfolge 'und zeit' in §6, §9 Abs1 und 2, die Worte 'zeitabhängige Mauten und' in §10, §12 Abs1 Z2 und die Worte 'des §7,' in §15 BStFG 1996)

gleichheitswidrig sind bzw. gegen §7 Abs4 F-VG verstoßen.

1.1.8. Verordnungsermächtigung des §1 Abs2 BStFG 1996:

Die antragstellende Landesregierung verkennt dabei nicht, daß gemäß §1 Abs2 BStFG 1996 die Festlegung jener Bundesstraßenstrecken, für die erstmals eine fahrleistungsabhängige Maut einzuheben ist, nach Anhörung der betroffenen Bundesländer durch Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Finanzen zu erfolgen hat. Durch diese Verordnungsermächtigung kann die Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt werden, da eine verfassungskonforme Interpretation dahingehend, daß sämtliche Bundesstraßenstrecken in Wien mit Verordnung auszunehmen sind, im Gesetz keine Deckung findet. Offenbar soll mit der Verordnungsermächtigung nur eine zeitliche Staffelung der Einführung der fahrleistungsabhängigen Maut erreicht werden.

1.1.9. Persönlicher Geltungsbereich:

§1 Abs1 erster Satz und §7 BStFG 1996 sehen keine Ausnahmen für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern vor.

Gemäß §3 Abs2 BStFG 1996 betreffend die fahrleistungsabhängige Maut und §7 Abs10 BStFG 1996 betreffend die zeitabhängige Maut können durch Verordnung im öffentlichen Interesse Fahrzeuge bestimmter Benützergruppen, insbesondere die in ArtIV §10 Abs2 ASFINAG-Gesetz und §2 des Straßenbenützungsabgabegesetzes, BGBl. Nr. 629/1994, genannten, von der Mautpflicht ausgenommen werden.

Gemäß ArtIV §10 Abs2 ASFINAG-Gesetz sind Einsatzfahrzeuge und Fahrzeuge des Straßendienstes im Sinne der straßenpolizeilichen Vorschriften sowie Fahrzeuge des Bundesheeres oder der Heeresverwaltung, die bei einem Einsatz gemäß §2 des Wehrgesetzes 1990, BGBl. Nr. 305, zur Vorbereitung dieses Einsatzes oder zu Übungszwecken verwendet werden, von der Entgeltleistung ausgenommen.

Gemäß §2 Abs1 Z25 StVO 1960 ist ein Einsatzfahrzeug ein Fahrzeug, das auf Grund kraftfahrrechtlicher Vorschriften als Warnzeichen blaues Licht und Schallzeichen mit Aufeinanderfolgen verschieden hoher Töne führt, für die Dauer der Verwendung eines dieser Signale. Gemäß §26 Abs1 StVO 1960 dürfen diese Signale nur bei Gefahr im Verzug, z.B. bei Fahrten zum und vom Ort der dringenden Hilfeleistung oder zum Ort des sonstigen dringenden Einsatzes verwendet werden.

Aus dem Zusammenhalt dieser Gesetzesbestimmungen ergibt sich, daß Feuerwehr, Rettung oder Polizei, solange sie nicht als Einsatzfahrzeuge unterwegs sind, z.B. für Rückfahrten von Einsätzen oder Patrouillenfahrten, mautpflichtig sind. De facto müßten auch diese Einsatzfahrzeuge daher mit Mautvignetten ausgestattet werden bzw. nach Einführung der fahrleistungsabhängigen Maut mit entsprechenden Zähleinrichtungen ausgestattet werden. Ob weitere Ausnahmen 'im öffentlichen Interesse' (§3 Abs2 und §7 Abs10 BStFG 1996) zugelassen werden, wird einerseits vom Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen abhängig gemacht und kann andererseits auch schon deshalb nicht angenommen werden, weil es keine durchsetzbare Pflicht zur Erlassung einer Verordnung gibt.

Die mangelnde konkrete Ausnahme für Fahrzeuge der Feuerwehr und des Rettungsdienstes sowie das völlige Fehlen von Ausnahmen für Fahrzeuge im Auftrag einer Gebietskörperschaft behindern die Gemeinde und das Land Wien in der Erfüllung der ihnen von der Bundesverfassung übertragenen Aufgaben, insbesondere des Gemeindesanitätsdienstes und der örtlichen Feuerpolizei (Art118 Abs3 Z7 und 9 B-VG). Insbesondere die Donaubrücken, aber auch die anderen für den innerstädtischen Verkehr wesentlichen Stadtautobahnen sind für die Durchführung der genannten Aufgaben unerläßliche Voraussetzung. Auch dies unterscheidet Wien grundsätzlich von anderen Gemeinden.

Die genannten Bestimmungen sehen auch keine Ausnahmen für sonstige Verkehrsteilnehmer vor, für die die Benützung von Brücken und Stadtautobahnen in Wien eine unumgängliche Voraussetzung für die Ausübung ihres Gewerbes ist, z.B. Kraftfahrlinien, Taxis, Reparaturnotdienste, etc. Bei der Ausübung dieser Gewerbe kann sich unvorhergesehen die Notwendigkeit der Benützung der betroffenen Mautstrecken ergeben, z. B. beim Einspringen für durch Gebrechen ausgefallene Fahrzeuge. Wurden jene Fahrzeuge, die in diesem Fall zum Einsatz gelangen, nicht bereits vor

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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