Entscheidungsdatum
24.09.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
L516 2202821-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA Bangladesch, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zahl XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 03.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 04.08.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie nach Zulassung des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 26.06.2018 niederschriftlich einvernommen.
2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 idgF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV), stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V) und dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI). Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG wurde dem Beschwerdeführer vom BFA für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
3. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm 09.07.2018 zugestellten Bescheid des BFA fristgerecht am 02.08.2018 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Sachverhaltsfeststellungen
1.1. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren vor dem BFA zu seinen Ausreisegründen bei der Erstbefragung vor, er habe in Bangladesch ganz alleine gelebt, weshalb er von dort geflüchtet sei. Verwandte habe er in Bangladesch nicht, seine leiblichen Eltern seien verstorben, aber er habe Zieheltern. Außerdem habe er in Bangladesch illegale Zeitschriften verkauft, weshalb er von der Polizei mit dem Umbringen bedroht worden sei (AS 5). Bei der Einvernahme vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer auf das Wesentliche zusammengefasst vor, er sei von den leiblichen Kindern seiner Zieheltern (seinen Ziehgeschwistern) mit dem Tod bedroht und mit verschiedenen Waffen attackiert und schwer verletzt worden, da die Eltern die Erbschaft aufteilen haben wollen und dabei auch den Beschwerdeführer als ihren nicht leiblichen (Zieh-)Sohn berücksichtigen haben wollen. Es habe auch eine politisch motivierte Anzeige gegen den Beschwerdeführer gegeben, die von seinen Ziehgeschwistern aus Eifersucht erstattet worden sei. Der Beschwerdeführer sei Anhänger der BNP und seine Ziehgeschwister seien Anhänger der Awami League. Seine Zieheltern würden dem Beschwerdeführer geraten haben, das Land umgehend zu verlassen (AS 40f).
1.2. Der Beschwerdeführer brachte dem BFA bei der Einvernahme am 26.06.2018 ein Konvolut an fremdsprachigen Dokumenten in Vorlage, das im Protokoll der Einvernahme als Anzeigebestätigung betitelt wurde (AS 39). Die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente wurden vom BFA in Kopie zum Akt genommen (AS 49-80).
1.3. Das BFA erachtete das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen als unglaubhaft. Der Beschwerdeführer habe im Zuge der Erstbefragung und der Einvernahme zwei völlig unterschiedliche Fluchtvorbringen angegeben und dies mit einer fehlerhaften Übersetzung des Dolmetschers zu relativieren versucht, was dem BFA aber - mit näherer Begründung - als unglaubhaft erschienen sei. Da der Beschwerdeführer als Person unglaubwürdig sei, würden konkretere Ermittlungen zu seinem Vorbringen entfallen sein und sei auf eine Übersetzung der vorgelegten Anzeige gegen seine Person verzichtet worden. Es sei bei den Dokumenten von gekauften Gefälligkeitsschreiben auszugehen, die, wie es aus dem Länderinformationsblatt klar hervorgehe, in Bangladesch leicht erhältlich seien (AS 109).
2. Beweiswürdigung
Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakt zum gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten des Verwaltungsverfahrensaktes (AS) angeführt sind.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A)
Behebung des bekämpften Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl
3.1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).
3.2. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
3.3. Zu § 28 Abs 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).
3.4. Zum gegenständlichen Verfahren
3.4.1. Das BFA begründete im Rahmen der Beweiswürdigung die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers ausschließlich mit dem Verweis auf die Widersprüchlichkeit zwischen den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und der Einvernahme. Diese Widersprüche habe der Beschwerdeführer mit Verständnisschwierigkeiten mit dem Dolmetscher zu erklären versucht, was jedoch unglaubhaft sei, da alle anderen Angaben des Beschwerdeführers korrekt übersetzt worden seien. Der Beschwerdeführer sei daher "als Person insgesamt nicht glaubwürdig, weshalb seitens der Behörde konkretere Ermittlungen zu Ihrem vermeintlichen Vorbringen entfallen." (Bescheid, S 29)
3.4.2. Der Beschwerdeführer hat in seiner Einvernahme vor dem BFA am 26.06.2018 ein Konvolut an Dokumenten vorgelegt, welches sein zentrales Kernvorbringen belegen soll und nicht von vorneherein als ungeeignet erscheint (vgl dazu VwGH 17.03.2011, 2008/01/0266).
3.4.3. Das BFA hat sich jedoch darauf beschränkt, die im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderinformationen zu Bangladesch heranzuziehen und anzumerken, dass es sich bei den vorgelegten Dokumenten um "gekaufte Gefälligkeitsschreiben" handle, die in Bangladesch leicht erhältlich seien, wie es aus dem Länderinformationsblatt klar hervorgehe. Eine darüber hinausgehende Auseinandersetzung mit den zudem unübersetzt gebliebenen Dokumenten hat das BFA jedoch unterlassen, was vor dem Hintergrund der zuvor getroffenen Ausführungen als besonders gravierende Ermittlungslücke angesehen werden muss. Dies deshalb, da es entgegen der Annahme des BFA nicht ausreichend ist, sich auf eine allgemeine Berichtslage in Bezug auf die Erlangbarkeit ge- bzw verfälschter Dokumente zurückzuziehen, da die Berichtslage alleine nicht zu einem Automatismus führen kann, Beweismittel aus Bangladesch von vornherein als nicht beweiskräftig zu qualifizieren. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt ein bloß allgemeiner Verdacht nicht, um im Verfahren vorgelegte Urkunden generell den Beweiswert abzusprechen (VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0083).
3.4.4. Das BFA wird jedenfalls die Übersetzung der vorgelegten Dokumente zu veranlassen und sich mit der Echtheit und dem Inhalt der vorgelegten Bescheinigungsmittel - so diese das Vorbringen des Beschwerdeführers stützen - in der gehörigen Weise auseinanderzusetzen zu haben.
3.4.5. Ohne Nachholung der hier aufgezeigten und für die Prüfung notwendigen Tatsachenerhebungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt entsprechend entscheidungsrelevant ermittelt wurde.
3.4.6. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass durch die Zurückverweisung das Verfahren in die Lage zurücktritt, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befand, sodass das BFA das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen - im gegenständlichen Fall somit die Beschwerdeausführungen - zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw vervollständigt werden.
3.4.7. Nach Durchführung der demnach allenfalls erforderlichen und geeigneten Ermittlungen werden dem Beschwerdeführer vom BFA die Ermittlungsergebnisse und insbesondere auch entscheidungsrelevante, aktuelle und auf den festgestellten Sachverhalt abgestimmte Länderfeststellungen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist zur Kenntnis zu bringen sein. In weiterer Folge wird das BFA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.
3.4.8. Auch unter Effizienzgesichtspunkten verbietet sich eine Heranziehung des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG, zumal die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Verwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Im Gegenteil ist angesichts der erforderlichen Beweisaufnahme und der grundsätzlich gegebenen Verhandlungspflicht nicht anzunehmen, dass die zur Erforschung der materiellen Wahrheit ergänzenden Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Wobei es bei der Beurteilung der Kostenersparnis und Raschheit darüber hinaus nicht auf die Auswirkungen auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die jeweilige konkrete Amtshandlung ankommt. Dass die Zurückverweisung den gesamten Verfahrensverlauf verlängert, ist bei der Zeit- und Kostenersparnis nicht in Rechnung zu stellen, weil ansonsten eine kassatorische Entscheidung nie in Frage käme (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 20 mwN).
3.5. Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.
Entfall der mündlichen Verhandlung
3.6. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Revision
3.7. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.
3.8. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2202821.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018