TE Bvwg Beschluss 2018/9/25 L516 2202243-1

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Veröffentlicht am 25.09.2018
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Entscheidungsdatum

25.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L516 2202243-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb XXXX, StA Bangladesch, vertreten durch Dr. Andreas WALDHOF, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2018, Zahl XXXX, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 22.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 22.10.2016 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie nach Zulassung des Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 25.07.2017 niederschriftlich einvernommen.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 idgF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV), stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V) und dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI). Mit gleichzeitiger Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG wurde dem Beschwerdeführer vom BFA für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

3. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm 28.06.2018 zugestellten Bescheid des BFA fristgerecht am 24.07.2018 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 22.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach der Erstbefragung wurde der Beschwerdeführer dazu vom BFA bei der Einvernahme vom 25.07.2017 einmal befragt. Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages zusammengefasst vor, homosexuell zu sein, in Bangladesch beim Geschlechtsakt mit einem Freund erwischt worden zu sein, und in Österreich die Lila Villa sowie einschlägige Lokale zu besuchen. Mit Bescheid vom 22.06.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Pakistan zulässig sei.

1.2. Das BFA erließ den gegenständlichen Bescheid vom 22.06.2018 knapp ein Jahr nach der zuletzt am 25.07.2017 durchgeführten Einvernahme, ohne seither bis zum Entscheidungszeitpunkt aktuelle Ermittlungen zur Rückkehrbefürchtung, zum Privat- und Familienleben, zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers sowie zu den für die Entscheidung über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und Abschiebung des Beschwerdeführers erforderlichen Faktoren durchgeführt zu haben.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt war aufgrund des vom BFA vorgelegten und diesbezüglich unverdächtigen Verwaltungsverfahrensaktes der Behörde zu treffen.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Behebung des bekämpften Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

3.1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

3.2. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.3. Zu § 28 Abs 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

3.4. Zum gegenständlichen Verfahren

3.4.1. Fallbezogen sind zwischen der ersten und gleichzeitig letzten Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA am 25.07.2017, bei der der Beschwerdeführer zuletzt zu seiner Rückkehrbefürchtung und seinem Privat- und Familienleben befragt wurde, und der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides vom 22.06.2018 mit der Zustellung am 28.06.2018 knapp ein Jahr vergangen. Dennoch hat das BFA den gegenständlich bekämpften Bescheid ohne weitere Einvernahme des Beschwerdeführers und ohne Überprüfung, ob sich an der individuellen Situation des Beschwerdeführers in Hinblick auf seine Rückkehrbefürchtung, seinen Gesundheitszustand sowie sein Privat- und Familienleben etwas geändert hat, erlassen. Eine zum Entscheidungszeitpunkt zeitnahe Befragung des Beschwerdeführers zu seiner derzeitigen individuellen Situation wäre jedoch im vorliegenden Fall unerlässlich gewesen und muss dieses Versäumnis des BFA als besonders gravierende Ermittlungslücke angesehen werden, weshalb nicht von einem geklärten Sachverhalt ausgegangen werden kann.

3.4.2. Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren eine neuerliche Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durchzuführen haben und den Beschwerdeführer in dieser zu seine aktuellen Rückkehrbefürchtung, seinem Gesundheitszustand sowie seinem Privat- und Familienleben zu befragen haben; er wird dabei auch zur Vorlage von Bescheinigungsmitteln aufzufordern sein und nach Durchführung der demnach allenfalls anschließenden weiteren erforderlichen, geeigneten und angemessenen Ermittlungen werden dem Beschwerdeführer vom BFA die Ermittlungsergebnisse und insbesondere auch entscheidungsrelevante, aktuelle und auf den festgestellten Sachverhalt abgestimmte Länderfeststellungen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist zur Kenntnis zu bringen sein. In weiterer Folge wird das BFA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

3.4.3. Auch unter Effizienzgesichtspunkten verbietet sich eine Heranziehung des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG, zumal die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Verwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Im Gegenteil ist angesichts der erforderlichen Beweisaufnahme und der grundsätzlich gegebenen Verhandlungspflicht nicht anzunehmen, dass die zur Erforschung der materiellen Wahrheit ergänzenden Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Wobei es bei der Beurteilung der Kostenersparnis und Raschheit darüber hinaus nicht auf die Auswirkungen auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die jeweilige konkrete Amtshandlung ankommt. Dass die Zurückverweisung den gesamten Verfahrensverlauf verlängert, ist bei der Zeit- und Kostenersparnis nicht in Rechnung zu stellen, weil ansonsten eine kassatorische Entscheidung nie in Frage käme (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 20 mwN).

3.5. Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.6. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Revision

3.7. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.8. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Befragung, Einvernahme, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
persönliche und soziale Bindungen, Rückkehrsituation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2202243.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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