TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/25 L502 2153064-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.2018
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Entscheidungsdatum

25.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L502 2153064-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, vertreten durch RA Mag. Reichenbach, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2017, FZ. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.04.2018, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 03.07.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 05.07.2015 fand seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, danach wurde das Verfahren zugelassen.

3. Am 24.08.2015 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Vorarlberg, einvernommen.

4. Er legte der Behörde als Identitätsnachweise einen Personalausweis und einen Staatsbürgerschaftsnachweis vor, die am 17.05.2016 einer urkundentechnischen Untersuchung zugeführt wurden, wobei der Personalausweis einer Mitteilung vom 12.03.2017 folgend als unbedenklich bewertet wurde und den Staatsbürgerschaftsnachweis betreffend kein Ergebnis im Akt auffindbar war. Als weitere Beweismittel legte er eine irakische Meldebescheinigung und eine Lebensmittelbezugskarte, Deutschkursbesuchsbestätigungen, ein Prüfungszeugnis auf dem Niveau A1 und weitere Integrationsbescheinigungen vor. Die von ihm als Beweise für sein Vorbringen zu seinen Ausreisegründen vorgelegten Urkunden in arabischer Sprache wurden einer amtswegigen Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt und beides zum Akt genommen.

5. Zu den ihm in der Einvernahme ausgefolgten länderkundlichen Feststellungen der Behörde nahm er mit Schriftsatz einer bevollmächtigten Vertretung vom 04.11.2016 Stellung.

6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde sein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I. und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt, unter einem wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 und 3 FPG wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

7. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 20.03.2017 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

8. Gegen den ihm am 21.03.2017 zugestellten Bescheid des BFA wurde mit Schriftsatz seiner damaligen Vertretung vom 04.04.2016 innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

Der Beschwerde wurden als weitere Beweismittel - jeweils in Kopie - diverse Fotos, irakische Ausbildungsnachweise in arabischer und in englischer Sprache, Zivilregisterauszüge seiner Gattin und seiner Kinder sowie eine als Strafregisterauszug bezeichnete Urkunde in arabischer Sprache beigelegt.

9. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 13.04.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das Verfahren in der Folge der vormals zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

10. Am 01.06.2017 legte die vormalige anwaltliche Vertretung des BF dem BVwG nochmals die bereits vor Bescheiderlassung beigebrachten arabischen Urkunden sowie deren Übersetzung in die deutsche Sprache vor.

11. Mit Schriftsatz vom 13.11.2017 brachte diese Vertretung beim BVwG einen Fristsetzungsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein. Dieser Antrag wurde mit Beschluss des BVwG vom 1711.2017 als unzulässig zurückgewiesen, worauf die Vertretung des BF am 22.11.2017 einen Vorlageantrag einbrachte. Beide Anträge wurden vom BVwG am 24.11.2017 dem VwGH vorgelegt. Mit Beschluss vom 11.12.107 wies auch der VwGH den Fristsetzungsantrag des BF als unzulässig zurück.

12. Am 06.04.2018 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung in der gg. Beschwerdesache im Beisein des BF sowie seiner nunmehrigen anwaltlichen Vertretung durch, in der weitere Beweismittel in der Form eines Sprachprüfungszertifikats auf dem Niveau B1, eines bedingten Dienstvertrags sowie verschiedener Fotos vorgelegt wurden.

Die vom Gericht ins Verfahren eingeführten länderkundlicher Informationen zum Herkunftsstaat betreffend beantragte die Vertretung des BF eine Frist zur Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme. Eine solche langte bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht beim BVwG ein.

13. Am 26.04.2018 und am 25.05.2018 langten beim BVwG im Wege der Vertretung des BF weitere Integrationsnachweise ein.

14. Vom BVwG wurden aktuelle Auszüge aus dem Informationssystem Zentrales Fremdenregister, dem Grundversorgungsinformationssystem, dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister erstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der sunnitischen Glaubensrichtung und verheiratet.

Der Ehe mit einer irakischen Staatsangehörigen entstammen zwei Kinder im Alter von derzeit ca. neun und sieben Jahren. Gattin und Kinder leben weiterhin im Irak, ebenso seine Mutter sowie vier verheiratete Schwestern. Ihr genauer aktueller Aufenthaltsort war nicht feststellbar. Darüber hinaus lebt auch eine nicht näher bekannte Zahl an Onkel und Tanten des BF im Irak.

Er stammt aus dem Stadtteil XXXX von XXXX. Er besuchte von 1992 bis 2004 die Schule und absolvierte nach der Matura bis 2006 eine medizinisch-technische Ausbildung zum Anästhesisten, die er am 03.09.2006 erfolgreich abschloss. Ab 2007 war er als Anästhesie-Assistent in einem Krankenhaus namens XXXX in XXXX im Stadtteil XXXX berufstätig. Wann er genau diese Tätigkeit beendete, war nicht feststellbar. Zuletzt vor der Ausreise war er mit seinen Angehörigen im Stadtteil XXXX wohnhaft.

Er reiste am 01.05.2015 auf dem Luftweg aus dem Irak in die Türkei aus und gelangte anschließend schlepperunterstützt über Griechenland bis nach Österreich, wo er am 03.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.

Er bezieht seit der Einreise in das Bundesgebiet bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Er hat Deutschkurse auf den Referenzniveaus A1 und B1 erfolgreich absolviert und verfügt über sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache. Er betätigte sich im Gefolge seiner Einreise ehrenamtlich in seiner vormaligen Wohnsitzgemeinde im Rahmen der Betreuung von Asylwerbern und anderer gemeinnütziger Tätigkeiten sowie beim Roten Kreuz und wohnt seit ca. einem halben Jahr privat in XXXX. Dort erhielt er eine bedingte Einstellungszusage als Ordinationsgehilfe. Er nimmt seit Mai 2018 auch an einem Werte- und Orientierungskurs teil.

Er ist bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es war nicht feststellbar, dass der BF, wie von ihm behauptet wurde, gemeinsam mit seinen Familienangehörigen im August 2014 am früheren Wohnsitz der Familie in XXXX einem gezielten Anschlag ausgehend von Mitgliedern einer schiitischen Miliz ausgesetzt war.

Eine aus diesem Vorbringen behaupteter Weise resultierende Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Irak war sohin nicht feststellbar.

Es war auch nicht feststellbar, dass der BF im Zusammenhang mit seiner früheren beruflichen Tätigkeit in XXXX als Anästhesist vor seiner Ausreise aus dem Irak einer von ihm behaupteten individuellen Verfolgung durch Dritte, im Genaueren durch frühere Mitarbeiter einer Klinik, in der er beschäftigt war, ausgesetzt war.

Eine aus diesem Vorbringen behaupteter Weise resultierende Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Irak war ebenso nicht feststellbar.

1.3. Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um XXXX sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.05.2018 noch ca. 2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,8 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. 83 % der im März und April 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 119.000 Binnenvertriebenen stammten alleine aus der Provinz Ninava, weitere Schwerpunkte für Rückkehrende sind Anbar mit den Bezirken Fallujah, Ramadi und Heet, Salah al-Din mit den Bezirken Tikrit und Al Shirqat und Kirkuk.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogen. Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an XXXX anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in XXXX und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 mußte der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mit zustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk. Am 15.10.2017 wurden die in Kirkuk stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogen. der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus Kirkuk zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen XXXX via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via XXXX möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt geworden.

Die Sicherheitslage im Großraum XXXX war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Seit 2016 kam es jedoch im Stadtgebiet von XXXX zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. So wurden am 13. und 15. Jänner 2018 von Selbstmordattentätern zwei Sprengstoffanschläge auf öffentliche Plätze in XXXX verübt, deren genaue Urheber nicht bekannt wurden. Für den Großraum XXXX sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet nur mehr wenige sicherheitsrelevante Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden. Zuletzt kam es am 06.06.2018 im Stadtteil Sadr-City zu einem Anschlag unbekannter Täter auf eine Moschee, bei dem 18 Menschen starben und 90 verletzt wurden.

(Quellen: Institute for the Study of War; IOM Iraq; IFK - Institut für Friedensforschung und Konfliktmanagement; Spiegel.online; Tagesschau.de; tripadvisor.com)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, die Einsichtnahme in die von ihm vorgelegten Urkunden und sonstigen Beweismittel, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Heranziehung aktueller länderkundlicher Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat durch das BVwG sowie durch amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, regionale Herkunft und soziale wie wirtschaftliche Verhältnisse des BF und seiner Angehörigen im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie aktuell in Österreich wie auch im Irak konnten auf der Grundlage seiner persönlichen Angaben vor dem BFA und dem BVwG in der Zusammenschau mit dem Inhalt der von ihm beigebrachten Beweismittel und den vom BVwG zuletzt erstellten Datenbankauszügen festgestellt werden.

Was den aktuellen Aufenthaltsort seiner nächsten Angehörigen im Irak, im Genaueren seiner Mutter, seiner Gattin und seiner beiden Kinder, angeht, blieben seine Angaben dazu in der mündlichen Verhandlung sehr vage. Hatte er in seiner erstinstanzlichen Einvernahme im Jahr 2015 noch angegeben, dass diese Angehörigen in XXXX im Stadtviertel "XXXX" im Stadtteil XXXX in einer seiner Großmutter gehörenden Wohnung leben - diese vormaligen Umstände bestätigte er auch in der Verhandlung - und er mit diesen in täglichem Kontakt stehe, vermeinte er in der Verhandlung auf Nachfrage vorerst, diese würden sich irgendwo in XXXX aufhalten, er habe aber nur gelegentlich Kontakt zu ihnen und würden sie ständig ihren Wohnort wechseln, weshalb er ihren genauen aktuellen Wohnort nicht kenne. "Einmal" hätten sie ihm aber mitgeteilt, dass sie sich in einem "Flüchtlingslager" aufhalten. Die Frage, in welchem Lager sie sich denn aufhalten, vermochte er trotz seines gelegentlichen Kontakts mit ihnen, aber nicht zu beantworten. Im Lichte dessen war lediglich feststellbar, dass sie sich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit - an derzeit nicht näher bekannten Örtlichkeiten - in XXXX aufhalten, zumal ein Aufenthaltsort außerhalb XXXXs von ihm auch nicht behauptet wurde.

In ähnlicher Form replizierte der BF auf die Frage nach dem Aufenthaltsort seiner Schwestern, was das Gericht zur entsprechenden Feststellung veranlasste.

Dass es schließlich noch weitere entfernte Verwandte des BF in Form von Onkel und Tanten im Irak gibt hat er ebenso in der Beschwerdeverhandlung dargelegt.

2.3. Die Feststellungen zu seiner vormaligen beruflichen Tätigkeit im Irak vor seiner Ausreise stützen sich ebenso auf seine persönlichen Angaben vor dem BFA und dem BVwG in der Zusammenschau mit dem Inhalt der von ihm beigebrachten Beweismittel, wobei im Einzelnen dazu wie folgt auszuführen ist:

Als Nachweis für die behauptete frühere Tätigkeit als Anästhesieassistent legte er - unter einem mit seiner Beschwerde - beglaubigte Ausbildungszeugnisse in arabischer und englischer Sprache vor. Im Lichte dieser Beweismittel war in der Zusammenschau mit seinen Aussagen dazu vor dem BVwG zu den Feststellungen oben zu gelangen, zumal dem erkennenden Gericht auch diese Aussagen des BF zu seiner konkreten Tätigkeit als Anästhesist in der Zusammenschau mit den dazu in der Verhandlung vorgelegten Fotos als plausibel erschienen, und wurde dieser Sachverhalt vom BF insgesamt widerspruchsfrei dargestellt.

Hatte er somit nachvollziehbar gemacht, dass er im Gefolge seiner Ausbildungszeit ab 2007 dieser beruflichen Tätigkeit nachgegangen war, wurde nicht erkennbar, wo er bis wann genau als Anästhesist tätig war. Hatte er vor dem BFA dazu noch angegeben, er habe an zwei verschiedenen Kliniken in XXXX gearbeitet (AS 85), behauptete er demgegenüber in der Beschwerdeverhandlung, er habe an einer näher genannten Klinik in XXXX im Mai 2007 eine Arbeitsstelle angenommen und genau diese bis August 2014, als er wegen einer Drohung gegen ihn seine berufliche Tätigkeit beendete habe, innegehabt. Dieser Widerspruch blieb unaufgelöst bestehen. Keine belastbaren Angaben konnte der BF daher auch zu Zeitpunkt und Ablauf der Beendigung dieser Tätigkeit machen, ebenso wie er dazu keine sonstigen Beweismittel beibrachte. Zu vage waren auch seine Aussagen dahingehend, dass er dieser Tätigkeit "bis zur gegen ihn gerichteten Drohung" nachgegangen sei, nicht zuletzt, weil diese behaupteten Drohungen als solche nicht feststellbar waren. Soweit er diesen Aspekt in einen Zusammenhang mit den von ihm behaupteten Rückkehrbefürchtungen brachte, ist auf die nachfolgenden Ausführungen zu verweisen.

2.4. Zu den Feststellungen oben unter 1.2. gelangte das BVwG aus nachstehenden Erwägungen:

2.4.1. Anlässlich seiner Erstbefragung führte der BF hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass er - zu einem nicht genannten Zeitpunkt an einem nicht genannten Ort - gemeinsam mit seiner Gattin und seinen Kindern in seinem PKW unterwegs gewesen sei, als von mutmaßlichen Mitgliedern der schiitischen Miliz Asaeb Ahl Alhak auf sein Fahrzeug geschossen worden sei, wofür er auch Fotos als Beweise habe. Seine Kinder seien dabei verletzt worden. Sein Vater sei schon vor längerer Zeit erschossen worden. Er habe seinen Herkunftsstaat "wegen seiner Religion" verlassen.

In seiner erstinstanzlichen Einvernahme führte er auf Befragen den genannten Vorfall, der sich am 02.08.2014 ereignet habe, im Einzelnen weiter aus. Er habe diesen auch der Polizei angezeigt. Einen aus Sicherheitsgründen in Betracht gezogenen Ortswechsel habe er aus administrativen Gründen nicht vollziehen können. Als seine Familie schließlich einen Drohbrief mit der Aufforderung den Wohnsitz zu räumen erhalten habe, sei er mit seinen Angehörigen zu seiner Großmutter gezogen. Nachdem er selbst auch von seinem Vorgesetzten in der Klinik und von einem Unbekannten telefonisch bedroht worden sei, habe er sich zur Ausreise entschlossen. Die Ausreise habe er erst am 01.05.2015 angetreten. Bei einer Rückkehr befürchte er von der Miliz Asaeb Ahl Alhak verfolgt zu werden.

Zu einem nicht aktenkundigen Zeitpunkt des erstinstanzlichen Verfahrens legte er als Beweise für sein Vorbringen mehrere Urkunden in Farbkopie und in arabischer Sprache samt deutschsprachiger Übersetzung vor (AS 111 - 148) vor, die sich auf den genannten Vorfall vom 02.08.2014 beziehend polizeiliche und medizinische Unterlagen darstellten.

2.4.2. Die belangte Behörde erachtete im Rahmen ihrer Entscheidungsbegründung dieses Vorbringen mangels Nachvollziehbarkeit und Plausibilität als nicht glaubhaft. Insbesondere stützte sie sich dabei auf die Erwägungen der von ihr festgestellten Steigerung des Vorbringens von der Erstbefragung hin zur Einvernahme, der zeitlichen Differenz zwischen dem behaupteten Vorfall am 02.08.2014 und dem Zeitpunkt der Ausreise am 01.05.2015 und der mangelnden Beweiskraft der vom BF vorgelegten Beweismittel.

2.4.3. In der Beschwerde wurde das erstinstanzliche Vorbringen bloß in seinen Grundzügen wiederholt.

2.4.4. In einer Gesamtbetrachtung dieses Vorbringens des BF durch das erkennende Gericht fiel zum einen auf, dass er anläßlich seiner Erstbefragung als Flucht auslösend ausschließlich ein Geschehen ins Treffen führte, das sich auf einen - in der späteren Einvernahme auf den 02.08.2014 datierten - Anschlag auf seine Familie beschränkte, dem er einen nicht näher nachvollziehbaren religiösen Hintergrund zuschrieb. In seiner Einvernahme vermeinte er, dass die Urheber des Anschlags einer namentlich genannten schiitischen Miliz angehört hätten, zumal er deren "Logo" auf dem Täterfahrzeug erkannt habe. Für das BVwG erhellte nicht, weshalb er im Lichte dieser dargelegten Einzelheiten die mutmaßlichen Urheber des Anschlags und Verfolger seiner Familie nicht bereits in der Erstbefragung genannt hat. Auch wenn es in einer Erstbefragung noch keiner detaillierten Wiedergabe der Flucht auslösenden Ereignisse bedarf, so sollten von einem Antragsteller dennoch die wesentlichen Eckpunkte des "Wer, was, wann und wo" dieser Ereignisse genannt werden. Dass der BF aber gerade die mutmaßlichen Verfolger in der Erstbefragung nicht anführte, weckte bereits Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens.

In seiner Einvernahme erweiterte er das bisherige Vorbringen zu seinen Ausreisemotiven, das er in diesem Zusammenhang als Vertreibung der Familie des BF aus ihrem bisherigen Umfeld in einen anderen Stadtteil darstellte, durch Drohungen eines früheren Vorgesetzten und eine telefonische Drohung eines Unbekannten. Dieses neue Vorbringen wurde in der Einvernahme nicht weiter erörtert. Dennoch fiel diese bruchstückhafte Erweiterung der Ausreisegründe insoweit auf, als damit das bisherige Geschehen, das lediglich den erwähnten Anschlag auf das Fahrzeug des BF beinhaltet hatte, um ein ganz neues, wenn auch noch nicht näher erläutertes Element ergänzt wurde, das ungeachtet hier noch fehlender zeitlicher Einordnung offenbar eine weitere kausale Verknüpfung zwischen dem Vorfall im August 2014 und der Ausreise im Mai 2015 herstellen sollte. Auch dies war der Glaubhaftigkeit des Vorbringens des BF insgesamt nicht zuträglich.

2.4.5. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde das erstinstanzlich vom BF dargebotene Geschehen nochmals erörtert. Im Zuge dessen führte er aus, er habe seine Beschäftigung als Anästhesist in einer Klinik in XXXX beendet, nachdem er mehrmals bedroht worden sei. Diese Drohungen seien von einem Verwaltungsangestellten der Klinik ausgegangen, nachgefragt datierte er die Drohungen auf einen Zeitpunkt kurz nach dem Anschlag vom 02.08.2014. Auf weitere Nachfrage behauptete er, er sei auch schon vor dem 02.08.2014 mehrmals vom Direktor der Klinik sowie von einem Sicherheitsbeamten belästigt bzw. eingeschüchtert worden, und bejahte im Anschluss daran die Frage, ob man ihn denn von seinem Arbeitsplatz vertreiben habe wollen. Weitere konkrete Flucht auslösende Ereignisse bis zur Ausreise am 01.05.2015 verneinte er.

In Ansehung dieser Ausführungen des BF blieben sohin als von ihm behauptete Ereignisse, die seine Ausreise im Mai 2015 veranlasst hätten, ein Anschlag auf ihn und seine Angehörigen am 02.08.2014 durch mutmaßliche Angehörige einer schiitischen Miliz, der zur Vertreibung aus dem früheren Wohnsitz geführt habe, sowie mehrere Drohungen bzw. Einschüchterungen aus seinem beruflichen Umfeld ebenso im Zeitraum um den August 2014 im Raum stehen. Ungeachtet der Frage nach der Glaubhaftigkeit dieser Ereignisse im Einzelnen bestätigte sich im Lichte dessen die schon von der belangten Behörde getroffene Schlussfolgerung, dass es dem Vortrag des BF an einem in zeitlicher und kausaler Hinsicht nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen den von ihm behaupteten Vorfällen und seiner tatsächlichen Ausreise mangelte, was ebenso gegen die Annahme eines glaubhaften Bedrohungsszenarios sprach.

Dazu kam, dass der BF nicht nachvollziehbar machen konnte, weshalb es für ihn selbst angesichts einer gegen Ende der Verhandlung vage als "ständige Angst getötet zu werden" umschriebenen Bedrohung nicht möglich gewesen sei sich weiter in seinem Herkunftsstaat aufzuhalten, er aber seine Gattin und seine Kinder trotz eines behaupteten Anschlags auf die ganze Familie, deren Vertreibung aus dem früheren Umfeld und der seinen weiteren Aussagen vor dem BVwG nach weiterhin bestehenden bzw. ständigen Gefahr für seine Angehörigen, die letztlich auch für einen ständigen Wechsel ihres Quartiers nach seiner Ausreise verantwortlich gewesen sei, zurückgelassen hat. Dem Vorhalt dieser Erwägung vermochte er in der Beschwerdeverhandlung keine schlüssige Argumentation entgegen zu setzen.

2.4.6. Über diese Erwägungen zur fehlenden Kausalität der behaupteten Ausreisegründe sowie der fehlenden Plausibilität des Vortrags hinaus fielen im Einzelnen auch mehrere Widersprüche negativ ins Gewicht.

So hatte der BF in seiner Einvernahme noch von Drohungen eines früheren Vorgesetzten und einer telefonischen Drohung eines Unbekannten gesprochen, während er in der Beschwerdeverhandlung von eher harmlosen Belästigungen bzw. Einschüchterungen des Direktors der Klinik sowie einer telefonischen Drohung eines Verwaltungsangestellten der Klinik sprach.

Was die näheren Umstände des behaupteten Anschlags auf seine Familie angeht, vermeinte er in seiner Einvernahme, das Täterfahrzeug habe hinter seinem Fahrzeug geparkt, nachdem er seines angehalten habe und seine Gattin schon ausgestiegen sei, nach dem Anschlag sei das Täterfahrzeug wieder weggefahren. In den von ihm vorgelegten polizeilichen Unterlagen fand sich demgegenüber die Darstellung, dass der BF angegeben habe, sie seien damals von einem vorüberfahrenden Fahrzeug überrascht worden, aus dem auf die Familie geschossen worden sei. Dies unterschied sich wiederum vom Inhalt einer Urkundenvorlage vom 01.06.2017, wo sich die Darstellung fand, dass der BF mit seinen Angehörigen gerade seine Haustür öffnete, als aus einem dort bereits geparkten Fahrzeug auf sie geschossen worden sei.

Auch was die behaupteten Verletzungen der Kinder des BF angeht, stellte sich der Sachverhalt im Lichte der Beweismittel widersprüchlich dar. In seiner Einvernahme brachte er vor, beim Beschuss des Fahrzeugs sei sein Sohn am Rücken und seine Tochter am Bein verletzt worden, wobei unklar blieb, ob es dabei um direkte Schussverletzungen oder indirekte Verletzungen gegangen sei. Von ihm vorgelegte Fotos zeigten demgegenüber offenkundig seinen Sohn, der - in nicht näher ersichtlicher Weise - seitlich im vorderen Brustkorbbereich verletzt wurde. Einem im Rahmen der Urkundenvorlage vom 01.06.2017 beigebrachten medizinischen Bericht folgend erlitten jedoch die Tochter des BF "beim Knöchel Kratzer und Quetschungen" in geringfügigem Ausmaß und der Sohn ebensolche am linken Oberschenkel, eine Ursache für die Verletzungen wurde dort nicht angegeben.

Schon in Anbetracht dieser inhaltlichen Widersprüche kam den genannten Beweismitteln kein maßgeblicher Beweiswert mehr zu, zudem war nicht außer Acht zu lassen, dass derlei Urkunden notorischer Weise im Irak in jedweder Form, sei es als Totalfälschung oder sei es als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, gegen Bezahlung erhältlich sind, weshalb sie generell mit größter Skepsis zu bewerten sind.

2.4.7. In einer Gesamtsicht dieser Erwägungen war sohin für das Gericht nicht feststellbar, dass es zum behaupteten Anschlag auf den BF und seine Angehörigen gekommen war. Gleiches traf auf die von ihm behaupteten Drohungen in seinem beruflichen Umfeld zu.

Er konnte damit weder glaubhaft darlegen, dass er aus behaupteten Gründen einer Bedrohung durch Angehörige einer schiitischen Miliz ausgesetzt war oder einer Verfolgung durch diese bei einer Rückkehr ausgesetzt wäre noch, dass er im Gefolge seiner Rückkehr von Angehörigen seines früheren beruflichen Umfelds verfolgt werde.

2.4.8. Ein spezifisches Eingehen auf länderkundliche Informationen zu behaupteten Übergriffen schiitischer Milizen auf Privatpersonen, wie sie im Rahmen der Beschwerde sowie einer Stellungnahme des BF in den Raum gestellt wurden, war im Lichte dessen obsolet.

2.5. Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG zur allgemeinen Lage im Irak stützen sich auf das Amtswissen des erkennenden Gerichtes und die als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignisse im Irak in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Der Lageeinschätzung des Gerichts wurde zuletzt im Beschwerdeverfahren auch nicht mittels einer in der mündlichen Verhandlung von der Vertretung des BF noch in Betracht gezogenen Stellungnahme entgegengetreten.

Den Feststellungen des Gerichts war auch kein über die oben erörterten, vom BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, mit seinem Vorbringen glaubhaft darzulegen, dass er aus asylrelevanten Gründen seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder aus diesen Gründen bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

1.3. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde gegen Spruchteil I des angefochtenen Bescheides spruchgemäß abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex:

"Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes - lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesem nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

2.2. Aus dem erstinstanzlich festgestellten Sachverhalt ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für den Beschwerdeführer nicht vorlagen:

Stichhaltige Hinweise darauf, dass dieser im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, kamen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervor.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Gerichts oben unter Punkt

1.1. liegen im gg. Fall auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme einer die physische Existenz des BF nur unzureichend sichernden Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), vor. Dies zum einen angesichts seiner eigenen Selbsterhaltungsfähigkeit und zum anderen in Anbetracht des weiteren Lebenswandels der nächsten Angehörigen im Gefolge seiner Ausreise von 2015 bis dato, der mangels gegenteiligen Vorbringens offenkundig nicht von einer fehlenden Lebensgrundlage geprägt war, sowie des Aufenthalts weiterer Verwandter des BF in seiner Heimat.

Es kamen auch keine gravierenden akuten Erkrankungen des BF hervor.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.

Auch konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunft

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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