TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/26 W241 2185044-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

26.09.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W241 2185044-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2018, Zahl 1101424503-160043065, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.07.2018 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 26.09.2019 erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär in Österreich ein und stellte am 11.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Eine EURODAC-Abfrage ergab eine erkennungsdienstliche Behandlung des BF in Griechenland.

1.2. In seiner Erstbefragung am 11.01.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus der Provinz Helmand (Afghanistan), sei Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, moslemischen Glaubens und verwitwet. In Afghanistan sei noch ein Bruder aufhältig, seine Söhne seien wie seine Ehefrau bereits verstorben.

Vor ca. einem Monat hätte er Helmand verlassen und wäre über Pakistan, den Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gelangt.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er ein Lebensmittelgeschäft gehabt hätte, zu dessen Kundschaft auch Taliban gehört hätten. Diese wären verhaftet worden, woraufhin ihn ein bei der Polizei tätiger Freund angerufen und gewarnt hätte. Er solle das Land verlassen, da ihn einerseits die Taliban verdächtigen würden, sie verraten zu haben, und andererseits beschuldige ihn die Polizei der Zusammenarbeit mit den Taliban.

1.3. Bei seiner Einvernahme am 21.12.2017 vor dem BFA, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, gab der BF im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Niederschrift, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"LA [Leiter der Amtshandlung]: Aus welchem Grund verließen Sie Ihr Heimatland? Schildern Sie dies bitte möglichst lebensnah, d.h. mit sämtlichen Details und Informationen, sodass die Behörde Ihr Vorbringen nachvollziehen kann! Nehmen Sie sich dafür ruhig Zeit!

VP [Verfahrenspartei]: Wenn ich mein Land verlassen wollte, hätte ich das in den letzten 60 Jahren gemacht. Ich wollte das Land nicht verlassen. Ich hatte eine Schwierigkeit. Vor meinem Geschäft gab es ein anderes Geschäft. Er hat das gleiche verkauft wie ich. Ich hatte mehr Umsatz, also mehr verkauft als er. Wir waren in Konkurrenz miteinander. Wir haben auch verbal gestritten wegen den Kunden. Er war neidisch auf mich und sagte, ich würde mit den Taliban zusammenarbeiten. Das stimmt nicht, ich bin ein einfacher Mann und habe nichts mit den Taliban zu tun. Als ich aufgebrochen bin, bin ich nach Nimruz zu dem Haus meines Onkels. Ich habe einen Bekannten gehabt, der war bei der Polizei, und er hat mich angerufen und sagte, ich soll für einige Zeit weggehen. Vor meinem Geschäft haben sie einige Leute aufgegriffen gehabt und auf die Kommandantur gebracht um zu sehen, ob sie Taliban sind oder nicht.

Diese Feindschaft besteht schon sehr lange, schon aus der Zeit des Kommunismus. Ich bin dann nach Nimruz. Ich war zwei Tage bei meinem Onkel (m). Der Schlepper hat mich dann nach Saidan gebracht. Ich war eine Nacht dort und wurde dann nach Teheran gebracht. Mein Onkel hat dann aus Nimruz den Schlepper angerufen und gefragt, ob ich in Teheran bin. Das waren meine Gründe.

LA: Haben Sie somit alle Ihre Gründe für die Asylantragsstellung genannt?

VP: Das sind alle Gründe, mehr kann ich nicht dazu angeben.

LA: Vor was genau hatten Sie jetzt Angst?

VP: Weil dieser andere eine Feindschaft mit mir hatte. Und er hatte den Behörden gesagt, dass ich mit den Taliban zusammenarbeite. Ich hatte Angst, dass die Behörden mein Geschäft schließen.

LA: Was ist mit denen passiert, die auf die Kommandantur gebracht wurden?

VP: Ich weiß es nicht, ob sie Taliban waren oder nicht. Der Typ war neidisch auf mich. Wir haben auch verbal gestritten, zwei bis drei Mal.

LA: Beschreiben Sie mir alles was Sie über diesen anderen Geschäftsmann wissen!

VP: Das sind die Informationen die ich weiß, ich weiß sonst nichts.

LA: Beschreiben Sie mir alles, was Sie über diesen anderen Geschäftsmann wissen!

VP: Ich hatte mehr Umsatz, er hatte weniger Umsatz. Er war aus Farah. Er hieß XXXX . Sonst nichts.

LA: Mehr können Sie nicht erzählen?

VP: Nein.

LA: Seit wann besteht diese Feindschaft?

VP: Seit etwa 5 Jahren.

LA: Weshalb besteht diese Feindschaft? Was war der Auslöser?

VP: Da ich ein größeres Geschäft hatte und er ein kleineres, deshalb. Als meine Söhne noch am Leben waren, haben sie auch mit dessen Söhne gestritten.

LA: Wie alt war dieser XXXX ?

VP: Er war älter als ich.

LA: Wer war zuerst da, also mit dem Geschäft?

VP: Ich, er ist erst in den letzten 5 Jahren gekommen und hat das Geschäft genau gegenüber aufgemacht.

LA: Wurden Sie bedroht von ihm?

VP: Nein.

LA: Das heißt, er hat nur gesagt, dass Sie mit Taliban arbeiten?

VP: Er hat gesagt, die Taliban kaufen bei mir ein und dass ich mit denen zusammenarbeite.

LA: Warum sind Sie nicht zu den Behörden gegangen und haben das Problem gemeldet, bzw. aufgeklärt, wo Sie doch einen Bekannten bei der Polizei hatten?

VP: Ich bin dort nicht hingegangen, ich hatte nur diesen Bekannten bei der Polizei.

LA: Weshalb sind Sie nicht zur Polizei gegangen?

VP: Ich bin nicht zur Polizei, sondern hierher nach Europa.

LA: Das ist schon komisch, dass man nicht zur Polizei geht, sondern sein Heimatland verlässt, eigentlich wegen einer Kleinigkeit. Erklären Sie mir das?

VP: Ich bin unschuldig und hatte Angst.

LA: Vor was hatten Sie Angst?

VP: Dass, falls die wirklich Taliban sein sollten, ich Schwierigkeiten bekomme und wenn nicht, dann nicht. Ich bin ein Unschuldiger ich habe mit niemanden Probleme gehabt.

LA: Haben Sie jemals erwogen, an einen anderen Ort in Ihrem Heimatland zu ziehen, um den Problemen zu entgehen?

VP: Es ist nirgendwo sicher in Afghanistan. Überall ist Krieg und die Taliban herrschen.

LA: Was sind aktuell die Gründe, die Sie jetzt an einer Rückkehr hindern?

VP: Es macht keinen Unterschied. Wenn sie mich schicken, dann bitte. Ich bin zufrieden hier.

LA: Was sind aktuell die Gründe, die Sie jetzt an einer Rückkehr hindern?

VP: Ich habe diese Feindschaft. Also bin ich in Gefahr. Sonst nichts.

LA: Würde Ihnen im Fall der Rückkehr etwas von Seiten der staatlichen Behörden drohen?

VP: Vielleicht. Oder vielleicht auf nicht. Nachgefragt: Vielleicht waren das Taliban, die sie aufgegriffen haben. Ich habe niemanden etwas gemacht. Dieser Mann hat die Feindschaft mit mir."

1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 10.01.2018 den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF "2 Wochen" [richtig: 14 Tage] ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, das Vorbringen des BF sei unglaubhaft. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.

Seine Fluchtgeschichte habe der BF aufgrund der vagen Schilderung und angesichts mehrerer unplausibler und widersprüchlicher Aussagen nicht glaubhaft machen können.

In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Begründung des Antrages keine Deckung in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) finde.

Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes aufgrund der derzeitigen, allgemeinen Lage in Afghanistan nicht drohe. Dem BF sei eine Rückkehr in seine Heimatprovinz aufgrund der dortigen Sicherheitslage aktuell nicht zumutbar, allerdings komme eine Innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul infrage. Es sei dem BF zumutbar, dort selbstständig durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit aus eigenen Kräften für die Deckung der grundlegendsten Bedürfnisse aufzukommen. Die Behörde verkenne in keinster Weise das fortgeschrittene Alter des BF, jedoch sei es in Afghanistan üblich, dass auch ältere Personen bis ins hohe Alter noch arbeitstätig seien und die Unterstützung im Pensionsfall durch die Familienangehörigen wahrgenommen werde.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben vom 28.01.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG ein.

In der Beschwerdebegründung wurde die Beweiswürdigung des BFA kritisiert und unter Anführung diverser Berichte die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan kritisiert.

1.6. Die Beschwerde samt Verwaltungsakten langte am 02.02.2018 beim BVwG ein.

1.7. Das BVwG führte am 03.07.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF im Beisein seines gewillkürten Vertreters persönlich erschien. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der Verhandlung.

Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):

"RI [Richter]: Sind Sie verheiratet, oder leben Sie in einer eingetragenen Partnerschaft oder sonst in einer dauernden Lebensgemeinschaft?

BF: Ich bin verwitwet.

RI: Wann ist Ihre Ehefrau verstorben?

BF: Das war vor 22 Jahren.

RI: Haben Sie Kinder?

BF: Ich hatte zwei Söhne. Einer meiner Söhne wurde getötet. Der andere hatte einen Unfall.

RI: Geben Sie bitte die Aufenthaltsorte Ihrer näheren Angehörigen bekannt!

BF: Sie leben in der Provinz Helmand, Distrikt Lashkagar. Unser Dorf liegt in der Provinz Helmand. Ein Großteil meiner Verwandten lebt in der Provinz Helmand. Die Söhne meines Bruders leben in Pakistan.

RI: Haben Sie Angehörige in Kabul?

BF: Nein, von uns lebt niemand in Kabul.

RI: Wer von Ihrer Familie lebt noch in der Provinz Helmand (Onkel, Tanten, Geschwister etc.)?

BF: Zwei meiner Schwestern leben in der Provinz Helmand. Diese sind verheiratet. Meine Cousins väterlicherseits leben auch in Helmand, sowie ein Bruder von mir.

RI: Haben Sie auch Enkelkinder? Sie haben diesbezügliche Angaben vor dem BFA gemacht.

BF: Ich hatte ein Enkelkind. Nach der Ermordung meines Sohnes ist meine Schwiegertochter mit meinem Enkelkind zu ihrer Elternfamilie gegangen.

Nachgefragt, gebe ich an, dass mein Enkelsohn ca. 6 oder 7 Jahre alt ist.

RI: Wie stellt sich die finanzielle Lage Ihrer Verwandten dar?

BF: Meine finanzielle Lage war mittel. Ihre finanzielle Lage war auch mittelmäßig. Sie waren weder reich noch arm.

RI: Haben Sie Kontakt zu diesen Angehörigen bzw. wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihren Angehörigen?

BF: Ich habe keinen Kontakt zu ihnen. Ich habe weder mit den in Europa, im Iran oder Afghanistan lebenden Verwandten Kontakt.

Nachgefragt gebe ich an, dass ich kein Handy besitze.

RI: Wann hatten Sie den letzten Kontakt zu Ihren Verwandten?

BF: Das letzte Mal, als ich zu meinen Verwandten Kontakt hatte, war an der türkischen Grenze. Bis zum damaligen Zeitpunkt hatte ich Kontakt zum Onkel mütterlicherseits.

Nachgefragt, wie alt mein Onkel ist, gebe ich an, dass er älter ist als ich. Er ist etwa 90 bis 100 Jahre alt. Ich habe keinen Kontakt zu ihm. Ich weiß nicht, ob er noch lebt.

RI: Wie haben Sie damals mit Ihrem Onkel Kontakt aufgenommen?

BF: Unser Kontakt bestand darin, dass er immer wissen wollte, wo ich angekommen bin.

RI wiederholt die Frage.

BF: Ich hatte damals ein Mobil-Telefon. Das Mobil-Telefon und die Unterlagen meines Geschäftes sind ins Wasser gefallen.

Nachgefragt, ob ich Telefonnummern meiner Angehörigen kenne, verneine ich dies. Ich kann mich nicht daran erinnern.

RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?

BF: Ich habe vier Jahre in Afghanistan eine Schule besucht. Ich war 11 Jahre alt, als ich das Geschäft eröffnet habe.

RI: Können Sie lesen und schreiben?

BF: Ja, ich kann ein bisschen lesen und schreiben.

RI: Waren Sie schon einmal in Ihrem Leben in Kabul?

BF: ich bin einmal in Kabul gewesen. Damals habe ich meinen Wehrdienst geleistet. Ich war in der Provinz Paktia, Gardez, stationiert.

RI: Wie viel Zeit ist seit Ihrem Kabul-Aufenthalt vergangen?

BF: Ich war in Kabul, als ich ein Soldat war. Ich war damals ungefähr 22 Jahre alt.

RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?

BF: Mit dem Erlös des Geschäftes habe ich meinen Lebensunterhalt verdient. Ich habe Zucker, Tee, Reis, Öl vertrieben.

RI: Wo hatten Sie dieses Lebensmsittelgeschäft?

BF: Mein Geschäft lag in der Stadt XXXX . Die Produkte haben wir in Kandahar eingekauft und ins Geschäft transportiert.

RI: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politisch aktiven Bewegung oder Gruppierung?

BF: Nein. Ich war weder Angehöriger der Regierung noch der Taliban oder anderer Gruppierungen.

RI: Wann haben Sie ungefähr Ihren Herkunftsstaat zuletzt verlassen?

BF: Ich habe Afghanistan am 01.10.1394 (= 22.12.2015) verlassen.

Zur derzeitigen Situation in Österreich:

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Ich habe niemanden in Österreich.

RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.

RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?

BF: -

RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen nicht verstanden und nicht auf Deutsch beantwortet hat.

Die Verhandlung wird wieder in Dari geführt.

RI: Besuchen Sie derzeit einen Deutschkurs oder haben Sie einen Deutschkurs bereits besucht?

BF: Ich habe mich bereits für einen Deutschkurs angemeldet. Ich möchte hier etwas lernen. In Afghanistan in allen Provinzen herrscht Krieg.

RI: Hatten Sie in den zwei Jahren Aufenthalt in Österreich noch keine Gelegenheit etwas Deutsch zulernen?

BF: Es gab schon Gelegenheiten, aber ich habe mich mit sportlichen Aktivitäten beschäftigt.

RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?

BF: Nein, ich bin arbeitslos. Ich habe Österreichern beim Umzug geholfen, 3 bis 4 mal. Ich saß in einem Park, sie baten mich um Hilfe.

RI: Wie konnten Sie sich mit den Österreichern verständigen?

BF: Es gab zwei afghanische Jugendliche, die auch mitgeholfen haben. Sie können die Sprache, weil diese länger in Österreich sind als ich.

RI: Wenn Sie in Österreich bleiben dürften, was würden Sie gerne hier tun?

BF: Ich würde gerne in einem Restaurant, in der Landwirtschaft, oder in einem Hotel arbeiten. Ich würde auch gerne hier heiraten. Es würde für mich keinen Unterschied machen, ob die Frau eine Afghanin, Araberin oder Österreicherin ist.

RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Welchen sportlichen oder kulturellen Aktivitäten gehen Sie nach?

BF: Ich habe mit den Jungs Fußball gespielt. Ich gehe sehr viel zu Fuß. Das ist gut für meine Gesundheit.

RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?

BF: Nein.

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat

RI: Nennen Sie jetzt bitte abschließend und möglichst umfassend alle Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe). Nehmen Sie sich dafür nun bitte ausreichend Zeit, alles vorzubringen.

BF: Es gab einen Geschäftsnachbar von mir. Sein Geschäft lag vis-a-vis meines Geschäftes. Er hatte Probleme mit mir. Ich habe die Produkte billiger verkauft. Er hat die Produkte teurer verkauft. Mein Umsatz war höher als seiner. Drei Menschen aus der normalen Bevölkerung haben bei mir eingekauft. Dieser Nachbar hat mich der Mitarbeit bei den Taliban beschuldigt. Ich hatte weder mit den Taliban noch mit der Regierung zu tun. Er sagte, warum ich meine Produkte billiger verkaufte. Ich antwortete ihm, dass es ihn nichts anginge. So hat der Streit zwischen uns begonnen. Der Nachbar hat mich bei der Regierung bzw. den Regierungsbehörden angezeigt. Einer der Polizeibeamten hat mich informiert, dass ich von der Person namens XXXX angezeigt wurde. Ich solle für eine Weile untertauchen oder woanders hinfahren, bis die Sache sich wieder beruhigt.

RI: Welchen Zweck hat es unterzutauchen, wo man dadurch nur noch verdächtiger wird, anstatt sich der Polizei zu erklären, wenn Sie doch nichts mit den Taliban zutun hatten, laut Ihren Angaben?

BF: Ich hatte Angst, dass mein Geschäft seitens der Regierung beschlagnahmt wird. Ich hatte auch Angst vor einer etwaigen Feindschaft mit den Taliban.

RI: Wie hat der Polizeibeamte geheißen?

BF: Er hieß XXXX hat mich informiert und gewarnt.

RI: Was haben Sie gemacht, nachdem XXXX telefonisch informiert hat?

BF: Ich bin von dort nach Nimroz zu meinem Onkel mütterlicherseits geflohen.

RI: Wie darf ich das mit der Feindschaft mit den Taliban verstehen:

Sie werden ja nur beschuldigt, mit den Taliban zuarbeiten.

BF: Ich habe nicht mit den Taliban zusammengearbeitet. Das waren die Anschuldigungen meines Geschfätsnachbarn.

RI: Warum sollten Sie die Taliban verfolgen, wenn Sie beschuldigt werden, mit Ihnen zusammenzuarbeiten? Es würde ja bedeuten, dass Sie auf Seiten der Taliban sind.

BF: Ich habe nicht für die Taliban gearbeitet.

Die Verhandlung wird um 15:08 Uhr für eine kurze Pause unterbrochen und 15:15 Uhr fortgesetzt.

RI wiederholt die Frage.

BF: Es ist 50:50 in Afghanistan. In Afghanistan herrscht Krieg. Die Taliban zeigen keine Gnade gegenüber der Bevölkerung.

RI: Hatten Sie Kontakt zu Polizei, außer dem Anruf des Freundes? Haben Sie von Ihren Verwandten gehört, dass die Polizei nach Ihnen sucht, nachdem Sie das Land verlassen haben?

BF: Als ich meine Reise aus Afghanistan angetreten habe, hat mich der Polizeifreund angerufen.

RI wiederholt die Frage.

BF: Nach meiner Ausreise aus Afghanistan hat die Polizei nach mir gesucht. Die Polizei hat meinen Bruder über meinen Verbleib befragt.

RI: Warum haben Sie diese Angaben nicht schon bei der Einvernahme vor dem BFA gemacht?

BF: Mein Bruder sagte, dass er nicht wissen würde, wo ich mich aufhalte.

RI wiederholt die Frage.

BF: Zum damaligen Zeitpunkt hatte ich es vergessen.

RI: Wie konnten Sie zu Ihrem Bruder Kontakt aufnehmen? Sie haben bis jetzt ja angegeben, nur mit Ihrem Onkel Kontakt gehabt zu haben. Wann hat Ihnen Ihr Bruder davon erzählt?

BF: Mein Bruder hat mich in der Türkei kontaktiert, als ich mich dort aufhielt. Er sagte mir, ich solle nicht zurückkommen.

RI: Hat es Bedrohungen oder eine Kontaktaufnahme durch die Taliban gegeben?

BF: Nein, die Taliban haben mich nicht bedroht. Die Taliban haben nur bei meinem Geschäft eingekauft.

RI: Sie haben vorher gesagt, dass die Leute von der normalen Bevölkerung bei Ihnen eingekauft hätten und die Anschuldigungen Ihres Geschfätsnachbarn falsch waren. Jetzt sagen Sie, die Taliban hätten bei Ihnen eingekauft. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

BF: Die Taliban haben in meinem Geschäft eingekauft. Die Person XXXX hat mich bei der Regierung verraten und mich beschuldigt, dass ich mit den Taliban zusammenarbeite.

RI: Sie haben den Taliban Waren verkauft: Das war dann also keine falsche Anschuldigung?

BF: Ja, die Taliban haben bei mir Lebensmittel wie Reis, Öl etc. eingekauft.

RI: Woher wussten Sie, dass es Taliban waren? Haben sich diese Personen vorgesetellt?

BF: Nein, sie haben sich nicht als Taliban vorgestellt.

RI: Wie wussten Sie dann, dass es Taliban waren? Woran erkennen Sie einen Taliban?

BF: XXXX hat mich bei der Regierung angezeigt. Die Anschuldigung lautete, ich arbeite mit den Taliban.

RI vermerkt: BF gibt auf mehrmalige Aufforderung, konkret auf die Fragen einzugehen, keine passenden Antworten.

RI: Wie lange hat die Feindschaft zum Nachbar bestanden bzw. wann hat sie begonnen?

BF: Meine Feindschaft mit meinem Nachbar begann 1394. Das war etwa 2 oder 3 Monate vor meiner Ausreise aus Afghanistan.

RI: Vorhalt: Vor dem BFA haben Sie im Rahmen Ihrer Einvernahme ausgesagt, dass die Feindschaft zu Ihrem Nachbar schon seit 5 Jahren besteht. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

BF: Ich habe angegeben, dass mein Nachbar vor ca. 5 oder 6 Jahren sein Geschäft gegenüber meinem Geschäft gegründet hat.

RI: Vorhalt: Sie haben bei Ihrer Einvernahme vor dem BFA angegeben, dass Taliban vor Ihrem Geschäft aufgegriffen bzw. verhaftet wurden. Was meinen Sie damit?

BF: Die Taliban wurden an der Kreuzung von XXXX aufgegriffen. Sie wurden seitens der Regierung festgenommen.

RI: Liegt Ihr Geschäft an dieser Kreuzung?

BF: Etwas unterhalb der Kreuzung befand sich mein Geschäft, im XXXX

.

RI an BFV: Haben Sie Fragen anden BF?

BFV: Kein Fragen.

RI. Warum sind Sie nicht in Nimroz bei Ihrem Onkel geblieben?

BF: Ich blieb zwei Nächte bei meinem Onkel und bin dann weitergereist.

RI wiederholt die Frage.

BF: Viele Menschen waren auf dem Weg nach Europa. Der Weg nach Europa war offen. Ich bin nach Europa gereist, weil mein Leben in Afghanistan in Gefahr war.

RI: Wie konnten Sie die Reise finanzieren?

BF: Ich hatte Geld von meinem Geschäft.

RI: Was würden Sie im Falle einer Rückkehr, wenn Sie in Kabul aus dem Flugzeug steigen, machen?

BF: Mein Leben wäre zu 190% seitens der Taliban in Gefahr.

RI: Wenn es keine Gefahr von Seiten der Taliban und der Polizei gäbe: Was würden Sie dann in Kabul machen, sobald Sie das Flugzeug verlassen haben?

BF: Afghanistan ist mein Heimatland. Es würde für mich, im Falle einer Rückkehr, keinen Unterschied machen. Aber im Falle einer Rückkehr wäre mein Leben zu 190% in Gefahr.

RI: Was wurde aus Ihrem Geschäft?

BF: Mein Geschäft wird von meinem Cousin väterlicherseits betrieben. Als ich Afghanistan verlassen habe, übergab ich meinem Cousin mein Geschäft.

RI: Mussten dafür keine Vorbereitungen getroffen werden (Urkunden beschaffen etc.)?

BF: Ja, als ich aus Afghanistan "ausbrach", übergab ich die Schlüssel meines Geschäftes meinem Cousin. Grundsätzlich lief das Geschäft auf den Namen meines Cousins. Wir waren Geschäftspartner.

RI: Hat Ihr Cousin keine Probleme mit den Nachbarn bekommen?

BF: Nein. Der Mann XXXX hat mit mir Probleme gehabt."

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 11.01.2016 und der Einvernahme vor dem BFA am 21.12.2017 sowie die Beschwerde vom 28.01.2018

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation)

* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 03.07.2018

* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom BVwG zusätzlich eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:

o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018)

o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016 sowie Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:

3.1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari, er spricht auch Paschtu.

3.1.2. Lebensumstände des BF:

Der BF stammt aus dem Distrikt Lashkagar, Provinz Helmand. Seine Ehefrau und zwei Söhne sind bereits verstorben, ein minderjähriges Enkelkind lebt bei den Eltern der Schwiegertochter. In Helmand sind noch zwei verheiratete Schwestern, ein Bruder sowie Cousins des BF aufhältig. Ein Onkel wohnt in Nimruz, dieser ist bereits über 90 Jahre alt und ist es dem BF nicht bekannt, ob der Onkel noch am Leben ist. Ferner sind die Söhne des Bruders des BF in Pakistan aufhältig.

Der BF betrieb vor seiner Ausreise ein Lebensmittelgeschäft und konnte so seinen Lebensunterhalt bestreiten. Die finanzielle Situation der Verwandten wurde von ihm als mittelmäßig beschrieben.

Der BF gab an, keinen Kontakt zu seinen Verwandten zu haben, da er sein Handy mit den Kontaktdaten bei der Überfahrt übers Meer verloren hätte und die Telefonnummern nicht auswendig könne.

3.1.3. Der BF verließ nach seinen Angaben Afghanistan Ende 2015 und stellte am 11.01.2016 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

3.1.4. Beim BF handelt es sich um Mann im Alter von 72 Jahren, Hinweise auf lebensbedrohende oder schwerwiegende Krankheiten haben sich keine ergeben.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hat sein Vorbringen, dass er von Taliban bedroht bzw. von der Polizei gesucht werde, nicht glaubhaft gemacht.

3.2.2. Der BF wurde nach eigenen Angaben in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert, ist nicht vorbestraft und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nicht politisch tätig und gehörte nicht einer politischen Partei an.

3.2.3. Grund für die Ausreise des BF aus seinem Herkunftsstaat waren die dortige unsichere persönliche und allgemeine Situation und die Suche nach besseren - auch wirtschaftlichen - Lebensbedingungen im Ausland.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

3.3.1. Es konnte vom BF nicht glaubhaft vermittelt werden, dass er im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

3.3.2. Dem BF würde derzeit bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Afghanistan (die Herkunftsprovinz ist Helmand) ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Eine Rückkehr und Ansiedelung außerhalb der Provinz Helmand, insbesondere in einer der Großstädten wie Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat, ist dem BF aufgrund seiner individuellen Umstände (keine sozialen Anknüpfungspunkte in obgenannten Städten und keine ausreichende Kenntnis der dortigen Gegebenheiten und Örtlichkeiten, sein fortgeschrittenes Alter von 72 Jahren und die Notwendigkeit, sich in diesem Alter in einer fremden Stadt eine neue Existenz aufbauen zu müssen, kein Kontakt zu den in Afghanistan aufhältigen Angehörigen, die ihn im Falle einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes aufgrund seines Alters Unterstützung zukommen lassen könnten) nicht zumutbar, zumal er auch dort Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose Situation zu geraten.

3.4. Der BF hält sich seit Jänner 2016 in Österreich auf. Er kann noch kein Deutsch und hat in der Verhandlung die Absicht geäußert, sich Deutschkenntnisse anzueignen. In der Freizeit geht er Aktivitäten wie Fußballspielen und Spazierengehen nach. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

Auf Grundlage von aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der BF getroffen:

3.5.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", Schreibfehler teilweise korrigiert):

[...]

2. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 20.04.2018, USDOS 15.08.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.01.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.02.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.04.2018; vgl. USDOS 15.08.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht Am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20.10.2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.04.2018; vgl. AAN 22.01.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.08.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 06.05.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 06.05.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 03.05.2017). Am 04.05.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 04.05.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung, sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.03.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 06.05.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.05.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 151.2016; vgl. AB 295.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 21.08.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. "Sicherheitslage").

Am 19.05.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine "Amnestie". In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.05.2018).

Am 07.06.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.06.2018 - 20.06.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich Am 04.06.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 07.06.2018; vgl. Reuters 07.06.2018, RFL/RL 05.06.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 05.06.2018). Die Taliban selbst gingen am 09.06.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.06.2018; vgl. TH 10.06.2018, Tolonews 09.06.2018).

[...]

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.02.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.)

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.02.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 09.03.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (UNGASC 15.03.2016).

[...]

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.08.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.02.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.02.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.02.2018).

[...]

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 06.06.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.02.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.02.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.02.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.02.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten