TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/26 W239 2177399-1

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Veröffentlicht am 26.09.2018
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Entscheidungsdatum

26.09.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W239 2177399-1/7E

W239 2177408-1/9E

W239 2177402-1/7E

W239 2177411-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , und 4.) mj.

XXXX , geb. XXXX , alle StA. Ägypten, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.10.2017 zu den Zahlen

1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX und 4.) XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ( XXXX ) ist die Mutter der volljährigen Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX ), des minderjährigen Drittbeschwerdeführers ( XXXX ) und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers ( XXXX ); alle sind Staatsangehörige von Ägypten und reisten gemeinsam in das österreichische Bundesgebiet ein.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 01.09.2017 im Rahmen eines Familienverfahrens für sich und als gesetzliche Vertreterin für ihre Söhne die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Die Zweitbeschwerdeführerin stellte am selben Tag ebenfalls einen hier gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wird aufgrund der Gleichgelagertheit der Fälle hier in einem mitbehandelt.

Alle Beschwerdeführer verfügten jeweils über ein Schengen-Visum Typ C, gültig vom 08.08.2014 bis zum 31.08.2014, ausgestellt am 07.08.2014 von der österreichischen Vertretungsbehörde in Kairo/Ägypten.

Zur Erstbeschwerdeführerin und zur Zweitbeschwerdeführerin liegen zu Italien je eine EURODAC-Treffermeldung der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 16.02.2017 vor.

Am 01.09.2017 wurden die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin sowie der minderjährige Drittbeschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einer Erstbefragung unterzogen, bei der sie alle zu Beginn angaben, der Einvernahme ohne Probleme folgen zu können. Sie führten weiters übereinstimmend aus, dass außer den mitgereisten Familienangehörigen keine weiteren Verwandten in Österreich oder einem EU-Staat aufhältig seien.

Zur Ausreise schilderten sie, sie hätten im Jahr 2014 ein österreichisches Visum erhalten und seien mit einem Flugzeug aus ihrem Heimatland ausgereist, hätten sich einen Tag in Österreich aufgehalten und hätten anschließend drei Jahre in Italien gelebt. Die Erstbeschwerdeführerin erklärte, dass es in Italien sehr schwer für sie und ihre Kinder gewesen sei. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie in Italien rassistisch behandelt worden seien, und der Drittbeschwerdeführer erklärte, dass es dort nicht gut für sie gewesen sei. Die Beschwerdeführer gaben übereinstimmend an, dass sie in Italien um Asyl angesucht hätten, jedoch den Stand ihres Verfahrens nicht kennen würden.

Zum Fluchtgrund gaben die Beschwerdeführer an, dass sie wegen dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, der der leibliche Vater der mitgereisten Kinder sei, geflohen seien. Die Erstbeschwerdeführerin erklärte, ihr Mann sei drogensüchtig gewesen, weshalb ein Zusammenleben mit ihm nicht mehr möglich gewesen sei. Sie habe sich scheiden lassen wollen, woraufhin es noch schlimmer geworden sei. Er habe ihr mit dem Umbringen gedroht und habe sogar versucht, sie zu erwürgen. Außerdem habe er versucht, die ältere Tochter, also die Zweitbeschwerdeführerin, zu vergewaltigen. Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte ergänzend, ihr Vater habe gewollt, dass sie gegen ihren Willen beschnitten werde, weil das Tradition sei. Sie habe Angst vor ihm gehabt. Wenn er nachhause gekommen sei, habe sie sich immer in ihrem Zimmer eingesperrt. Der Drittbeschwerdeführer gab zusätzlich an, dass der Vater ihn mit einem Gürtel geschlagen habe.

Die Erstbeschwerdeführerin erklärte zudem, dass sich ihre drei Kinder seit ihrer Geburt ständig bei ihr befinden würden und sie daher alle dieselben Fluchtgründe hätten. Dies gelte auch für den nicht eigens einvernommenen Viertbeschwerdeführer.

In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 06.09.2017 betreffend alle Beschwerdeführer gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestützte Wiederaufnahmeersuchen an Italien.

Italien ließ die Wiederaufnahmeersuchen unbeantwortet. Daher teilte das BFA der italienischen Dublin-Behörde mit Schreiben vom 25.09.2017 mit, dass aufgrund der nicht fristgerecht erfolgten Antwort gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin-III-VO eine Verfristung eingetreten und Italien nunmehr für die Durchführung der gegenständlichen Asylverfahren zuständig sei.

Nach durchgeführter Rechtsberatung fand am 12.10.2017 im Beisein einer Rechtsberaterin und einer Vertrauensperson die Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers vor dem BFA statt. Die Beschwerdeführer gaben hierbei alle an, sich geistig und körperlich in der Lage zu fühlen, die Befragung zu absolvieren.

Die Angaben der Erstbeschwerdeführerin würden auch für die minderjährigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer gelten. Zu ihrem Gesundheitszustand erklärte sie, sie habe eine Schilddrüsenunterfunktion und nehme dagegen regelmäßig Medikamente. In ärztlicher Behandlung sei sie nicht; die Medikamente habe sie im Camp erhalten. Ihre Kinder seien gesund. Bei der Zweitbeschwerdeführerin sei in Italien ebenso eine Unterfunktion der Schilddrüse festgestellt worden; sie nehme aber keine Medikamente zu sich. Der Drittbeschwerdeführer sei Bettnässer. Der Viertbeschwerdeführer sei gesund.

Außer ihren drei mitgereisten Kindern habe die Erstbeschwerdeführerin in Österreich oder der EU keine weiteren Verwandten, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung bestehe. Sie habe aber viele Freunde in Österreich, darunter eine ältere Dame, ihre Vertrauensperson. Mit dieser sei sie befreundet. Sie unterstütze sie im Alltag und erhalte von ihr Geschenke. Eine finanzielle Unterstützung erhalte sie von ihr nicht.

Ihre Angaben im Zuge der Erstbefragung seien korrekt; ergänzen wolle sie, dass zusätzlich zu ihren Problemen mit ihrem Exmann eine Bedrohung durch die muslimische Bruderschaft bestehe. Nach Italien könne sie nicht zurückkehren, denn dort werde ihr Leben mit dem Tod bedroht. Sie habe in Italien in der Nähe der französischen Grenze gewohnt und schnell festgestellt, dass dort viele ägyptische Familien und auch viele ägyptische alleinstehende, nicht registrierte Männer leben würden. Anfangs habe sie kein Problem gehabt, doch plötzlich habe ihre Mutter Drohnachrichten von den Islamisten bekommen. Sie hätten ihr gesagt, dass sie wissen würden, wo ihre Tochter sei, und sie müsse zum Islam zurückkehren, ansonsten werde sie als Abtrünnige mit dem Tode bestraft werden. Als sie in Italien gewesen sei, habe sie wieder zu ihrer ursprünglichen Religion, dem Christentum, zurückgefunden, und sie sei dort regelmäßig in die Kirche gegangen. Ihre Mutter habe ihr diese SMS-Nachrichten weitergeleitet; sie lege sie in Kopie vor. Die restlichen Nachrichten habe sie irrtümlich gelöscht. Sie habe sich zwei Jahre an der Grenze zu Frankreich und ein weiteres Jahr in Rom aufgehalten.

Befragt, ob es während ihres Aufenthalts in Italien konkret sie oder ihre Kinder betreffende Vorfälle gegeben habe, erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass sie viele Telefonanrufe erhalten habe, aber niemand habe gesprochen. Sie habe nur ein Rauschen gehört. Spätnachts habe immer jemand an der Türklingel geläutet und sei davongelaufen. Ihr Sohn, der Drittbeschwerdeführer, sei einmal auf der Straße von drei Arabern aufgefordert worden, mit ihnen in der Moschee zu beten. Als er aber entgegnet habe, dass er in der Kirche bete, sei er gestoßen worden. Er habe sich am Kinn verletzt und sei im Spital genäht worden. Das sei im Februar 2017 passiert. Bei der Polizei habe sie diese Vorfälle nicht angezeigt, da sie nicht legal aufhältig gewesen sei und Angst gehabt habe, abgeschoben zu werden. Sie habe auch die Täter nicht gekannt. Weiters wolle sie noch angegeben, dass zwei in Österreich lebende, näher genannte Pater der Ägyptisch-Griechisch-Orthodoxen Kirche sie unterstützen würden. Diese würden ihre Probleme kennen und für sie beten.

Nachgefragt, ob es außer den bereits geschilderten Vorfällen noch weiteren Vorfällen gegeben habe, erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass ein paar Tage vor ihrer Ausreise aus Italien jemand mehrmals die Klingel geläutet habe. Die Zweitbeschwerdeführerin habe zwei Frauen mit Kopftuch und einen Mann mit Bart gesehen und einen Zettel vor der Tür gefunden. Sie sei deswegen bei der Polizei gewesen. Diese habe aber nicht wissen wollen, wer das gemacht habe. Da sie selbst es auch nicht gewusst habe, habe die Polizei ihr gesagt, dass sie ihr nicht helfen könne. Das habe ihre Kinder psychisch belastet. Deshalb habe der Drittbeschwerdeführer Probleme mit dem Bettnässen und deswegen habe ein Arzt in Italien ihm Medikamente verschrieben. Hier in Österreich sei der Drittbeschwerdeführer nicht bei einem Arzt gewesen; es habe sich seit ihrer Einreise verbessert, er fühle sich jetzt sicher.

Zu den Länderfeststellungen wolle sie sagen, dass sie sich in Italien nicht sicher fühle, da dort viel Kriminalität sei und sich viele Leute dort illegal aufhalten würden. Damit wolle sie sagen, dass das, was in den Länderfeststellungen stehe, nicht der Realität entspreche. Der Viertbeschwerdeführer klammere sich in der Nacht an sie, weil er sich unsicher fühle. Die Muslimbruderschaft glaube, dass sie in den Himmel kommen werde, wenn sie die Beschwerdeführer umbringen würden.

Die Frage der Rechtsberaterin, ob sie, nachdem sie im Februar 2017 in Italien einen Asylantrag gestellt hätten, dort versorgt worden seien, verneinte die Erstbeschwerdeführerin. Anfangs hätten die Beamten ihre Anträge gar nicht annehmen wollen. Dann hätten sie sie doch angenommen, hätten aber immer wieder gesagt: "Visa Austria". Sie hätten einen Zettel für drei Monate bekommen, danach habe man das nicht mehr verlängern wollen. Eine Entscheidung über ihre Asylanträge hätten sie nicht bekommen.

Die Erstbeschwerdeführer gab abschließend an, dass vor drei Tagen ein Telefonanruf aus Italien eingegangen sei, bei dem gleich wieder aufgelegt worden sei. Sie vermute, man habe nur sehen wollen, ob sie noch in Italien seien. Ein italienischer Rechtsanwalt habe ihr gesagt, dass sie mit Handschellen nach Österreich gebracht werde. Ihren Lebensunterhalt in Italien habe sie dadurch bestritten, dass sie schrittweise ihr Gold verkauft und finanzielle Unterstützung von ihrer Mutter und Freunden aus Ägypten erhalten habe. Auch die Kirche in Italien habe sie unterstützt.

Im Zuge der Einvernahme legte die Erstbeschwerdeführerin folgende Dokumente vor:

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Ägyptische ID-Card

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Ägyptischer Führerschein

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Konvertierungszeugnis

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Ägyptische Scheidungsunterlagen

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SMS-Ausdruck

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Drohzettel mit folgendem Inhalt (übersetzt): "Im Namen Allahs, wer seine Religion wechselt, muss getötet werden und nicht die Strafe Gottes abwarten. Gott ist groß, Gott ist groß, lang lebe der Jihad."

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Zettel der Adresse des italienischen Rechtsanwaltes

Die Zweitbeschwerdeführerin erklärte zu ihrem Gesundheitszustand, dass sie eine Schilddrüsenunterfunktion habe, aber keine Medikamente nehme, da sie zuerst ein Röntgen machen müsse; danach werde das Medikament festgesetzt. In Österreich sei sie bei einem Arzt gewesen, der ihr versprochen habe, einen Röntgentermin auszumachen.

Befragt nach etwaigen Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich oder der EU, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie habe erfahren, dass es Verwandte väterlicherseits in Italien gebe; zu denen habe sie aber keinen Kontakt. Außer ihrer Mutter und ihren Geschwistern habe sie hier niemanden. Sie hätten allerdings Familienfreunde und sie habe Freunde aus ihrer Kirchengemeinschaft. Geld bekomme sie von diesen keines; sie würden ihr aber beim Deutsch Lernen helfen.

Nach Italien wolle die Zweitbeschwerdeführerin überhaupt nicht zurück. Dort seien sie alleine und ohne Schutz gewesen. Es habe immer wieder Fremde gegeben, die bei ihnen geklingelt oder angerufen hätten. Sie habe einmal einen Drohbrief vor ihrer Tür gefunden. Zuvor sei mehrmals geklingelt worden. Sie habe zwei unbekannte Frauen mit Kopftuch und einen Mann mit Bart beobachtet, wie diese sich vor ihrer Wohnung entfernt hätten. Sie sei mit dem Viertbeschwerdeführer alleine in der Wohnung gewesen und habe ihre Mutter angerufen. Diese sei dann schnell nachhause gekommen. In Italien seien sie drei Jahre aufhältig gewesen.

Befragt, ob es während ihres Italienaufenthaltes konkret sie betreffende Vorfälle gegeben habe, erklärte die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie in Italien wegen dem Drohbrief Angst gehabt habe, dass sie getötet oder entführt werde. Deshalb sei sie selten alleine auf die Straße gegangen und sie habe gewusst, dass sie zukünftig nicht zur Uni gehen könne. Über nochmalige Nachfrage gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie auf der Straße von der ägyptischen Bevölkerung, die dort groß vertreten sei, immer schief angesehen worden sei, da sie kein Kopftuch trage. Die Frauen mit dem Kopftuch auf der Straße hätten ihr gesagt, dass sie aus deren Land komme, deren Sprache spreche und daher auch zur Moschee gehen solle. Die Art, wie sie das gesagt hätten, sei beängstigend gewesen. Die Polizei habe sie darüber nicht informiert, da sie keine Papiere gehabt hätten. Das mit dem Drohbrief habe ihre Mutter der Polizei gemeldet, aber diese habe nichts getan. Zu den Länderfeststellungen zu Italien wolle sie sagen, sie habe das Gefühl, dass die Realität anders sei.

Abschließend gab die Zweitbeschwerdeführerin noch an, dass sie sich in Österreich bereits bei einer Fakultät für Translationswissenschaft beworben habe und für Französisch, Englisch und Deutsch zugelassen worden sei. Zurzeit habe sie die Deutschstufe B1 abgeschlossen und man benötige B2 für die Aufnahme des Studiums. Außerdem habe sie einen Anruf einer ägyptischen Telefonnummer erhalten. Sie habe aber nicht abgehoben, weil sie befürchte, dass ihr Mobilgerät über GPS geortet werden könne.

Der Drittbeschwerdeführer erklärte, gesund zu sein. Er sei allerdings Bettnässer und nehme deshalb Medikamente. Außer seiner Mutter und seien Geschwistern habe er keine Verwandten in Österreich oder der EU. Es gebe allerdings Freunde seiner Mutter und er selbst sei mit den Kindern des Priesters befreundet. Gelegentlich bekomme er Geschenke, aber kein Geld.

Zu Italien gab der Drittbeschwerdeführer an, er habe Angst, dass ihn dort jemand umbringe. Er sei bereits auf der Straße angesprochen worden; sie hätten ihn gegen seinen Willen in die Moschee mitnehmen wollen. Als sie erfuhren hätten, dass er Christ sei, hätten sie ihn beschimpft und gestoßen. So sei es zu seiner Kinnverletzung gekommen. Bei der Polizei hätten sie das nicht angezeigt, da sie damals noch keinen Asylantrag gestellt hätten; sie hätten Angst gehabt, Probleme mit der Polizei zu bekommen. Vorfälle habe es in Italien insoweit gegeben, als seine Mutter komische Telefonanrufe erhalten habe. Unbekannte hätten an ihre Tür geklingelt und seien abgehauen; außerdem habe seine Großmutter die SMS-Bedrohungen an seine Mutter weitergeleitet. Auch einen Drohbrief hätten sie vor ihrer Tür gefunden. In Italien sei er zur Schule gegangen, habe aber keine Zeugnisse bekommen; er sei nur nach der Anwesenheit beurteilt worden. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen wolle er nicht abgeben, aber er habe erlebt, dass sie in Italien nicht sicher gewesen seien. Viele würden dort illegal und auf der Straße leben, darunter viele Afrikaner.

Am 13.10.2017 langte beim BFA eine E-Mail betreffend die Zweitbeschwerdeführerin ein, in der das Medikament "Euthyrox" [Anm.

BVwG: Schilddrüsenmedikament] sowie ein italienischer Laborbefund eingescannt waren. Zudem wurde mitgeteilt, dass die Zweitbeschwerdeführerin demnächst einen Röntgentermin bekommen werde. Am 16.10.2017 wurde dem BFA ein E-Mail betreffend des von der Zweitbeschwerdeführerin angestrebten Bachelorprogrammes vorgelegt. Diesem lässt sich entnehmen, dass der Zweitbeschwerdeführerin seitens einer Mitarbeiterin der Studienvertretung Translation allgemeine organisatorische Auskünfte gegeben wurden (Allgemeine Zulassungsfrist, Kombinationsmöglichkeiten der angebotenen Sprachen). Dass die Zweitbeschwerdeführerin bereits zum Studium zugelassen worden wäre, ergibt sich aus dem Inhalt dieser Auskunft nicht.

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 20.10.2017 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin-III-VO für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Italien traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert und nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 26.07.2017, Neuer Circular Letter (Tarakhel); Asylstatistik; Unterbringung (relevant für Abschnitt 3/Dublin-Rückkehrer und Abschnitt 6/Unterbringung)

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind, die als Dublin-Rückkehrer nach Italien zurückkehren. Zuletzt wurde am 24. Juli 2017 ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 18 SPRAR-Projekte mit zusammen 78 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 24.7.2017).

Aus einer Statistik des UNHCR geht hervor, dass 2017 bis 16. Juli

93.213 Bootsflüchtlinge in Italien gelandet sind. Das sind um 13.373 Personen mehr als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Allerdings ist der Juli 2017 bislang mit 9.461 Migranten etwas schwächer als der Vergleichszeitraum 2016 (9.618). Aus den Statistiken geht hervor, dass mehr Personen in Italien Asylanträge stellen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, wobei diese Anträge nicht notgedrungen von Neuankünften gestellt worden sein müssen (UNHCR 16.7.2017).

Laut offizieller italienischer Statistik haben 2017 bis zum 14. Juli

80.665 Personen einen Asylantrag gestellt. Mit selbem Datum waren

22.406 Anträge negativ erledigt, 3.842 erhielten Flüchtlingsstatus,

4.165 erhielten subsidiären Schutz, 10.632 erhielten humanitären Schutz. 2.118 Antragsteller waren nicht mehr auffindbar (VB 19.7.2017a).

Mit Stand 18. Juni 2017 waren 194.809 Migranten in staatlichen italienischen Unterbringungseinrichtungen untergebracht (VB 19.7.2017b).

Quellen:

-

MdI - Ministero dell Interno (24.7.2017): Circular Letter, per -E-Mail

-

UNHCR - Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (16.7.2017): Italy weekly snapshot - 16 Jul 2017, per E-Mail

-

VB des BM.I Italien (19.7.2017a): Statistiken der ital. Asylbehörde, per E-Mail

-

VB des BM.I Italien (19.7.2017b): Auskunft des VB, per E-Mail

Allgemeines zum Asylverfahren

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten (AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Aus aktuellen Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es im Jahre 2016 insgesamt 123.600 Asylanträge gegeben hat, was einer Steigerung von 47% gegenüber 2015 entspricht (MdI 10.3.2017, vgl. Eurostat 16.3.2017). 4.808 Personen haben 2016 Flüchtlingsstatus zuerkannt bekommen, 12.873 subsidiären Schutz und

18.979 internationalen humanitären Schutz. 54.254 Anträge (60%) wurden abgewiesen (MdI - 10.3.2017).

Die Asylverfahren nehmen je nach Region sechs bis fünfzehn Monate in Anspruch. Wenn Rechtsmittel ergriffen werden, kann sich diese Dauer auf bis zu zwei Jahren erstrecken (USDOS 3.3.2017).

Aus Statistiken des italienischen Innenministeriums geht hervor, dass es in Italien 2017 mit Stand 21. April 46.225 Asylanträge gab.

(...)

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno (10.3.2017): Dati e statistiche, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/it/documentazione/statistica/i-numeri-dellasilo; Zugriff 23.3.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,

http://www.ecoi.net/local_link/337159/479923_de.html, Zugriff 30.3.2017

-

VB des BM.I Italien (26.4.2017): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Die meisten Dublin-Rückkehrer landen auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies nun tun, so wie jede andere Person auch (AIDA 2.2017).

2. Ist das Verfahren des Rückkehrers noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere Asylwerber auch (AIDA 2.2017).

3. Wenn ein Verfahren vor endgültiger Entscheidung unterbrochen wurde, etwa weil sich der Antragsteller diesem entzogen hat, und der Betreffende wird von Italien im Rahmen von Art. 18(1)(c) zurückgenommen, wird das Verfahren auf Antrag wieder aufgenommen (EASO 12.2015).

4. Bei Rückkehrern, die unter Art. 18(1)(d) und 18(2) fallen und welche Italien verlassen haben, bevor sie über eine negative erstinstanzliche Entscheidung informiert werden konnten, beginnt die Rechtsmittelfrist erst zu laufen, wenn der Rückkehrer von der Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurde (EASO 12.2015; vgl. AIDA 2.2017).

5. Wurde der Rückkehrer beim ersten Aufenthalt in Italien von einer negativen Entscheidung in Kenntnis gesetzt und hat dagegen nicht berufen, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE (Schubhaftlager) gebracht werden. Wurde ihm die Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht, steht dem Rückkehrer der Beschwerdeweg offen, sobald er informiert wurde (AIDA 2.2017).

6. Hat sich der Rückkehrer dem persönlichen Interview nicht gestellt und sein Antrag wurde daher negativ beschieden, kann er nach Rückkehr ein neues Interview beantragen (AIDA 2.2017).

(Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.3 Dublin-Rückkehrer.)

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (12.2015): Quality Matrix Report: Dublin procedure, per E-Mail

Non-Refoulement

Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015).

Hinsichtlich unbegleiteter Minderjähriger besteht ein absolutes Rückschiebeverbot an der Grenze (UNICEF 29.3.2017).

Das italienische Innenministerium hat ausdrücklich darauf verwiesen, dass der Zugang zu Asylverfahren und Grundrechten Personen nicht verweigert werden kann, für die willkürlich angenommen wird, dass sie des internationalen Schutzes nicht bedürfen. Außerdem wurde explizit bestätigt, dass alle Migranten das Recht haben, vor Refoulement geschützt zu werden. Es würden laut Innenministerium keine Ausweisungsbefehle erlassen, wenn Migranten zuvor nicht korrekt informiert wurden (AIDA 2.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

-

UNICEF - United Nations Children's Fund (29.3.2017): Approvata la "Legge Zampa": più tutele e inclusione per i minori stranieri non accompagnati,

http://www.unicef.it/doc/7324/approvata-la-legge-zampa-per-minori-stranieri-non-accompagnati.htm, Zugriff 3.4.2017

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Italy, http://www.ecoi.net/local_link/306380/443655_de.html, Zugriff 14.4.2016

Versorgung

Unterbringung

Grundsätzlich sind Fremde zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und eine entsprechende Bedürftigkeit besteht. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist. Bei Rechtsmitteln mit automatisch aufschiebender Wirkung besteht dieses Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts. Gemäß der Praxis in den Jahren 2015 und 2016 erfolgt der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der formellen Registrierung des Antrags (verbalizzazione) anstatt sofort nach der erkennungsdienstlichen Behandlung (fotosegnalamento). Zwischen diesen beiden Schritten sind, abhängig von Region und Antragszahlen, Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich, in denen Betroffene Probleme beim Zugang zu alternativer Unterbringung haben können. Betroffene Asylwerber ohne ausreichende Geldmittel sind daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es droht ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Tatsächlich ist diese Problematik durch die Erweiterung der SPRAR-Kapazitäten und Einführung der temporären Unterbringungsstrukturen (CAS) nur für Personen relevant, die ihren Antrag im Land stellen, nicht für auf See geretteten Asylwerber (AIDA 2.2017).

Wie die untenstehende Statistik des italienischen Innenministeriums zeigt, wurden die Unterbringungskapazitäten in den letzten 3 Jahren massiv gesteigert.

(...)

Mit Stand 31.3.2017 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 137.599 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 2.204 in den sogenannten Hotspots (dienen nur der Registrierung der Flüchtlinge; nach max. 72 Stunden Weiterverbringung in Flüchtlingsunterkünfte in ganz Italien), 13.835 in Erstaufnahmezentren, 137.599 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.867 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

(...)

Grundsätzlich lässt sich die Struktur der Unterkünfte wie folgt grafisch darstellen.

(...)

CPSA - (Centri di primo soccorso e accoglienza) / Hotspots

Menschen, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien kommen, erhalten zunächst Unterstützung in den großen Einwanderungszentren bzw. Hotspots (AIDA 2.2017, vgl: MdI 28.7.2015). Die ursprünglichen CPSA in Lampedusa und Pozzallo bilden seit 2016 zusammen mit den Zentren Taranto und Trapani die sogenannten Hotspots. Dieses Hotspot-Konzept wurde von der Europäischen Kommission entwickelt, um jene Mitgliedsstaaten zu unterstützen, die an den EU-Außengrenzen einem besonderen Migrationsdruck ausgesetzt sind. Nähere Informationen sind weiter unten dem Abschnitt "Hotspots" zu entnehmen (AIDA 2.2017, vgl. EC o. D.). Nach dieser Phase der ersten Hilfe unmittelbar nach Ankunft in den CPSA bzw. Hotspots werden die Fremden, je nach Status, entweder rückgeführt oder in andre Unterkünfte verlegt (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015). (Für weitere Informationen siehe Kapitel 6.2 Hotspots.)

CDA, CARA und CAS

CDA, CARA und CAS sind Erstaufnahmezentren und bieten eine eher grundlegende Versorgung mit Essen, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um große Erstaufnahmezentren mit sehr vielen Unterbringungsplätzen (AIDA 2.2017).

Die CDA (centri di accoglienza) sind allgemeine Aufnahmezentren, in denen insbesondere die auf dem Staatsgebiet aufgegriffenen Fremden zur Identitätsfeststellung und Statusbestimmung untergebracht werden, während CARA (Centri d'Accoglienza Richiedenti Asilo) Zentren für die Aufnahme von Asylwerbern sind. CDA und CARA umfassen derzeit 15 Erstaufnahmezentren mit ca. 14.694 Plätzen (AIDA 2.2017). Asylwerber sollen dort einige Wochen oder Monate untergebracht werden, bis die administrativen Formalitäten bezüglich eines Asylantrags abgeschlossen und ein neuer Unterkunftspatz gefunden ist. Sprachtraining oder andere Integrationsmaßnahmen finden in diesen Zentren nicht statt (CoE 2.3.2017).

CARA, CDA und CPSA sollen sukzessive in den durch das Gesetz 142/2015 eingeführten sogenannten "hub regionali" aufgehen. Jede Region soll über einen solchen hub verfügen. Migranten, die in den Hotspots um internationalen Schutz ansuchen, sollen dann an diese "hub regionali" als Erstaufnahmezentren weitergeleitet werden. Ziel ist es, die Strukturen zu straffen und die Schutzsuchenden in Zentren unterzubringen, die in der Nähe von Einwanderungsbüros liegen (AIDA 2.2017, vgl. MdI 2016; SFH 8.2016)

Die CAS (Centri di accoglienza straordinaria) sind temporäre Aufnahmezentren, die speziell in Zeiten hoher Migrationsströme andere Zentren entlasten sollen. De facto dienen sie zur Unterbringung von Bootsflüchtlingen. Ihre Zahl wird je nach Bedarf angepasst und ist daher nur schwer festzumachen. Die CAS dienen auch als "Second-Line-Aufnahme" in Vorbereitung auf die Unterbringung in SPRAR. Derzeit sind ca. 130.000 Personen in über 7000 CAS-Unterkünften in ganz Italien untergebracht (AIDA 2.2017, vgl. MdI 28.7.2015). Primär als Notunterkünfte vorgesehen, liegt der Schwerpunkt der CAS nicht auf einer längerfristigen Integration, obwohl viele Asylsuchende während der Bearbeitung ihrer Asylanträge in einem CAS untergebracht sind (CoE 2.3.2017).

Grundsätzlich sollen Asylwerber jedenfalls in allen hier genannten Einrichtungen nur temporär untergebracht werden, bis eine Verlegung in das SPRAR (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) möglich ist. Da SPRAR aber nicht über ausreichende Kapazitäten verfügt, gibt es einen chronischen Rückstau, der wiederum eine zum Teil massive Überbelegung der CAS-Unterkünfte zur Folge hat. Viele Asylsuchende bleiben bis zum Asylentschied in den CAS. Um eine gewisse Entlastung des Systems herbeizuführen, werden Asylwerber oft sofort nach Erhalt eines positiven Bescheids aus dem Aufnahmesystem genommen (AIDA 2.2017).

Generell variiert die Qualität zwischen den verschiedenen Arten von Flüchtlingsunterkünften und auch innerhalb der jeweiligen Kategorien stark und hängt vom Ausmaß der jeweiligen Überbelegung und dem lokalen Management ab (AIDA 2.2017). Die Bedingungen in einigen Einrichtungen führen zu Bedenken nach den Artikeln 3 und 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) (CoE 2.3.2017).

SPRAR - (Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati)

Das SPRAR besteht derzeit (Stand 2. Februar 2017) aus 640 kleineren dezentralisierten Zweitaufnahmezentren/Projekten mit einer aktuellen Gesamtkapazität von 25.838 betreuten Personen. Etwa 95 dieser Projekte widmen sich unbegleiteten Minderjährigen (2.007 Personen) und 44 Unterkünfte mit insgesamt 592 Plätzen widmen sich Menschen mit psychischen Problemen (SPRAR 2.2.2017).

Die SPRAR-Projekte der Gemeinden sind hauptsächlich Wohnungen oder kleine Zentren und bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Integrationsberatung sowie Freizeitaktivitäten. Die Unterbringungsbedingungen sind besser als in CARA-Zentren. Es steht mehr Platz pro Person zur Verfügung (in kleineren Einheiten teilen sich oft nur zwei Personen ein Zimmer) und die hygienischen Standards sind besser. Es gibt Erholungsbereiche, manchmal besteht auch die Möglichkeit, selbst zu kochen. Bei Unterbringung unbegleiteter Minderjähriger werden diese Standards normalerweise - beispielsweise um Sportmöglichkeiten - nochmals ausgeweitet (AIDA 2.2017).

Trotz aller positiver Aspekte ist das Wachstum von SPRAR in den vergangenen Jahren nicht ausreichend, um den Unterbringungsbedürfnissen in ausreichendem Maße entsprechen zu können. SPRAR deckt derzeit nur etwa 20% der Aufnahmenachfrage ab (AIDA 2.2017, vgl. MdI 31.3.2017).

Ist in keiner der vorgesehenen Strukturen Platz für einen Asylwerber gegeben, wäre für den Zeitraum, in dem dieser nicht untergebracht werden kann, eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt. Stattdessen wird der Asylwerber unter Inkaufnahme einer entsprechenden Überbelegung trotzdem untergebracht (AIDA 2.2017).

NGOs berichten, dass Tausende legale und illegale Fremde - ohne Zugang zu öffentlichen Diensten und Leistungen - in verlassenen alten Gebäuden leben (USDOS 3.3.2017).

NGOs

Außerhalb der staatlichen Strukturen existiert noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie im Notfall oder für die Unterbringung von Familien (AIDA 2.2017).

CIE - (Centro di identificazione ed espulsione)

Personen, die sich illegal im Land aufhalten und für internationalen Schutz nicht in Frage kommen, werden in Erwartung der Abschiebung in den Schubhaftzentren CIE untergebracht. Die Dauer des Aufenthalts beträgt hierbei maximal 18 Monate (MdI 28.7.2015).

Italien verfügt mit Stand vom 20. Jänner 2016 über insgesamt sechs in Betrieb befindlichen CIEs mit einer theoretischen Kapazität von insgesamt 720 Plätzen (PI 2.2016).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on Immigration; ECRE - European Council on Refugees and Exiles) (2.2017): National Country Report Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2016update.pdf, Zugriff 23.3.2017

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CoE - Council of Europe Secretary General (2.3.2017): Bericht zu Fact-Finding-Mission zur Lage von MigrantInnen und Flüchtlingen von 16. bis 21. Oktober 2016 (Aufnahmebedingungen; unbegleitete Kinder;

internationale Schutzverfahren; MigrantInnen im Transit;

Integration; etc.),

https://search.coe.int/cm/Pages/result_details.aspx?ObjectId=09000016806f9d70, Zugriff 7.4.2017

-

EC - European Commission (o.D.), Hotspot-Konzept zur Steuerung außergewöhnlicher Migrationsströme, https://ec.europa.eu/home-affairs/sites/homeaffairs/files/what-we-do/policies/european-agenda-migration/background-information/docs/2_hotspots_de.pdf, Zugriff 3.4.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno Italiano (28.7.2015): Centri per l'imigrazione,

http://www.interno.gov.it/it/temi/immigrazione-e-asilo/sistema-accoglienza-sul-territorio/centri-limmigrazione, Zugriff 28.3.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno Italiano (2016): Piano accoglienza 2016. Tavolo di ccordinamento nazionale, Zugriff 11.4.2017

-

MdI - Ministero dell'Interno (31.3.2017): Dati e statistiche, http://www.libertaciviliimmigrazione.dlci.interno.gov.it/it/documentazione/statistica/cruscotto-statistico-giornaliero, Zugriff 4.4.2017

-

PI - Parlamento Italiano, Senato della Repubblica (2.2016):

Rapporto sui centri di identificazione ed espulsione in Italia, https://www.senato.it/application/xmanager/projects/leg17/file/repository/commissioni/dirittiumaniXVII/rapporto_cie.pdf, Zugriff 11.4.2017

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.2016): Asylverfahren und Aufnahmebedingungen in Italien, https://www.ecoi.net/file_upload/90_1472034789_160815-sfh-bericht-italien-aufnahmebedingungen-final.pdf, Zugriff 11.4.2017

-

SPRAR - Sistema di Protezione per Richiedenti Asilo e Rifugiati (2.2.2017): Composizione di base della rete SPRAR, http://www.sprar.it/i-numeri-dello-sprar, Zugriff 11.4.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Italy,

http://www.ecoi.net/local_link/337159/479923_de.html, Zugriff 30.3.2017

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VB des BM.I Italien (19.4.2017): Statistik des ital. Innenministeriums, per E-Mail

Hotspots

Im Zuge der zunehmenden Migrationsbewegungen in Richtung Europa hat die Europäische Kommission am 13. Mai 2015 eine Migrationsagenda zur "besseren Steuerung der Migration" verabschiedet. Eine der Maßnahmen ist der sog. "Hotspot approach", bei dem mit Unterstützung der europäischen Asylunterstützungsagentur EASO (sowie unter Hinzuziehung von Frontex, Europol und Eurojust) mit den Behörden der Grenzstaaten eine rasche Identifizierung der ankommenden Migrantinnen und Migranten und die umfassende Registrierung sowie die Abnahme der Fingerabdrücke gewährleisten sollen. Menschen, die Anspruch auf internationalen Schutz haben, können von den betroffenen Mitgliedsstaaten an andere EU Mitgliedsstaaten umverteilt werden, wo ihr Asylantrag bearbeitet wird. Italien und Griechenland sind die ersten beiden Mitgliedstaaten, in denen das Hotspot-Konzept derzeit angewandt wird (EC 27.3.2017; vgl. SFH 8.2016).

Migranten, die - vor allem auf dem Seeweg - illegal nach Italien kommen, erhalten zunächst Unterstützung in den großen Hotspot-Zentren. Dort werden ihre Daten erkennungsdienstlich aufgenommen, es erfolgt ein erster medizinischer Check und sie haben die Möglichkeit, um internationalen Schutz anzusuchen (AIDA 2.2017). Jene Menschen, die keinen Schutzanspruch haben, sollen rasch rückgeführt werden. Die anderen werden in die "hub regionali" (Regionalzentren) überstellt. Auch wird eine mögliche Umverteilung an andere EU-Staaten für die Durchführung des Asylverfahrens überprüft (AIDA 2.2017; vgl. EC 27.3.2017).

In Italien wurden bisher 4 Hotspots mit einer Kapazität von insgesamt 1.600 Personen eingerichtet (Lampedusa, Pozzallo, Taranto und Trapani) (EC 27.3.2017). Nach Medienberichten sollen diese nun durch weitere Hotspots ergänzt werden. Im Gespräch hierfür sind Messina und Palermo auf Sizilien sowie Corigliano, Reggio Calabria und Crotone in Kalabrien (AIDA 2.2017, vgl. GdS 17.3.2017).

Die gesetzlich zulässige Aufenthaltsdauer von 48 bzw. 72 Stunden in den Hotspots wird in der Praxis vielfach nicht eingehalten (AIDA 2.2017).

Die hohe Anzahl der Ankünfte hat sich negativ auf das System zur Registrierung und auf das italienische Empfangssystem als Ganzes ausgewirkt. Nicht immer ist die wirksame Identifizierung von Opfern von Menschenhandel oder Vulnerablen bzw. die Bereitstellung von angemessenen Informationen über deren Rechte gewährleistet. Dies ist insbesondere problematisch, wenn eine hohe Anzahl von Flüchtlingen und Migranten gleichzeitig eintrifft (CoE 2.3.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (ASGI - Association for Legal Studies on

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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