TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/26 W251 2152559-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.09.2018
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Entscheidungsdatum

26.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W251 2152559-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Angelika SENFT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Michael GENNER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.03.2017, Zl. 1051873710 - 150170189, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 13.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 13.02.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass seine Mutter nach dem Tod seines Vaters den Onkel des Beschwerdeführers habe heiraten müssen. Sein Onkel sei grausam gewesen. Der Onkel habe den Beschwerdeführer immer wieder geschlagen und der Onkel hab den Beschwerdeführer nicht in die Schule gehen lassen. Seine Mutter habe Angst gehabt, dass der Beschwerdeführer vom Onkel getötet werde, seine Mutter habe ihn daher fortgeschickt.

3. Am 25.10.2016 fand eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass er von seinem Onkel unter Druck gesetzt worden sei. Sein Vater habe die Taliban ausspioniert. Als der Vater gestorben sei, habe er kein ruhiges Leben mehr gehabt. Die Taliban seien immer wieder gekommen und haben nach ihm gefragt. Die Gruppe Arbaki (auch geschrieben Arbankian) habe immer junge Leute mitnehmen wollen, wer sich geweigert habe sei getötet worden. Sie seien aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen und gegen die Regierung zu kämpfen. Als sein Vater gestorben sei, sei er noch ein Kind gewesen, sein Onkel sei gemein zu ihm gewesen und habe ihn unter Druck gesetzt. Er sei vom Onkel geschlagen worden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Fluchtgründe nicht glaubhaft habe machen können. Es drohe dem Beschwerdeführer auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann der bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht in eine ausweglose Situation geraten würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, das einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass die Taliban den Beschwerdeführer aufgesucht und diesen aufgefordert haben sich der Gruppe anzuschließen. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer auch von der Gruppe der Arbakian aufgefordert worden sich diesen anzuschließen und gegen die Regierung zu kämpfen. Wer sich geweigert habe, sei getötet worden. Es habe sich auch die Sicherheitslage verschlechtert, die Heimatprovinz des Beschwerdeführers sei volatil. Entgegen der Ansicht des Bundesamtes könne sich der Beschwerdeführer keine Existenz in Kabul aufbauen, da er dort keine familiären Anknüpfungspunkte habe, er nur ein Jahr lang die Schule besucht habe und er über keine berufliche Fachausbildung verfüge.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.09.2018 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu und im Beisein des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung im Wesentlichen an, dass er von seinem Onkel väterlicherseits misshandelt worden sei. Er sei deshalb nach Pakistan zu seinem Onkel mütterlicherseits gegangen. Nach drei Jahren habe sein Onkel väterlicherseits ihn aus Pakistan zurückgeholt. Er sei daraufhin wieder von seinem Onkel väterlicherseits misshandelt worden. Seine Mutter habe einen Schlepper organisiert, der ihn ins Ausland gebracht habe. Sein Vater sei von den Taliban getötet worden, die Taliban haben zweimal versucht den Beschwerdeführer mitzunehmen. Sein Onkel väterlicherseits habe mit den Taliban kooperiert und vom Beschwerdeführer verlangt mit den Taliban mitzugehen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan werde er von den Taliban beschuldigt ungläubig zu sein, da er aus Europa zurückkomme, er werde beschuldigt kein Moslem mehr zu sein, ungläubig zu sein und die Religion gewechselt zu haben. Da er keinen Beruf habe, könne er in Afghanistan nicht überleben. Er könne auch wegen der schlechten Sicherheitslage nicht nach Afghanistan zurück.

7. Mit Stellungnahme vom 07.09.2018, eingelangt am 08.09.2018, ist der Beschwerdeführer den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten. Der Beschwerdeführer brachte vor, dass sich aus dem Gutachten von Frederike Stahlmann ergebe, dass Rückkehrer nicht auf familiäre Unterstützung zurückgreifen können. Eine Unterstützung durch die Familie sei dann ausgeschlossen, wenn durch einen Teil der Familie Gewalt drohe. Nur durch das Vorhanden sein von familiären und sozialen Netzwerken kann Obdach und Unterkunft erlangt werden. Der Beschwerdeführer wäre auch nicht in der Lage sich eine Tazkira zu beschaffen. Es zeige sich zudem eine Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul bzw. in ganz Afghanistan. Der Beschwerdeführer berief sich auf das Gutachten von Stahlmann und die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, diese oder weitere Länderberichte wurden jedoch nicht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX. Er ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben und spricht Paschtu als Muttersprache sowie weiters die Sprachen Dari und Pashai (AS 1; AS 228; Verhandlungsprotokoll vom 06.08.2018, OZ 13, S. 7, S. 3; Beilage ./P).

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Nangarhar, im Distrikt XXXX, im Dorf XXXX geboren (OZ 13, S. 7) Als der Beschwerdeführer noch ein kleines Kind war, ist sein Vater verstorben (OZ 13, S. 9). Nachdem sein Vater verstorben war, heiratete der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers die Mutter des Beschwerdeführers (AS 229). Der Beschwerdeführer lebte als Kind für zwei bis drei Jahre bei seinem Onkel mütterlicherseits in Pakistan. Danach kehrte er zu seinem Onkel väterlicherseits und zu seiner Mutter und Schwester in sein Heimatdorf zurück (OZ 13, S. 8).

Der Beschwerdeführer hat ein Jahr lang in Pakistan eine Schule besucht. Der Beschwerdeführer hat auch in Afghanistan zwei bis drei Jahre lang die Schule besucht (Beilage ./P). Er hat in Afghanistan seit seiner Kindheit in der Landwirtschaft bei seinem Onkel väterlicherseits gearbeitet (OZ 13, S. 9; AS 229). Von 2004 bis 2014 hat der Beschwerdeführer auch als Bäcker und Verkäufer in Afghanistan gearbeitet (Beilage ./P).

Die Mutter, die Schwester, der Onkel väterlicherseits, dessen Frau und Kinder leben noch im Heimatdorf des Beschwerdeführers in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie (OZ 13, S. 8).

Die Familie des Beschwerdeführers besitzt zwei Häuser, Grundstücke und Felder, sowie Tiere (OZ 13, S. 9). Der Onkel väterlicherseits bewirtschaftet die Felder der Familie, der Onkel väterlicherseits hat Bauern die für ihn auf den Feldern arbeiten. Die Familie des Beschwerdeführers ist finanziell gut abgesichert (AS 229; OZ 13, S. 14).

Der Beschwerdeführer verfügt in der Stadt Herat und der Stadt Mazar-e Sharif über keine Familienangehörige. Der Beschwerdeführer hat selber weder in der Stadt Herat noch in der Stadt Mazar-e Sharif gelebt (OZ 13, S. 9).

Der Beschwerdeführer ist unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich eingereist und hält sich seit zumindest Februar 2015 durchgehend in Österreich auf. Drei Monate vor seiner Einreise in Österreich, sohin ca. November 2014, hat er Afghanistan verlassen (AS 1; AS 7, 9)

Der Beschwerdeführer hat bereits einen Deutschkurs A1 und einen Deutschkurs A2 besucht, er hat aber noch keine Prüfung abgelegt (OZ 13, S. 11; Beilage ./B; Beilage ./F, Beilage ./G).

Der Beschwerdeführer hat am Workshop "Miteinander Leben", am Workshop "Bewerbungstraining" sowie am Werte- und Orientierungskurs teilgenommen (Beilage ./C, Beilage ./D, Beilage ./E). Der Beschwerdeführer hat im Schuljahr 2015/2016 für vier bis fünf Monate eine Schule in Österreich besucht (OZ 13, S. 11; Beilage ./H).

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer hat in Traiskirchen ca. einen Monat lang Reinigungsarbeiten übernommen (OZ 13, S. 11). Der Beschwerdeführer arbeitet ehrenamtlich für das Rote Kreuz, dabei verteilt er an Sonntagen für die Tafel des Roten Kreuzes von 16:00 bis 20:00 Lebensmittel. Diese Tätigkeit übt er seit ungefähr einem Jahr aus, er hat insgesamt 131 Stunden gemeinnützige Arbeit in Österreich für das Rote Kreuz geleistet (OZ 13, S. 11-12; Beilage L). Der Beschwerdeführer hat sich im Juli 2018 für ein Praktikum als Elektroinstallationstechniker beworben (Beilage ./O, Beilage ./P).

Der Beschwerdeführer hat in Österreich freundschaftliche Kontakte zu seinen Lehrerinnen und zu Mitarbeitern des Roten Kreuzes knüpfen können (OZ 13, S. 12; Beilage ./M; Beilage ./N). Der Beschwerdeführer verfügt weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen in Österreich.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund (OZ 13, S. 4-5, S. 12).

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten Beilage ./I).

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

1.2.1 Der Beschwerdeführer wurde von seinem Onkel väterlicherseits in Afghanistan nicht misshandelt, schikaniert oder schlecht behandelt. Der Onkel väterlicherseits des Beschwerdeführers ist kein Mitglied der Taliban, dieser hat auch keinen Kontakt zu den Taliban, er unterstützt diese auch nicht.

Der Beschwerdeführer hatte weder Kontakt zu den Taliban, noch zur Arbaki-Miliz noch zu anderen Gruppierungen. Er wurde von diesen nicht kontaktiert und auch nicht aufgefordert sich diesen anzuschließen oder für diese zu arbeiten. Der Beschwerdeführer wurde auch nicht von seinem Onkel väterlicherseits aufgefordert sich den Taliban anzuschließen oder für diese zu arbeiten.

Der Beschwerdeführer wurde weder von den Taliban, noch von der Arbaki Miliz noch von seinem Onkel väterlicherseits noch von anderen Gruppierungen konkret und individuell mit der Ausübung von physischer oder psychischer Gewalt bedroht.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr, sondern aus anderen Gründen verlassen.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer, individuell und konkret, weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban, der Arkabi-Miliz, durch seinen Onkel väterlicherseits oder durch andere Personen.

1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seines Aufenthalts in einem europäischen Land in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt wäre.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in die Provinz Nangarhar ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 - LIB 22.08.2018, S. 24).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 22.08.2018, S. 24).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 22.08.2018, S. 27).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 22.08.2018, S. 35).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 22.08.2018, S. 28).

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 22.08.2018, S. 28). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 22.08.2018, S. 28 ff, 33).

Nangarhar:

Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.573.973 geschätzt (LIB 22.08.2018, S. 153).

In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert. Nangahar war seit dem Sturz des Taliban-Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten. In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen. Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt. Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt. Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 795 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 22.08.2018, S. 154).

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 22.08.2018, S. 68).

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist (LIB 22.08.2018, S. 68).

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 22.08.2018, S. 69).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 22.08.2018, S. 68f).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in 16 Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (LIB 22.08.2018, S. 104).

Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand, sodass die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 22.08.2018, S. 104, 225 f).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (LIB 22.08.2018, S. 104).

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Die Provinz Herat zählt zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (LIB 22.08.2018, S. 105).

Nach zehn Jahren der Entminung sind nun 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher. In diesen Gegenden besteht keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 22.08.2018, S. 106).

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 22.08.2018, S. 106).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an. Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, sich am Friedensprozess zu beteiligen. Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (LIB 22.08.2018, S. 107).

Medizinische Versorgung

Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 22.08.2018, S. 318ff).

Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan. In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 22.08.2018, S. 320f).

Wirtschaft

Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 22.08.2018, S. 314).

Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 22.08.2018, S. 315).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist angespannt und die Arbeitslosigkeit ist hoch. Sogar für gut ausgebildete und gut qualifizierte Personen ist es schwierig ohne ein Netzwerk einen Arbeitsplatz zu finden, wenn man nicht empfohlen wird oder dem Arbeitgeber nicht vorgestellt wird. Vetternwirtschaft ist gang und gebe. Arbeitgeber bewerten persönliche Beziehungen und Netzwerke höher als formelle Qualifikationen. Es gibt lokale Webseiten, die offene Stellen im öffentlichen und privaten Sektor annoncieren. Die meisten Afghanen sind unqualifiziert und Teil des informellen, nicht-regulierten Arbeitsmarktes. Der Arbeitsmarkt besteht Großteiles aus manueller Arbeit ohne Anforderungen an eine formelle Ausbildung und spiegelt das niedrige Bildungsniveau wieder. In Kabul gibt es öffentliche Plätze, wo sich Arbeitssuchende und Nachfragende treffen. Viele bewerben sich, nicht jeder wird engagiert. Der Lohn beträgt für Hilfsarbeiter meist USD 4,3 und für angelernte Kräfte bis zu USD 14,5 pro Tag (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 29 - 30).

In Kabul und in großen Städten stehen Häuser und Wohnungen zur Verfügung. Es ist auch möglich an Stelle einer Wohnung ein Zimmer zu mieten. Dies ist billiger als eine Wohnung zu mieten. Heimkehrer mit Geld können Grund und Boden erwerben und langfristig ein eigenes Haus bauen. Vertriebene in Kabul, die keine Familienanbindung haben und kein Haus anmieten konnten, landen in Lagern, Zeltsiedlungen und provisorischen Hütten oder besetzen aufgelassene Regierungsgebäude. In Städten gibt es Hotels und Pensionen unterschiedlichster Preiskategorien. Für Tagelöhner, Jugendliche, Fahrer, unverheiratete Männer und andere Personen, ohne permanenten Wohnsitz in der jeweiligen Gegend, gibt es im ganzen Land Angebote geringerer Qualität, sogenannte chai khana (Teehaus). Dabei handelt es sich um einfache große Zimmer in denen Tee und Essen aufgetischt wird. Der Preis für eine Übernachtung beträgt zwischen 0,4 und 1,4 USD. In Kabul und anderen großen Städten gibt es viele solche chai khana und wenn ein derartiges Haus voll ist, lässt sich Kost und Logis leicht anderswo finden. Man muss niemanden kennen um dort eingelassen zu werden (EASO Afghanistan Netzwerke aus Jänner 2018, Beilage ./III, S. 31).

Rückkehrer:

Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (LIB 22.08.2018, S. 327 f).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 22.08.2018, S. 328 f).

IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 22.08.2018, S. 329 f).

Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 22.08.2018, S. 330).

Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 22.08.2018, S. 331 f).

Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 22.08.2018, S. 332).

Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 22.08.2018, S. 332).

Es kann nicht festgestellt werden, dass Rückkehrer, auf Grund dieses Merkmals, in Afghanistan psychischer oder physischer Gewalt ausgesetzt sind.

Taliban:

Die Taliban konzentrierten sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" nicht. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 ist auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (LIB 22.08.2018, S. 37).

Rekrutierung durch die Taliban:

Die Veränderung des Konfliktschemas wirkt sich auf die Rekrutierungsstrategien der Taliban aus, nämlich auf das Profil der rekrutierten Personen als auch auf die Ausbildung der Rekruten. Die Taliban sind aktiver als bisher bemüht Personen mit militärischem Hintergrund sowie mit militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Taliban versuchen daher das Personal der afghanischen Sicherheitskräfte auf ihre Seite zu ziehen. Da ein Schwerpunkt auf militärisches Wissen und Erfahrungen gelegt wird, ist mit einem Anstieg des Durchschnittsalters zu rechnen (Beilage ./IV, S. 8). Durch das Anwerben von Personen mit militärischem Hintergrund bzw. von Mitgliedern der Sicherheitskräfte erhalten Taliban Waffen, Uniformen und Wissen über die Sicherheitskräfte. Auch Personen die über Knowhow und Qualifikationen verfügen (z.B. Reparatur von Waffen), können von Interesse für die Taliban sein (Beilage ./IV, S. 18).

Taliban sind eine weitgehend dezentralisierte Organisation, die aus relativ kleinen Gruppen rund um lokale Kommandanten besteht. Sie kooperieren hauptsächlich auf der Basis persönlicher Beziehungen. Die Rekrutierung von lokalen Teilzeitkämpfern erfolgt gemäß den Traditionen und Loyalitätsbindungen, während die Rekrutierung von Vollzeitkämpfern und Elitetruppen im stärkeren Maße von den Taliban selbst organisiert wird. Es spielen daher Freundschaftsnetzwerke und andiwali (Paschtu für Kameradschaft) eine besondere Bedeutung bei der Anwerbung. Taliban sind von Gastfreundschaft, Unterstützung und Sympathie abhängig, um in einem Gebiet Fuß zu fassen (Beilage ./IV, S. 9).

Die Taliban rekrutieren über bestehende traditionelle Netzwerke und organisierte Aktivitäten im Zusammenhang mit religiösen Institutionen. Layha, der Verhaltenskodex der Taliban enthält einige Bestimmungen über verschiedene Formen der Einladung sowie Bestimmungen, wie sich die Kader verhalten sollen, um Menschen zu gewinnen und Sympathien aufzubauen. Über soziale Medien können Taliban mit Sympathisanten und potentiellen Rekruten Kontakt aufnehmen. Zusätzlich unternehmen Taliban persönlich und direkt Versuche, die Menschen von ihren Ideologien und Weltanschauungen zu überzeugen, damit sie die Bewegung unterstützen. Ein Großteil dieser Aktivitäten läuft über religiöse Netzwerke, zum Beispiel beim Freitagsgebet in der Moschee, bei lokalen Veranstaltungen oder Schauplätzen (Beilage ./IV, S. 12).

Menschen schließen sich den Taliban zum einen aus materiellen und wirtschaftlichen Gründen zum anderen aus kulturellen und religiösen Gründen an. Die Rekruten sind durch Armut, fehlende Chancen und die Tatsache, dass die Taliban relativ gute Löhne bieten, motiviert. Es spielt auch die Vorstellung, dass die Behörden und die internationale Gemeinschaft den Islam und die traditionellen Standards nicht respektieren würden, eine zentrale Rolle, wobei sich die Motive überschneiden. Bei Elitetruppen sind beide Parameter stark ausgeprägt. Sympathisanten der Taliban sind Einzelpersonen und Gruppen, vielfach junger Männer, deren Motiv der Wunsch nach Rache, Heldentum gepaart mit religiösen und wirtschaftlichen Gründen sind. Aus Armut, Hoffnungslosigkeit und fehlenden Zukunftsperspektiven schließen sich viele den Taliban an (Beilage ./IV, S. 12-13). Die Billigung der Taliban in der Bevölkerung ist nicht durch religiöse Radikalisierung bedingt, sondern Ausdruck der Unzufriedenheit über Korruption und Misswirtschaft (Beilage ./IV, S. 14).

Madrassen und Flüchtlingslager in Pakistan stellen nach wie vor ein wichtiges Rekrutierungsfeld dar (Beilage ./IV, S. 16).

Die Grenzen von unmittelbarem, konkretem und strukturellem Zwang sind fließend. In Ermangelung von Alternativen kann manchmal die Freiwilligkeit verschwimmen. Auch wenn jemand keinen Drohungen oder körperlichen Übergriffen ausgesetzt ist, können Faktoren Wie Armut, kulturelle Gegebenheiten und Ausgrenzung die Unterscheidung zwischen freiwilliger und zwangsweiser Beteiligung zum Verschwimmen bringen (Beilage ./IV, S. 17).

Die Taliban waren mit ihrer Expansion noch nicht genötigt Zwangsmaßnahmen zur Rekrutierung anzuwenden. Zwangsrekrutierung ist noch kein herausragendes Merkmal für den Konflikt. Die Taliban bedienen sich nur sehr vereinzelt der Zwangsrekrutierung, indem sie männliche Dorfbewohner in von ihnen kontrollierten Gebieten, die mit der Sache nicht sympathisieren, zwingen, als Lastenträger zu dienen (Beilage ./IV, S. 18). Die Taliban betreiben eine Zwangsrekrutierung nicht automatisch. Personen die sich gegen die Rekrutierung wehren, werden keine rechtsverletzenden Sanktionen angedroht. Eine auf Zwang beruhende Mobilisierungspraxis steht auch den im Pashtunwali (Rechts- und Ehrenkodex der Paschtunen) enthaltenen fundamentalen Werten von Familie, Freiheit und Gleichheit entgegen. Es kommt nur in Ausnahmefällen und nur in sehr beschränktem Ausmaß zu unmittelbaren Zwangsrekrutierungen durch die Taliban. Die Taliban haben ausreichend Zugriff zu freiwilligen Rekruten. Zudem ist es schwierig einen Afghanen zu zwingen, gegen seinen Willen gegen jemanden oder etwas zu kämpfen (Beilage ./IV, S. 19).

Im Kontext Afghanistans verläuft die Grenze zwischen Jungen und Mann fließend. Ausschlaggebend für diese Beurteilung sind Faktoren wie Pubertät, Bartwuchs, Mut, Unabhängigkeit, Stärke und die Fähigkeit die erweiterte Familie zu repräsentieren. Der Familienälteste ist das Oberhaupt, absolute Loyalität gegenüber getroffenen Entscheidungen wird vorausgesetzt. Kinder unterstehen der Obrigkeit der erweiterten Familie. Es stünde im Widerspruch mit der afghanischen Kultur, würde man Kinder gegen den Wunsch der Familie und ohne entsprechende Entscheidung des Familienverbandes aus dem Familienverband "herauslösen" (Beilage ./IV, S. 20).

Nahezu alle Akteure mobilisieren auch Personen unter 18 Jahre. Es gibt jedoch kaum Hinweise, dass Taliban ihre Aktivitäten solcherart organisieren, dass eine große Anzahl von Personen unter 15 Jahren für die Teilnahme an militärischen Tätigkeiten und Kampfhandlungen rekrutiert wird (Beilage ./IV, S. 23).

Arbaki-Milizen:

Milizgruppen, die oftmals auf der Seite der Regierung gegen Aufständische kämpfen, werden als Arbakai (Plural Arbaki) bezeichnet. Ursprünglich beruht das Konzept der Arbakai auf dem Stammesrecht der Paschtunen, dem Paschtunwalli. Arbakai übernehmen die Rolle der Polizei innerhalb des Stammes, des Sub-Stammes oder in Gemeindegebieten. Arbakai ist ein System zur Kontrolle der Gemeinschaft basierend auf dem Stamm, das auf freiwilliger Basisinitiative beruht. Arbakei haben große Unterstützung und sind in die Gemeinde eingebettet. Arbakai ist eine Gruppe von freiwilligen Erwachsenen, die mittels besonderem Verfahren ausgewählt werden und die Verantwortung für die Umsetzung der Entscheidungen der Dschirga haben, das Territorium des Stammes oder der Gemeinde sichern und Maßnahmen gegen jeden ergreifen, der illegale Handlungen begeht (Beilage ./V, S. 1).

Die Bezeichnung Arbakai wird mittlerweile für alle semi-offiziellen und auch nicht-offiziellen Milizgruppen verwendet. (Beilage .7V, S. 1). Bei untrainierten örtlichen milizgruppen und deren Anhängern kommt es immer wieder zu Machtmissbrauch, Vergewaltigung, Übergriffen sowie zu Einhebungen informeller Steuern (Beilage ./V, S. 2). Gelegentlich wird der Begriff Arbaki auch für die Afghanische Landpolizei (Afghan Local Police, ALP) verwendet (Beilage ./V, S. 3).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt, durch Einvernahme des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden Beilage ./I bis ./V und Beilage ./A bis ./P (Konvolut ZMR, GVS, Strafregister Beilage ./I;

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Afghanistan vom 29.06.2018 mit Aktualisierung vom 22.08.2018, Beilage ./II;

Bericht EASO, Afghanistan Netzwerke, Jänner 2018, Beilage ./III;

Bericht Landinfo, Rekrutierung durch die Taliban, vom 29.06.2017, Beilage ./IV; ACCORD Anfragebeantwortung, Arbaki-Milizen vom 22.06.2017, Beilage ./V; Vollmacht vom 04.09.2018, Beilage ./A;

Bestätigung Deutschunterrichte vom 29.03.2017, Beilage ./B;

Teilnahmebestätigung Workshop "Miteinander Leben", vom 02.07.2018, Beilage ./C; Teilnahmebestätigung, Workshop "Bewerbungstraining" vom 04.07.2018, Beilage ./D; Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 12.12.2017, Beilage ./E;

Kursbesuchsbestätigung Deutschkurs A1.1 vom 20.12.2017, Beilage ./F;

Teilnahmebestätigung Deutschkurs A2 vom 31.08.2018, Beilage ./G;

Schulbesuchsbestätigung vom 08.07.2016, Beilage ./H;

Schulbesuchsbestätigung vom 25.11.2015, Beilage ./i; Konvolut Fotos, Beilage ./J; Schülerausweis vom 22.01.2016, Beilage ./K; Bestätigung ehrenamtliche Arbeit vom 03.09.2018, Beilage ./L;

Unterstützungsschreiben vom 30.08.2018, Beilage ./M;

Unterstützungsschreiben vom 05.08.2018, Beilage ./N;

Bewerbungsschreiben vom 06.07.2018, Beilage ./O; Lebenslauf des Beschwerdeführers vom 06.07.2018, Beilage ./P) sowie durch Heranziehung der in der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 07.09.2018 genannten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen basieren auf den in der Klammer angegebenen Beweismitteln.

Die Feststellungen zum Namen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zum Geburtsdatum ergeben sich aus dem eingeholten Altersfeststellungsgutachten (AS 45-69). Der Beschwerdeführer gab zwar bei der Erstbefragung an, dass er 15 Jahre alt sei (Geburtsdatum XXXX), dies wurde jedoch durch das Altersgutachten wiederlegt. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seinen Sprachkenntnissen sowie zu den Eigentumsverhältnissen seiner Familie gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Dem Lebenslauf des Beschwerdeführers (Beilage ./P) ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer von 2002 bis 2004 in Afghanistan eine Schule besucht habe und er von 2004 bis 2014 als Bäcker und Verkäufer gearbeitet habe. Es ist für das Gericht kein Grund ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführer, der in Österreich erst wenige Tage vor Erstellung des Lebenslaufes ein Bewerbungstraining absolviert hat (Beilage ./D), unrichtige Angaben in seinem Lebenslauf machen sollte. Das Gericht geht daher davon aus, dass die Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht, wonach er in Afghanistan keine Schule besucht habe, nicht richtig sind. Es wurde daher festgestellt, dass der Beschwerdeführer auch in Afghanistan für 2-3 Jahre die Schule besucht hat und dieser auch als Bäcker und Verkäufer in Afghanistan gearbeitet hat.

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage (vgl. insbesondere den Auszug aus dem Grundversorgungs-Informationssystem), auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

Hinweise auf nachhaltige Integrationsschritte (soziale/berufliche Integration) des Beschwerdeführers in Österreich sind weder dem Verwaltungs- noch dem Gerichtsakt zu entnehmen und wurden auch im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht vorgebracht.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (Beilage ./I).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

2.2.1. Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, ihm drohe Lebensgefahr durch seinen Onkel, da er von diesem misshandelt worden sei sowie durch die Taliban und die Arbaki Milizen bzw. Gruppierungen, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers davon ausgeht, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Der Beschwerdeführer wurde zu Beginn der Verhandlung angehalten, sein Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht gerecht geworden. Der Beschwerdeführer präsentierte sowohl beim Bundesamt als auch vor Gericht eine bloße Rahmengeschichte, die er selbst auf mehrfaches Nachfragen kaum mit Details ergänzen konnte. Die Angaben des Beschwerdeführers blieben gänzlich detaillos und vage. Der Beschwerdeführer gab auch ausweichende Antworten. Es ergaben sich viele Unplausibilitäten, die seine Angaben unglaubhaft scheinen lassen. Das Gericht verkennt zwar nicht, dass die behaupteten Vorfälle schon einige Zeit zurückliegen und der Beschwerdeführer damals wohl noch minderjährig war und deshalb Erinnerungslücken einer vollkommen detaillierten Erzählung entgegenstehen können. Dass der Beschwerdeführer die Ereignisse jedoch in einer derart oberflächlichen und nicht stringenten Weise wie in der mündlichen Verhandlung schildern würde, wäre allerdings nicht anzunehmen, hätten sich die Ereignisse tatsächlich so zugetragen und wären sie von fluchtauslösender Intensität. Die erzählte Geschichte erweckte für das Gericht daher den Eindruck, dass es sich lediglich um eine auswendig gelernte konstruierte Geschichte handelt.

Beim Bundesamt machte der Beschwerdeführer zu seiner Fluchtgründen nachstehende Angaben: Ich wurde von meinem Onkel unter Druck gesetzt. Mein Vater der bereits verstorben ist, hat die Taliban ausspioniert. Ich hatte danach, als mein Vater starb, kein ruhiges Leben. Die Taliban kamen immer wieder hierher und haben nach uns gefragt. Die Gruppe Arbankien wollte immer junge Leute mitnehmen, wer sich geweigert hat, wurde getötet. Wir wurden aufgefordert, dass wir und ihnen anschließen. Sie wollten, dass wir gegen die Regierung kämpfen. Meine Mutter war dagegen. Nachdem mein Vater starb, heiratete meine Mutter meinen Onkel. Damals war ich sehr jung, ich war noch ein Kind. Mein Onkel war immer zu uns so gemein. Er hat mich unter Druck gesetzt, ich durfte nicht in die Schule gehen. Er war sehr unfair, er hat mich geschlagen." (AS 229).

Bereits aus diesen Angaben ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bereits beim Bundesamt eine grobe, detaillose Rahmengeschichte präsentiert hat, die den Eindruck erweckt, dass es sich um eine auswendig gelernte Geschichte handelt. Die Angaben des Beschwerdeführers machen keinen glaubhaften Eindruck. Auch auf konkrete Nachfragen präsentierte der Beschwerdeführer beim Bundesamt nur vage und allgemein gehaltenen Angaben ohne lebensnahe Details:

"F: Was passierte im Heimatland?

A: Ich hatte Probleme mit meinem Onkel und die Leute wollten mich mitnehmen. Mir persönlich ist nichts passiert. Bevor was passierte bin ich weggereist." (AS 229)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.

2.2.2. Der Beschwerdeführer gab an, dass er von seinem Onkel misshandelt, ungerecht behandelt und vom Schulbesuch in Afghanistan abgehalten worden sei.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Misshandlungen durch seinen Onkel waren jedoch bereits beim Bundesamt sehr vage und detaillos.

Diese beschränkten sich auf: "Mein Onkel war immer so gemein zu uns, er hat mich unter Druck gesetzt, ich durfte nicht in die Schule gehen, er war sehr unfair, er hat mich geschlagen, er war gemein und hat viel geschriehen" (AS 229) Obwohl der Beschwerdeführer nach seinen Angaben über mehrere Jahre durch seinen Onkel misshandelt worden wäre, konnte der Beschwerdeführer beim Bundesamt keine konkreten oder lebensnahen Details nennen.

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt (AS 229) angab, dass der Onkel verhindert habe, dass er in Afghanistan die Schule besuche. Dem Lebenslauf des Beschwerdeführers ist jedoch zu entnehmen, dass er von 2002 bis 2004 in Afghanistan die Schule besucht habe. Nach Angaben des Beschwerdeführers sei sein Vater zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben gewesen (als der Beschwerdeführer 6 oder 7 Jahre alt war - OZ 13, S. 9), sodass er in Afghanistan zur Schule gegangen sein muss als er unter der Obhut seines Onkels väterlicherseits stand. Die Angaben des Beschwerdeführers, dass sein Onkel ihn vom Schulbesuch in Afghanistan abgehalten habe, sind nicht nachvollziehbar. Die Angaben des Beschwerdeführers zu den Misshandlungen und Schikanen durch seinen Onkel sind daher nicht glaubhaft.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu den behaupteten Misshandlungen und Schikanen durch seinen Onkel sind nicht nachvollziehbar.

2.2.3. Der Beschwerdeführer gab beim Bundesamt an, dass die Taliban immer wieder kamen und nach ihnen (Anm. BVwG: wohl gemeint der Beschwerdeführer und seine Familie) gefragt haben (AS 229). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass sie auch ein Problem mit den Taliban gehabt haben. Sein Vater sei von den Taliban umgebracht worden. Die Taliban seien zweimal bei ihnen gewesen um ihn mitzunehmen, aber er sei noch zu jung gewesen, sein Onkel habe mit den Taliban kooperiert und gewollt, dass der Beschwerdeführer mitgehe (OZ 13, S. 13).

Auch hier waren die Angaben des Beschwerdeführers sehr vage und detaillos. Zudem ist es für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer erst in der mündlichen Verhandlung angab, dass sein Onkel mit den Taliban kooperiert habe und dieser von ihm verlangt habe mit den Taliban mitzugehen. Ein familiärer Druck sich den Taliban anzuschließen und ein Onkel, der mit den Taliban kooperiert, ist ein sehr einprägsames Detail. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer dies nicht bereits in der freien Erzählung beim Bundesamt angegeben hat, sodass von einer unglaubhaften Steigerung des Vorbringens auszugehen ist.

Der Beschwerdeführer gab auch an, dass er 9 Jahre alt gewesen sei, als die Taliban bei ihm zuhause gewesen seien bzw., dass dies zwei Jahre vor seiner Ausreise gewesen sei (OZ 13, S. 14). Es ist daher auch hier zwischen dem behaupteten Besuch durch die Taliban und der Ausreise des Beschwerdeführers kein zeitlicher Konnex gegeben, sodass der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen konnte, er sei aus Furcht vor Eingriffen in seine körperliche Integrität oder wegen Lebensgefahr aus Afghanistan ausgereist.

2.2.4. Der Beschwerdeführer gab in der mündlichen Verhandlung an, dass er ein Problem mit seinem Onkel habe und er habe mit den Taliban ein Problem gehabt. Der Beschwerdeführer erwähnte in der mündlichen Verhandlung in der freien Erzählung jedoch nicht, dass er ein Problem mit den Gruppen der Arkabi bzw. Arbankian gehabt habe. Es ist nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer beim Bundesamt noch angibt wegen der Arbaki bzw. Arbankian Probleme gehabt zu haben, während es dies in der mündlichen Verhandlung nicht angab. Es ist daher für das Gericht nicht glaubhaft, dass er jemals von Mitgliedern der Arbakian bzw. Arbaki kontaktiert oder von diesen aufgefordert worden sei, sich diesen anzuschließen.

Der Beschwerdeführer räumte beim Bundesamt auch ein, dass er von den Mitgliedern der Arbaki Miliz nicht angesprochen oder kontaktiert worden sei (AS 230). Dies begründete der Beschwerdeführer damit, dass er die meiste Zeit daheim gewesen sei, er habe das Hasus nur verlassen wenn er etwas zutun gehabt habe, er habe gelegentlich Einkäufe erledigt, alleine oder mit seinem Onkel und er habe auch ein bisschen bei der Landwirtschaft mitgeholfen. In diesem Zusammenhang ist es jedoch unplausibel, dass er bei den Einkäufen, wenn er nicht daheim war, nicht von diesen angesprochen worden sei, wenn diese darauf abgezielt hätten gerade den Beschwerdeführer anzuwerben.

Es ist zudem nicht nachvollziehbar, dass die Arbaki-Miliz den Beschwerdeführer nicht habe finden können, da dieser immer daheim gewesen sei. Dem Lebenslauf des Beschwerdeführers (Beilage ./P) ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer von 2004 bis 2014 als Bäcker und Verkäufer gearbeitet habe. Der Beschwerdeführer gab zudem an in der Landwirtschaft der Familie gearbeitet zu haben. Es ist daher nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer bei seiner beruflichen Auslastung die meiste Zeit zuhause gewesen sein soll. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen sind nicht glaubhaft.

2.2.5. Aufgrund der insgesamt nicht glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban, Arbaki Milizen, seinen Onkel oder durch andere Personen bzw. Gruppierungen drohen würde.

2.2.6. Soweit der Beschwerdeführer angab, dass er aufgrund seines langjährigen Auslandsaufenthaltes die Gefahr bestehe als "verwestlicht" oder "ungläubig" angesehen zu werden, ist auszuführen, dass nicht ersichtlich ist wodurch sich sein "westlicher Lebensstil" oder ein Abfall vom Islam äußern würde. Aufgrund der Kürze seines Aufenthalts ist in Zusammenhang mit dem von ihm in der Beschwerdeverhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck nach Ansicht des Gerichts nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine westliche Lebenseinstellung in einer ihn in Afghanistan exponierenden Intensität übernommen hätte. Es ist auch nicht erkennbar, warum gerade der Beschwerdeführer gegenüber hunderttausend anderen Rückkehrern in eine derart exponierte Lage geraten soll, dass er auf Grund seines Lebensstils oder auf Grund seines Aufenthaltes in einem westlichen Land psychischer oder physischer Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt wäre.

Es ist weder den Angaben des Beschwerdeführers noch den beigezogenen Länderberichten zu entnehmen, dass Rückkehrer aus Europa in besondere Form von Gewalt und Bedrohung betroffen wären, sodass auch eine generelle (Gruppen-)Verfolgung von Rückkehrern aus Europa nicht festgestellt werden konnte.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat und zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der ge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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