TE Bvwg Beschluss 2018/9/27 W264 2183747-2

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Veröffentlicht am 27.09.2018
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Entscheidungsdatum

27.09.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VwGVG §8a

Spruch

W264 2183747-2/12Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, geb. XXXX, vom 2.8.2018, mit welchem die Bewilligung der Verfahrenshilfe im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 28.11.2017, Zahl:

114-615059-003, betreffend die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs 1 VwGVG

a b g e w i e s e n .

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 23.12.2014 beim Sozialministeriumservice Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde) Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Ersatzes des Verdienstentganges.

Der Antragsteller begründete seinen Antrag damit, in seiner Kindheit - im Zeitraum 1943 bis 1962 - in verschiedenen Heimen Verbrechen erlitten zu haben und habe er davon seelische und körperliche Gesundheitsschädigungen davongetragen.

2. Nach Ermittlungstätigkeiten zur Erfassung des Sachverhaltes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verdienstentganges mit Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 28.11.2017, Zahl: 114-615059-003, gemäß § 1 Abs 1 und

Abs 3, § 3 sowie § 10 Abs 1 VOG abgewiesen.

4. Der Bescheid vom 28.11.2017, Zahl: 114-615059-003, wurde dem Beschwerdeführer nachweislich laut unbedenklichem Rückschein RSb nach erfolglosem Zustellversuch am 1.12.2017 und Einlage der Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung mit Beginn der Abholfrist 2.11.2017 beim Postamt XXXX hinterlegt.

5. Mit einem als "Einspruch" bezeichneten Rechtsmittel per E-Mail erhob der Beschwerdeführer Beschwerde und begründete sein Rechtsmittel mit "Weil diverse Textstellen im Bescheid nicht der Wahrheit entsprechen!".

6. Mit E-Mail vom 19.12.2017 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Nachricht im Sozialministeriumservice eingelangt sei, diese Eingabe jedoch nicht den Formerfordernissen einer Beschwerde entspreche und wurde er ersucht, die Gründe, auf die sich die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides stützt, näher zu präzisieren.

7. Mit nachweislich zugestelltem Schreiben vom 12.1.2018 wurde der Beschwerdeführer nochmals auf die Mängel seiner Beschwerde vom 15.1.2017 hingewiesen und führte die belangte Behörde bezüglich der Mangelhaftigkeit dasselbe aus, wie bereits in ihrem E-Mail vom 19.12.2017. Dem Beschwerdeführer wurde zur Mängelbehebung nunmehr eine Frist bis zum 29.1.2018 gesetzt. Das Schreiben vom 12.1.2018 wurde dem Beschwerdeführer nachweislich nach erfolglosem Zustellversuch am 18.1.2018 und Einlage der Verständigung über die Hinterlegung in die Abgabeeinrichtung mit Beginn der Abholfrist 18.1.2018 beim Postamt XXXX hinterlegt.

8. Am 15.1.2018 übermittelte der Beschwerdeführer ein E-Mail an die belangte Behörde und brachte er darin unter "EINSPRUCH" vor, der österreichische Staat habe durch den Beschluss im Parlament seine Mitschuld anerkannt. Die Kirche habe sich durch ihre höchsten Würdeträger entschuldigt. Die Gemeinde Wien habe das durch den Weißen Ring mit der Auszahlung des Höchstbetrages bestätigt. Doch das Bundessozialamt verweigere die Anerkennung der Tatsachen mit ausweichenden Antworten. Er gehe davon aus, dass das Bundessozialamt seine Situation schamlos ausnütze. Im Alter von 75 Jahren sei er physisch und psychisch kaum mehr in der Lage sich zu wehren. Er hoffe trotzdem, dass nicht nur der Amtsweg, sondern die Menschlichkeit nach 18 Jahren Heimaufenthalt in den Vordergrund gestellt werde. Er hoffe, dass das Bundessozialamt in der nächsten Instanz zu einem menschlichen Akt finden werde und seinem Antrag zustimme.

Als Beweisstück schloss er dem E-Mail eine Kopie von einem Vermerk über eine dem Beschwerdeführer erteilte Ohrfeige aus dem Pflegschaftsakt vom 25.11.1956 an.

9. Am 19.1.2018 übermittelte der Beschwerdeführer neuerlich ein E-Mail und äußerte darin, das Schreiben (gemeint wohl das Schreiben vom 12.1.2018) der belangten Behörde am Vortag erhalten zu haben. Dies habe sich wohl zeitlich mit seiner E-Mail vom 15.1.2018 überschnitten, so der Beschwerdeführer.

10. Mit Bescheid vom 12.2.2018 wies die belangte Behörde die Anbringen des Beschwerdeführers vom 15.1.2018 und vom 19.1.2018 zurück. Begründend wurde ausgeführt, es werde nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer in seiner Kindheit und Jugend Opfer eines Verbrechens geworden sei. Er habe in seiner Beschwerde keine Gründe angeführt, auf welche sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides stützen. Seine Beschwerde sei daher mit Mängeln behaftet und habe der Beschwerdeführer daher zwei Verbesserungsaufträge betreffend seine ursprüngliche am 15.12.2017 eingebrachte, als "Einspruch" bezeichnete Beschwerde erhalten. Diese Mängel habe er mit seinen Eingaben vom 15.1.2018 und vom 19.1.2018 nicht behoben. Da er in seinen Eingaben keine Gründe angeführt habe, worauf sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 28.11.2017 stütze, sei spruchgemäß zu entscheiden.

11. Am 26.3.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienst-entganges das Rechtsmittel der Beschwerde und führte über drei Seiten aus, weswegen das Gutachten Dris. Pankl vom 12.12.2016 aus seiner Sicht nicht korrekt sei. Abschließend ersuchte er, dem gestellten Antrag gemäß den Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes stattzugeben.

12. Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt am 28.3.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vor und langte dieser am 3.4.2018 hg. ein.

13. Am 17.4.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein gerichtlicher Mängelbehebungsauftrag, Zahl: W264 2183747-2/2Z, übermittelt und ihm nach näherer Erläuterung der Rechtsgrundlagen zur Verbesserung der mangelhaften Beschwerde eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung eingeräumt. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert bekannt zu geben, gegen welchen Bescheid sich seine Eingabe vom 26.3.2018 richtet. Für den Fall, dass er sich gegen den Bescheid vom 28.11.2017 wehren wolle, wurde darauf hingewiesen, dass seine am 26.3.2018 eingelangte und mit 26.3.2018 datierte Eingabe verspätet sei, da die Rechtsmittelfrist bereits vor dem 26.3.2018 abgelaufen war. Hinsichtlich elektronische Einbringung von Schriftsätzen wurde darin der Beschwerdeführer auf die Verordnung des Bundeskanzlers über den elektronischen Verkehr zwischen Bundesverwaltungsgericht und Beteiligten (BVwG-EVV) hingewiesen, nach deren § 1 Abs 1 letzter Satz BVwG-EVV die Einbringung per E-Mail keine zulässige Form der elektronischen Einbringung darstellt.

Die Zustellung dieses Mängelbehebungsauftrags erfolgte laut unbedenklichem Rückschein RSb am Freitag, 27.4.2018, sodass die Frist mit Ablauf des Freitag 11.5.2018 endete.

14. Trotzdem, dass der Beschwerdeführer auf § 1 Abs 1 letzter Satz BVwG-EVV hingewiesen wurde, übermittelte der Beschwerdeführer im Wege einer E-Mail am 3.5.2018 eine Eingabe, auf welcher er die Zahl "GZ 264 2183747-2/2Z" anführte. Darin führte der Beschwerdeführer aus, "gegen alle" in seinem Fall ergangenen Bescheide vorgehen zu wollen. Zum Verspätungsvorhalt in dem gerichtlichen Schreiben vom 17.4.2018 brachte er vor, dass er redlich bemüht gewesen sei, die Fristen einzuhalten und seine Vorbringen ordentlich zu gestalten und daher auf Menschen in seinem Umfeld angewiesen gewesen sei, welche ihn bei der Ausfertigung geholfen hätten. Er sei mit den amtlichen Schreiben und der vorliegenden Komplexität erheblich überfordert gewesen und hätten ihn die ihm behilflich gewesenen Personen versprochen, ihm zu helfen, jedoch sei eine dieser Person erkrankt und eine andere Person habe den Zeitpunkt immer wieder hinausgeschoben und habe dann doch keine Hilfe leisten können und so sei "die eine oder andere Frist von mir unverschuldet überschritten" worden, so der Beschwerdeführer. Er stellte darin den Antrag auf Zurück(ver)weisung in die erste Instanz zur Verbesserung der Beurteilung der Sache und allenfalls eine neuerliche Gutachtenserstellung zu empfehlen, bzw allenfalls auch die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der erwähnten Umstände die zum Zeitverzug geführt hätten, zu gewähren. Überdies monierte er zur Rechtsmittelbelehrung der Bescheide der belangten Behörde, dass darin nicht angeführt sei, "dass die Möglichkeit besteht, bei einer bestimmten Behörde Verfahrenshilfe zu beantragen". Dass der Antragsteller mit dem per E-Mail vom 3.5.2018 übermittelten Schreiben einen Antrag auf Verfahrenshilfe stellen hätte wollen, geht aus dem insgesamt klar formulierten Schreiben nicht hervor.

Dieses E-Mail vom 3.5.2018 mit der Eingabe, welche die Zahl "GZ 264 2183747-2/2Z" trug, langte beim Bundesverwaltungsgericht am 3.5.2018 ein und war im rechtlichen Sinne gemäß § 1 Abs 1 letzter Satz BVwG-EVV aufgrund der Einbringungsart "E-Mail" nicht als zulässig eingebracht anzusehen.

15. Am 4.7.2018 fasste der zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtsfragen in nichtöffentlicher Sitzung einen Beschluss über die Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 28.11.2017, Zahl: 114-615059-003.

16. Mit Erkenntnis vom 4.7.2018, Zahl: W264 2183747-2/6E, wies das Bundesverwaltungsgericht durch den zuständigen Senat die Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 28.11.2017, Zahl: 114-615059-003, als verspätet zurück.

Die Zustellung erfolgte mit Rückschein RSb und wurde die Sendung mit dem auf der Rückseite des Kuverts angebrachten Vermerk "RSb konnte nicht zugestellt da in Wien hinterlegt und dann nachgesendet wurde" und dem von der Post AG angebrachten Aufkleber "ÖPost-AG Nachsendung bis 29.10.2018, XXXX, XXXX XXXX, XXXX", und mit dem auf der Vorderseite des Kuverts angebrachten roten Aufkleber "Nachsendung Adresse Rückseite" und dem rosaroten angebrachten Aufkleber "Zurück Return PLZ: 1030 CN 15" dem Bundesverwaltungsgericht rückgemittelt. Auf der Vorderseite des RSb-Kuverts wurde im Feld "Hinterlegung bei Post-Geschäftsstelle" die PLZ "XXXX" eingetragen und als "Beginn der Abholfrist": "10.07.2018". Am 8.8.2018 langte dieses ungeöffnete Kuvert beim Bundesverwaltungsgericht ein. Auf der Vorderseite des RSb-Kuverts wurde im Feld "Verständigung zur Hinterlegung" "in Abgabeeinrichtung eingelegt".

17. Am 3.8.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Schreiben des Beschwerdeführers (Reco) mit dem Betreff "GZ: 264 2183747-2/2Z, ein. Darin steht - auszugsweise - zu lesen: "Ich ersuche um Verfahrenshilfe, da ich mich in rechtlichen Angelegenheiten nicht auskenne."

18. Mit Erledigung vom 8.8.2018, Zahl: W264 2183747-2/8Z, wurde die Österreichische Post AG in Ermangelung des Einlangens eines Rückscheins ersucht bekanntzugeben, an welchem Tag und von welcher Person (unter Vorlage welchen Lichtbildausweises) die RSb-Sendung Dual-ZS-ID: XXXX, AppDeliveryId: XXXX, Post-Code/Barcode: XXXX, in der Post-Geschäftsstelle abgeholt wurde.

19. Mit Mitteilung der Österreichische Post AG vom 13.8.2018 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass der Verbleib der Sendung XXXX für den Beschwerdeführer nach der Nachsendung nicht eruierbar gewesen sei und die Zustellbasis eine Nichterhalts-Erklärung des Empfängers eingeholt habe. Es werde ersucht, die Sendung nochmals aufzugeben.

20. Mit Erledigung vom 13.8.2018, Zahl: W264 2183747-2/10Z, wurde die Österreichische Post AG in Ermangelung des Einlangens eines Rückscheins ersucht bekanntzugeben, auf wessen Veranlassung es zu der Ausstellung der Nichterhaltserklärung gekommen sei.

21. Unter der Zahl W264 2183747-2/6E, wurde die neuerliche Zustellung an den Beschwerdeführer unter der Angabe folgender Empfängeranschrift "Herrn XXXX Wien, Anm: laut Post AG Nachsendeauftrag bis 29.10.2018 an XXXX" per RSa vorgenommen.

Laut unbedenklichem Rückschein RSa erfolgte die Hinterlegung nach Zustellversuch am 21.8.2018 nach Einlegen der Verständigung über die Hinterlegung im Briefkasten bei der Post-Geschäftsstelle XXXX.

Mit den Vermerken "Nicht behoben. Unclaimed" und dem rosaroten angebrachten Aufkleber "Zurück Return PLZ: 1030 CN 15" wurde die Sendung dem Bundesverwaltungsgericht rückgemittelt und langte am 14.9.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

22. Mit Mitteilung der Österreichische Post AG vom 24.8.2018 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass der Empfänger der Sendung XXXX einen bis zum 29.10.2018 gültigen Nachsendeantrag nach XXXX XXXX in XXXX, habe, weshalb diese Sendung "nachgesendet werden hätte sollen". Die Sendung sei nie in der Empfangszustellbasis in XXXX eingelangt und sei daher die Zustellbasis veranlasst worden, eine Nichterhaltserklärung beim Empfänger einzuholen, welcher erklärte, die Sendung nicht erhalten zu haben.

21. Das Erkenntnis vom 4.7.2018, Zahl: W264 2183747-2/6E, mit welchem das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 28.11.2017, Zahl: 114-615059-003, als verspätet zurückwies, wurde dem Beschwerdeführer am 13.9.2018 an die Adresse seines Nachsendeauftrags XXXX XXXX in XXXX, per RSa übermittelt und laut unbedenklichem Rückschein RSa am 17.9.2018 persönlich übernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S. 4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenshilfe unterliegt somit der Einzelrichterzuständigkeit.

Zu A) Verfahrenshilfe:

Der Antragsteller beantragte in seinem Schreiben vom 2.8.2018, bei Gericht eingelangt am 3.8.2018, unter Bezugnahme auf die Geschäftszahl des gerichtlichen Mängelbehebungsauftrags W264 2183747-2/2Z, die Gewährung von Verfahrenshilfe.

Dieser Antrag vom 2.8.2018 langte bei dem Bundesverwaltungsgericht nachdem der zuständige Senat des Bundesverwaltungsgerichts nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtsfragen in nichtöffentlicher Sitzung einen Beschluss über die Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom 28.11.2017 gefasst und das Erkenntnis W264 2183747-2/6E, an den Beschwerdeführer am 5.7.2018 abfertigt war, ein (Datum des Einlangens: 3.8.2018).

Im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ist die Gewährung der Verfahrenshilfe seit der Novelle BGBl I 24/2017 in § 8a geregelt und trat gemäß § 58 Abs 4 VwGVG mit 01.01.2017 in Kraft.

§ 8a VwGVG idgF lautet wie folgt:

(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.

(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.

(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.

(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.

(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.

(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.

(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.

(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.

Gemäß § 8a Abs 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art 6 Abs 1 EMRK oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, welcher zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.

Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).

Zunächst ist auszuführen, dass der Antragsteller, über entsprechende Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden verfügt und aus der Formulierung seiner bisherigen Eingaben hervorkommt, dass er durchaus in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen. Dies stellte er zum einen durch seinen eigenständig eingebrachten Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz unter Beweis und durch die Formulierung seiner mit Email vom 3.5.2018 eingebrachten Eingabe.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im gegenständlichen Fall brachte der Antragsteller in seiner trotz gerichtlichem Hinweis auf § 1 Abs 1 letzter Satz BVwG-EVV per Email übermittelten Eingabe vom 3.5.2018 mit dem Hinweis, dass in der Rechtsmittelbelehrung der Bescheide der belangten Behörde nicht die Möglichkeit der Beantragung von Verfahrenshilfe zu beantragen erwähnt werde, seinen Unmut darüber zum Ausdruck, dass die Rechtsmittelbelehrung einen Hinweis auf die Möglichkeit der Beantragung von Verfahrenshilfe nicht beinhalte. Ein Antrag auf Verfahrenshilfe geht daraus nicht hervor und ist dabei zu beachten, dass der Antragsteller in dieser Eingabe vom 3.5.2018 unter dem Hinweis "um nun die Vorgaben des VwGVG § 9 Abs 1, Ziffer 1 bis Ziffer 5 in allen Punkten zu erfüllen wird folgendes angegeben" konkret zu dem Mängelbehebungsauftrag ausführt und unter "Zi. 4) Begehren" festhält: "Es wird hiermit gestellt der ANTRAG", jedoch einen Antrag auf Verfahrenshilfe darin nicht anführt.

Die Anwendung des Grundsatzes, dass es in der Beurteilung von Parteienvorbringen nicht auf Bezeichnungen und zufällige verbale Formen ankommt, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes (VwGH 14.6.1973, 1637/72, VwGH 14.8.1991, 89/17/0174), setzt voraus, dass eine der Auslegung zugängliche Parteienerklärung überhaupt vorliegt, und dass der Wille der Partei aus ihrem Vorbringen mit Eindeutigkeit erschlossen werden kann. Nicht kommt der Behörde bzw dem Verwaltungsgericht die Aufgabe zu, den Sinn einer unklaren, mehr als eine Deutung zulassenden Parteienbekundung in der Richtung zu bestimmen, die für den Standpunkt der Partei nach Beurteilung der Behörde / des Verwaltungsgerichts am günstigsten wäre, und damit gleichsam stellvertretend für die Partei eine Entscheidung zu treffen, die sie in der Wahl ihrer unklaren, mehrdeutigen Formulierung vermieden hatte. Erst recht kann auch bei rechtsschutzfreundlicher Interpretation von Parteienerklärungen nicht die Befugnis oder Pflicht der Behörde / des Verwaltungsgerichts abgeleitet werden, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nichterstatteten Erklärung nach behördlicher / verwaltungsgerichtlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lasse (VwGH 8.11.2006, 2006/18/0348).

Unter Hinweis auf den oben zitierten Rechtsgrundsatz aus der Entscheidung VwGH 8.11.2006, 2006/18/0348 ist festzuhalten, dass aus der Formulierung des Inhalts des Schreibens vom 3.5.2018 nicht der Wille einen Verfahrensantrag zu stellen, hervorkommt. Die Norm betreffend den Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten (Anbringen) ist § 13 AVG und ist das AVG gemäß § 17 VwGVG vom Verwaltungsgericht anzuwenden, sodass sich die vor der Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit entstandene Judikatur des VwGH auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren übertragen lässt.

Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe langte beim Bundesverwaltungsgericht ein, nachdem der zuständige Senat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 4.7.2018 nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtsfragen einen Beschluss über die Art der Erledigung gefasst und nachdem das Erkenntnis, mit welchem die Beschwerde als verspätet zurückgewiesen wurde, am 5.7.2018 an den Beschwerdeführer abgefertigt hatte. Zum Unterschied zu dem Rechtsmittel der Beschwerde sehen die verba legalia des § 8a VwGVG für die Einbringung eines Verfahrenshilfeantrages keine Frist vor. Aus § 8a Abs 7 VwGVG folgt allerdings im Umkehrschluss, dass in dem Falle, wo bereits die Beschwerde verspätet eingebracht wurde, eine im Zeitpunkt der Beantragung von Verfahrenshilfe bereits abgelaufene Beschwerdefrist nicht neu zu laufen beginnen würde, sodass eine künftige Beschwerde jedenfalls verspätet wäre. Der gegenständliche Verfahrenshilfeantrag war daher wegen offenbarer Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung gemäß § 8a Abs 1 VwGVG abzuweisen.

Da dem nach Ablauf der Beschwerdefrist und nach Abfertigung der Entscheidung über das Rechtsmittel des bekämpften Bescheids - für dessen Bekämpfung der Antragsteller Verfahrenshilfe begehrt - eingebrachten Antrag auf Verfahrenshilfe vom 2.8.2018 somit schon aus diesen Gründen kein Erfolg beschieden war, bedurfte es nicht einer Prüfung der weiteren Voraussetzungen gemäß § 8a Abs 2 VwGVG.

Folglich war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abzuweisen.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aussichtslosigkeit, Verfahrenshilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2183747.2.01

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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