TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/27 W169 2202622-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.09.2018
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Entscheidungsdatum

27.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z5
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2202622-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2018, Zl. 1192626703-180492986, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, §§ 52 und 55 FPG idgF sowie § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 25.05.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung vor Organen des Öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.05.2018 gab er zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Im Herkunftsstaat habe er 12 Jahre die Grundschule besucht. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass seine Familie und er dem Guru Rahim folgen würden und dieser vor kurzem verurteilt worden sei. Aus diesem Grund hätten sie Probleme mit den Sikhs gehabt, welche den Beschwerdeführer angegriffen und mit dem Umbringen bedroht hätten.

2. Mit Parteiengehör des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien vorgelegt und ihm die Möglichkeit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.

3. Am 01.06.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Im Herkunftsstaat habe er zwölf Jahre die Grundschule besucht. In Indien würden sich die Eltern, der Bruder und eine Schwester des Beschwerdeführers befinden, die auch weiterhin im Elternhaus und von den Erträgen aus der familieneigenen Ladwirtschaft - wo der Beschwerdeführer auch ausgeholfen habe -, sowie durch den Verkauf von Milch leben würden. Ihnen gehe es gut und habe der Beschwerdeführer mehrmals in der Woche Kontakt zu seinen Angehörigen in Indien. Auch würden die Onkel und der Großvater im Familienhaus leben.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

LA: Warum stellen Sie einen Asylantrag? Nennen Sie Ihre Fluchtgründe? Was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Bitte schildern Sie möglichst konkret und detailliert!

VP: Ich und meine Familie hatten ein religiöses Problem mit einem Baba Ram Rahim, sein richtiger Name ist aber XXXX aber alle nennen ihn Ram Rahim, so kennt man ihn. Wir glaubten an ihn. Wir waren gläubige Anhänger dieses Gurus, Anfang 2017 gab es einen heftigen Streit zwischen den Sikhs da sie behauptet haben, dass unser Guru eine Statue von dem Propheten der Sikhs vebrannt hat. Darum gab es einen heftiger Aufstand bei den Sikhs, unser Guru wurde bereits verurteilt. Zweimal gab es brutale Vorfälle gegen unsere Familie. Wir wurden brutalst attackiert, mein Onkel väterlicherseits kam dabei ums Leben. Uns wurde gesagt da wir gläubige Anhänger dieses Gurus sind müssen wir bestraft werden, das alles passierte im Oktober 2017.

LA: Wer ist dieser Ram Rahim? Für was steht diese Person?

VP: Er ist ein Guru, meine Eltern sind gläubige Anhänger und glauben an ihn, deshalb glaueb auch ich an ihn. Sein Sitz war in Haryana, in der Stadt Sirsa.

LA: Für was steht dieser Guru ein?

VP: Er stammt von einer Sikh Familie, sie kenenn wahrscheinlich den goldenen Tempel, das größte Heiligtum der Sikhs, in diesen Tempel gibt es eine spezielle Kleidung für Gurus die auch unser Guru trägt. Es gibt auch 2 Filme die von ihm gemacht wurden namens "Messenger of God" Teil 1 und 2. Die Sihks in Punjab wollten den Film aber nicht veröffentlichen, es gab deshalb einen großen Aufstand. Derzeit ist unser Guru in Haft und wurde für 20 Jahr verurteilt. Deshalb bin ich hierher geflüchtet weil ich dort verfolgt werde. Ich habe sie nicht angelogen, ich habe ihnen die Wahrheit erzählt aber wenn sie mich nihct hier haben wollen überstellen sie mich nach Deutschland.

LA: Sie weichen meiner Frage aus! Für was steht Ihr Guru? Was perdigt er? Was lehrt er?

VP: Unser Guru ist ein Sikh aber er betreibt auch schwarze Magie. Gläubige Sikhs sind aber gegen die schwarze Magie, deshalb sind sie auch gegen unseren Guru. Sie können das auch im Internet überprüfen.

LA: Sie antworten mir nicht auf meine Frage. Wenn Sie so ein gläubiger Anhänger dieses Gururs sind warum können Sie mir dann nichts über seine Lehren erzählen?

VP: Zuerst war er ein ganz normaler Sikh, danach machte er aus dieser Religion eine eigenen Religion wo er auch Zauber und schwarze Magie betreibt. Frauen haben auch zu seinem Zauber getanzt. Für die Sikhs war das nicht akzeptabel. Sie sagten das wäre keine Religion, in Punjab sind 30% für diesen Guru.

LA: Werden nun alle Anhänger dieses Gurus verfolgt?

VP: Manche sind geflüchtet, sehr viele sind nach Österreich geflüchtet und in Deutschland. Ich hatte einen Freund der auch Anhänger war und nach Deutschland geflüchtet ist, wegen ihm wollte ich nach Deutschland. Der goldenen tempel in Punjab ist ca. 30-40km von meinem zu Hause entfernt, der Sitz unseres Guru in Sirsa ist ca. 200km entfernt. Diejenigen die in der Nähe des Tempels wohnen und Anhänger dieses Gurus sind werden am meisten verfolgt. Sie werden verprügelt und geschlagen.

LA: Siw wollen mir sagen, dass keine Anhänger mehr in Punjab aufhältig sind? Das alle geflüchtet sind?

VP: Doch natürlich. Aber es bleiben nur diejenigen die Macht haben und Politiker oder Beamte sind, sie sind geschützt.

LA: Woher sollten die Leute in Punjab wissen, dass sie Anhänger dieses Gurus waren?

VP: Es ist jedem bekannt da dort die meisten Sikhs einen Turban tragen.

LA: Wie kann es sein, dass Ihre Familie weiter unbehelligt in Punjab leben kann wenn diese doch auch Anhänger dieses Gurus waren?

VP: Wir haben ein großes Familienhaus, dort leben meine Onkel, meine Familie, meine Eltern, mein Großvater. Wir leben alle miteinander zusammen.

LA: Antworten Sie auf die Frage!

VP: Die Leute, die gläubigen Sikhs haben einen langen Bart und einen Turban, mein vater macht das nicht. auch wenn man zur Polizei geht, die Polizei in Indien ist korrupt und macht nur mit Geld etwas. Vor ca. 2 Monaten wurde ein 8 jähriges Mädchen von einer Gruppe vergewaltigt und ist gestorben aber keiner macht etwas.

LA: Durch die gesamte bisherige Einvernahme durch weichen Sie meinen Fragen aus. Ist Ihnen das bewusst?

VP: Wie? Was war die Frage?

LA: Ich habe Sie gefragt wie es sein kann, wo doch alle Anhänger dieses Gurus verfolgt werden, dass Ihre gesamt Familie unbehelligt weiterhin in Punjab leben kann?

VP: Als ich mit meinen Freund auf dem Feld war kamen junge Sikh Männer auf uns zu, ich wurde von Ihnen körperlich attackiert und geschlagen und das zwei Mal. Meine Familie ist die meiste Zeit zu Hause und gehen nicht raus. Wenn dann gehen sie nur in der Nacht auf die Landwirtschaft und gießen Wasser oder arbeiten auf der Landwirtschaft. Das Problem besteht wenn man sich frei beweget und es den Leuten bekannt ist. Als mein Onkel auf das Feld ging mit mir und mit Freunden und mit meinem Vater wurde er von den Sikhs verfolgt und ermordet. Mein Onkel hat 2 Söhne, sie leben jetzt mit meinen Eltern und können sich kaum frei bewegen weil sie Angst haben.

LA: Sie wollen mir erzählen, dass Ihre gesamte Familie, Ihre Onkel, Cousins, Geschwister, Eltern und Großvater den ganzen Tag über zu Hause sind und nur mehr nachts das Haus verlassen?

VP: Nein in der Nacht sind sie zu Hause. Ich meine damit es wurde falsch verstanden. Ich habe ihnen gesagt, dass in der Nacht die Gefahr am meisten besteht. Einmal ging mein Vater in der Nacht auf die Landwirtschaft und wurde verfolgt. Seitdem geht meine Familei nachts nicht mehr raus weil Nachts die gefahr am meisten besteht. Nur bei Tags gehen sie raus.

LA: Was ist nun konkret vorgefallen?

VP: Wie gesagt ging ich öfters mit meinem Vater auf das Feld um landwirtschaftliche Arbeit zu verrichten. Wir haben Angst, dass wir verfolgt und ermordert werden wie mein Onkel, daher bin ich hierher geflüchtet. Wie gesagt gab es auch 2 Angriffe gegen mich.

LA: Beschreiben Sie diese Angriffe?

VP: Als ich von den Sikhs angegriffen wurde, wurde ich verprügelt und geschlagen. Ich konnte aber flüchten, ich hatte nur wenige Verletzungen.

LA: Könenn Sie mir näher beschreiben was passiert ist! Wann ist es passiert? Wo ist es passiert?

VP: Als ich in der Nacht auf das Feld ging passierte es. Zwischen Oktober und November gibt es eine Saison wo man bestimmte Arbeiten nur in der Nacht verrichten kann, tagsüber gibt es wenig Wasser daher gingen wir in der Nacht. Immer wenn wir nachts auf das Feld gingen war es gefährlich, da wurde ich auch angegriffen. Zu dieser bestimmten Saison kann man nur nachts arbeiten.

LA: Wann war nun dieser Angriff? Wann?

VP: Im Oktober.

LA: Können Sie es preziser sagen?

VP: 2017.

LA: Was genau ist passiert? Beschreiben Sie die Abläufe?

VP: Wie bereits gesagt ging ich in der Nacht auf das Feld um zu arbeiten. Das Feld ist von unserem zu Hause etwa 4km entfernt, insgesamt waren wir zu 4.

LA: Weiter!

VP: Das Datum ist mir nicht bekannt aber ich weiß, dass es im Oktober 2017 passiert ist. Ich ging mit meinen Freunden zum Feld, wir warteten auf das Wasser und das Licht damit wir das Feld gießen konnten und da kamen einige Personen auf uns zu von denen ich geschlagen wurde.

LA: Wieviele Personen?

VP: Ich kann es nicht bestätigen aber ich glaube 5-6. 5 glaube ich. Sie trugen alle einen Turben.

LA: Haben Sie etwas gesagt?

VP: Sie sagen nicht, sie greifen uns gleich an. Meine Freunde sind geflüchtet. Sie haben gesehen, dass ich keinen Turban trage und sind auf mich losgegangen. Einige Personen wohnen gleich beim Feld, ich habe ihnen gesagt mein zu Hause ist etwas weiter weg. Als ich von meinen Gegnern geflüchtet bin, bin ich zu den Bekannten gegangen die im Feld wohnen. Wir haben auch keine Urkunde oder sonstiges das wir Waffen bei uns haben dürfen. Es ist verboten obwohl es zum eigenen Schutz gedacht wäre.

LA: Was ist danach passiert?

VP: Danach bin ich in der Früh nach Hause gegangen, habe mir einen Reisepass gemacht und bin geflüchtet. Den Reisepass habe ich mir in Jalandar gemacht, ca. Ende Oktober oder November. Ca. 15 Tage danach habe ich ihn dann bekommen. Dann haben meine Eltern vorgeschlagen, dass ich nach Deutschland flüchten soll.

LA: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?

VP: Ja.

Vorh.: Sie behaupten unglaubwürdiger Weise bloß Verfolgung seitens "privater Dritter". Entsprechend den Länderfeststellungen des BFA sind indischen Sicherheitsbehörden bei derartigen Bedrohungen schutzfähig und schutzwillig. Darüber hinaus existiert kein Meldewesen in Ihrem Heimatland, wie sich aus dem LIB zur Lage in Indien ergibt, sodass Ihnen jedenfalls die Möglichkeit offen steht, sich an einen anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat zu begeben, um Ihren Problemen zu entgehen. Was sagen Sie dazu?

VP: Ja in Dehli beispielsweise gibt es viele Anhänger dieses Gurus.

LA: Was wollen Sie mir damit sagen?

VP: Wie war Ihre Frage?

LA: Ihnen ist bewusst das Sie eine Mitwirkungspflicht im Verfahren haben, dass Sie aufmerksam zuhören und auf meine Fragen zu antworten haben. ist Ihnen das bewusst?

VP: Ja ich habe ihnen doch die Wahrheit gesagt.

LA: Ich habe gesagt es würde in Indien kein Meldewesen geben sodass Ihnen jedenfalls die Möglichkeit offen steht, sich an einen anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat zu begeben, um Ihren Problemen zu entgehen. Was sagen Sie dazu?

VP: In Dehli und in Haryana gibt es Anhänger dieses Gurus.

LA: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?

VP: Ich habe Angst, dass ich von den Sikhs verfolgt und ermordet werde. Ich habe keine politischen Probleme.

(...)"

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten habe und auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft lebe. Er spreche kein Deutsch und sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer erneut die Möglichkeit gegeben, zu den ihm bereits übergebenen Länderberichten zur aktuellen Situation in Indien Stellung zu nehmen. Diesbezüglich gab er zu Protokoll, dass die Polizisten und Behörden korrupt seien und bräuchte man für alles - auch für eine Anzeige bei der Polizei -Geld.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde und gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Unabhängig davon würde dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die aufschiebende Wirkung habe aberkannt werden können, da das Vorbringen zur behaupteten Verfolgungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entsprochen habe. Die Frist für die freiwillige Ausreise bestehe laut § 55 Abs. 1a FPG nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar werde. Mit dem Zeitpunkt der Durchführbarkeit dieser Entscheidung sei der Beschwerdeführer daher zur unverzüglichen, freiwilligen Ausreise verpflichtet.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der Fluchtgründe und nach Hinweis auf die herangezogenen Länderinformationen ausgeführt, dass die indischen Behörden nicht immer handlungswillig seien. Beantragt wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Punjabi. Im Herkunftsstaat besuchte er zwölf Jahre die Grundschule und lebte gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern sowie Onkeln und seinem Großvater im Elternhaus. Die Familie des Beschwerdeführers besitzt eine Landwirtschaft, wo der Beschwerdeführer auch mitgearbeitet hat. Er ist ledig, kinderlos und gesund.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine inländische Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten und lebt auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft. Er spricht kein Deutsch und ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation. Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch, steht im erwerbsfähigen Alter und ist strafgerichtlich unbescholten. Im Herkunftsstaat befinden sich auch weiterhin die Familienangehörigen des Beschwerdeführers, denen es gut geht und mit welchen der Beschwerdeführer in regelmäßigem Kontakt steht. Weiters leben seine Onkel und sein Großvater in Indien.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016): Indien, Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_8E633C2F61937CFE7189E5065CD31B93/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Wirtschaft_node.html, Zugriff 23.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016) India profile - Overview, http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 28.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (8.2014):

Länderinformationsblatt Indien, http://www.bamf.de/SharedDocs/MILo-DB/DE/Rueckkehrfoerderung/Laenderinformationen/Informationsblaetter/cfs_indien-dl_de.pdf?__blob=publicationFile, Zugriff 29.12.2016

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

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FH - Freedom House (3.10.2013): Freedom on the Net 2013 - India, http://www.ecoi.net/file_upload/3714_1380802722_fotn-2013-india.pdf, Zugriff 9.1.2017

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HT - Hindustan Times (8.8.2016): National Population Register project now a Rs 4,800-crore sinkhole, http://www.hindustantimes.com/india-news/national-population-register-project-now-a-rs-4-800-crore-sinkhole/story-xwmSEA3NwijJFoOpxYe3dN.html, Zugriff 9.1.2017

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International Business Times (2.2.2015): One Billion Indians To Have UID Numbers By Year-End As India Seeks To Boost Social Security,

http://www.ibtimes.com/one-billion-indians-have-uid-numbers-year-end-india-seeks-boost-social-security-1802126, Zugriff 9.1.2017

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UK Home Office (2.2015): Country Information and Guidance India:

Background information, including actors of protection, and internal relocation,

https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/402790/cig_india_background_2015_02_04_v2_0.pdf, Zugriff 29.12.2016

Rückkehr

Allein die Tatsache, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat, führt nicht zu nachteiligen Konsequenzen nach der Abschiebung. In den letzten Jahren hatten indische Asylbewerber, die in ihr Heimatland abgeschoben wurden, grundsätzlich - abgesehen von einer intensiven Prüfung der (Ersatz-) Reisedokumente und einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden - keine Probleme. Polizeilich gesuchte Personen müssen allerdings bei Einreise mit Verhaftung und Übergabe an die Sicherheitsbehörden rechnen (AA 16.8.2016). Die indische Regierung hat kein Reintegrationsprogramm und bietet auch sonst keine finanzielle oder administrative Unterstützung für Rückkehrer (BAMF 12.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (12.2015):

Länderinformationsblatt Republik Indien, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/772099/18364589/Indien_-_Country_Fact_Sheet_2015%2C_deutsch.pdf?nodeid=17927013&vernum=-2, Zugriff 29.12.2016

2. Beweiswürdigung:

2.1. Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Seine Staatsangehörigkeit und seine Herkunft erscheinen auf Grund seiner Sprach- und Ortskenntnisse glaubhaft.

Die Feststellungen über die Lebenssituation des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat sowie die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Familienangehörigen oder sonstigen Verwandten hat und auch mit niemandem in einer Familiengemeinschaft oder familienähnlichen Gemeinschaft lebt, kein Deutsch spricht, nicht Mitglied in einem Verein oder einer anderen Organisation ist, gesund ist, sowie die Feststellung, dass er zu seiner Familie im Herkunftsstaat in regelmäßigem Kontakt steht, beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.06.2018.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme ins Grundversorgungssystem und ins österreichische Strafregister.

Die Beurteilung der belangten Behörde, wonach das Vorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Bedrohung durch die Sikhs offensichtlich nicht der Wahrheit entspricht, ist zutreffend, zumal die diesbezüglichen Angaben des Beschwerdeführers, wie schon das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zu Recht festgestellt hat, äußerst vage und logisch nicht nachvollziehbar waren.

So gab der Beschwerdeführer zwar sowohl in seiner Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.05.2018, als auch in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.06.2018 an, dass er Anhänger des Gurus Baba Rahim gewesen sei. Wie im angefochtenen Bescheid jedoch völlig richtig festgehalten, war der Beschwerdeführer aber nicht in der Lage, detailliertere Angaben zu diesem Guru bzw. zu seiner Lehre zu tätigen. Danach gefragt, wer dieser Guru sei und wofür seine Person stehe, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass seine Eltern gläubige Anhänger seien, weswegen er auch an ihn glaube. Trotz Wiederholung der Frage beschränkten sich die Aussagen des Beschwerdeführers lediglich darauf, dass der Guru eine spezielle Kleidung trage, es Filme über ihn gäbe und er zu 20 Jahren Haft verurteilt worden sei. Nach Vorhalt seitens des Leiters der Einvernahme des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wonach der Beschwerdeführer die Frage nicht beantworte, sowie nach Wiederholung der Frage, wofür der Guru nun stehe, gab der Beschwerdeführer wiederum nur zu Protokoll: "Unser Guru ist ein Sikh, aber er betreibt auch schwarze Magie. Gläubige Sikhs sind aber gegen die schwarze Magie, deshalb sind sie auch gegen den Guru. Sie können das auch im Internet überprüfen.". Somit blieb der Beschwerdeführer eine konkrete Antwort zur Person und zur Lehre des Gurus Baba Ram Rahim, trotz mehrmaligem Nachfragens, stets schuldig, weshalb davon auszugehen war, dass der Beschwerdeführer keinesfalls Anhänger dieses Gurus gewesen sein kann.

Es ist auch logisch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Anhängerschaft verfolgt werden würde, zumal sich noch zahlreiche Anhänger des Gurus -darunter auch die Familie des Beschwerdeführers - im Herkunftsstaat befinden und dort offenbar unbehelligt leben können. Wie im angefochtenen Bescheid richtig festgehalten und vom Beschwerdeführer auch eigens behauptet, sind 30% der Bevölkerung im Punjab Anhänger des Gurus Baba Ram Rahim und würden somit über acht Millionen Menschen von der Verfolgung bedroht sein. Warum also ausgerechnet der Beschwerdeführer verfolgt werden sollte, während Millionen andere Anhänger - und auch die Familie des Beschwerdeführers - im Punjab leben, lässt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers logisch nicht erklären.

Zudem waren auch die Ausführungen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Übergriffen seitens der Sikhs auf ihn nur sehr vage. Diesbezüglich gab er an, dass es zwei Übergriffe auf seine Person gegeben habe. Jedoch vermochte er nicht konkret und lebensnah zu schildern, wie sich diese gestaltet haben sollen. Nach Aufforderung des einvernehmenden Organwalters des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, näher zu beschreiben, was passiert sei, führte der Beschwerdeführer nur an, dass es in der Nacht am Feld passiert sei, in einer Saison, in welcher man nur nachts arbeiten könne, und es sei immer gefäh

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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