TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/28 L515 2196395-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.09.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

28.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1

Spruch

L515 2196395-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA:

Georgien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm §§ 9, 18

(1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55, sowie § 53 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Die Dauer des Einreiseverbots wird mit 3,5 Jahren festgelegt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "bP" bezeichnet), ist eine weibliche Staatsangehörige der Republik Georgien und brachte nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 19.03.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als nunmehr belangte Behörde (in weiterer Folge "bB") einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

In Bezug auf das bisherige verfahrensrechtliche Schicksal bzw. das Vorbringen der bP im Verwaltungsverfahren wird auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, welche wie folgt wiedergegeben werden (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid):

"...

[Anm.: Es folgen entscheidungsrelevante Auszüge aus der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes]

-

Am selben Tag wurden Sie von einem Organwalter der LPD XXXX niederschriftlich einvernommen. Sie gaben zu Ihren Fluchtgründen folgendes an:

Mein Sohn lebt schon seit 3 Jahren in Österreich, er ist sehr krank. Er ist Dialysepatient und hat 90 % Behinderung. Ich habe in Georgien, damit ich seine Behandlungen finanzieren kann, den ganzen Besitz verkauft und habe sehr viele Schulden, sowohl bei der Bank als auch bei Privatpersonen gemacht. Ich kann das Geld nicht zurückzahlen, außerdem möchte ich in einer so schwierigen Zeit bei ihm sein. Deswegen habe ich mich entschlossen, Georgien zu verlassen. Ich möchte weiters sagen, dass ich selber sehr krank bin und habe in Georgien weder eine Krankenversicherung, noch die Möglichkeit dies selber zu finanzieren.

Bei einer Rückkehr habe ich Angst, dass die Personen, welche mir das Geld borgten, mich umbringen werden. Bis jetzt wurde ich ständig bedroht.

[...]

[Anm.: Es folgen entscheidungsrelevante Auszüge aus der Einvernahme durch einen Organwalter der bB]

[...]

-

Am 25.04.2018 wurden Sie von der zur Entscheidung befugten Organwalterin niederschriftlich einvernommen. Es folgen die entscheidungsrelevanten Auszüge dieser Einvernahme:

LA: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen die anwesenden Personen vor?

VP: Nein.

LA: Wie verstehen Sie den anwesenden Dolmetscher?

VP: Gut.

LA: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können. Wenn Sie während der Befragung etwas trinken möchten, dann bedienen Sie sich beim bereitgestellten Wasser.

LA: Fühlen Sie sich gesundheitlich in der Lage, heute Angaben in Ihrem Verfahren zu machen?

VP: Ja, mir geht es gut.

LA: Sind Sie generell gesund, oder leiden Sie an irgendwelchen Erkrankungen bzw. an welchen Erkrankungen leiden Sie?

VP: Ich leide an einer Herzarrhythmie und dadurch entsteht ein Sauerstoffmangel. Ich habe auch Arterientrombosen. Ich war im Krankenhaus die letzten Wochen deshalb.

Anm.: die entsprechenden Befunde werden in Kopie zum Akt genommen.

LA: Sie werden zur verpflichtenden Mitwirkung im Verfahren (auch im Falle der Beiziehung von Sachverständigen, allenfalls auch der Vertretungsbehörden) und Mitwirkung an der Klärung Ihrer Identität und Alter in jedem Verfahrensstadium vor dem BFA und dafür ausreichend vorhandener Zeit eingehend und das den nunmehrigen Angaben eine besondere Glaubwürdigkeit zukommt belehrt und ebenso zur Strafbarkeit der Vorlage falscher Beweismittel einschließlich der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Aussage bei sonstigen straf- und verfahrensrechtlichen Folgen.

Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.

Alles was Sie im Asylverfahren vorbringen wird vom Bundesamt vertraulich behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet.

LA: Nennen Sie bitte nochmals Ihren Namen und Ihr Geburtsdatum.

VP: Mein Name ist XXXX, ich wurde am XXXX in XXXX geboren.

LA: Sind Sie verheiratet? Haben Sie Kinder?

VP: Ich bin verheiratet und habe ein Kind.

Befragt, ich habe einen Sohn, der auch hier ist. Er ist 33 Jahre.

Befragt, mein Sohn ist auch Asylwerber und befindet sich in XXXX, er ist Dialysepatient.

LA: Welcher Volks- und welcher Glaubensgruppe gehören Sie an?

VP: Ich gehöre den Georgiern an und bin christlich orthodox.

LA: Wie bestritten Sie Ihren Lebensunterhalt in Georgien?

VP: Ich war in der Landwirtschaft tätig. Wir hatten Tiere und waren Bauern.

LA: Haben Sie Schulausbildung bzw. welche?

VP: Ich habe zehn Jahre die Grundschule besucht. Danach habe ich mir das Schneidern angelernt, aber nicht in einer Berufsschule.

LA: Wann haben Sie Georgien verlassen?

VP: Ich habe Georgien am 16.03.2018 verlassen.

Befragt, mein Sohn ist schon seit vier Jahren in Österreich und ich möchte gerne zu ihm.

LA: Haben Sie noch weitere Verwandte in Österreich außer Ihren Sohn?

VP: Nein.

LA: Haben Sie Verwandte im Heimatland?

VP: Meine Eltern sind schon verstorben, ich habe noch fünf Geschwister. Mein Mann ist schon verstorben.

Befragt, er starb schon vor ca. 21 Jahren.

LA: Haben Sie eine Pension oder andere Sozialleistungen bezogen in Georgien?

VP: Eine Pension habe ich bekommen, aber die soziale Unterstützung hat man mir aberkannt.

LA: Warum wurde diese aberkannt?

VP: Als mein Sohn ins Ausland reiste, hat man mir das aberkannt.

LA: War dies eine Sozialleistung, welche Sie für Ihren Sohn erhalten haben?

VP: Ich habe auch die Pension wegen Invalidität erhalten und wir bekamen eine soziale Unterstützung weil wir in finanzieller Not waren, wir konnten nicht arbeiten. Mein Sohn ist seit acht Jahren erkrankt, wir haben alle Wertsachen verkaufen müssen. Wenn die Haustiere unser Gebiet verlassen, können wir sie nicht mehr suchen, deshalb haben wir die Tiere verloren. Auch den Boden könnten wir nicht mehr gut bearbeiten, um Erträge zu haben.

LA: Haben Sie mit Ihrem Sohn zusammengelebt, bevor dieser nach Österreich kam?

VP: Ja.

LA: Wo waren Sie zuletzt regelmäßig wohnhaft in Georgien?

VP: Ich wohnte in XXXX, im Dorf XXXX in der Nähe von XXXX.

LA: Mit wem haben Sie an dieser Adresse zuletzt zusammengewohnt?

VP: Ich und mein Sohn.

Befragt, als mein Sohn ausreiste wohnte ich alleine dort. Ich fürchtete mich und wurde auch eingeschüchtert. Manchmal schaute jemand beim Fenster hinein, ich hatte immer alles verschlossen. Um meinen Sohn hierher schicken zu können, habe ich mir Schulden aufgenommen, und diese Leute haben auch Drohungen ausgesprochen. Ich habe mir einen Teil meiner Pension vorauszahlen lassen und mir auch ein Darlehen bei der Bank aufgenommen, um hierher reisen zu können. Dort wo mein Sohn sich aufhält gibt es freie Plätze, ich würde gerne zu ihm ziehen.

LA: Von wem wurden Sie eingeschüchtert, wie Sie behaupteten?

VP: Das weiß ich nicht.

LA: In welcher Weise wurden Sie eingeschüchtert?

VP: IN der Nacht sind Personen in den Hof und auch das Haus gekommen, hinaufgegangen.

LA: Was taten diese Personen dann?

VP: Es wurde manchmal etwas gestohlen, wenn sie etwas gefunden haben.

LA: Handelte es sich dabei immer um die gleichen Personen?

VP: Das weiß ich nicht, ich fürchtete mich und kam nicht hinaus in der Nacht.

LA: Haben Sie diese Einbrüche bzw. Diebstähle bei der Polizei angezeigt?

VP: Ja, ich war auf dem Außenposten, in die Stadt zur Polizei ging ich nicht.

LA: Waren Sie bei einem Polizisten und haben Sie dort eine Anzeige gemacht?

VP: Ein Nachbar ist ein Polizist und ich sagte ihm das. Auch ein Teil unseres Grundstücks wurde uns abgenommen. Diese Person hat auch gedroht, dass er mein Haus anzündet, damit ich nicht zur Polizei gehe.

LA: Sie waren also nicht bei der Polizei?

VP: Wie ich zu den Polizisten gegangen bin, sagte dieser zu der Person auf meinem Grundstück, dass er gehen soll. Danach drohte mir diese Person, sie würde mein Haus anzünden.

LA: Um wen handelte es sich bei dieser Person?

VP: Er ist aus dem Nachbardorf, ich kenne ihn aber nicht namentlich. Meinen Sohn habe ich darüber nichts erzählt, er weiß nichts darüber.

LA: Der Polizist, welchen Sie um Hilfe baten, ist ein Bekannter von Ihnen?

VP: Er ist ein Nachbar.

LA: Was wollte diese Person auf Ihrem Grundstück bzw. von Ihnen?

VP: Er hat auf meinem Grundstück etwas gepflanzt und ich warnte ihn, dass er dies nicht mehr machen soll.

LA: Was hat er auf Ihrem Grundstück gepflanzt?

VP: Das erste Jahr Mais und Bohnen und im nächsten Jahr Getreide.

LA: Was waren Ihre persönlichen Beweggründe Georgien zu verlassen?

VP: Diese ganzen Umstände dort und auch, dass mein Sohn hier ohne Verwandte aufhältig ist und Hilfe braucht. Durch die Dialyse ist er auch psychisch gestört und braucht Hilfe. Er besucht die Dialyse aber erst nach drei Monaten wird er stationär aufgenommen, weil dort kein Platz ist.

LA: Gibt es noch weitere Gründe für die Ausreise?

VP: Meine Krankheit, ich fühle mich auch schlecht, meine Pension hat manchmal nicht ausgereicht um mir Medikamente zu kaufen.

LA: Welche Behandlung erwarten Sie sich in Österreich bzw. welche benötigen Sie?

VP: Mein Herz ist vergrößert und zieht zu den Lungen hin. Ich bin wiederbestellt zum Arzt.

LA: Wurden Sie in Georgien am Herzen behandelt?

VP: Ich konnte nicht zum Arzt gehen, weil ich mir dies nicht leisten konnte. Ich nahm schon Medikamente ein, zur Kontrolle konnte ich aber nicht gehen.

LA: Wie kamen Sie zu den Medikamenten, wenn Sie nicht beim Arzt waren?

VP: Alle zwei Jahre ging ich zum Arzt und nahm dann für zwei Jahre die Medikamente ein.

LA: Warum haben Sie einen Asylantrag gestellt, Sie hätten aufgrund der Visafreiheit auch nach Österreich kommen können, um sich behandeln zu lassen?

VP: Ich wollte mit meinem Sohn zusammen sein, solange er hier ist, alleine wollte ich nicht zurückkehren.

LA: Könnten Sie sich den Aufenthalt in Österreich und die medizinische Versorgung auch ohne Asylsystem leisten?

VP: Nein, ich habe keine finanziellen Mittel.

LA: In diesem Fall müssen wir ein Einreiseverbot gegen Sie prüfen. Die Visa- Freiheit für georgische Staatsbürger ist mit der Verpflichtung verbunden, dass sich georgische Staatsbürger den Aufenthalt im Schengener Raum auch leisten können! Wollen Sie dazu etwas vorbringen?

VP: Was soll ich dazu sagen?

LA: Hatten Sie in Georgien je Probleme mit den Behörden, der Polizei oder waren Sie in Haft?

VP: Nein.

LA: Es wird nunmehr mit Ihnen erörtert, auf welcher Basis und unter Zugrundelegung welcher Länderfeststellungen das Bundesasylamt in Ihrem Fall zur Entscheidung gelangen wird. Sie haben die Möglichkeit, im Anschluss dazu Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

Aus der allgemeinen Lage selbst ist ebenso wie aus Ihren persönlichen Merkmalen (Abstammung oder Glauben oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe) nichts abzuleiten, das auf eine Verfolgung oder Furcht vor solcher im Sinne der GFK und den darin genannten Gründen schließen ließe.

Ebenso ist nichts festzustellen, dass eine reale Gefahr für Ihre Leben oder die Gesundheit bedeuten würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Weder lässt sich eine solche Gefahr aus der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat noch aus einer etwaigen lebensbedrohlichen und in Ihrem Herkunftsstaat nicht ausreichend behandelbaren Erkrankung Ihrer Person ableiten. Zudem ist festzuhalten, dass es Ihnen zuzumuten ist, selbst unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung zu suchen und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten Ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

LA: Möchten Sie dazu etwas vorbringen?

VP: Es wurden Personen in meiner Umgebung verhaftet und mitgenommen. Man hat versucht von ihnen Geld zu erpressen. Das waren die Osseten, sie haben Personen entführt. Sie wurden entführt, nicht festgenommen. Es wurde versucht dadurch Geld zu erpressen.

LA: Was hat dies mit Ihnen zu tun?

VP: Mir wurden Tiere weggenommen.

LA: Sie sagten doch zuvor, dass die Tiere weggelaufen sind?

VP: Sie wurden auch gestohlen.

LA: Dann müssen Sie sich an die georgische Polizei bzw. die Behörden wenden. Haben Sie dies getan?

VP: Nein, die tun in solchen Fällen nichts.

LA: Wenn Sie keine Anzeige machen, kann die Polizei auch nicht reagieren, das ist auch in Österreich so!

VP: Was soll ich dazu sagen.

LA: Sie haben auch die Möglichkeit sich in einem anderen Teil Georgiens niederzulassen?

VP: Wie soll ich das machen, ich kann mein Haus nicht verkaufen.

LA: Das österreichische Asylsystem ist nicht dazu da, Ihnen den Lebensunterhalt zu bedienen, sondern Personen Schutz vor Verfolgung entsprechend der Genfer Konvention zu bieten.

VP: Ich bin auch hier, weil ich nicht genug soziale Unterstützung bekomme.

LA: Haben Sie alles verstanden was Sie gefragt wurden? Haben Sie die Dolmetscherin verstanden?

VP: Ja.

LA: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.

Anm: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.

LA: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?

VP: Nein.

..."

I.2. Der Antrag der bP auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgiengemäß § 46 FPG zulässig sei. Der Beschwerde wurde gem. § 18

(1) Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde nicht gewährt.

Gem. § 53 FPG wurde in Bezug auf die bP ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren erlassen.

I.2.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus (Wiedergabe aus dem angefochtenen Bescheid):

Sie gaben an, Georgien wegen gewisser Umstände dort, welche eine Verfolgung darstellen sollten verlassen zu haben und weil Sie sich hier um Ihren Sohn kümmern möchten. Sie konnten dies aus folgenden Gründen nicht glaubhaft machen:

Zunächst hinsichtlich des Umstandes, dass Sie Ihren Sohn unterstützen möchten, welcher sich bereits seit dem Jahr 2015 in Österreich aufhält. Dazu ist anzumerken, dass es sich bei Ihrem Sohn um einen erwachsenen Mann handelt, welcher auf Ihre Unterstützung nicht angewiesen ist. Sein Asylantrag wurde in allen Spruchpunkten zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Aufgrund seiner Erkrankung bzw. dem Umstand, dass er Dialysepatient ist, erhält er in Österreich entsprechende medizinische Behandlung. Auch sonst wird er entsprechend betreut und ist eine Unterstützung Ihrerseits nicht von Nöten. Abgesehen davon, hätten Sie, um Ihren Sohn zu besuchen bzw. sich um diesen zu kümmern, auch den dafür vorgesehenen Weg gehen können, nämlich entweder aufgrund der Visafreiheit für georgische Staatsbürger für einen bestimmten Zeitraum, auf eigene Kosten anzureisen, oder für sich ein entsprechend länger gewährtes Visum bei der österreichischen Vertretung in Ihrem Heimatland zu beantragen. Für diesen Fall hätten Sie sich Ihren Aufenthalt allerdings auch selbst zu finanzieren gehabt.

Zu Ihrem Vorbringen, die angebliche Verfolgung betreffend darf ausgeführt werden, dass, würden tatsächlich Personen in Ihr Haus eindringen, wie behauptet, für Sie die Möglichkeit bestünde, sich an die georgische Polizei zu wenden. Dies haben Sie nicht getan. Sie baten lediglich einen Nachbarn, welcher bei der Polizei tätig ist, um Hilfe. Dieser kam Ihrer Bitte auch nach, was allerdings nicht der offiziellen Vorgehensweise der Polizei entspricht, sondern lediglich der Unterstützung dieses Mannes, als Privatperson im Sinne einer Nachbarschaftshilfe. Ihren Aussagen folgend kann auch keinesfalls von einer konventionsrelevanten Verfolgung gesprochen werden, wenn Sie angeben, dass fremde Personen, durch die Fenster Ihres Hauses sehen oder auch widerrechtlich in jenes eindringen würden. Sie selbst wollen dabei auch nicht aufgesucht worden sein, sondern gaben an, Sie hätten sich ruhig verhalten und wären von den Einbrechern nicht aufgesucht worden sein. Somit ist schon ganz grundsätzlich nicht von einer Verfolgung zu sprechen, da diese Personen offenkundig kein Interesse an Ihrer Person gehabt hätten, sondern lediglich in Ihr Haus eingedrungen wären. Auch wenn diese damit natürlich gegen das Gesetz verstoßen hätten, kann dies keine Begründung für einen Asylantrag darstellen oder dafür das Heimatland zu verlassen. Wie bereits erwähnt, liegt es in der Aufgabe der georgischen Polizei sich dieser Angelegenheit anzunehmen, müssten Sie dazu allerdings auch eine Anzeige erstatten, was Sie nicht getan haben wollen. Somit können Sie allerdings auch keine Hilfe der Behörden erwarten. Sie konnten auch keinerlei Angaben zu den Personen machen, von welchen Sie verfolgt bzw. eingeschüchtert worden sein wollen. Es war Ihnen noch nicht einmal möglich anzugeben, ob es sich immer um dieselben Personen gehandelt hatte, oder um Unterschiedliche. Auch hinsichtlich der Tiere, welche Sie gehalten haben wollen, kam es zu Wiedersprüchen in Ihren Angaben. Hatten Sie zu Beginn der Einvernahme angegeben, dass die Tiere davongelaufen wären, weil Sie und Ihr Sohn diese, aufgrund Ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung, nicht daran hätten hindern können, behaupteten Sie in Folge, dass diese zum Teil auch gestohlen worden wären. Die Polizei hätten Sie nicht um Hilfe gebeten, weil diese ohnehin in solchen Fällen nichts tun würden. Den angeblichen Diebstahl der Tiere führten Sie auch erst ins Treffen, als Sie behauptet hatten, Personen in Ihrer Wohngegend wären zur Lösegelderpressung entführt worden, allerdings auf Nachfrage keinen Zusammenhang mit Ihrer Person herstellen konnten. Jedenfalls hätte es sich bei den Entführern um Osseten gehandelt. Daraufhin wurden Sie noch dazu befragt, warum Sie sich, wenn Ihre Wohngegend derart gefährlich wäre, wie behauptet, nicht in einem anderen Teil Georgiens niederlassen könnten. Dies beantworteten Sie lediglich mit der Auskunft, dass Sie Ihr Haus nicht verkaufen könnten und auch deshalb nach Österreich gekommen wären, weil Sie in Ihrem Heimatland nicht ausreichend soziale Unterstützung bekommen würden. Aus Sicht des Bundesamtes scheint dies auch der vorwiegende Grund Ihrer Asylantragstellung gewesen zu sein und nicht Furcht vor Verfolgung.

Insgesamt gesehen geht das Bundesamt davon aus, dass Sie sich betreffend die angeblichen Bedrohungen eines Konstrukts bedienten und der tatsächliche Grund für die Stellung eines Asylantrags in Österreich rein im Wunsch begründet ist sich einerseits des österreichischen Sozialsystems zu bedienen und andererseits um bei Ihrem Sohn verbleiben zu können. Ihr Antrag auf Gewährung des Status des international Schutzberechtigten war daher abzuweisen.

Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots:

Es ist in Ihrem Fall augenscheinlich, dass die Reise nach Österreich nicht der Flucht vor Verfolgung, oder der Behandlung einer unmittelbar lebensbedrohenden Erkrankung diente, sondern Sie aus rein wirtschaftlichen Gründen nach Österreich reisten. Dabei reisten Sie nach Österreich ein, ohne ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben, mit welchen Sie Ihren Lebensunterhalt während des Aufenthalts im Bundesgebiet hätten bedienen können. Sie verfügen weder über ausreichend finanzielle Mittel um Ihren Lebensunterhalt zu bedienen, noch über die Möglichkeit über Bankomat- oder Kreditkarten an Bargeld zu gelangen. Sie können weder Unterkunft, noch Verpflegung oder Krankenversicherung aus eigenem bedienen. Sie sind nicht berechtigt einer legalen Beschäftigung nachzugehen, um damit Ihren Lebensunterhalt zu bedienen. Aufgrund der Visafreiheit für georgische Staatsangehörige wäre zu befürchten, dass Sie auch in Zukunft versuchen würden, ohne ausreichende Mittel zur Verfügung zu haben, in das Bundesgebiet bzw. den Schengener Raum einzureisen um entsprechende Sozialleistungen in Anspruch zu nehmen. Daher war auf das Mittel des Einreiseverbots zurückzugreifen. Weiters ist anzumerken, dass es Ihnen auch ohne die Stellung eines Asylantrages offen gestanden wäre, nach Österreich zu kommen, um medizinische Behandlungen in Anspruch zu nehmen, oder Ihren Sohn zu besuchen, da Sie eben aufgrund der Visa-Freiheit zu einem Aufenthalt für 90 Tage innerhalb von 180 Tagen im Schengener Raum berechtigt gewesen wären. Allerdings hätten Sie dann Ihren Aufenthalt, sowie die medizinische Behandlung selbst finanzieren müssen. Es kann nicht die Intention des Gesetzgebers sein, Personen, welchen die Krankenversorgung im eigenen Land nicht zusagt, eine kostenlose medizinische Versorgung, samt Unterbringung und Grundversorgung zur Verfügung zu stellen. Um hinkünftig zu verhindern, dass Sie sich wiederum eines europäischen Sozialsystems bedienen, um eine Versorgung auf Kosten der entsprechenden Steuerzahler zu erhalten, war es geboten Ihnen die Einreise in den Schengener Raum für einen gewissen Zeitraum zu verweigern.

I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Georgien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der georgische Staat gewillt und befähigt ist, sich auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritte wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Georgien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

Zum konkreten Vorbringen der bP stellte die bB folgendes fest (Gliederung nicht mit dem Original übereinstimmend, Streichungen nicht gekennzeichnet):

RECHTSSCHUTZ / JUSTIZWESEN

Georgien unternimmt Anstrengungen, sich bei der Rechtsreform und der Wahrung der Menschen- und Minderheitenrechte den Standards des Europarats anzupassen. 1996 wurde ein Verfassungsgericht eingerichtet, 1997 die Todesstrafe abgeschafft und 2007 die Abschaffung der Todesstrafe in der Verfassung verankert. In den Jahren seit der "Rosenrevolution" 2003/2004 hat Georgien anerkennenswerte Fortschritte bei der Polizeireform, dem erfolgreichen Kampf gegen die "Kleine Korruption" (Korruption im alltäglichen Umgang), der Reform der Steuergesetzgebung und der Verbesserung der Investitionsbedingungen erzielt. Im Rahmen der Justizreform wurde der Instanzenzug neu geregelt und eine radikale Verjüngung der Richterschaft durchgesetzt (AA 11.2016b).

Fortschritte sind insbesondere im Justizwesen und Strafvollzug zu erkennen, wo inzwischen eine unmenschliche Behandlung (auch Folter), die in der Vergangenheit durchaus systemisch vorhanden war, in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann. Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. Zwei Reformwellen wurden bereits durchgeführt, die dritte Reformwelle steht seit einiger Zeit bevor. Sie betrifft insbesondere die unparteiische Zuteilung von Rechtsfällen an Richter und die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren. Sehr aktive NGOs und der unabhängige Ombudsmann beobachten diesen Prozess aufmerksam (AA 10.11.2016).

Das dritte Paket an Gesetzesänderungen, das den anhaltenden Mangel an Transparenz im Justiz-Management bereinigen soll, wozu auch die Rechenschaftspflicht des Hohen Rates der Justiz sowie die zufällige Zuweisung von Fällen gehören, konnte laut Europäischer Kommission zwar Fortschritte verzeichnen, ist jedoch noch nicht vollständig angenommen worden. Die Begründungen für das Abhalten von geschlossenen oder öffentlichen Anhörungen werden nicht immer richtig kommuniziert. Die Transparenz bei der Zuteilung von Fällen, bei der Auswahl der Richteranwärter und der Gerichtsverwalter ist nicht vollständig gewährleistet. Der Umgang mit Disziplinarverfahren erfordert eine Stärkung. Die Mehrheit der Richter hat keine dauerhafte Amtszeit und die umstrittene dreijährige Probezeit für Richter besteht weiterhin. Die Justiz ist immer noch ernsthaft unterbesetzt und der Aktenrückstand steigt (EC 25.11.2016).

Kritisch betrachtet werden muss weiterhin die starke Neigung von Politikern, Richtern bei Gerichtsentscheidungen in brisanten Fällen eine vorrangig politische Motivation zu unterstellen und ggf. gesetzliche Änderungen vorzuschlagen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Nach dem Regierungswechsel wurden 190 in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft als politische Gefangene erklärte Häftlinge entlassen. Seit 2012 laufende Ermittlungen und teilweise schon mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden aus Sicht des [deutschen] Auswärtigen Amtes nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern sind Teil der erforderlichen juristischen Aufarbeitung der rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und deutliche Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren (AA 10.11.2016).

Freedom House bewertete Anfang 2016 die Einmischung der Regierung und der Legislative in die Justiz weiterhin als erhebliches Problem, obwohl sich die gerichtliche Transparenz und die Rechenschaftspflicht in den letzten Jahren verbessert haben, letztere zum Teil aufgrund des verstärkten Medienzugangs zu den Gerichtssälen. Menschenrechtsorganisationen haben konsequent die Praxis der Staatsanwaltschaft kritisiert, wiederholt neue Anklagen gegen Gefangene einzureichen, um ihre Zeit in der Untersuchungshaft zu verlängern, eine Vorgehensweise, die durch eine Diskrepanz zwischen dem Strafgesetzbuch und der Verfassung möglich gemacht wird. Im September 2015 allerdings befand das Verfassungsgericht im Fall des ehem. Bürgermeisters von Tiflis, Ugulava, diese Praxis der Verlängerung der Untersuchungshaft als verfassungswidrig, weil die verfassungsmäßige Grenze von neun Monaten nicht überschritten werden darf. Ugulava gehörte zu zahlreichen ehemaligen UNM-Vertretern, die seit 2012 mit Strafprozessen konfrontiert wurden, was Fragen über den politischen Einflussnahme auf den Staatsanwalt aufwarf (FH 27.1.2016).

Während viele der Richter bemerkenswerte Anstrengungen unternahmen, ihr Niveau dadurch zu verbessern, indem sie ihren Entscheidungen mehr Substanz verliehen, besonders bei hochkarätigen Fällen, bleibt die Staatsanwaltschaft das schwächste Glied im Justizbereich. Bis 2012 war die Staatsanwaltschaft ein Teil der Exekutive, und die Gerichte waren bis zu einem gewissen Grad von der Exekutive abhängig. Die Staatsanwälte haben sich mittlerweile daran gewöhnt, ihren Vorbringen eine adäquate Qualität zu verleihen. Nur bei wenigen Gelegenheiten scheinen sie zurückhaltend zu sein. Nach der Trennung der Staatsanwaltschaft vom Justizministerium wurde allerdings keine Aufsichtsbehörde für die Staatsanwaltschaft institutionalisiert. Dieser Umstand beschädigt potentiell den Ruf des gesamten Justizsystems. Die Staatsanwaltschaft hat mehr als 4.000 Anträge von Opfern angeblicher Folter, unmenschlicher Behandlung oder Zwang erhalten, sowie von Personen, welche gezwungen wurden, ihr Eigentum während der Herrschaft von Mikheil Saakaschwili aufzugeben. Seit 2012 stellt der Umfang der Strafverfahren gegen die ehemalige Führung eine Herausforderung für die aktuelle Regierung dar. Ihr wird vorgeworfen, politisch motivierte Untersuchungen einzuleiten bzw. Gerichtsprozesse zu führen. Gleichzeitig wird die Staatsanwaltschaft oft kritisiert, weil sie nicht die Fälle von Beamten untersucht hat, die ihre Befugnisse überschritten haben, oder von Polizisten, die gegen das Gesetz verstoßen haben oder von Menschen, die behaupten, im Gefängnis misshandelt worden zu sein. Als Reaktion auf diese Situation hat die Staatsanwaltschaft ihre Absicht bekundet, eine neue Abteilung zu schaffen, die im Rahmen von Gerichtsverfahren begangene Straftaten untersuchen wird (BTI 1.2016).

Das georgische Strafrecht mit dem ursprünglichen Ansatz einer "zero tolerance policy" zeigte eine enorm hohe Verurteilungsrate von 99%, mitunter wegen konstruierter Straftaten, sowie hohe Haftstrafen. Mit dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts durch Reduzierung der Strafmaße, aber auch eine erkennbar geringere Verurteilungsrate; diese ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 10.11.2016).

Am 12.1.2016 präsentierte der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, seine Beobachtungen zur Menschenrechtslage in Georgien. Mehrere Gesprächspartner wiesen auf die Mängel bei der Auswahl, Ernennung und Versetzung von Richtern hin. Versetzungen und Beförderungen von Richtern scheinen nicht durch spezifische Regeln und Kriterien reguliert zu sein, was die diesbezüglichen Entscheidungen als willkürlich erscheinen lässt und folglich das öffentliche Vertrauen in die Justiz untergräbt. Der Menschenrechtskommissar empfahl die diesbezügliche Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des Direktorats für Menschenrechte des Europarats (DHR) aus dem Jahr 2014. Überdies empfahl er, dass die Gerichtsfälle nach dem Zufallsprinzip den Richtern zugeteilt werden. Denn es gab Befürchtungen, dass prominente Fälle Richtern zugeteilt wurden, die als loyal zur Regierung gelten. Überdies sah der Menschenrechtskommissar die geltende dreijährige Probezeit für Richter als bedenklich an, weil letztere hierdurch anfälliger gegenüber einer möglichen Druckausübung sind. Auch in diesem Punkt empfahl Muižnieks die Umsetzung der Empfehlungen der Venediger Kommission und des DHR, welche die Abschaffung der Probezeit für Richter vorsahen. Dem Menschenrechtskommissar wurden Berichte zuteil, wonach es wiederholt zu Drohungen und Einschüchterungen von Verfassungsrichtern kam. So beispielsweise im Fall "Ugulava [ehem. Bürgermeister von Tiflis] gegen das Parlament Georgiens". Richter und deren Familienmitglieder wurden von Bürgern bedrängt, die sich vor den Privathäusern der Richter versammelten und u.a. mit physischer Gewalt drohten (CoE-CommHR 12.1.2016).

Am 21.7.2016 erklärte der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, dass einige Richter des Gerichtshofes von den Behörden unter Druck gesetzt worden seien, in mehreren hochkarätigen Fällen Urteile zu verschieben oder zugunsten Angeklagten zu entscheiden. Staatsanwälte haben am 1.8.2016 darauf reagiert und eine Untersuchung zu den Vorwürfen eingeleitet (AI 22.2.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* AA - Auswärtiges Amt (11.2016b): Staatsaufbau/Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Georgien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 20.3.2017

* AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/336488/466107_en.html, Zugriff 27.2.2017

* BTI - Bertelsmann Stiftung (1.2016), BTI 2016 - Georgia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017

* CoE-CommHR - Commissioner for Human Rights of the Council of Europe (12.1.2016): Observations on the human rights situation in Georgia: An update on justice reforms, tolerance and non-discrimination [CommDH(2016)2], https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?coeReference=CommDH(2016)2, Zugriff 27.2.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 24.2.2017

* FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Georgia, http://www.ecoi.net/local_link/327696/454796_en.html, Zugriff 27.2.2017

GRUNDVERSORGUNG UND WIRTSCHAFT

Bedingt durch den Aufschwung im Finanz-, Immobilien-, Transport- und Bausektor verzeichnete Georgien Wachstumsraten in zum Teil zweistelliger Höhe. Der Krieg zwischen Georgien und Russland 2008 sowie die globale Wirtschafts- und Finanzkrise führten allerdings zu einem neuerlichen Einbruch. Daraufhin sagte die internationale Gebergemeinschaft Hilfszahlungen in der Höhe von insgesamt 4,5 Milliarden US-Dollar zu. Die georgische Währung hat seit November 2014 gegenüber dem US-Dollar stark an Wert verloren (über 30 Prozent). Ursachen dafür sind der aktuell sehr starke Dollar, der Rückgang von Devisenzuflüssen aufgrund geringerer Exporte und steigender Importe sowie geringeren Direktinvestitionen aus dem Ausland. Auch die Rücküberweisungen der georgischen Diaspora vor allem aus Russland gingen deutlich zurück (ca. um 30 Prozent). Die Nationalbank Georgiens versuchte, die Sicherung der Preisstabilität mit einer strafferen Geldpolitik zu gewährleisten. Die Abwertung der Georgischen Währung gegenüber dem US-Dollar ging weiter und hatte Ende November 2016 den historischen Tiefpunkt erreicht. Trotz der beachtlichen wirtschaftlichen Entwicklung seit 2003 sind große Teile der georgischen Bevölkerung unterbeschäftigt oder arbeitslos und verarmt. Die offizielle Arbeitslosenquote lag 2014 bei 12,4 % und 2015 bei 12%. 10,1% der GeorgierInnen leben in Armut. Vor allem die BewohnerInnen der ländlichen Gebiete in den Bergregionen sind betroffen, aber auch städtische Arbeitslose sowie zumeist in Isolation lebende intern Vertriebene und Alleinerzieherinnen. Ländliche Armut führt meist zu Landflucht oder Emigration. Die Rücküberweisungen von saisonalen und permanenten AuslandsmigrantInnen machen mit ca. 24% einen nennenswerten Anteil des Volkseinkommens aus (ADA 12.2016).

Mit 1.7.2016 trat das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Georgien in Kraft. Dazu gehörte auch das sog vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen (DCFTA). Bereits 2015 stiegen die georgischen Exporte in die EU um 16%. Nichtsdestoweniger blieb der georgische Handel fragil. Die makroökonomische Situation blieb stabil, sodass 2015 ein Wachstumsplus von 2,5% verzeichnet werden konnte, trotz der unvorteilhaften regionalen Lage. Das Budgetdefizit hat allerdings in den letzten Jahren zugenommen, sodass es nach 3,5% im Jahr 2015 bereits 4,5% im Jahr 2016 betrug. Die öffentliche Verschuldung betrug 2015 42,7% des Bruttoinlandsproduktes. Das angewachsene Handelsdefizit konnte durch die signifikante Zunahme von ausländischen Investitionen kompensiert werden. Die Inflation lag im September 2016 bei fast Null-Prozent. Das Geschäftsumfeld in Georgien gilt als das beste in der gesamten Region und hat sich weiterhin verbessert. Die Landwirtschaft ist weiterhin der Hauptbeschäftigungssektor in Georgien. Rund die Hälfte der aktiven Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft. Die Defizite sind eine Fragmentierung des Landes, begrenzter Zugang zur Bildung, modernen Technologien und Agrarkrediten. Georgien hat sich bemüht die Produktivität seiner Wirtschaft, darunter die Landwirtschaft, zu steigern. 2016 wurde eine nationale Strategie zur Entwicklung des ländlichen Raumes gestartet, die die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der ländlichen Wirtschaft und ihrer Gemeinden unterstützen soll (EC 25.11.2016).

Quellen:

* ADA - Austrian Development Agency (12.2016): Georgien - Länderinformation,

http://www.entwicklung.at/fileadmin/user_upload/Dokumente/Laenderinformationen/LI_Georgien_Dez2016.pdf, Zugriff 15.3.2017

* EC - European Commission (25.11.2016): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2016) 423 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/1_en_jswd_georgia.pdf, Zugriff 8.3.2017

Sozialbeihilfen

Das Sozialsystem in Georgien umfasst die folgenden finanziellen

Zuschüsse: Existenzhilfe, Reintegrationshilfe, Pflegehilfe, Familienhilfe, soziale Sachleistungen und Sozialpakete.

Gesetzliche Renten:

Voraussetzungen (nicht alle müssen erfüllt sein):

-

Rentenalter: männlich 65 Jahre; weiblich 60 Jahre;

-

Behindertenstatus;

-

Tod des Hauptverdieners

Die monatliche staatliche Rente beträgt 180 GEL (IOM 2016).

Die staatliche soziale Unterstützung (Einzelpersonen: 60 GEL bzw. 24 EUR monatlich; Vier-Personen-Haushalt: 200 GEL bzw. 80 EUR) bleibt weit unter dem festgestellten durchschnittlichen Lebensminimum (160 GEL für einen Erwachsenen). Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband (AA 10.11.2016).

Das Recht auf Karenz- und Pflegeurlaub gewährt 730 Tage, von denen 183 Tage bezahlt sind. Bei Geburtskomplikationen oder der Geburt von Zwillingen werden 200 Tage bezahlt. Das Mutterschaftsgeld, auch im Falle einer Adoption, beträgt maximal 1.000 GEL (SSA o.D.b.).

Familien, die unter der Armutsgrenze leben, können um Sozialhilfe ansuchen. Dafür muss der Vertreter der Familie zunächst ein Ansuchen für sich und alle übrigen Familienmitglieder stellen, um in das staatliche Register für besonders schutzbedürftige Familien aufgenommen zu werden. Danach besucht ein Vertreter des Sozialamtes die Familie Vorort, wobei in der "Familiendeklaration" der sozio-ökonomische Stand der Familie festgestellt wird. Mittels eines Punktevergabesystems wird die Bedürftigkeit festgestellt. Bis zu einem Wert von 57.000 Punkten besteht der Anspruch auf finanzielle Unterstützung wie folgt: 60 GEL für Alleinstehende; ab zwei Personen erhält das älteste Familienmitglied 60 GEL und alle anderen 48 GEL pro Monat. Ausschlussgründe sind insbesondere die Arbeitsaufnahme eines Familienmitgliedes, Gefängnishaft, Militärdienst oder ein Auslandsaufenthalt von mehr als drei Monaten. Die Sozialhilfe kann nicht gleichzeitig mit der staatlichen "Haushaltsunterstützung" oder der monatlichen Zahlung an Flüchtlinge bezogen werden (SSA o.D.a.).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht

über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien): Bericht

über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* IOM - International Organisation for Migration (2016):

Länderinformationsblatt Georgien

* SSA - Social Service Agency (o.D.a.): Pecuniary Social Assistance (Subsistence Allowance),

http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=35, Zugriff 16.3.2017

* SSA - Social Service Agency (o.D.b.): Reimbursement of leave for maternity and childcare, as well as for adoption of a new-born child, http://ssa.gov.ge/index.php?lang_id=ENG&sec_id=375, Zugriff 16.3.2017

RÜCKKEHR

Georgische Rückkehrer/Rückgeführte können die gewöhnlichen, wenn auch unzureichenden Sozialleistungen in Anspruch nehmen, darunter eine kostenlose medizinische Basisversorgung. Darüber hinaus bietet der Familienverband traditionell eine soziale Absicherung. Gesetzliche Grundlagen (Migrationsstrategie, neues Ausländerrecht) wurden geschaffen und weiterentwickelt und erstmals auch Haushaltsmittel für die Reintegration von Rückkehrern zur Verfügung gestellt. Maßgebliche Gründe für diese Entwicklung waren vor allem die angestrebte Visaliberalisierung mit der EU, das anhaltende Engagement internationaler Organisationen vor Ort und die Zusammenarbeit aufgrund von Rückübernahme-Abkommen mit verschiedenen Partnern. Die überwiegende Zahl der Rückkehrer wendet sich dem Familienverband zu und erhält dort Unterstützung. 2014 hat die georgische Regierung erstmalig aus eigenen Haushaltsmitteln Gelder für Reintegrationsprojekte durch sieben zivilgesellschaftliche Akteure zur Verfügung gestellt. Internationale Organisationen - wie IOM, ICMPD - bieten ebenfalls Unterstützung an. Ein Mobilitätszentrum, eingerichtet beim Ministerium für Flüchtlinge, wurde vom Projekt "Targeted Initiative Georgia" (finanziert aus einem Konsortium von EU-Mitgliedstaaten) gegründet und seit 2014 von der IOM (finanziert aus EU-Mitteln) fortgeführt. Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Reintegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbständigkeit) zur Verfügung gestellt, bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft. Staatliche Repressalien gegenüber Rückkehrern sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist nach Rückkehr nach Georgien unerheblich (AA 10.11.2016).

Das Ministerium für Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge ist für die Koordinierung der Reintegrationsmaßnahmen verantwortlich, welche in der Migrationsstrategie 2016-2020 neu geplant worden sind. Gemäß dieses Programms werden eine nachhaltige Finanzierung sowie eine erweiterte Kapazität garantiert, dass die sog. Mobilitätszentren unterschiedliche Reintegrationsdienste leisten. Überdies wird innerhalb des Ministeriums eine analytische Abteilung errichtet, die Daten zu Rückkehrern, beispielsweise zu ihren Qualifikationen und Bedürfnissen, sammelt (EC 18.12.2015).

2015 wurden im Staatsbudget 400.000 GEL für Reintegrationsmaßnahmen reserviert. Aus den Geldern wurden Mikro-Geschäfts-Projekte, temporäre Unterkünfte, Aus- und Fortbildungskurse, Förderungen für bezahlte Praktiken, Erste Hilfe und medizinische Grundversorgung, psychologische Rehabilitation und Rechtshilfe für Rückkehrer unterstützt. Am staatlichen Programm sind jene teilnahmeberechtigt, die georgische Bürger oder staatenlos sind und über eine Aufenthaltsbewilligung verfügen; sich mehr als ein Jahr illegal im Ausland aufgehalten haben oder im Ausland um Asyl angesucht haben, und seit weniger als einem Jahr in Georgien angekommen sind (MRA o. D.). 2016 wurde das Programm auf 600.000 GEL aufgestockt, und das Ministerium setzte dessen Umsetzung unter Einbeziehung von NGOs fort (SCMI 16.8.2016)

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (AA - Auswärtiges Amt (10.11.2016): Bericht

über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien): Bericht

über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien

* EC - European Commission (18.12.2015): Report from the Commission to the European Parliament and the Council. Forth Progress Report on the implementation by Georgia of the Action Plan on Visa Liberalisation [COM(2015) 299 final], http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/e-library/documents/policies/international-affairs/general/docs/fourth_report_georgia_implementation_action_plan_visa_liberalisation_en.pdf, Zugriff 16.3.2017

* MRA - Ministry of Internally Displaced Persons from the Occupied Territories, Accommodation and Refugees of Georgia (o.D.):"Supporting reintegration of the returned Georgian Migrants"Program, http://mra.gov.ge/eng/static/8769, Zugriff 16.3.2017

* SCMI - State Commission on Migration Issues (16.8.2016):

Information Meeting on Reintegration of Returned Migrants in Sadakhlo Community Center,

http://migration.commission.ge/index.php?article_id=248&clang=1, Zugriff 16.3.2017

MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Die Medizinische Versorgung ist für alle georgischen Staatsangehörigen durch eine staatlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care) kostenlos gewährleistet. Anhand privater Krankenversicherungen kann die Leistungsübernahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden. Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und moderne Behandlungen an; staatliche Einrichtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus Deutschland (AA 10.11.2016)

Das "Universal Health Care" umfasst ambulante und stationäre Behandlung für Begünstigte verschiedener Alters- und Sozialgruppen:

-

Offen für alle Staatsbürger, sowie Asylsuchende (während des Verfahrens) und Personen mit Flüchtlingsstatus

-

Stationäre und ambulante Behandlung sind vollständig gedeckt.

-

Behandlung von HIV und TB ist kostenfrei, sowie Insulin für Diabetespatienten

-

Dialyse ist ebenfalls gewährleistet.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten