TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/28 W241 2193765-1

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Veröffentlicht am 28.09.2018
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Entscheidungsdatum

28.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z1
AsylG 2005 §4a
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W241 2193765-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hafner über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2018, Zahl 1150940402/170529149 BMI-EAST_WEST, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 4a, § 10 Abs. 1 Z 1, § 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF) brachte - gemeinsam mit seinem Onkel, seiner Tante sowie zwei Cousins und einer Cousine - am 03.05.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) den gegenständlichen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 (in der Folge AsylG), ein. Dabei gab er an, am XXXX geboren zu sein.

2. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF in Griechenland am 27.02.2016 erkennungsdienstlich behandelt wurde und am 27.03.2017 in Ungarn einen Asylantrag gestellt hat.

3. Bei der Erstbefragung am 03.05.2017 gab der BF an, dass er seit seiner Kindheit im Iran gelebt hätte und vor ca. einem Jahr dieses Land verlassen hätte. Er sei über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn nach Österreich gelangt. In Ungarn habe er sich einen Monat lang aufgehalten und sei drei Wochen eingesperrt worden, es sei dort nicht gut gewesen.

4. Da Zweifel an der Minderjährigkeit des BF bestanden, wurde durch das BFA eine medizinische Altersdiagnose veranlasst. Mit gerichtsmedizinischem Gutachten vom 09.06.2017 wurde festgestellt, dass das vom BF angegebene Geburtsdatum aufgrund der erhobenen Befunde nicht belegt werden könne, woraufhin als fiktives Geburtsdatum der XXXX festgelegt wurde.

5. Das BFA richtete am 13.06.2017 einen auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (in der Folge Dublin III-VO), gestützten Wiederaufnahmeantrag an Ungarn.

Mit Schreiben vom 15.06.2017 teilten die zuständigen ungarischen Behörden mit, dass dem BF gemeinsam mit seiner Familie in Ungarn am 12.04.2017 subsidiärer Schutz gewährt worden wäre.

6. Bei der Einvernahme des BF am 05.03.2018 durch das BFA gab dieser an, dass außer den mitgereisten Verwandten noch ein minderjähriger Sohn seiner Tante in Österreich aufhältig sei. Er wisse das seit zweieinhalb Jahren, die genaue Adresse kenne er nicht. Es hätte bis vor sechs Monaten telefonischer Kontakt bestanden, getroffen hätte er ihn noch nicht. Dokumente hätte er keine, er hätte auch keine Karte in Ungarn erhalten.

Er wäre einen Monat und drei Wochen in Ungarn gewesen und wisse nichts von einer positiven Entscheidung. Er wäre in zwei Lagern untergebracht worden, in einem wäre es wie in einem Gefängnis gewesen. Es hätte keine medizinische Versorgung und keine Sprachkurse gegeben. Auch hätte man von ihm als Minderjährigen verlangt, arbeiten zu gehen. Freunde hätten ihm gesagt, dass es dort keine Zukunft gäbe und man arbeiten gehen müssen. Da sein Onkel als sein Vormund weitergereist sei, habe er sich ihm angeschlossen. Er habe sich hier in Österreich bereits gut integriert und kenne die österreichische Kultur. Beim ersten Versuch, nach Österreich zu reisen, sei er von der ungarischen Polizei aufgegriffen und geschlagen worden. Angezeigt habe er dies nicht.

7. Am 14.03.2018 wurde eine Kopie eines Anmeldescheins des ÖFB übermittelt.

8. Mit Bescheid des Bundesamts vom 27.03.2018 wurden unter Spruchpunkt I. der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass sich der BF nach Ungarn zurückzubegeben habe. In Spruchpunkt II. wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.

Die mitgereisten Angehörigen des BF erhielten gleichlautende Entscheidungen.

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Ungarn wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst:

1. Schutzberechtigte in Ungarn

Im März 2016 wurde ein Paket von Änderungen zum ungarischen Asylgesetz präsentiert, dessen Ziel es war, Verschärfungen bei der Versorgung von AW und Schutzberechtigten durchzusetzen. Zentraler Punkt ist dabei der Aspekt, dass Schutzberechtigte zwar ein Recht auf dieselben sozialen Leistungen haben sollen, wie ungarische Staatsbürger, jedoch darüber hinaus nicht bessergestellt werden sollen. Demgemäß sollen weder Asylwerber noch Inhaber eines Schutzstatus ein Recht auf jedwede Art von Barzuschüssen haben. Die Änderungen traten am 1.4.2016 in Kraft und sind ab 1.6.2016 umzusetzen. Relevante Punkte der sogenannten "Integration Care" sind die Abschaffung des Integrationsvertrages (d.h. keine Mehrzahlungen für Integration, Spracherwerb etc.) und Einführung automatischer Kontrolle des Schutzstatus (subsidiärer wie auch internationaler Schutz (Fortbestehen der Asylgründe und Überprüfung von Integrationsfortschritten) alle 3 Jahre. Bedürftige Schutzberechtigte dürfen 30 Tage nach Statuszuerkennung im Aufnahmezentrum bleiben (bisher 60 Tage). Nicht sozialversicherte Schutzberechtigte sollen hinkünftig für 6 Monate das Recht auf medizinische Versorgung haben (bisher 12 Monate). Wohnkostenzuschuss und Ausbildungszuschuss für Schutzberechtigte werden gestrichen, ebenso Streichung der finanziellen Unterstützung für Geduldete. Die ungarische Regierung sieht dies lediglich als Anpassung an Regelungen, wie sie in Westeuropa bereits gelten. In Ungarn gibt es diverse NGOs, Sozialzentren etc., die kostenlos Leistungen anbieten (z.B. Sprachkurse), aber es besteht auf solche Unterstützung kein Rechtsanspruch (VB 11.3.2016; VB 4.4.2016; vgl. FRA 6.2016; HHC 15.6.2016).

Geduldete können in der Gemeinschaftsunterkunft Balassagyarmat untergebracht werden (AIDA 11.2015).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles, Forum Refugiés-Cosi, the Hungarian Helsinki Committee and the Irish Refugee Council (11.2015): National Country Report Hungary,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hu_update.iv__0.pdf, Zugriff 30.6.2016

-

FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (6.2016):

Monthly data collection on the current migration situation in the EU. June 2016 monthly report,

http://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-june-2016-monthly-migration-gender-based-violence_en.pdf, Zugriff 30.6.2016

-

HHC - Hungarian Helsinki Committee (15.6.2016): Hungary: Recent legal amendments further destroy access to protection, April-June 2016,

http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-Hungary-asylum-legal-amendments-Apr-June-2016.pdf, Zugriff 30.6.2016

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VB des BM.I in Ungarn (11.3.2016): Auskunft des BAH, per E-Mail

-

VB des BM.I in Ungarn (4.4.2016): Auskunft des VB, per E-Mail

Begründend wurde ausgeführt, es seien keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden, dass der BF konkret Gefahr liefe, in Ungarn Folter oder unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden oder ihm eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohen könnte. Der BF halte sich erst seit kurzer Zeit in Österreich auf, sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei in jedem Fall zu kurz, um ein schützenswertes Privatleben iSd Art. 8 EMRK zu begründen.

9. In der Folge stellte das BFA dem BF gemäß § 52 Abs. 1 Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) amtswegig zur Seite.

10. Mit Schriftsatz vom 17.04.2018 erhob der BF gemeinsam mit seinen Angehörigen fristgerecht Beschwerde und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF von ungarischen Polizisten geschlagen und menschenunwürdig behandelt worden wäre. Auch sei er im Lager nicht entsprechend versorgt worden, eine Einzelfallzusicherung hätte eingeholt werden müssen. Abschließend wurden die Länderfeststellungen als einseitig und unausgewogen bezeichnet, die Haftbedingungen in Ungarn kritisiert und behauptet, dass es zu Misshandlungen durch die Polizei und das Militär komme.

11. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 27.04.2018.

10. Laut Mitteilung des BFA vom 25.09.2018 sei der BF seit dem 28.05.2018 unbekannten Aufenthalts, weshalb eine Überstellung nicht durchgeführt werden hätte können. Am 12.06.2018 wäre ein Wiederaufnahmegesuch von Deutschland übermittelt worden, welches mit 15.06.2018 wegen Zuständigkeit Ungarns abgelehnt worden wäre. Weder sei dem BFA bekannt, ob der BF von Deutschland nach Ungarn überstellt worden wäre, noch ob er sich derzeit im österreichischen Bundesgebiet aufhalte.

Laut ZMR-Auskunft vom 25.09.2018 ist der BF seit 28.05.2018 nicht mehr aufrecht in Österreich gemeldet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

-

den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 03.05.2017, die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 27.03.2018 und die Beschwerde vom 17.04.2018

-

aktenkundliche Dokumentationsquellen betreffend Ungarn im angefochtenen Bescheid

-

die Korrespondenz mit Ungarn

-

das von BF vorgelegte Dokument.

2. Feststellungen

Der BF stellte in Ungarn am 27.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, und ihm wurde in Ungarn subsidiärer Schutz zuerkannt.

Zur Lage im Mitgliedstaat Ungarn schließt sich das BVwG den Feststellungen des angefochtenen Bescheides an.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

Der BF leidet an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die die Schwelle des Art. 3 EMRK erreichen.

Der BF reiste mit seinem Onkel, seiner Tante, zwei Cousins und einer Cousine nach Österreich, diesen Angrehörigen wurde in Ungarn ebenfalls subsidiäter Schutz zuerkannt. Ferner lebt seit zweieinhalb Jahren ein Sohn seiner Tante in Österreich, zu diesem besteht jedoch nur telefonischer Kontakt. Sonstige ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen des BF bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

Der BF spricht etwas Deutsch und ist bei einem Fussballverein angemeldet.

3. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen über die Einreise des BF und dem ihm in Ungarn zukommenden Status ergibt sich aus den im Akt einliegenden Informationen der ungarischen Behörde und wurden vom BF auch nicht bestritten.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen. Die angeführten Informationsquellen haben trotz teilweise angeführten älteren Datums für den BF an Aktualität nichts eingebüßt. Die Situation in Ungarn für subsidiär Schutzberechtigte hat sich auch in den letzten Jahren nicht derart verändert, dass sich für den BF als Dublin-Rückkehrer eine andere Situation als die in den getroffenen Feststellungen dargestellte fände.

Die Feststellungen über den Gesundheitszustand und die privaten und familiären Verhältnisse des BF ergeben sich aus dessen Angaben im Verfahren.

4. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) lauten:

"§ 4a (1) Ein Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn dem Fremden in einem anderen EWR-Staat oder der Schweiz der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und er dort Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, in welchen Staat sich der Fremde zurück zu begeben hat. § 4 Abs. 5 gilt sinngemäß.

...

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 57 (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

...

§ 58 (1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

..."

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

....

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

(5) Eine Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung ist binnen einer Woche einzubringen."

4.2.1 Zur Frage der Unzulässigkeit des gegenständlichen Asylantrags ist davon auszugehen, dass das Bundesamt zu Recht eine Zurückweisung nach § 4a AsylG vorgenommen hat, da dem BF in Ungarn subsidiärer Schutz zukommt.

Die seit dem 01.01.2014 anwendbare Dublin III-VO geht, wie sich aus der Legaldefinition in ihrem Art. 2 lit. f ergibt, nunmehr von einem einheitlichen Status für Begünstigte internationalen Schutzes aus, welcher gleichermaßen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte umfasst. Die Dublin III-VO gilt nur für Asylwerber während des laufenden Asylverfahrens und nach einem - sowohl hinsichtlich des Asyls als auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes - negativen Abschluss des Verfahrens. Auf Personen, denen bereits in einem Mitgliedstaat Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde und deren Asylverfahren zu beiden Fragen rechtskräftig abgeschlossen ist, findet die Dublin III-VO im Fall eines neuerlichen Antrages auf internationalen Schutz in einem anderen Mitgliedstaat keine Anwendung. Denn laut Art. 2 lit. c Dublin III-VO bezeichnet der Ausdruck "Antragsteller" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde. In den Fallgruppen des Art. 18 Abs. 1 lit. a bis d Dublin III-VO betreffend die Wiederaufnahme von Asylwerbern werden zwar in der lit. d die Personen angeführt, deren Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Asyls als auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes rechtskräftig negativ entschieden wurde, nicht aber jene, deren Antrag hinsichtlich eines dieser beiden Punkte positiv entschieden wurde (vgl. dazu Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 22 zu Art. 2).

Demgegenüber war die bis 31.12.2013 anwendbare Dublin II-VO zwar ebenfalls auf Asylberechtigte, die in einem anderen Mitgliedstaat einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten, nicht anzuwenden, fand jedoch nach ihrem Wortlaut sowie der Staatenpraxis Anwendung auf subsidiär Schutzberechtigte. Dementsprechend wurden in Österreich bis Ende 2013 Asylanträge von Personen, die bereits in einem anderen Mitgliedstat asylberechtigt waren, gemäß § 4 AsyG, hingegen Anträge von Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat bereits subsidiär schutzberechtigt waren, gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen.

Im Protokoll der Europäischen Kommission über die Sitzung des Dublin-Kontakt-Komitees vom 24.02.2014 vertrat die Kommission zu dieser Frage die Auffassung, dass nach Art. 6 Abs. 2 erster Satz Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG Drittstaatsangehörige, die sich illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates aufhalten und Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates sind, zu verpflichten sind, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses anderen Mitgliedstaates zu begeben. Einen neuerlichen Asylantrag dieser Personen können die Mitgliedstaaten nach Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig betrachten, wenn ein anderer Mitgliedstaat internationalen Schutz gewährt hat.

4.2.2. Der BF befindet sich erst seit Mai 2017 im Bundesgebiet und sein Aufenthalt war nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen daher nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde auch nur behauptet wurde.

Im vorliegenden Verfahren ist es nicht zur Anwendung von § 8 Abs. 3a AsylG gekommen und ist auch keine Aberkennung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ergangen, wie aus dem Verfahrensgang ersichtlich ist.

4.3.1. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK wurde im vorliegenden Fall Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 4 GRC und Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK haben die Vertragsstaaten der EMRK aufgrund eines allgemein anerkannten völkerrechtlichen Grundsatzes - vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen einschließlich der EMRK - das Recht, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu regeln. Jedoch kann die Ausweisung eines Fremden durch einen Vertragsstaat ein Problem nach Art. 3 EMRK aufwerfen und damit die Verantwortlichkeit dieses Staates nach der EMRK auslösen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass die betreffende Person im Fall ihrer Abschiebung mit einer realen Gefahr rechnen muss, im Zielstaat einer dem Art. 3 widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden. Unter diesen Umständen beinhaltet Art. 3 die Verpflichtung, die betreffende Person nicht in diesen Staat abzuschieben (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 30; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 124-125).

Es ist auch ständige Rechtsprechung des EGMR, dass die verbotene Behandlung ein Mindestmaß an Schwere erreichen muss, um in den Anwendungsbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Die Festsetzung dieses Mindestmaßes ist naturgemäß relativ; es hängt von allen Umständen des Einzelfalles ab, wie etwa der Dauer der verbotenen Behandlung, ihren physischen oder psychischen Auswirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers, etc. Das Leid, das sich aus einer natürlich auftretenden Krankheit ergibt, kann von Art. 3 EMRK erfasst sein, wenn es durch eine Behandlung - seien es Haftbedingungen, eine Ausweisung oder sonstige Maßnahmen - verschlimmert wird, für welche die Behörden verantwortlich gemacht werden können (z. B. EGMR, Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N., Rn. 29; Große Kammer, 28.02.2008, 37201/06, Saadi, Rn. 134).

Der BF hat im Verfahren nicht glaubhaft dargetan, dass er während seines Voraufenthaltes in Ungarn einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt gewesen sei. Der BF hat zwar auf eine schlechte Behandlung in der ihm während seines offenen Verfahrens auf internationalen Schutz zunächst zugewiesenen Flüchtlingsunterkunft hingewiesen, welche insofern präzisiert wurde, als dass es sich um eine geschlossene Einrichtung gehandelt hätte, welche offenbar einem Gefängnis geglichen hätte; allerdings relativieren sich die in Bezug auf die zur ursprünglich zugewiesenen Unterbringungseinrichtung geäußerten Kritikpunkte auch insofern, als der BF als Person, welcher zwischenzeitlich bereits subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, im Falle einer Rückkehr nicht neuerlich in einer geschlossenen Aufnahmeeinrichtung untergebracht würde. Zum Vorbringen, in Ungarn keine medizinische Behandlung erhalten zu haben, ist festzuhalten, dass subsidiär Schutzberechtigte ein Recht auf dieselben sozialen Leistungen haben wie ungarische Staatsbürger.

Selbst bei Wahrunterstellung der seitens des BF geäußerten Kritikpunkte an den in Ungarn wahrgenommenen Aufnahmebedingungen, wird durch diese demnach nicht aufgezeigt, dass der BF im Zuge seines Voraufenthaltes konkreter menschenrechtswidriger Behandlung ausgesetzt gewesen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof ist in seinem behebenden Erkenntnis vom 08.09.2015, Ra 2015/18/0113, davon ausgegangen, dass sich die Lage in Ungarn zumindest seit Oktober 2014 schon deshalb deutlich verändert habe, weil in jüngerer Zeit ein massiver Zustrom von Asylwerbern stattgefunden habe, der in hohem Maße auch Ungarn betroffen habe. Deshalb sei ein konkretes Vorbringen, mit dem Asylwerber eine angemessene Unterbringung und Versorgung ihrer Grundbedürfnisse in Ungarn vor dem Hintergrund dieser notorischen Entwicklungen in Frage gestellt haben, einer weitergehenden Prüfung der Lage zu unterziehen. Der vom Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vom 08.09.2015 als

notorische Lageänderung umschriebene massive Zustrom von Asylwerbern insbesondere über Ungarn findet jedoch gegenwärtig nicht mehr statt.

Wie im angefochtenen Bescheid dargelegt wurde, gewährleistet Ungarn grundsätzlich ausreichend Schutz für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte und ist somit nicht zu erkennen, dass der BF nach seiner Überstellung nach Ungarn Gefahr liefe, in seinen durch Art. 3 EMRK geschützten Rechten verletzt zu werden. Der pauschale Einwand in der Beschwerde, wonach eine Überstellung nach Ungarn eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstelle, ist letztlich nicht geeignet, um eine Rückkehr dorthin als unzulässig erscheinen zu lassen.

Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der BF in Ungarn keinerlei Existenzgrundlage vorfände. So ist zu bedenken, dass grundsätzlich anerkannte Flüchtlinge bzw. Personen mit einem Aufenthaltsrecht nach einer Übergangsphase der Unterstützung gehalten sind, ihre Existenz - so wie auch alle anderen Staatsbürger eines Landes - selbst zu erwirtschaften. Im Hinblick darauf, dass der BF jung, gesund und arbeitsfähig ist sowie an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten leidet, bestehen keine Bedenken, dass es ihm möglich sein wird, eine - wenn auch bescheidene - Existenzgrundlage in Ungarn zu schaffen. Es ist dem BF zuzumuten, nach einer Rücküberstellungen nach Ungarn die in der Beschwerde angedeuteten Schwierigkeiten - u.a. in Hinblick auf die Gewährung von Sozialhilfe und Krankenversicherung bzw. generell beim Zugang zu staatlichen Versorgungsleistungen - aus eigenem zu überwinden bzw. erforderlichenfalls auch auf bestehende Hilfsangebote von NGOs zurückzugreifen. Dass in Ungarn möglicherweise geringere Integrationsmöglichkeiten bestehen als in anderen europäischen Ländern, verletzt den BF nicht in seinen Grundrechten. Die von ihm allgemein vorgebrachten Befürchtungen relativieren sich vor dem Hintergrund dieser Erwägungen.

Betreffend die dem BF bei seiner Weiterreise nach Österreich behauptetermaßen widerfahrenen Geschehnisse - Schläge durch Polizisten - ist auszuführen, dass es bei tatsächlich vorliegenden gewalttätigen Übergriffen die Möglichkeit gibt, sich an örtlich ansässige Menschenrechtsorganisationen zu wenden bzw. den Rechtsweg zu beschreiten und Anzeige zu erstatten, da keine Hinweise dahingehend bestehen, dass in Ungarn rechtswidriges Verhalten von Sicherheitsorganen ohne strafrechtliche oder dienstrechtliche Folgen geduldet werden würde. Es gibt keinerlei Bedenken hinsichtlich der Sicherheitslage in Ungarn.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass den Grundsätzen eines Rechtsstaates widersprechende Übergriffe von Einzelpersonen jedoch auch in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union stattfinden können. So der BF dieserart Übergriffen oder Misshandlungen tatsächlich ausgesetzt gewesen war oder ist, so hat er sich an die ungarischen Behörden zur Verfolgung dieser Einzelpersonen zu wenden. Dass die ungarischen Behörden solcherart Übergriffe generell tolerieren bzw. dass Übergriffe einzelner Beamter oder auch privater Personen sanktionslos blieben oder systematisch durchgeführt würden, ist sowohl dem Amtswissen nach als auch den Länderfeststellungen nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang ist auch auf die einschlägige Judikatur des EGMR zu verweisen, wonach einzelne beanstandete Grundrechtsverletzungen oder Verstöße gegen Asylrichtlinien in einem Mitgliedstaat jedenfalls noch keine Grundlage dafür darstellen, die auf unionsrechtlicher Stufe stehende Dublin-VO auf diesen Mitgliedstaat nicht mehr anzuwenden, etwa durch regelmäßige Ausübung des Selbsteintrittsrechtes (vgl. EGMR 06.06.2013, 2293/12, Mohammed).

Nach den Länderberichten zu Ungarn kann letztlich nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass ein Drittstaatsangehöriger im Fall einer Überstellung nach Ungarn konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden.

Jedenfalls hätte der BF die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen seiner Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Ungarn und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geltend zu machen.

Nach der Rechtsprechung des EGMR, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken haben im Allgemeinen Fremde kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie an einer schweren Krankheit leiden oder selbstmordgefährdet seien. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR 22.06.2010, 50068/08, Al-Zawatia; EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, Rn. 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).

Der BF leidet an keinen physichen oder psychischen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen. Medzinische Befunde wurden im Verfahren nicht vorgelegt.

Fallbezogen liegen bei den BF daher keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen mit jenem sehr außergewöhnlichen Ausmaß an Leidenszuständen vor, wie es in der Rechtsprechung des EGMR für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art. 3 EMRK gefordert wird.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Falle von bekannten Erkrankungen des Fremden durch geeignete Maßnahmen dem jeweiligen Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere erhalten kranke Personen eine entsprechende Menge der benötigten verordneten Medikamente. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen entsprechende Maßnahmen gesetzt. Bei Vorliegen schwerer psychischer Erkrankungen und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

Zusammenfassend liegen dem erkennenden Gericht keine Hinweise vor, dass beim BF eine Erkrankung vorliegt, die typischerweise in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK fällt bzw. eine Überstellung nach Ungarn unzumutbar erscheinen lässt.

4.3.2. Zu einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK bzw. Art. 7

GRC:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der BF hat familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich. Die mit ihm mitgereisten Verwandten (Onkel, Tante, Cousins, Cousine) haben ebenfalls in Ungarn subsidiären Schutz erhalten und haben sich diese Personen - ebenso wie der BF - nach Ungarn zurückzubegeben.

Ferner ist ein Sohn seiner Tante in Österreich aufhältig. Allerdings besteht mit diesem kein gemeinsamer Haushalt, so hat der BF diesen bisher nicht einmal persönlich getroffen. Es liegen keine Hinweise auf ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis und ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR fällt eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen nur dann unter den Schutz des Familienlebens im Sinn des Art. 8 Abs. 1 EMRK fallen, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, Rn. 32; 17.02.2009, 27319/07, Onur, Rn. 43-45; 09.10.2003, Große Kammer, 48321/99, Slivenko, Rn. 97; aber auch VfGH 09.06.2006, B 1277/04; VfGH 06.06.2013, U 682/2013 und VwGH 16.11.2012, 2012/21/0065). Auch wenn man davon ausgeht, dass in das von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Familienleben eingegriffen wird, dann verstößt ein solcher Eingriff nur dann gegen die EMRK, wenn er nicht die Erfordernisse des Art. 8 Abs. 2 erfüllt.

Die gegenständliche aufenthaltsbeendende Maßnahme stützt sich unbestrittenermaßen auf eine gesetzliche Bestimmung und sie verfolgt Ziele, die mit der EMRK in Einklang stehen, nämlich insbesondere die Verteidigung der Ordnung im Bereich des Fremden- und Asylwesens sowie das wirtschaftliche Wohl des Landes.

Es bleibt noch zu überprüfen, ob diese Maßnahme in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, das heißt durch ein vorrangiges soziales Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere in Bezug auf das verfolgte legitime Ziel verhältnismäßig ist (EGMR 02.08.2001, 54273/00, Boultif, Rn. 46; 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 57f; 16.04.2013, 12020/09, Udeh, Rn. 45; VfGH 29.09.2007, B 1150/07).

In diesem Sinn ordnet auch § 9 Abs. 1 BFA-VG an:

"Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist."

Nach diesem Regelungssystem ist somit anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles eine Interessenabwägung am Maßstab des Art. 8 EMRK durchzuführen. Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme darf nur erlassen werden, wenn die dafür sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen des Drittstaatsangehörigen und seiner Familie an dessen weiterem Verbleib in Österreich. Bei dieser Interessenabwägung sind folgende Kriterien nach der Methode des beweglichen Systems in einer Gesamtbetrachtung zu bewerten, indem das unterschiedliche Gewicht der einzelnen Kriterien zueinander in eine Beziehung zu setzen und eine wechselseitige Kompensation der einzelnen Gewichte vorzunehmen ist (vgl. EGMR 18.10.2006, Große Kammer, 46410/99, Üner, Rn. 57f):

-

die Art und Schwere der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten;

-

die seit der Begehung der Straftaten vergangene Zeit und das Verhalten des Beschwerdeführers in dieser Zeit;

-

die Aufenthaltsdauer im ausweisenden Staat;

-

die Staatsangehörigkeit der einzelnen Betroffenen;

-

die familiäre Situation des Beschwerdeführers und insbesondere gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe und andere Faktoren, welche die Effektivität eines Familienlebens bei einem Paar belegen;

-

die Frage, ob der Ehegatte von der Straftat wusste, als die familiäre Beziehung eingegangen wurde;

-

die Frage, ob aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind und welches Alter sie haben;

-

die Schwierigkeiten, denen der Ehegatte im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers begegnen könnte;

-

das Wohl der Kinder, insbesondere die Schwierigkeiten, denen die Kinder des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat begegnen könnten;

-

die Festigkeit der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Aufenthaltsstaat und zum Herkunftsstaat.

Der Grad der Integration manifestiert sich nach der Rechtsprechung insbesondere in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben und der Beschäftigung (VfGH 29.09.2007, B 1150/07).

Diese sowie einige weitere von der Rechtsprechung einzelfallbezogen herausgearbeiteten Kriterien für die Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK werden auch in § 9 Abs. 2 BFA-VG aufgezählt:

"(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

Im vorliegenden Fall ergibt die durchgeführte Interessenabwägung, dass die für die aufenthaltsbeendende Maßnahme sprechenden öffentlichen Interessen schwerer wiegen als die persönlichen Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet.

Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet in der Dauer von lediglich etwas mehr als eineinhalb Jahren war nur ein vorläufig berechtigter. Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Auch bei einem Eingriff in das Privatleben misst die Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dem Umstand wesentliche Bedeutung bei, ob die Aufenthaltsverfestigung des Asylwerbers überwiegend auf vorläufiger Basis erfolgte, weil der Asylwerber über keine über den Status eines Asylwerbers hinausgehende Aufenthaltsberechtigung verfügt hat. In diesem Fall muss sich der Asylwerber bei allen Integrationsschritten im Aufenthaltsstaat seines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit seiner Integrationsschritte bewusst sein (VfGH 12.06.2013, U 485/2012; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012).

Der BF spricht bereits etwas Deutsch, weitere diesbezügliche Unterlagen - bespielsweise Bestätigungen über die Absolvierung von Deutschkursen - wurden keine vorgelegt. Ferner spielt der BF bei einem Verein Fussball. Zusammengefasst kann schon aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer ein schützenswertes Privatleben, wie beispielsweise wegen einer bereits erfolgten außergewöhnlichen Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11), nicht angenommen werden.

Nach der Rechtsprechung des EGMR (EGMR 31.07.2008, 265/07, Darren Omoregie u.a.) stellen die Regeln des Einwanderungsrechtes eine ausreichende gesetzliche Grundlage in Hinblick auf die Frage der Rechtfertigung des Eingriffs nach Art. 8 Abs. 2 EMRK dar. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kommt der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.09.2007, B 328/07; VwGH 22.01.2013, 2011/18/0012; 18.10.2012, 2010/22/0130).

Gemäß Art. 3 Abs. 1 letzter Satz Dublin III-VO wird jeder Asylantrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird. Wenn aber ein Drittstaatsangehöriger bereits in einem Mitgliedstaat internationalen Schutz, also entweder Asyl oder subsidiären Schutz, erhalten hat, dann kann ein neuerlicher Asylantrag dieser Person in einem anderen Mitgliedstaat gemäß Art. 33 Abs. 2 lit. a Asylverfahrensrichtlinie 2013/32/EU als unzulässig zurückgewiesen werden. Daher stellt die rechtswidrige Weiterreise des BF innerhalb der Union zwecks Einbringung eines weiteren Asylantrags gerade jenes Verhalten dar, das durch die Rechtsvorschriften des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems verhindert werden soll, um eine zügige Bearbeitung der zahlreichen jährlich gestellten Asylanträge in den 28 Mitgliedstaaten der Union zu ermöglichen.

4.4. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 4a zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der BF auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation i

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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