TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/28 G304 2206626-1

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Veröffentlicht am 28.09.2018
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Entscheidungsdatum

28.09.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G304 2206626-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Algerien, gegen die weitere Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, von 05.06.2018, wurde über den BF gemäß. § 76 Abs. 2 Z 1 die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, von 27.09.2018, wurde die Schubhaft wegen bestehender Fluchtgefahr für notwendig und verhältnismäßig gehalten.

3. Am 27.09.2018 langte hinsichtlich amtswegiger Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF seit 08.06.2018 in Schubhaft beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) der Inhalt gegenständlichen Verwaltungsaktes ein. Mit "Aktenvorlage" wurde berichtet, dass die letzte behördliche Urgenz hinsichtlich Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zuletzt am 09.08.2018 stattfand.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF, für welchen keine Identitätsdokumente und bereits aus seinem Asylverfahren mehrere Aliasdaten vorliegen, konnte von INTERPOL ALGIER identifiziert werden. Dies wurde der belangten Behörde mit Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 19.04.2017 mitgeteilt. Der BF ist algerischer Staatsbürger.

1.2. Der BF stellte vor seinem Asylantrag in Österreich am 03.05.2015 am 29.04.2015 einen Asylantrag in Ungarn und danach - während anhängigen Asylverfahrens in Österreich - am 09.06.2015 einen Asylantrag in Deutschland.

1.3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 07.11.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 03.05.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien abgewiesen, einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt und festgestellt, dass der BF aufgrund seiner Straffälligkeit sein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verloren hat.

1.4. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom BVwG die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt.

1.5. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 23.05.2018 wurde dem BF die beabsichtigte behördliche Schubhaftanordnung vorgehalten.

1.6. Mit handschriftlicher Stellungnahme des BF vom 01.06.2018 nahm der BF unter anderem auf seinen Fluchtgrund aus seinem Asylverfahren und auf drei strafrechtlichen Verurteilungen und auf eine Verwaltungsübertretung in Strafhaft Bezug.

1.7. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 05.06.2018 wurde zwecks Sicherung der Abschiebung des BF über ihn die Schubhaft angeordnet.

1.8. Der BF wurde daraufhin am 08.06.2018 um 09:13 Uhr in Schubhaft genommen.

1.9. Der BF wurde im Bundesgebiet insgesamt dreimal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar einmal wegen "gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung" und zweimal wegen Suchtmitteldelikten, zuletzt im Juli 2017 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr.

1.10. Die belangte Behörde stellte am 26.09.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Ersatzreisedokumentes bei der Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien. Am 15.03.2018 erfolgte hinsichtlich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates eine Urgenz an die algerische Vertretungsbehörde. Am 25.05.2018 und 29.05.2018 erfolgten hinsichtlich Ausstellung eines Heimreisezertifikates weitere Urgenzen an die algerische Vertretungsbehörde. Wie die belangte Behörde mit Aktenvorlage vom 27.09.2018 bekanntgab, wurde hinsichtlich Ausstellung eines Heimreisezertifikates zuletzt am 09.08.2018 urgiert.

1.11. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.09.2018 wurde die Schubhaft wegen bestehender Fluchtgefahr für notwendig und verhältnismäßig gehalten.

1.12. Mit "Aktenvorlage" vom 27.09.2018 wurde dem BVwG gegenüber angemerkt, "dass die Zusammenarbeit mit der Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien grundsätzlich produktiv ist. Aufgrund eines Konsulwechsels und urlaubsbedingten Verzögerungen seitens der algerischen Botschaft (Konsul befand sich den ganzen August auf Urlaub) konnte die Identität des genannten noch nicht abschließend bestätigt werden. Die algerische Vertretungsbehörde sagte der Behörde jedoch zu, neue Identitfizierungen laufend übermitteln zu wollen". Die belangte Behörde zog die Schlussfolgerung, dass "zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft über den Zeitraum von vier Monaten aufrechten zu halten" sei.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter I. angeführte Verfahrensgang und die in II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die Identifizierung des BF wurde von INTERPOL ALGIER vorgenommen. Darüber wurde der belangten Behörde mit Schreiben des Bundeskriminalamtes vom 19.04.2017 berichtet.

2.3. Dass nach Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der algerischen Vertretungsbehörde am 26.09.2017 die belangte Behörde diesbezüglich mehrmals, zuletzt am 09.08.2018, urgiert hat, beruht auf dem Inhalt des gegenständlichen Verwaltungsaktes und der schriftlichen "Aktenvorlage" vom 27.09.2018.

2.4. Dass der BF am 08.06.2018 um 09:13 Uhr in Schubhaft genommen wurde, ergibt sich aus einem dem Verwaltungsakt einliegenden "Referentenauskunft Portal".

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das BVwG ist nach § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

3.2. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Als "Fluchtgefahr" nach Art. 2 lit. n Dublin-VO gilt das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven - vom nationalen Gesetzgeber - gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die in diesem Sinne gesetzlich festgelegten Kriterien des Vorliegens von Fluchtgefahr finden sich in § 76 Abs. 3

FPG.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011,

Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

3.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF ist Drittstaatsangehöriger Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG und hält sich unrechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet auf, weshalb der BF am 08.06.2018 um 09:13 Uhr in Schubhaft genommen und über ihn mit Bescheid der belangten Behörde vom 27.09.2018 zwecks Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet wurde.

Im gegenständlichen Fall hat der BF nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Asylverfahren und Aberkennung und Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde dagegen durch seine angeführte Aliasidentität jedenfalls seine Abschiebung behindert. Erst im asylrechtlichen Beschwerdeverfahren konnte im April 2017 von INTERPOL ALGIER seine Identität festgestellt werden.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.06.2018 wurde über den BF zwecks Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft angeordnet, nachdem der Behörde die Identitätsfeststellung durch INTERPOL ALGIER bekannt und sie hinsichtlich Ausstellung eines Heimreisezertifikates erstmals am 26.09.2017 mit der algerischen Vertretungsbehörde und weitere Male am 15.03.2018 und am 25.05.2018 und 29.05.2018 weitere Male Kontakt aufgenommen hat.

Die Behinderung seiner Abschiebung durch seine angeführte Aliasidentität und seine Nichtmitwirkung an der Erlangung eines Heimreisezertifikates spricht jedenfalls für eine Fluchtgefahr iSv § 76 Abs. 3 Z. 1 und 3 FPG.

Dass der BF bereits nach in Österreich am 03.05.2015 gestelltem Asylantrag nach Deutschland gereist und dort während laufenden Asylverfahrens in Österreich am 09.06.2015 ebenfalls einen Asylantrag gestellt hat, spricht ebenso für eine erhöhte Gefahr seines Untertauchens in Freiheit wie die Tatsache, dass er in seiner Stellungnahme von Juni 2018 der belangten Behörde zwar Freunde in Österreich angab, im Bundesgebiet jedoch keine näheren familiären oder sonstigen sozialen Bezugspersonen hat, keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist und keinen gesicherten Wohnsitz aufweist, an dem er sich den österreichischen Behörden bereitwillig zur Verfügung halten würde. Der Tatbestand der Fluchtgefahr nach § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG ist somit ebenfalls erfüllt.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.

Zum Zeitpunkt der Entscheidung liegen somit die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vor.

Da § 76 Abs. 2a FPG vorschreibt, dass im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt, ist im gegenständlichen Fall aufgrund der im Bundesgebiet bereits dreimaligen rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung, wegen Suchtmitteldelikten die letzten beiden Male, jedenfalls von einem starken Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung des BF auszugehen.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Angesichts der Tatsache, dass der "Aktenvorlage" vom 27.09.2018 zufolge aufgrund bereits erfolgter Zusicherung der algerischen Vertretungsbehörde und nur urlaubsbedingte Verzögerung die Ausstellung eines Heimreisezertifikates demnächst zu erwarten sei, ist von einer zeitnahen Abschiebung des BF auszugehen.

Die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft ist somit gegeben.

Über die gemäß § 22a Abs. 4 FPG ab Aktenvorlage gegen die weitere Anhaltung in Schubhaft zu wertende Beschwerde des BF war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verfassungsgerichtshof hat (in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, wird doch von einer zeitnahen Abschiebung des BF ausgegangen und die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vor allem aufgrund des besonders gewichtigen öffentlichen Interesses zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen im Bundesgebiet - vor allem in Zusammenhang mit dem für Menschen besonders gefährlichem Suchtgift - für unbedingt erforderlich gehalten.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war aus der Aktenlage klar ersichtlich, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

3.5. Zu Spruchpunkt B: Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Anhaltung, Fortsetzung der Schubhaft, Identität, mangelhafte
Dienstverrichtung, mangelnde Ausreisewilligkeit, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Täuschung, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2206626.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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