TE Bvwg Beschluss 2018/10/1 W263 1424703-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

01.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W263 1424703-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Christina KERSCHBAUMER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, geb. am XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER, Schottenfeldgasse 2-4/23, 1070 Wien, auf Wiederaufnahme des durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017, Zl. W263 1424703-2/20E, abgeschlossenen Verfahrens den Beschluss:

A) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30.09.2011 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid vom 30.01.2012 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

3. Gegen den obgenannten Bescheid des BFA richtete sich die Beschwerde des nunmehrigen Antragstellers vom 14.02.2012.

4. Mit Erkenntnis vom 19.03.2015 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab. Weiter fasste das Bundesverwaltungsgericht den Beschluss, die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

5. Das BFA wies mit Bescheid vom 21.02.2017 den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt I.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs.

1 - 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tage

ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt III.).

6. Gegen den Bescheid vom 21.02.2017 erhob der Antragssteller Beschwerde, mit welcher der Bescheid des BFA hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte bekämpft wurde. Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor.

7. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Bescheid des BFA vom 21.02.2017 wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017, W263 1424703-2/20E, als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

7.1. Zur Person des Antragstellers wurden im vorangegangenen Erkenntnis folgende Feststellungen getroffen:

"Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari. Der Beschwerdeführer versteht grundsätzlich auch Farsi und hat geringe Englischkenntnisse. Der Beschwerdeführer befindet sich im erwerbsfähigen Alter, ist erwerbsfähig, mobil und anpassungsfähig.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Takhar, Afghanistan. In XXXX lebte der Beschwerdeführer bis er ungefähr acht oder neun Jahre alt war. Er besuchte dort ungefähr zwei oder drei Jahre lang eine staatliche Schule. Zuletzt war der Beschwerdeführer im Dorf XXXX, Distrikt XXXX, Provinz Takhar, aufhältig.

Im Dorf XXXX leben noch die Mutter, der Bruder und die Schwester des Beschwerdeführers. Nicht festgestellt werden kann, dass der Kontakt zu seiner Kernfamilie ungefähr im Juli 2017 abgerissen ist. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebt bei einem Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers in XXXX. Der Unterhalt der Familie wird durch die landwirtschaftliche Arbeit des Onkels und des Bruders des Beschwerdeführers bestritten. Weiters leben im Heimatdorf des Beschwerdeführers zumindest noch seine Tante mütterlicherseits sowie Cousins und Cousinen.

Nicht festgestellt werden kann, dass die Familie des Beschwerdeführers oder der Beschwerdeführer persönlich Probleme mit XXXX hatten, insbesondere von diesem bedroht, verfolgt oder angegriffen wurden.

Der Beschwerdeführer lebte, zumindest bis er ungefähr neun Jahre alt war, in Afghanistan. Der Beschwerdeführer reiste dann mit einem Onkel in den Iran aus, wo er bis zu seiner Ausreise nach Österreich aufhältig war. Im Iran lebte der Beschwerdeführer in XXXX. Er arbeitete in einem Supermarkt und auf der Baustelle und schickte manchmal Geld zu seiner Familie. Es ist dem Beschwerdeführer gelungen, dort (zumindest zuletzt) selbstständig zu leben und sich selbst zu versorgen."

Zur Situation im Falle einer Rückkehr des Antragstellers wurde festgestellt:

"Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Kabul zur Verfügung.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Stadt Kabul Gefahr liefe, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Der Beschwerdeführer leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Kabul ausschließen könnten, konnten nicht festgestellt werden. Die kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates sind dem Beschwerdeführer zumindest grundlegend bekannt."

7.2. Neben Feststellungen zur Person des Antragstellers wurden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan getroffen:

-

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 idF vom 25.09.2017

-

"Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016" UNHCR (zusammenfassende Darstellung des UNHCR vom 04.05.2016):

"Ausweichmöglichkeiten

Bei der Prüfung der Relevanz einer internen Schutzalternative für afghanische Antragstellerinnen und Antragsteller müssen folgende Aspekte erwogen werden:

(i) der instabile, wenig vorhersehbare Charakter des bewaffneten Konflikts in Afghanistan in Hinblick auf die Schwierigkeit, potenzielle Neuansiedlungsgebiete zu identifizieren, die dauerhaft sicher sind; und

(ii) die konkreten Aussichten auf einen sicheren Zugang zum vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet unter Berücksichtigung von Risiken im Zusammenhang mit dem landesweit ausgedehnten Einsatz improvisierter Sprengkörper und Landminen, Angriffen und Straßenkämpfen und von regierungsfeindlichen Kräften erzwungene Einschränkungen der Bewegungsfreiheit von Zivilisten.

UNHCR geht davon aus, dass eine interne Schutzalternative in den vom aktiven Konflikt betroffenen Gebieten nicht gegeben ist. Außerdem ist nach Ansicht von UNHCR keine interne Schutzalternative in jenen Teilen des Landes gegeben, die sich unter tatsächlicher Kontrolle regierungsfeindlicher Kräfte befinden; es sei denn in Ausnahmefällen, in denen Antragsteller ehemals Verbindungen zur Führung der regierungsfeindlichen Kräfte im vorgeschlagenen Neuansiedlungsgebiet hergestellt hatten.

Ob eine interne Schutzalternative zumutbar ist, muss anhand einer Einzelfallprüfung unter vollständiger Berücksichtigung der Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung festgestellt werden. Insbesondere stellen die schlechten Lebensbedingungen sowie die prekäre Menschenrechtslage von Afghaninnen und Afghanen, die derzeit innerhalb des Landes vertrieben sind, relevante Erwägungen dar, die bei der Prüfung der Zumutbarkeit einer vorgeschlagenen internen Schutzalternative berücksichtigt werden müssen. UNHCR ist der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann zumutbar sein kann, wenn die Person Zugang zu (i) einer Unterkunft, (ii) zu wesentlichen Grundleistungen wie sanitärer Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung hat, und zudem (iii) Erwerbsmöglichkeiten geboten werden. Darüber hinaus ist laut UNHCR nur dann eine interne Schutzalternative in Erwägung zu ziehen, wenn die (erweiterte) Familie oder die ethnisch zugehörige Gemeinschaft der Person willens und in der Lage ist, diese in der Praxis tatsächlich zu unterstützen.

Die einzige Ausnahme von dieser Anforderung der externen Unterstützung sind alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilitäten. Solche Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbaner und semiurbaner Umgebung leben, welche die notwendige Infrastruktur sowie Erwerbsmöglichkeiten zur Sicherung der Grundversorgung bietet und unter wirksamer staatlicher Kontrolle steht. Angesichts des Zusammenbruchs des traditionellen sozialen Gefüges der Gesellschaft aufgrund jahrzehntelang währender Kriege, massiver Flüchtlingsströme und interner Vertreibung ist gleichwohl eine einzelfallbezogene Analyse notwendig."

7.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat führte das Bundesverwaltungsgericht aus:

"Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da die aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Mit der Ladung zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurden dem Beschwerdeführer die gegenständlichen Feststellungen basierend auf den Länderfeststellungen der Staatendokumentation übermittelt. Dabei wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, eine Stellungnahme dazu bis eine Woche vor der Verhandlung schriftlich bzw. während der Verhandlung mündlich einzubringen. Im Zuge der Verhandlung wurden dem Beschwerdeführer weitere Möglichkeiten zur Stellungnahme eingeräumt. Die getroffenen Länderfeststellungen - basierend auf den Länderfeststellungen der Staatendokumentation sowie der zusammenfassenden Darstellung des UNHCR vom 04.05.2016 zu den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 - wurden nicht konkret und substantiiert bestritten (zur Indizwirkung von UNHCR-Richtlinien vgl. u.a. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103).

Die vorliegenden spezifischen Länderinformationen (Notiz Afghanistan, Alltag in Kabul, Referat von Thomas Ruttig am 12.04.2017; Kommentar zum Gutachten von Mag. Karl Mahringer [2017]) stellen im Wesentlichen die Lage in Afghanistan bzw. in der Stadt Kabul näher dar und beschreiben die allgemeine Situation von Rückkehrern etwa im Vergleich mit dem Gutachten von Mag. Karl Mahringer (letztlich auch Friderike Stahlmann, Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung, Asylmagazin 3/2017) in unterschiedlicher Art und Weise. Gemeinsam ist diesen Berichten, dass unter Berücksichtigung der sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (wie z.B. familiäre Anknüpfungspunkte, Schul- und Berufsausbildung, Wohn- und Arbeitssituation, usw.) eine Rückkehr nach Afghanistan (Kabul) von alleinstehenden leistungsfähigen Männern im berufsfähigen Alter generell nicht unmöglich ist. Hinsichtlich der individuellen Situation des Beschwerdeführers wird unter Punkt 3. Rechtliche Beurteilung, Unterpunkt 1. entsprechend der UNHCR-Richtlinien (April bzw. Dezember 2016) eine einzelfallbezogene Analyse vorgenommen."

7.4. In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Bundesverwaltungsgericht u.a. aus:

"Zu prüfen bleibt, ob der Beschwerdeführer gemäß § 11 Abs. 2 AsylG 2005 auf eine andere Region des Landes - nämlich die Hauptstadt Kabul - aufgrund der dortigen allgemeinen Gegebenheiten und seiner persönlichen Umstände verwiesen werden kann (vgl. VfGH 11.10.2012, U677/12).

Was die Sicherheitslage betrifft, wird seitens des erkennenden Gerichts im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen zwar keineswegs verkannt, dass die Situation (auch) in der Stadt Kabul nach wie vor angespannt ist. Dennoch ist festzuhalten, dass die afghanische Regierung die Kontrolle über Kabul und größere Transitrouten hat. Auch ist Kabul eine über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut erreichbare Stadt. Aus dem vorliegenden Berichtsmaterial geht hervor, dass Terroranschläge, insbesondere auf Einrichtungen mit Symbolcharakter, in Kabul nicht auszuschließen sind und in unregelmäßigen Abständen auch stattfinden. Jedoch begründet allein der Umstand, dass an diesen Orten ein Bombenanschlag terroristischer Gruppierungen erfolgen könnte, bei der derzeitigen Gefahrenlage für den Beschwerdeführer noch keine stichhaltigen Gründe für ein reales Risiko der Verletzung seiner durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte bzw. liegt deshalb noch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts vor (VwGH 25.04.2017, 2017/01/0016, mwN). Die in der Stadt Kabul verzeichneten Anschläge ereignen sich - wie sich aus einer Gesamtschau der Länderberichte und dem notorischen Amtswissen ableiten lässt - hauptsächlich im Nahebereich staatlicher Einrichtungen und richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung und internationale Organisationen sowie Restaurants, Hotels oder ähnliche Einrichtungen, in denen vorwiegend ausländische Personen verkehren. Diese Gefährdungsquellen sind jedoch in reinen Wohngebieten nicht in einem solchen Ausmaß anzunehmen, dass die Lage in der Stadt Kabul nicht insgesamt als ausreichend sicher bewertet werden könnte.

Hinsichtlich der in der Stadt Kabul bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist im Hinblick auf die oben angeführten Länderfeststellungen auszuführen, dass die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist. Die Versorgung der afghanischen Bevölkerung ist jedoch zumindest grundlegend gesichert.

In Kabul sowie im Umland und auch in anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Rückkehrer können bis zu 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden. Zudem ist zu beachten, dass nur 16% der Rückkehr aus Pakistan Kabul als Niederlassungsprovinz wählen und Rückkehrer aus dem Iran sich generell in Gegenden niederlassen, wo der Friede wiederhergestellt wurde.

Neben der Sicherheitslage im Herkunftsland können das Vorhandensein einer Unterkunft und die Möglichkeit der Versorgung im Zielstaat unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK relevant sein. Dies insbesondere dann, wenn es sich um Antragsteller handelt, bei denen individuelle Gründe bestehen, die die Annahme einer besonderen Schutzbedürftigkeit rechtfertigen, wie z.B. Personen mit Erkrankungen, Familien mit Kleinkindern oder schwangeren Frauen (VfGH 14.12.2011, U2495/2010 mit Verweis auf VfGH 07.10.2010, U694/2010). Derartige individuelle Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen; eine spezifische Vulnerabilität des Beschwerdeführers liegt nicht vor.

Im vorliegenden Fall verfügt der Beschwerdeführer über keine soziale oder familiäre Unterstützung in Kabul. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben in der Provinz Takhar (VfGH 12.03.2013, U1674/12). In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass selbst eine fehlende familiäre Anknüpfung in Kabul nicht zu einer Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative führt bzw. eine reale Gefahr einer Verletzung des Art 3 EMRK begründet (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063; 13.09.2016, Ra 2016/01/0096, 25.04.2017, Ra 2017/01/0016). Auch die UNHCR-Richtlinien sehen vor, dass alleinstehende leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität keiner externen Unterstützung bedürfen.

Zudem ist auch zu beachten, dass aufgrund der aktuellen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sogar eine fehlende Schul- und Berufsausbildung bzw. -erfahrungen, eine drohende Arbeitslosigkeit, eine nicht vorhandene familiäre Unterstützung in Afghanistan, nicht ausreichende Kenntnisse über die örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Kabul keine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit eine Verletzung des Art 3 EMRK begründen. Insgesamt stellen Probleme hinsichtlich Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht keine exzeptionellen Umstände dar (VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063;

18.03.2016, Ra 2015/01/0255; 25.05.2016, Ra 2016/19/0036;

23.03.2017, Ra 2016/20/0188; 10.03.2017, Ra 2017/18/0064;

25.04.2017, Ra 2017/01/0016, 20.06.2017, Ra 2017/01/0023;

08.08.2017, Ra 2017/19/0118-5).

Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen jungen, anpassungs- und erwerbsfähigen Mann mit schulischer Ausbildung und Berufserfahrung im Supermarkt und auf Baustellen. Der Beschwerdeführer hat im Iran bereits selbst für seinen Lebensunterhalt gesorgt. Der Beschwerdeführer hat bislang noch nicht in Kabul gelebt und verfügt dort über keine familiären oder sonstigen sozialen Anknüpfungspunkte. Er hat seine frühe und mittlere Kindheit (bis ungefähr zum Alter von neun Jahren) in Afghanistan verbracht. In den Iran ist er gemeinsam mit seinem Onkel ausgereist. Der Beschwerdeführer stand auch danach in Kontakt mit seiner Kernfamilie. Auch in Österreich ist der Beschwerdeführer mit afghanischen Staatsangehörigen befreundet. Dadurch sind ihm die kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates zumindest grundlegend vertraut und bekannt. Darüber hinaus spricht er Dari, versteht grundsätzlich Farsi und hat auch geringe Kenntnisse der englischen Sprache.

Zudem gehört der Beschwerdeführer keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt, als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Vielmehr gehört der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, der der zweitgrößten und zweitmächtigsten Gemeinschaft in Afghanistan an. Die Tadschiken machen etwa 30% der afghanischen Gesellschaft aus. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams; er gehört damit der größten Glaubensgemeinschaft an.

Im Übrigen lebt die gesamte Familie des Beschwerdeführers nach wie vor in Afghanistan. Der Beschwerdeführer hat zwar bislang noch nicht in Kabul gelebt und verfügt dort über keine sozialen bzw. familiären Anknüpfungspunkte. Er stammt allerdings aus einem Kulturkreis, in dem auf den familiären Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Familienkreis großer Wert gelegt wird. Auch wenn die Familienangehörigen bzw. Verwandten des Beschwerdeführers wirtschaftlich nicht dazu in der Lage sind, zusätzlich für den Lebensunterhalt des Beschwerdeführers aufzukommen, so ist auf Grund der Arbeit des Onkels und der Tätigkeit des Bruders sowie der weiteren Verwandten doch davon auszugehen, dass sie ihm eine kurzfristige Unterstützungsleistung etwa durch Überweisungen bzw. Hawala oder Sachleistungen zukommen lassen könnten, sollte dies erforderlich sein. Außerdem kann der Beschwerdeführer durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden; deshalb ist auch nicht zu befürchten, dass er bereits unmittelbar nach seiner Rückkehr und noch bevor er in der Lage wäre, selbst für seinen Unterhalt zu sorgen, in eine existenzbedrohende bzw. wirtschaftlich ausweglose Lage geraten könnte. Seine Existenz könnte er dort mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern, wobei ihm seine Berufserfahrung (Supermarkt und Baustellen) zu Gute kommt. Es gibt somit keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (z.B. Nahrung, Unterkunft) einer ausweglosen bzw. existenzbedrohenden Situation ausgesetzt wäre.

Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führt im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in die Stadt Kabul jedenfalls möglich und auch zumutbar ist.

Durch eine Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat besteht die Möglichkeit, dass der Beschwerdeführer in Kabul mit einer schwierigen Lebenssituation insbesondere bezüglich der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht konfrontiert wäre. Jedoch wird er dadurch nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

Aufgrund der vorgenommenen Prüfung im Einzelfall (VfGH 13.09.2012, U370/2012) unter Berücksichtigung der allgemeinen Gegebenheiten und der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sowie unter Beachtung der Rechtsprechung des VwGH und Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

[...]"

8. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde beiden Verfahrensparteien mit Wirksamkeit vom 01.12.2017 zugestellt.

9. Gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017 wurde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der auf Antrag mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 14.02.2018, E 164/2018-6, gemäß § 85 Abs. 2 und 4 VfGG die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde. Mit Beschluss vom 27.06.2018,

E 164/2018-10, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. Über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Die außerordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG vom 20.08.2018 sowie die damit verbundenen Anträge wurden dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

10. Mit Eingabe des bevollmächtigten Rechtsvertreters des Wiederaufnahmewerbers vom 17.09.2018 wurde der genannte, auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG gestützte Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017 abgeschlossenen Verfahrens gestellt. Unter einem wurde mit näherer Begründung der Antrag gestellt, dem Wiederaufnahmeantrag die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Auch erfolgte der "Hinweis" des Antragstellers, dass der belangten Behörde Gelegenheit zu geben sei, nach § 68 Abs. 3 AVG vorzugehen.

Zur Begründung seines Antrages brachte der Wiederaufnahmewerber vor, es seien nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen bzw. Beweismittel hervorgekommen, welche im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptteil des Spruchs anderslautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Konkret wurde ausgeführt, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sei damit begründet worden, dass Kabul eine innerstaatliche Fluchtalternative darstelle. Aufgrund der Annahme, es liege eine innerstaatliche Fluchtalternative, nämlich in Kabul vor, sei dem Antragsteller sowohl die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des Status des subsidiär Schutzberechtigten verweigert worden. Das Bundesverwaltungsgericht habe seine Entscheidung auf Länderberichte der Staatendokumentation gestützt.

Nunmehr sei der Antragsteller in den Besitz der "Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Afghanistan" des UNHCR vom 30.08.2018 (im Folgenden: UNHCR-Richtlinien) gelangt, in denen Kabul als IFA/IRA ausgeschlossen werde.

Die aktualisierten UNHCR-Richtlinien würden sich auf die Informationslage 2017/2018 beziehen. Inhalt seien daher Tatsachen, die zum Entscheidungszeitpunkt bereits bestanden hätten, aber erst nach der Entscheidung festgestellt worden seien.

Aufgrund der bereits zum Entscheidungszeitpunkt bestehenden Sicherheitslage in Afghanistan, insbesondere in Kabul, aber erst in den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 festgestellten, realen Gefahr einer Verletzung der Rechte nach Art. 2 und Art. 3 EMRK hätte das Bundesverwaltungsgericht dem Antragsteller den Status des Asylberechtigten bzw. des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Aus den neuen UNHCR-Richtlinien gehe eindeutig hervor, dass Kabul keine innerstaatliche Fluchtalternative darstelle. Die UNHCR-Richtlinien, von denen der Antragsteller im Verfahren ohne Verschulden nicht Gebrauch machen habe können, wären geeignet gewesen, in Verbindung mit den sonstigen Ergebnissen des Verfahrens eine stattgebende Entscheidung herbeizuführen.

Zur Rechtzeitigkeit wurde ausgeführt, dass der Antragsteller die Informationen zu den UNHCR-Richtlinien am 03.09.2018 per E-Mail erhalten habe, sodass die zweiwöchige Wiederaufnahmefrist gewahrt sei.

Weiter wurde beantragt, die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017, W263 1424703-2/20E, abgeschlossenen Verfahrens zu bewilligen und dem Antragsteller den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005 zuzuerkennen, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 zuzuerkennen, in eventu auszusprechen, dass ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach § 55 AsylG 2005, nach § 56 AsylG 2005 oder nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist, sowie festzustellen, dass seine Ausweisung aus dem Bundesgebiet unzulässig ist.

Dem Wiederaufnahmeantrag wurden die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 (englische Fassung) sowie ein E-Mail der Asylkoordination Österreich vom 03.09.2018 mit einem Link zu diesen Richtlinien beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrunde gelegt, wobei in Hinblick auf das Wiederaufnahmevorbringen (Punkt I.10.) lediglich festgestellt wird, dass dieses erstattet wurde.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang bzw. Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aufgrund der unbedenklichen und unzweifelhaften Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG (insbesondere mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles) und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. In welcher Erledigungsform das Verwaltungsgericht über einen Wiederaufnahmeantrag zu entscheiden hat, ist gesetzlich nicht angeordnet. Der allgemeinen Systematik des VwGVG folgend ist anzunehmen, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Erledigungen - in Beschlussform erfolgen (s. Fister/Fuch/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, zu § 32 VwGVG).

Zu A) Abweisung des Wiederaufnahmeantrages:

3.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2017, lauten auszugsweise:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

[...]"

3.2. Die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens im VwGVG entsprechen mit den entsprechenden Anpassungen auf Grund der Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz weitgehend den Bestimmungen des § 69 AVG, welcher gemäß § 17 VwGVG im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht anwendbar ist (vgl. Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 32 VwGVG Rz 1). Durch den Ausschluss der Anwendung der IV. Teiles des AVG im vorgeschlagenen § 17 sind Auslegungsprobleme, die sich aus der subsidiären Anwendbarkeit der Bestimmungen des AVG ergeben, ausgeschlossen (vgl. RV 2009 BlgNR, 24. GP zu § 32 VwGVG). Die Regelungen betreffend die Wiederaufnahme in § 32 VwGVG sind nach den zitierten Erläuterungen jenen des § 69 AVG nachgebildet, sodass auf das bisherige Verständnis dieser Regelungen zurückgegriffen werden kann (vgl. VwGH 31.08.2015, Ro 2015/11/0012, mHa VwGH 24.02.2015, Ra 2015/05/0004). Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. zu § 69 AVG VwGH 19.05.1993, 91/13/0099; 25.01.1996, 95/19/0003). Ein Antragsteller hat sich die Kenntnis seiner bevollmächtigten Vertreter zurechnen zu lassen (vgl. VwGH 29.03.2012, 2008/12/0096, mwN).

3.3. Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens ist, dass die das seinerzeitige Verfahren abschließende Entscheidung mit einem ordentlichen Rechtsmittel nicht mehr anfechtbar, also formell rechtskräftig ist. Die Zulässigkeit und auch die Erhebung von Rechtsmitteln bei den Höchstgerichten hindern, selbst wenn der Beschwerde oder der Revision aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, nicht den Eintritt der formellen Rechtskraft (VwGH 16.09.1980, 1079/79; 23.02.2012, 2010/07/0067; 28.02.2012, 2012/05/0026).

Entscheidungen eines Verwaltungsgerichtes werden mit ihrer Erlassung rechtskräftig. Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017 wurde mit seiner Zustellung am 01.12.2017 rechtskräftig. Daran ändert auch die dagegen vom nunmehrigen Antragsteller erhobene außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nichts (vgl. dazu etwa VwGH 26.11.2015, Ro 2015/07/0018; 19.01.2016, Ra 2015/01/0070; 24.05.2016, Ra 2016/03/0050; 31.01.2017, Ra 2017/03/0001).

3.4. Bei Anwendung dieser Bestimmungen ergibt sich weiters, dass der Antrag - inhaltlich den nachvollziehbaren Angaben des Antragstellers zur Rechtzeitigkeit des Antrags folgend -rechtzeitig innerhalb der in § 32 Abs. 2 erster Satz VwGVG normierten zweiwöchigen "subjektiven" Frist (nach Kenntnis des "Wiederaufnahmegrundes" durch den Vertreter des Wiederaufnahmewerbers) beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurde.

Zusätzlich zur zweiwöchigen subjektiven Frist ordnet § 32 Abs. 2 dritter Satz VwGVG an, dass ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ablauf der "objektiven" Frist von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses nicht mehr gestellt werden kann. Die objektive Frist von drei Jahren beginnt in jenem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Bescheid mündlich verkündet oder zugestellt (vgl. VwGH 15.09.2004, 2004/09/0131) bzw. ausgefolgt wurde. Der Antrag auf Wiederaufnahme wurde daher in Hinblick auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017, Zl. W263 1424703-2/20E, auch rechtzeitig innerhalb der in § 32 Abs. 2 dritter Satz VwGVG normierten dreijährigen "objektiven" Frist eingebracht. Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang jedoch anzumerken, dass dies nicht auf das rechtskräftige Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.03.2015, Zl. W120 1424703-1/14E, zutrifft, mit welchem das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides vom 30.01.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen hat.

3.5. Der gegenständliche Antrag zielt darauf ab, das durch Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017, W263 1424703-2/20E, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren des Wiederaufnahmewerbers aufgrund neuer Tatsachen beziehungsweise Beweismittel im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wieder aufzunehmen.

Dem kann im Ergebnis aus folgenden Erwägungen nicht gefolgt werden:

Der vorgebrachte Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG liegt vor, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten.

Nach ständiger - auf § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG übertragbarer - Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 Z 2 AVG nur auf solche Tatsachen d.h. Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, d.h. Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.

Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde ("nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel ("nova producta" bzw. "nova causa superveniens").

Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhalts die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht. Bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Asylantrag eingetreten sind, ist kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag (auf internationalen Schutz) zu stellen (vgl. dazu VwGH 19.02.1992, 90/12/0224 ua; 25.10.1994, 93/08/0123; 25.11.1994, 94/19/0145; 18.12.1996, 95/20/0672; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 17.02.2006, 2006/18/0031).

Gegenständlich ist die Voraussetzung des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, nämlich neu hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, nicht erfüllt (s. bereits BVwG 20.09.2018, W238 2168852-2/2E):

Vorauszuschicken ist, dass dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017 das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan vom 02.03.2017 idF vom 25.09.2017 sowie die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 (zusammenfassende Darstellung) zugrunde gelegt wurden.

Der Wiederaufnahmewerber bringt in seinem Wiederaufnahmeantrag zusammengefasst vor, aus den aktuellen UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 ergebe sich, dass die Stadt Kabul als innerstaatliche Fluchtalternative nicht in Betracht komme, was eine anderslautende, den Anträgen des Wiederaufnahmewerbers stattgebende Entscheidung herbeigeführt hätte.

Dem Antragsteller ist gegenständlich schon insofern nicht zuzustimmen, als er einerseits vorbringt, dass sich die aktualisierten UNHCR-Richtlinien auf die Informationslage 2017/2018 beziehen und andererseits, dass die Tatsachen (z.B. über die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan und die bestehenden Risikoprofile), auf denen die am 30.08.2018 herausgegebenen UNHCR-Richtlinien basieren, bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bestanden haben. Die Richtlinien beruhen - sofern nicht anders angegeben - auf den dem UNHCR am 31.05.2018 und somit ca. ein halbes Jahr nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes bekannten Informationen (vgl. FN 2 auf S. 5 der Richtlinien). Die nähere Auseinandersetzung mit den Ausführungen und den Quellen zur internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul (s. S. 112 ff.) zeigt, dass hier in weiten Teilen Informationen mit Stand des Jahres 2018 zugrunde gelegt wurden. Diese Tatsachen - etwa über die zivilen Opfer des ersten Halbjahres 2018 - lagen im Entscheidungszeitpunkt wie auch verschiedene zitierte Berichte (u.a. UNAMA, Afghanistan: Mid-Year

Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2018, 15 July 2018; EASO, Afghanistan: Security

Situation: Update, May 2018; EASO, Country Guidance: Afghanistan, June 2018 sowie verschiedene Medienberichte) noch nicht vor. Inhalt sind daher in weiten Teilen Tatsachen, die zum Entscheidungszeitpunkt noch gar nicht bestanden haben.

In den Richtlinien vom 30.08.2018 schlussfolgert UNHCR weiters, dass angesichts der derzeitigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Situation in Kabul eine Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt generell nicht verfügbar ist (arg. S. 114: "UNHCR considers that given the current security, human rights and humanitarian situation in Kabul, an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA) is generally not available in the city.").

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist den UNHCR-Richtlinien besondere Beachtung zu schenken (s. VwGH 22.11.2016, Ra 2016/20/0259, mwN; 08.08.2017, Ra 2017/19/0118; zur "Indizwirkung" vgl. VwGH 10.12.2014, Ra 2014/18/0103 bis 0106, mwN).

Unbeschadet dessen verkennt der Antragsteller jedoch weiters, dass die Richtlinien des UNHCR im gegebenen Zusammenhang weder "neue Tatsachen" noch ein "neues Beweismittel" iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellen.

Im Wiederaufnahmeantrag wird diesbezüglich unter Bezugnahme auf Hengstschläger/Leeb, (Verwaltungsverfahrensrecht5, Rz 583) und eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 18.01.1989, 88/03/0188) argumentiert, dass neue Gutachten einen Wiederaufnahmegrund begründen, wenn Tatsachen, die bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung bestanden hätten, später festgestellt würden bzw. erst hervorkommen würden. Die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 würden sich auf die Informationslage 2017/2018 beziehen. Inhalt seien daher Tatsachen, die zum Entscheidungszeitpunkt bereits bestanden hätten, aber erst nach der Entscheidung festgestellt worden seien.

Im Kommentar von Hengstschläger/Leeb (AVG § 69 Stand 01.04.2009, Rdb Rz 33) wird diesbezüglich ausgeführt, dass Gutachten von Sachverständigen, die erst nach Eintritt der Rechtskraft des Bescheides eingeholt wurden, nicht neu hervorgekommen, sondern neu entstanden sind und damit auch nicht als neue Beweismittel Grund für eine Wiederaufnahme des Verfahrens sein können (VwGH 10.05.1996, 94/02/0449; 21.04.1999, 99/03/0097; 02.07.2007, 2006/12/0043). Nur wenn ein Sachverständiger Tatsachen, die zur Zeit der Sachverhaltsverwirklichung bereits bestanden, erst nach Rechtskraft des Bescheides "feststellt" oder wenn ihm solche Daten erst später zur Kenntnis kommen, können diese bzw. die daraus resultierenden neuen Befundergebnisse, die sich auf die zuvor bestandenen Tatsachen beziehen, bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen als neue Tatsachen einen Grund für eine Wiederaufnahme darstellen (VwGH 18.01.1989, 88/03/0188; 04.08.2004, 2002/08/0074; 25.07.2007, 2006/11/0147). Einen Wiederaufnahmegrund können aber nur neue Befundergebnisse bzw. neue konkrete sachverständige Tatsachenfeststellungen in einem Gutachten bilden und nicht auch ein Irrtum des Sachverständigen (VwGH 07.09.2005, 2003/08/0093; 16.10.2007, 2004/18/0376), d.h. geänderte sachverständige Schlussfolgerungen aus eben den festgestellten Tatsachen.

Zwar handelt es sich bei den UNHCR-Richtlinien nicht im engeren Sinn um ein Sachverständigengutachten iSd AVG, sondern um eine Hilfestellung für Entscheidungsträger bei der Beurteilung des internationalen Schutzbedarfs von Asylwerbern. Dennoch sind Rechtsprechung und Lehre zum Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes nach Ansicht des erkennenden Gerichtes zumindest insoweit auf den vorliegenden Fall übertragbar, als die hier in Rede stehende Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in der Stadt Kabul eben keine "neue (sachverständige) Tatsachenfeststellung", sondern vielmehr eine geänderte Schlussfolgerung des UNHCR auf Basis der teilweise erst nach dem Entscheidungszeitpunkt bestandenen und teilweise dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017 zugrunde gelegten Tatsachen (insbesondere betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage in Kabul) darstellt und insoweit als (nicht verbindliche) Empfehlung oder als eine Art "Rechtsgutachten" angesehen werden kann.

Die geänderte Schlussfolgerung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in Kabul in seinen Richtlinien vom 30.08.2018 vermag vor diesem Hintergrund auch deshalb weder "neue Tatsachen" noch ein "neues Beweismittel" zu begründen, weil die Beurteilung der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Verweisung auf eine innerstaatliche Fluchtalternative rechtlicher Natur ist, mag diese auch anhand konkreter einzelfallbezogener Sachverhaltsfeststellungen erfolgen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt festgestellt hat, unterscheidet § 11 AsylG 2005 nach seinem klaren Wortlaut zwei getrennte und selbständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative. Zum einen ist zu klären, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefassten Gebiet Schutz vor asylrechtlich relevanter Verfolgung und vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist. Demgemäß verbietet sich die Annahme, der Schutz eines Asylwerbers sei innerstaatlich zumindest in einem Teilgebiet gewährleistet, jedenfalls dann, wenn in dieser Region Verhältnisse herrschen, die Art. 3 MRK widersprechen. Zum anderen setzt die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative voraus, dass dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann. Die Zumutbarkeit des Aufenthalts ist daher von der Frage der Schutzgewährung in diesem Gebiet zu trennen. Selbst wenn in dem betreffenden Gebiet also keine Verhältnisse herrschen, die Art. 3 MRK widersprechen (oder auf Grund derer andere Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz erfüllt wären), wäre eine innerstaatliche Fluchtalternative bei Unzumutbarkeit des Aufenthaltes in diesem Gebiet zu verneinen (vgl. etwa VwGH 05.04.2018, Ra 2018/19/0154).

Dass es sich sowohl bei der Frage, ob im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan in Kabul die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK besteht, als auch bei der Frage der Zumutbarkeit einer in Betracht kommenden innerstaatlichen Fluchtalternative jeweils um eine rechtliche Beurteilung handelt, welche freilich in den Feststellungen Deckung finden muss, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt (vgl. etwa VwGH 27.06.2017, Ra 2016/18/0277; 21.03.2018, Ra 2017/18/0372; 02.08.2018, Ra 2017/19/0229).

Die von Seiten des UNHCR geäußerte Auffassung, wonach angesichts der gegenwärtigen Sicherheitslage sowie der menschenrechtlichen und humanitären Situation in Kabul eine interne Flucht- und Neuansiedlungsalternative in dieser Stadt allgemein nicht zur Verfügung stehe, stellt daher streng genommen eine - dem BFA und letztlich dem Bundesverwaltungsgericht - obliegende rechtliche Beurteilung dar, der im Einzelfall mit näherer Begründung auf Basis konkreter Feststellungen gefolgt oder auch nicht gefolgt werden könnte. Hinzutritt im konkreten Fall, dass diese Beurteilung (wie oben näher dargestellt) auf der Informationslage mit Stand 31.05.2018 beruht.

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit aus den dargelegten Erwägungen der Ansicht, dass die vom Wiederaufnahmewerber ins Treffen geführte - in den Richtlinien vom 30.08.2018 enthaltene - Einschätzung des UNHCR zur Relevanz und Zumutbarkeit einer internen Flucht- und Neuansiedlungsalternative in der Stadt Kabul im konkreten Fall keinen Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG darstellt.

Im Übrigen besteht die Möglichkeit, Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes, in denen eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul im Lichte der zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt verfügbaren Länderinformationen und der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers in rechtlicher Hinsicht als möglich und zumutbar erachtet wird, im Wege außerordentlicher Rechtsmittel zu bekämpfen. Von dieser Möglichkeit hat der Antragsteller auch Gebrauch gemacht. Weiters besteht bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung über einen Antrag eingetreten sind, die Möglichkeit einen neuen Antrag zu stellen (vgl. dazu VwGH 19.02.1992, 90/12/0224 ua; 25.10.1994, 93/08/0123; 25.11.1994, 94/19/0145; 18.12.1996, 95/20/0672; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 17.02.2006, 2006/18/0031).

3.6. Aus den dargelegten Erwägungen sind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG (wie auch die Voraussetzungen der weiteren Wiederaufnahmegründe) nicht erfüllt, weshalb der gegenständliche Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens spruchgemäß abzuweisen ist. Aus denselben Gründen bleibt auch für eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens kein Raum.

3.7. Mit der Abweisung des gegenständlichen Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens erübrigt sich ein gesonderter Abspruch über den unter einem gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

3.8. Zum "Hinweis" des Antragstellers im Wiederaufnahmeantrag, dass der belangten Behörde Gelegenheit zu geben sei, nach § 68 Abs. 3 AVG vorzugehen, wird der Vollständigkeit halber festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes niemandem ein Rechtsanspruch auf Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG eingeräumten Abänderungs- und Behebungsrechtes zusteht, weshalb eine Partei durch Ablehnung ihres darauf gerichteten Begehrens nicht in ihren Rechten verletzt sein kann (VwGH 22.02.2013, 2010/02/0272, mwN; 24.02.2015 Ra 2015/05/0004). Gleiches gilt für die amtswegige Verfügung der Wiederaufnahme eines Verfahrens (VwGH 21.09.2007, 2006/05/0273, mwN, dessen Ausführungen sich auf die insoweit gleichlautende Bestimmung des § 32 Abs. 3 VwGVG übertragen lassen).

Eine Verpflichtung des Bundesverwaltungsgerichtes, (anstelle des Antragstellers) bei der Behörde ein Vorgehen nach § 68 Abs. 3 AVG anzuregen, besteht im Lichte der dargestellten Rechtslage nicht.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Da die Sachlage aufgrund der Aktenlage als erklärt erscheint, konnte eine mündliche Erörterung der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben. Im vorliegenden Fall liegen keine widersprechenden prozessrelevanten Behauptungen vor, die es erforderlich machen würden, dass sich das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck von der Glaubwürdigkeit von Zeugen bzw. Parteien verschafft. Vielmehr ist die hier zu beantwortende Frage, ob ein Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG vorliegt, rechtlicher Natur. Ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom anwaltlich vertretenen Antragsteller auch nicht gestellt. Dem Entfall der Verhandlung stehen im Ergebnis weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegen (vgl. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053). Im Übrigen ergeht die vorliegende Entscheidung in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den maßgeblichen Bestimmungen des § 69 AVG bzw. § 32 VwGVG.

Schlagworte

Voraussetzungen, Wiederaufnahme, Wiederaufnahmeantrag,
Wiederaufnahmegrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W263.1424703.3.00

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten