Entscheidungsdatum
01.10.2018Norm
AsylG 2005 §8 Abs1Spruch
W191 2138976-1/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2016, Zahl 1071442109-1505833305, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.10.2017 und 20.08.2018 zu Recht:
A)
I. Gemäß § 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005 wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
II. Gemäß § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 01.10.2019 erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 29.05.2015 irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und wurde im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes mangels eines gültigen Aufenthaltstitels aufgegriffen. Er stellte einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF am 20.04.2015 in Mytilini (Griechenland) erkennungsdienstlich behandelt worden war.
1.2. In seiner Erstbefragung am 30.05.2015 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes des Bezirkspolizeikommando Oberwart gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari im Wesentlichen Folgendes an:
Er sei am 01.01.1999 geboren, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, schiitischer Moslem und stamme aus der Provinz Ghazni, Distrikt Jaghori (auch Jaghuri), Dorf XXXX(Afghanistan). Er sei ledig.
Bezüglich seiner Reiseroute auf der sogenannten "Balkanroute" machte der BF nähere Angaben.
Als Fluchtgrund gab der BF an, dass sein Vater krank geworden sei. Deshalb sei er mit ihm nach Kabul gefahren, wo der Vater behandelt worden sei. Auf der Rückreise sei ihr Auto von Unbekannten [später:
Taliban] gestoppt worden. Sie seien von diesen verdächtigt worden, mit der Regierung zusammenzuarbeiten, geschlagen und eingesperrt worden. Sein Vater habe ihm gesagt, er solle flüchten. Dem BF sei "irgendwie" die Flucht gelungen und er sei entkommen. Er sei nach Kabul geflüchtet, von wo sein Onkel mütterlicherseits, der im Iran lebe, die Ausreise des BF organisiert habe.
1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) führte aufgrund der Angaben des BF Konsultationen gemäß der Dublin III-Verordnung bezüglich der Zuständigkeit für das Asylverfahren des BF mit dem Mitgliedstaat Ungarn, die negativ verliefen.
1.4. Das BFA hatte offenbar Zweifel an dem vom BF angegebenen Alter und veranlasste eine Röntgenaufnahme der linken Hand. Aufgrund des Ergebnisses dieser Aufnahme veranlasste das BFA eine sachverständige medizinische multifaktorielle Altersschätzung. Nach dem Ergebnis des Gutachtens der Medizinischen Universität Wien vom 10.11.2015, nach weiteren Untersuchungen am 25.09.2015 (Anamnese, körperliche Untersuchung, Orthopantomogramm - Zahnpanorama und Röntgenaufnahme der Schlüsselbeine), betrug das höchstmögliche Mindestalter des BF zum Untersuchungszeitpunkt 18,5 Jahre, woraus sich ein fiktives Geburtsdatum XXXX errechnete. Das vom BF angegebene Geburtsdatum sei mit diesem Datum nicht vereinbar.
Das BFA setzte mit Verfahrensanordnung vom 19.11.2015 dementsprechend das Geburtsdatum des BF mit XXXX fest. Der BF wurde zum Asylverfahren zugelassen.
1.5. Bei seiner Einvernahme am 04.07.2016 vor dem BFA, Regionaldirektion Salzburg, im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari, bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Sein Vater sei Landwirt gewesen und habe die Familie versorgt.
Der BF machte auf Befragung nähere Angaben zu seinem Heimatdorf, zu seinen Familienangehörigen und zu seinen Lebensumständen. Er habe keinen Kontakt zu seiner Familie und glaube, sie halte sich nach wie vor in Jaghori auf. Über das Schicksal seines Vaters wisse er nichts.
Der BF machte Angaben zu seinen Fluchtgründen. Auf weitere Nachfragen, wie etwa nach dem Namen des Arztes und des Hotels, in dem sie übernachtet hätten, nach der Erkrankung des Vaters, nach Datum und Uhrzeit des Vorfalles, was auf den Papieren gestanden hätte, und anderes mehr, konnte der BF keine Antworten geben.
Der Onkel im Iran sei Bauarbeiter.
Dem BF wurden - zur Gänze im Akt befindliche - landeskundliche Feststellungen zum Staat Afghanistan ausgefolgt und eine Frist zur Abgabe einer allfälligen schriftlichen Stellungnahme (die nicht erfolgte) dazu eingeräumt.
Der BF legte laut Niederschrift mehrere Integrationsbelege vor, die jedoch nicht dem Verwaltungsakt einliegen ("Stellungnahme Mozarteum, 2 Schreiben v. Privatpersonen, Empfehlungsschreiben v. Lehrer d. Deutschkurses, Schreiben v. Maltester, Antrittsbestätigung ÖIF, Bestätigung über Teilnahme an Lerngruppe v. ÖIF, Zertifikat ÖSD A1").
1.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 17.10.2016 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 29.05.2015 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt III. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt. Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Eine asylrelevante Verfolgung liege nicht vor, der BF habe eine solche nicht glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der BF bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.
Beweiswürdigend führte das BFA (zusammengefasst) aus, dass der BF bezüglich seiner behaupteten Herkunftsregion, Volks- und Staatsangehörigkeit aufgrund seiner Sprach- und Lokalkenntnisse - im Gegensatz zu seinem Fluchtvorbringen - glaubwürdig wäre. Die Feststellungen zur Situation in Afghanistan wären glaubhaft, weil sie verlässlichen, seriösen, aktuellen und unbedenklichen Quellen entstammten, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei sei.
Seine Fluchtgeschichte habe der BF vage und mehrfach unstimmig - wofür einzelne Punkte angeführt wurden - geschildert und somit nicht glaubhaft machen können, zumal er auch keinerlei Belege vorgelegt habe.
Subsidiärer Schutz wurde ihm nicht zuerkannt, da im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur GFK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt oder im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes nicht bestehe.
Seine Heimatprovinz Ghazni gehöre zwar zu den volatilen Provinzen Afghanistans, doch sei ihm zumutbar, sein Leben in der Hauptstadt Kabul fortzusetzen, zumal er mit der Unterstützung seiner Familie und Freunde in Afghanistan rechnen könne.
1.7. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit offenbar von seinem Rechtsberater unterstützt erstelltem Schreiben vom 02.11.2016 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts sowie wegen "Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften" ein.
In der knappen Beschwerdebegründung wurde moniert, dass die belangte Behörde den Sachverhalt nicht hinreichend erhoben hätte. Es läge ein Fluchtgrund vor. Zudem hätte dem BF zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen.
Beigelegt war der Beschwerde ein handschriftliches Schreiben des BF in Dari, dessen Übersetzung vom BVwG von Amts wegen veranlasst wurde.
Der Übersetzung des genannten Schreibens zufolge wiederholte der BF darin zusammengefasst sein bisheriges Fluchtvorbringen.
1.8. Am 19.12.2016 übermittelte der Rechtsberater des BF ein Zertifikat über die vom BF bestandene Deutsch-Prüfung A2.
1.9. Das BVwG führte am 09.10.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF persönlich gemeinsam mit seinem zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberater erschien. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.
Dabei gab der BF auf richterliche Befragung im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
"[...] RI [Richter]: Was ist Ihre Muttersprache?
BF: Dari. Ich spreche darüber hinaus Hazargi, das ist ein Dari-Dialekt.
RI an D [Dolmetsch]: In welcher Sprache übersetzen Sie für den BF?
D: Dari.
RI befragt BF, ob er D gut verstehe; dies wird bejaht.
[...]
Der BF hat bisher keine Bescheinigungsmittel zu seiner Identität vorgelegt und hat auch heute keine bei sich.
Bezüglich seiner Integration legt er ein Konvolut von Belegen vor, die in Kopie zum Akt genommen werden (z.B. Pflichtschulabschluss - Prüfungsbestätigungen, Deutschkurs - Bestätigungen, Fußballklub - Bestätigungen und diverse weitere Kurs - Bestätigungen).
[...]
Zur Identität und Herkunft sowie zu den persönlichen
Lebensumständen:
RI: Sind die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu Ihrem Namen und Geburtsdatum sowie zu Ihrer Staatsangehörigkeit korrekt?
BF: Ja.
[...]
RI: Haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat eine Schul- oder Berufsausbildung absolviert?
BF: Ich bin ca. zwei Jahre und ein paar Monate in die Moschee gegangen, wo ich Lesen und Schreiben gelernt habe.
RI: Womit haben Sie sich in Ihrem Herkunftsstaat Ihren Lebensunterhalt verdient bzw. wer ist für Ihren Lebensunterhalt aufgekommen?
BF: Mein Vater hat für mich gesorgt. Er hat als Landwirt auf unserem eigenen Grundstück gearbeitet, es war nicht groß.
RI: Wann haben Sie Ihren Herkunftsstaat zuletzt genau verlassen?
BF: Vor ca. zwei Jahren und sechs Monaten.
Zur derzeitigen Situation in Österreich:
RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?
BF: Nein.
RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.
RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch die D verstehen können?
BF: Ja.
RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und auf Deutsch beantwortet hat.
RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?
BF: Nein, ich bin aber derzeit auf der Suche nach einem Lehrplatz bzw. würde ich gerne noch einen Deutschkurs besuchen.
RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach?
BF: Ich spiele Fußball bei einem Verein und am Wochenende mit Freunden.
RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?
BF: Nein.
RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?
BF: Nein.
RI: Auch nicht mit dem Vater?
BF: Nein.
RI: Warum nicht?
BF: Weil es zuhause kein Telefon gibt und ich auch keine Telefonnummer habe. Ich weiß auch nicht, wo sich mein Vater aufhält.
RI: Wieso sollte er nicht zuhause sein?
BF: Es ist etwas vorgefallen, dass mein Vater und ich getrennt wurden, deshalb weiß ich auch nichts von meinem Vater.
RI: Was heißt das?
BF: Dann muss ich Ihnen meine Fluchtgeschichte erzählen.
Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:
RI: Sie wurden bereits im Verfahren vor dem Bundesasylamt zu den Gründen, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben bzw. warum Sie nicht mehr in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren können (Fluchtgründe), einvernommen. Die diesbezüglichen Niederschriften liegen im Akt ein.
Sind Ihnen diese Angaben noch erinnerlich und, wenn ja, halten Sie diese Angaben vollinhaltlich und unverändert aufrecht, oder wollen Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas ergänzen oder berichtigen, das Ihnen wichtig erscheint? Sie haben dafür nun ausreichend Zeit und auch die Gelegenheit, allfällige Beweismittel vorzulegen.
BF: Das, was ich selbst geschrieben habe, das stimmt. Es handelt sich dabei um eine Zusammenfassung der Ereignisse. Auch in der Einvernahme habe ich wahrheitsgemäße Angaben gemacht, aber der Dolmetscher hat einzelne Punkte nicht richtig übersetzt.
RI: Warum sind Sie jetzt von Ihrem Vater getrennt worden?
BF: Dort, wo mein Vater und ich festgehalten wurden, ist mein Vater geblieben, während er mir geholfen hat, von dort zu fliehen. Seither weiß ich nichts mehr von meinem Vater.
RI: Und wo war das?
BF: In Qarabagh in der Provinz Ghazni, in einem alten Haus, der Distrikt Qarabagh ist der Nachbardistrikt von Jaghuri.
RI: Was glauben Sie, was mit Ihrem Vater passiert ist?
BF: Ich weiß es nicht.
RI: Was ist mit Ihrer Mutter und Ihren Geschwistern?
BF. Sie sind in Afghanistan, in Jaghuri.
RI. Haben Sie mit denen auch keinen Kontakt?
BF: Nein.
[...]
BF: Ja.
Der RI bringt [...] in das gegenständliche Verfahren ein.
[...] Der RI folgt BFV diese Berichte in Kopie aus und gibt BFV die Möglichkeit, in diese herkunftsstaatsbezogenen Berichte Einsicht zu nehmen und dazu sowie zu den bisherigen Angaben des BF eine mündliche Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.
BFV an BF: Wie oft haben Sie Ihr Heimatdorf verlassen und wie hat sich Ihr Leben abgespielt?
BF: Ich habe mein Heimatdorf sehr selten verlassen und wenn, dann bin ich nur bis zum Zentrum nach Jaghuri gefahren. Ich kenne aber die Nachbardörfer meines Heimatdorfes. In diese Dörfer bin ich auch gegangen.
BFV: Diese christlichen Bücher, die Sie im Gepäck hatten, wie kommen die dort hin?
BF: Mein Cousin hatte sie dort hingelegt.
BFV: Wie haben die jenigen, die Sie kontrolliert haben, diese gefunden?
BF: Das Fahrzeug wurde angehalten, wir wurden gefragt, wohin wir fahren würden, wir konnten uns mit den Leuten nicht unterhalten, weil sie Paschtu gesprochen haben, deshalb hat der Fahrer mit ihnen gesprochen. Danach haben sie das Fahrzeug durchsucht und haben auch die Gepäckstücke der Fahrgäste durchsucht.
RI: Warum hat Sie Ihr Cousin in so eine missliche Lage gebracht?
BF: Ich weiß es nicht.
BFV: Hatten Sie irgendeine Verbindung zu diesen Büchern?
BF: Nein, denn ich wusste nicht, was das für Bücher sind.
BFV: Haben Sie Verwandte oder Bekannte in größeren afghanischen Städten, die Sie unterstützen würden?
BF. Nein.
RI: Haben Sie niemanden in Kabul?
BF: Nein.
BFV: Kennen Sie die Städte, waren Sie schon einmal dort?
BF: Nein, überhaupt nicht.
BFV: Zu dem Bericht des SV Rasuly aus dem Jahr 2009 ist festzuhalten, dass dieser nicht die aktuelle Lage in Afghanistan wiedergibt und auch kaum Bezug zum gegenständlichen Sachverhalt aufweist. Zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan ist festzuhalten, dass wie aus den beigefügten Berichten hervorgeht, der afghanische Staat nicht in der Lage ist, die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten. Insbesondere die Provinz Ghazni ist eine der volatilsten Prvinzen in Afghanistan, aber auch die großen Städte in Afghanistan wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind keine zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalernativen für den BF. Vor kurzem kam es wieder zu massiven Anschlägen in diesen Städten, auch das Bestreben der amerikanischen Sicherheitstruppen, die Truppenstärke in Afghanistan weiter aufzubauen, indiziert, dass sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert. Zum Artikel von Frau Friederike Stahlmann ist festzuhalten, dass dieser die Lage von Rückkehrenden aktuell und zutreffend wiedergibt, der BF würde in eine äußerst prekäre Lage kommen, sollte er nach Afghanistan zurückkehren müssen, ihm ist somit internationaler Schutz zu gewähren.
RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will.
BF: Ich bitte Sie, mir Asyl zu geben, weil mein Leben in Afghanistan in Gefahr ist. Die Leute dort denken, dass man ungläubig ist, wenn man sowas macht. Ich kann nicht mehr zurückgehen.
RI befragt BFV, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.
RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht. [...]"
Das erkennende Gericht brachte weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF in das Verfahren ein (aufgelistet unter Punkt 2.).
Das BFA beantragte schriftlich die Abweisung der gegenständlichen Beschwerde. Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Das BFA nahm dazu nicht Stellung.
1.10. Mit Erkenntnis vom 09.11.2017, W191 2138976-1/14E, wies das BVwG die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet ab und erkannte dem BF gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde dem BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.11.2018 erteilt.
1.12. Aufgrund der vom BFA erhobenen außerordentlichen Revision vom 22.12.2017 hob der VwGH mit Erkenntnis vom 05.04.2018, Ra 2017/19/0616, das angefochtene Erkenntnis in den Spruchpunkten A) II. und A) III. wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts auf.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der VwGH bereits wiederholt mit "dem Kriterium nach § 8 Abs. 1 AsylG einer realen Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung durch eine Rückkehr nach Afghanistan - im Besonderen bei Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul - auseinandergesetzt" habe. "In Fortsetzung dieser Rechtsprechung" sei das Vorliegen einer realen Gefahr im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG verneint worden. Der Sachverhalt des gegenständlichen Verfahrens - insbesondere betreffend die Lage in Afghanistan - stimme in den entscheidungswesentlichen Punkten mit jenen eines zitierten Falles überein. Es werde daher auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen. Die Annahme des BvWG, [...] es bestehe im Fall seiner Rückkehr nach Afghanistan auch in Kabul die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK, sei aber eine rechtliche Beurteilung, die in den Feststellungen keine Deckung finde.
Wenn das BvWG auch zu erkennen gebe, dass es davon ausgehe, dem BF sei die Inanspruchnahme der innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul nicht zumutbar, so sei für diese Annahme eine tragfähige Begründung nicht zu erkennen. Auf ein weiteres Erkenntnis des VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001, zur Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative sowohl im Alllgemeinen als auch im speziellen in Bezug auf Kabul, wurde verwiesen.
1.12. Das BVwG führte im fortgesetzten Verfahren eine neuerliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari und eines Vertreters - das BFA war trotz ausgewiesener Ladung unentschuldigt nicht erschienen - im Wesentlichen Folgendes an (Auszug aus der Verhandlungsschrift):
"[...] Fortsetzung der Verhandlung
[...]
Zur heutigen Situation:
RI: Fühlen Sie sich körperlich und geistig in der Lage, der heutigen Verhandlung zu folgen?
BF: Ja.
RI: Leiden Sie an chronischen oder akuten Krankheiten oder anderen Leiden oder Gebrechen?
BF: Nein.
[...]
Der BF hat bisher keine Bescheinigungsmittel zu seiner Identität vorgelegt und legt auch heute keine vor. Bezüglich seiner Integration verweist er auf die bisher vorgelegten Bescheinigungsmittel und legt vor ein Zertifikat "Die Brücke-Berufsorientierungsmaßnahme für Jugendliche", Lohn/Gehaltsabrechnungen (Februar 2018 sowie Juni und Juli 2018 bei zwei Gasthäusern), die in Kopie zum Akt genommen werden.
[...]
RI: Wo und wie leben Ihre Verwandten?
BF: Meine Familie (meine Eltern und zwei Brüder) lebt in Ghazni, in Jaghori. Ein Onkel mütterlicherseits lebt im Iran.
Zur derzeitigen Situation in Österreich:
RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?
BF: Nein.
RI: Haben Sie Kontakt zu Österreichern? Haben Sie in Österreich wichtige Kontaktpersonen, und wie heißen diese?
BF: Ich hatte Kontakt mit meinen Klassenkameraden im Deutschkurs sowie in meiner Arbeit und im Fußball-Club.
RI ersucht D, die folgenden Fragen nicht zu übersetzen. RI stellt diverse Fragen.
RI: Sprechen Sie Deutsch? Haben Sie mich bis jetzt auch ohne Übersetzung durch den D verstehen können?
BF: Ich verstehe fast alles, was Sie sagen.
RI stellt fest, dass der BF die zuletzt gestellten und nicht übersetzten Fragen verstanden und verständlich auf Deutsch beantwortet hat.
[...]
RI: Haben Sie Arbeit in Österreich? Gehen Sie einer regelmäßigen Beschäftigung nach?
BF: Ich arbeite in einem Gasthaus.
RI: Besuchen Sie in Österreich bestimmte Kurse oder eine Schule, oder sind Sie aktives Mitglied in einem Verein? Gehen Sie sportlichen oder kulturellen Aktivitäten nach? Wie ist Ihr Tagesablauf?
BF: Keine. Da ich keine Erlaubnis hatte, im Fußballverein zu spielen, spiele ich derzeit nicht. Manchmal spiele ich mit Freunden Fußball.
RI: Wurden Sie in Österreich jemals von einem Gericht wegen einer Straftat verurteilt oder von einer Behörde mit einem Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot belegt?
BF: Nein.
RI: Unterhalten Sie von Österreich aus noch Bindungen an Ihren Herkunftsstaat, insbesondere Kontakte zu dort lebenden Familienangehörigen, Verwandten, Freunden oder zu sonstigen Personen? Wenn ja, wie sieht dieser Kontakt konkret aus (telefonisch, brieflich, per E-Mail), bzw. wie regelmäßig ist dieser Kontakt?
BF: Ich habe keinen Kontakt zur Familie. Mit meinem Onkel im Iran habe ich alle paar Monate Kontakt per Internet.
RI: Was ist Ihr Onkel im Iran von Beruf?
BF: Er arbeitet auf einer Baustelle, genau weiß ich das nicht.
RI: Und da kann er es sich leisten, Ihnen die Reise nach Europa zu zahlen?
BF: Er hat gesagt, dass er es bezahlt.
RI: Wie haben Sie damals mit ihm Kontakt aufgenommen?
BF: Ich hatte seine Telefonnummer.
RI: Wissen Sie jetzt schon, wo Ihr Vater ist?
BF: In Jaghori, genau weiß ich das aber nicht. Vor einigen Tagen gab es einen kriegerischen Vorfall mit den Taliban, dabei sind ca. 1.000 Personen gestorben.
RI: Was würde Ihnen konkret passieren, wenn Sie jetzt wieder in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten?
BF: Ich würde von den Taliban gefangen genommen.
RI: Und wenn Sie nach Kabul gehen?
BF: Es ist egal wo, in Afghanistan ist überall Krieg.
RI: In Kabul ist es relativ sicher, wenn es auch immer wieder Anschläge gibt.
BF: Vor kurzem sind in Kabul sind einige Leute ums Leben gekommen.
RI: Wenn Sie nach Kabul gehen würden, wo würden Sie wohnen, was würden Sie arbeiten?
BF: Ich weiß es nicht.
RI: Könnten Sie nicht als Abwäscher dort arbeiten?
BF: Ich habe dort niemanden.
RI: Könnte nicht Ihr Onkel aus dem Iran Ihnen helfen, dass Sie dort eine Unterkunft bezahlen können?
BF: Nein, das glaube nicht.
RI: Warum nicht?
BF: Weil er ein eigenes Leben hat, wie soll er mein Leben finanzieren?
RI: Wissen Sie, ob Ihr Onkel Familie hat?
BF: Ja, er hat eine Frau und zwei kleine Kinder.
Der RI bringt unter Berücksichtigung des Vorbringens des BF auf Grund der dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Informationen die dieser Niederschrift beiliegenden Feststellungen und Berichte [...] in das gegenständliche Verfahren ein.
Der RI erklärt die Bedeutung und das Zustandekommen dieser Berichte. Im Anschluss daran legt der RI die für die Entscheidung wesentlichen Inhalte dieser Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat dar.
RI folgt BFV Kopien dieser Erkenntnisquellen aus und gibt ihm die Möglichkeit, dazu sowie zu den bisherigen Angaben des BF eine Stellungnahme abzugeben oder Fragen zu stellen.
Die Verhandlung wird um 10:25 Uhr kurz unterbrochen und um 10:35 Uhr wieder fortgesetzt.
BFV: Hat Ihnen Ihr Onkel jemals Geld überwiesen oder sonst geschickt?
BF: Nein.
RI: Und wie wurde dann Ihre Reise nach Europa bezahlt?
BF: Ich rief ihn an, weil mein Leben in Gefahr war.
RI wiederholt Frage.
BF: Als ich mit ihm darüber gesprochen habe, dass diese Vorfälle passiert sind, hat mir mein Onkel gesagt, dass er einen Schlepper kontaktieren wird, der mich in Kabul abholen wird.
Festgehalten wird, dass die D angibt, dass der Sprachausdruck des BF in seiner Muttersprache Dari extrem einfach ist. Viele Sätze seien nicht vollständig und bedürften der Nachfrage.
BFV: Wie geht es Ihrem Onkel wirtschaftlich zur Zeit im Iran?
BF: Es geht ihm nicht gut, weil er ein Flüchtling ist. Flüchtlinge werden aus dem Iran wieder zurückgeschickt.
BFV: Für wen ist er sorgepflichtig?
BF: Für seine Familie, seine Frau und seine zwei Kinder.
BFV: Wie geht es Ihren Eltern derzeit?
BF: Ich weiß es nicht genau, ich weiß nur, dass sie in Jaghori sind.
BFV: Wie geht es ihnen wirtschaftlich?
BF: Schwach, sie haben nichts.
RI: Wovon leben sie denn?
BF: Von einem kleinen Grundstück, das sie haben. Auf diesem bauen sie Gemüse (Kartoffeln) an.
BFV: Schulden Sie Ihrem Onkel Geld aufgrund Ihrer Flucht?
BF: Ja.
BFV: Haben Sie vor, Geld zurückzuzahlen, wenn Sie in der Lage dazu wären?
BF: Wenn ich das kann, dann 100-prozentig, weil er das auch erwartet.
BFV: Bei einer Rückkehr nach Kabul, denken Sie, dass er Sie dann noch einmal unterstützen würde?
BF: Nein.
BFV gibt folgende Stellungnahme ab:
Nach der Rechtsprechung des VwGH muss es dem BF möglich sein, im Gebiet der IFA nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (VwGH vom 23.01.2018, Ra 2018/18/0001). Der BF hat bei einer Rückkehr nach Kabul keinerlei familiäre Unterstützungsmöglichkeiten in Aussicht. Er wäre vollkommen auf sich alleine gestellt. Sein Onkel, der ihn für seine Flucht unterstützt hat, erwartet eine Rückzahlung dieser Schulden und würde ihn nicht erneut unterstützen. Ebenso wenig ist die engere Familie des BF in der Lage, den BF in irgendeiner Form zu unterstützen. Aus den verfahrensgegenständlichen Länderberichten geht hervor, dass auch alleinstehende junge Männer bei einer Rückkehr in die großen afghanischen Städte auf ein familiäres oder sonstiges soziales Netzwerk angewiesen sind. Auch aufgrund der volativen Sicherheitslage in Kabul, welche immer mehr die Zivilbevölkerung betrifft, ist eine Zumutbarkeit einer IFA nicht gegeben. Der BF stammt zudem aus einem offensichtlich einfachen Milieu, was das Fußfassen am Arbeitsmarkt in Kabul noch weiters erschweren würde. Aufgrund dieser Umstände ist zu Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Sinne der VwGH-Rechtsprechung ausgeschlossen. Verwiesen wird zudem auf das Gutachten, erstellt vor dem VG Wiesbaden vom 28.03.2018, von Frau Friederike Stahlmann (Seiten 9ff, 191ff). Daraus ergibt sich das soeben Gesagte.
RI befragt BF, ob er noch etwas Ergänzendes vorbringen will; dies wird verneint.
RI befragt BF, ob er D gut verstanden habe; dies wird bejaht. [...]"
Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es gab - wie schon zur ersten Verhandlung vom 16.01.2017 - erneut keine Stellungnahme dazu ab und beteiligte sich auch sonst nicht am Verfahren.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 30.05.2015 und der Einvernahme vor dem BFA am 04.07.2016 sowie die Beschwerde vom 02.11.2016
* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (Aktenseiten 240 bis 289)
* Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 09.10.2017 sowie Einsichtnahme in die vom BF vorgelegten Belege zu seiner Integration (Pflichtschulabschluss - Prüfungsbestätigungen, Deutschkurs - Bestätigungen, Fußballklub - Bestätigungen und diverse weitere Kurs - Bestätigungen)
* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.10.2017 zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat sowie in den Provinzen Ghazni und Zabul (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017, zuletzt aktualisiert am 25.09.2017)
o Zusammenfassung der UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom April 2016 und Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des deutschen Bundesministerium des Innern vom Dezember 2016
o Artikel in Asylmagazin 3/2017 "Überleben in Afghanistan? Zur humanitären Lage von Rückkehrenden und ihren Chancen auf familiäre Unterstützung" von Friederike Stahlmann
o Auszug aus einem Gutachten eines Ländersachverständigen für Afghanistan (Dr. Sarajuddin Rasuly in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 13.06.2012 im Verfahren C15 410.319-1/2009)
* Einvernahme des BF im Rahmen der fortgesetzten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 20.08.2018 sowie Einsichtnahme in die vom BF zusätzlich vorgelegten Belege zu seiner Integration (Zertifikat "Die Brücke- Berufsorientierungsmaßnahme für Jugendliche", Lohn/Gehaltsabrechnungen (Februar 2018 sowie Juni und Juli 2018 bei zwei Gasthäusern)
* Einsichtnahme in folgende in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 20.08.2018 zusätzlich in das Verfahren eingebrachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF:
o Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat und in der Provinz Ghazni sowie zur Lage der Minderheiten, insbesondere der Hazara (Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018)
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Folgende Feststellungen werden aufgrund des glaubhaft gemachten Sachverhaltes getroffen:
3.1. Zur Person des BF:
3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX, geboren am XXXX, ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des BF ist Dari.
3.1.2. Lebensumstände:
Der BF lebte bis März 2015 gemeinsam mit seinen Eltern und zwei jüngeren Brüdern in XXXX, Distrikt Jaghori, Provinz Ghazni, Afghanistan. Sein Vater sorgte als Landwirt für den Unterhalt der Familie. Der BF lernte bei einem Mullah Lesen und Schreiben und half dann in der Landwirtschaft.
Aufgrund angegebener Schwierigkeiten verließ der BF Ende März 2015 Afghanistan und reiste mithilfe eines Onkels mütterlicherseits, der im Iran lebt, über den Iran, die Türkei und Griechenland nach Europa, wo er am 29.05.2015 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
3.1.3. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten und weist ein recht beachtliches Ausmaß an verschiedenen integrationsunterstützenden Aktivitäten seinerseits (Pflichtschulabschlussprüfung, Deutsch-Zertifikat A2, Zertifikat "Die Brücke- Berufsorientierungsmaßnahme für Jugendliche", Lohn/Gehaltsabrechnungen für Erwerbstätigkeiten im Jahr 2018 bei zwei Gasthäusern) auf.
3.1.4. Anknüpfungspunkte:
Mit seinen Familienangehörigen (Mutter, Vater, Brüder) und Verwandten bzw. Bekannten in Afghanistan steht der BF nach seinen Angaben nicht in Kontakt. Sein Vater hält sich vermutlich in Jaghori auf.
Seinem Onkel im Iran, der den BF bei seiner Ausreise unterstützt hat, schuldet der BF die Reisekosten. Der Onkel arbeitet als Hilfsarbeiter und hat eine Familie (Frau und zwei Kinder) zu unterstützen.
3.1.5. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Die Frage der asylrelevanten Verfolgung des BF in seinem Heimatstaat ist nach der rechtskräftigen Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf Asyl nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.
3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
Dem BF würde derzeit bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Ghazni ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.
Eine Rückkehr und Ansiedelung außerhalb der Herkunftsprovinz seiner Eltern, insbesondere in der Stadt Kabul, ist dem BF aufgrund seiner individuellen Umstände nicht zumutbar. Der BF verfügt in Afghanistan über kein hinreichendes familiäres Netzwerk, mit dessen Unterstützung ihm der Aufbau einer Existenzgrundlage möglich wäre. Mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern im Heimatort hat der BF keinen Kontakt. Über den Aufenthaltsort seines Vaters, der seinerzeit von den Taliban mitgenommen wurde, wisse er nicht Bescheid.
Auch von einer (finanziellen) Unterstützung des BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan durch seinen Onkel im Iran kann nicht ausgegangen werden, da dieser selbst nur Hilfsarbeiter ist, schon Gläubiger bezüglich der Reiseunterstützung für den BF ist und eine eigene Familie (Frau, zwei Kinder) zu unterstützen hat.
Da sich der BF zudem noch nie in Kabul aufgehalten hat und mit den örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten sowie den dortigen Lebensgewohnheiten - und schon gar nicht mit jenen in den weit entfernt im Westen bzw. Norden gelegenen Städten Herat und Mazar-e Sharif (die noch dazu seit einiger Zeit unter extremer Dürre und damit verbundenen Ernteausfällen und sonstigen Problemen leiden)- nicht vertraut ist, wäre er unter äußerst schwierigen Bedingungen völlig auf sich alleine gestellt.
In diesem Zusammenhang kommt des Weiteren hinzu, dass der BF als junger Erwachsener nach Europa gekommen ist, hier nunmehr seit über drei Jahren lebt und sich um seine Integration bemüht zeigt.
Die beim BF vorgenommene Einzelfallprüfung ergibt, dass aufgrund der oben dargelegten individuellen Umstände nicht davon ausgegangen werden kann, dass es ihm möglich ist, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten in Afghanistan, insbesondere in Kabul, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Bei einer dortigen Ansiedelung liefe der BF vielmehr Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.
3.4. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
Aufgrund der in den mündlichen Verhandlungen vor dem BVwG in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:
3.4.1. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Afghanistan ("Gesamtaktualisierung am 29.06.2018", zuletzt aktualisiert am 11.09.2018, Schreibfehler teilweise korrigiert):
"[...] 2. Politische Lage
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.01.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).
Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.09.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.09.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.02.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).
Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).
Parlament und Parlamentswahlen
Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, "Kammer des Volkes", genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch "Ältestenrat" oder "Senat" genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.01.2017; vgl. USDOS 20.04.2018, USDOS 15.08.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.01.2017).
Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.02.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.04.2018; vgl. USDOS 15.08.2017).
Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).
Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht Am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.01.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20.10.2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.04.2018; vgl. AAN 22.01.2017, AAN 18.12.2016).
Parteien
Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.08.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus "Partei" umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).
Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 06.05.2018).
Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 06.05.2018).
Parteienlandschaft und Opposition
Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.01.2017), das letzterer Immunität für "vergangene politische und militärische" Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.09.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.01.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 03.05.2017). Am 04.05.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 04.05.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung, sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.03.2018).
Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle "Coalition for the Salvation of Afghanistan", auch "Ankara Coalition" genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 06.05.2018).
Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 11.10.2017).
Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.05.2017).
Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 151.2016; vgl. AB 295.2017).
Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 06.05.2018; vgl. AAN 21.08.2017).
Friedens- und Versöhnungsprozess
Am 28.02.2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.03.2018; vgl. TS 28.02.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 07.03.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.03.2018; vgl. TD 07.03.2018, NZZ 28.02.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.04.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provin