TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W261 2206751-1

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Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2206751-1/3Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin Gastinger, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 29.08.2018, Zahl XXXX, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und dieser behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 23.12.2015 als unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling irregulär in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 23.12.2015 erfolgte die Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi. Dabei gab der mj. BF an, afghanischer Staatsangehöriger und schiitischer Moslem zu sein. Er sei am XXXX, in Theran, Iran, geboren. Er habe im Iran keinen Aufenthaltstitel gehabt, weswegen er Gefahr gelaufen sei, nach Afghanistan geschickt zu werden. Dort wäre er in Gefahr gewesen, dass die Taliban ihn enthauptet hätten.

Die Bezirkshauptmannschaft XXXX, Bereich Kinder- und Jugendhilfe, als Kinder- und Jugendhilfeträger des Landes Steiermark als Kindesvertretung gemäß § 211 ABGB bevollmächtigte mit Schreiben vom 12.04.2016 namentlich genannte Mitarbeiter der Caritas Diözese Graz-Seckau mit der Vertretungsvollmacht für den mj. BF im Asylverfahren und räumte auch eine Zustellvollmacht ein.

Das Landesgericht für Strafsachen XXXX verurteilte den mj. BF am 10.10.2016, Zl.XXXX, wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StBG und wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB sowie unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG nach § 106 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 12 (zwölf) Monaten. Gemäß § 43 a Abs. 3 StGB sah das Landesgericht für Strafsachen XXXX einen Teil der Strafe in der Dauer von 11 (elf) Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nach. Der unbedingte Teil der Freiheitstrafe betrug daher 1 (ein) Monat.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 13 Abs. 2 AsylG vom 14.12.2016 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark (in der Folge belangte Behörde) dem mj. BF den Verlust des Aufenthaltsrechtes mit.

Am 13.06.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des mj. BF vor der belangten Behörde im Beisein seiner Rechtsvertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Farsi. Dabei gab der mj. BF an, dass er sich einmal pro Woche einer psychotherapeutischen Therapie unterziehe. Er sei mittlerweile Christ geworden und legte dazu eine Reihe von Unterlagen vor. Er sei im Iran geboren und aufgewachsen und sei noch nie in Afghanistan gewesen. Er habe keine Verwandten in Afghanistan. Er werde in Afghanistan verfolgt, weil sein Vater ein bekannter Mann gewesen sei.

Die Rechtsvertretung des damals noch mj. BF gab mit Eingabe vom 18.06.2018 eine umfassende Stellungnahme zum bisherigen Ermittlungsergebnis ab.

Die Staatsanwaltschaft XXXXinformierte die belangte Behörde mit Eingabe vom 25.06.2018 darüber, dass gegen den BF Anklage wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen erhoben werde.

Die XXXX XXXXInternational legte mit Eingabe vom 10.08.2018 eine Vertretungsvollmacht vor und teilte mit, dass der BF zum Christentum konvertiert sei.

Die belangte Behörde wies in weiterer Folge den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab. Weiters erteilte die belangte Behörde dem BF in Spruchpunkt III keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg. AsylG, erließ ihm gegenüber im Spruchpunkt IV gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte im Spruchpunkt V gemäß § 52 Abs. 9 leg. cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg. cit. zulässig sei. Schließlich sprach die belangte Behörde im Spruchpunkt VI aus, dass gemäß § 55 Abs. 1a keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe. Im Spruchpunkt VII. stellte die belangte Behörde gemäß § 13 Abs. 2 Z 1 AslyG 2005 fest, dass der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 10.10.2016 verloren habe. Im Spruchpunkt VIII erkannte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag des BF auf internationalen Schutz ab, und erließ im Spruchpunkt IX gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der BF zum Christentum konvertiert sei. Es sei nicht glaubhaft, dass der BF keine Verwandten in Afghanistan habe. Der BF habe keine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan glaubhaft machen können. Der BF sei im Falle seiner Rückkehr keiner maßgeblichen Verfolgungsgefahr ausgesetzt. Die Sicherheitslage ermögliche es dem BF, nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat zurückzukehren. Der BF sei jung, arbeitsfähig und habe bereits erste Berufserfahrungen gesammelt. Im Falle einer Rückkehr sei es ihm zuzumuten, selbst für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Es bestehe kein nennenswertes soziales Umfeld in Österreich. Ein schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich liege nicht vor. Bedingt dadurch, dass er in Österreich strafrechtlich verurteilt worden sei, stelle er eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Daher sei ihm das Aufenthaltsrecht abzuerkennen und ein befristetes Einreiseverbot zu erteilen gewesen.

Mit Verfahrensanordnung vom 29.08.2018 teilte die belangte Behörde dem BF mit, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen. Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag stellte die belangte Behörde dem BF die juristische Person ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite.

Mit Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX vom 07.08.2018 informierte diese die belangte Behörde über die Einbringung eines Strafantrages wegen vorsätzlich begangener strafbarer Handlungen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 12.09.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und wegen des Vergehens des Diebstahles unter Anwendung des § 5 Z 4, 5 JGG zu einer Freiheitsstrafe von 6 (sechs) Wochen, welche gemäß § 43 Abs. 1 StGB für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen wurde, rechtskräftig verurteilt. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes XXXX vom selben Tag wurde gemäß § 494a Abs. 1 Z 2 und Abs. 6 StPO vom Widerruf der bedingten Freiheitsstrafe zu XXXX des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX abgesehen, jedoch die Probezeit von drei Jahren auf fünf Jahre verlängert.

Mit Eingabe vom 26.09.2018 erhob der BF, bevollmächtigt vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin brachte er im Wesentlichen vor, dass der Bescheid vollumfänglich angefochten werde. Es bestehe eine förmliche Entscheidungspflicht des Bundesverwaltungsgerichtes bei Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Es würde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren ebenso vorliegen, wie mangelhafte Länderfeststellungen. Insbesondere sei der BF zur Verhängung des Einreiseverbotes nicht umfangreich befragt worden. Zudem habe sich die belangte Behörde nicht in adäquater Weise mit der psychischen Erkrankung des BF auseinandergesetzt. Die belangte Behörde habe keinerlei Ermittlungen zur Behandelbarkeit der dem BF diagnostizierten Erkrankung in Afghanistan angestellt. Die belangte Behörde habe die Bedrohungslage, die Sicherheitslage und die Situation von Rückkehrern in Afghanistan verkannt. Insbesondere habe die belangte Behörde die aktuelle UNHCR Richtlinie, wonach eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul in der Regle nicht bestehe, nicht entsprechend berücksichtigt. Dies gelte auch für leicht zu recherchierende Berichte im Zusammenhang mit der Konversion des BF. Beim BF handle es sich um einen "verwestlichten Rückkehrer", auch dies habe die belangte Behörde nicht berücksichtigt. Auf Grundlage dieses mangelhaften Ermittlungsverfahrens habe die belangte Behörde eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen. Der BF beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben, und dem BF den Status des Asylberechtigten gem. § 3 AsylG zuerkennen; in eventu, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverweisen; für den Fall der Abweisung des obigen Beschwerdeantrages werde beantragt, gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG feststellen, dass dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zukomme; sowie festzustellen, dass die gem. § 52 FPG erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 9 Abs. 3 BVA-VG auf Dauer unzulässig sei und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung (plus) gem. § 55 AsylG vorliegen würden, und dem BF daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung (plus) von Amts wegen zu erteilen sei; sowie in eventu festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG vorliegen würden und dem BF daher eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen sei; jedenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen; sowie das Einreisverbot zu beheben; in eventu, das Einreisverbot wesentlich zu verkürzen.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang mit Schreiben vom 27.09.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo dieser am 01.10.2018 bzw. am 02.10.2018 in der zuständigen Gerichtsabteilung einlangte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Aus der dem Bundesverwaltungsgericht zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage kann nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat Afghanistan angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Daher war der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Über die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wird nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gesondert entschieden werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W261.2206751.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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