TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/2 W222 2203458-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2018
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Entscheidungsdatum

02.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2203458-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 22.03.2016 vor einem Organ der LPD Wien einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seiner Person gab er an, er heiße XXXX , sei in XXXX in Indien geboren, Volksangehöriger der Jat und gehöre der Sikh-Religion an. In Indien habe er fünf Jahre die Schule besucht und als Landwirt gearbeitet. Zuletzt habe er in XXXX , in der Provinz Punjab gelebt. Er habe vor ca. zwei Monaten den Entschluss gefasst, seine Heimat zu verlassen. Seine Reisebewegung habe er vom Dorf XXXX aus begonnen und sei von Delhi mit einem Flugzeug aus seiner Heimat ausgereist. Die Reise habe sein Vater mit Hilfe eines Schleppers organisiert. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, das religiöse Buch der Sikhs sei entehrt worden. Es habe mehrere Proteste gegen die Regierung gegeben. Auch er habe daran teilgenommen. Die Polizei habe die Namen der Beteiligten notiert und verhafte nun einen nach dem anderen. Einige Personen aus den Nachbardörfern seien bereits verhaftet worden. Er habe Angst gehabt, ebenfalls verhaftet zu werden.

Da sich aus dem Visa-Informationssystem ergab, dass der Beschwerdeführer über ein Schengen-Visum Nr. XXXX , gültig vom 09.03.2016 bis 09.03.2017, verfügte, richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.04.2016 ein Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in der Folge Dublin III-VO) an die Niederlande.

Mit Schreiben vom 26.05.2016 gab die niederländische Behörde für Fremdenwesen und Asyl dem Aufnahmegesuch statt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl informierte die niederländische Behörde mit Schreiben vom 02.06.2016, dass die Überstellung des Beschwerdeführers in die Niederlande verschoben werden müsse, da dieser flüchtig sei. Gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO verlängere sich die Überstellungsfrist auf 18 Monate.

Mit Schreiben vom 13.07.2016 teilte das Magistratische Bezirksamt für den XXXX . Bezirk dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit, dass XXXX das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhänger, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" angemeldet hat.

Die Ladungen zur Einvernahme am 17.08.2016 sowie zur Einvernahme am 12.09.2016 konnten ihm an der von ihm im Zuge seiner Entlassung aus der Grundversorgung bekanntgegebenen Adresse nicht zugestellt werden, da er sich dort nicht regelmäßig aufhielt.

Mit Schreiben vom 23.09.2016 wurde eine Zustell- und Vertretungsvollmacht des Vereins ZEIGE vorgelegt, wobei als Name des Beschwerdeführers " XXXX " angeführt wurde.

Mit Ladung vom 28.09.2016 wurde der Beschwerdeführer zu einer Einvernahme am 10.10.2016 geladen.

Mit Ladung vom 10.10.2016 wurde der Beschwerdeführer zu einer Einvernahme am 19.10.2016 geladen.

Der Einvernahme am 19.10.2016 blieb der Beschwerdeführer wegen Krankheit fern.

Mit Ladung vom 19.10.2016 wurde er neuerlich zu einer Einvernahme am 24.10.2016 geladen.

Am 09.11.2016 erfolgte seine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Er gab auf die Frage : "Für welchen Zweck haben sie sich das Visum für die Niederlande ausstellen lassen?" an, dass er nichts von einem Visum gewusst und diesbezüglich mit dem Schlepper auch nichts vereinbart habe. Angehörige, eine Familiengemeinschaft oder eine familienähnliche Gemeinschaft habe er im Bundesgebiet nicht. Gegen eine Außerlandesbringung in die Niederlande spreche, dass er in Österreich bereits ein paar Leute kenne, am Wochenende als Zeitungszusteller arbeite und € 200,-- monatlich verdiene. Daher wolle er hierbleiben.

Mit Ladung vom 22.01.2018 wurde der BF zu einer Einvernahme am 28.02.2018 geladen.

Mit Ladung vom 09.03.2018 wurde der Beschwerdeführer zu einer Einvernahme am 21.03.2018 geladen. Laut Aktenvermerk des Bundesamtes sei der Beschwerdeführer zu diesem Termin zwar am Infopoint des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erschienen, allerdings sei er bei der Abholung zur Einvernahme nicht auffindbar gewesen und habe ihn auch sein Vertreter nicht erreichen können.

Die Einvernahme am 12.06.2018 unterblieb wegen Krankheit des Beschwerdeführers.

Am 11.07.2018 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt. Auf Vorhalt, er habe den Ladungen am 17.08.2016, 12.09.2016, 10.10.2016, 19.10.2016, 24.10.2016, 28.02.2018 und am 21.03.2018 nicht Folge geleistet, gab er an, er sei von seinem Anwalt über die Termine nicht informiert worden.

Zu seiner Person gab er an, er heiße XXXX , sei gesund und nehme keine Medikamente. Von seiner Kindheit an bis November bzw. Dezember 2015 habe der Beschwerdeführer im Dorf XXXX in der Provinz Punjab mit seinen Eltern, seiner Schwester, seinem Onkel und seinem Großvater in der Eigentumswohnung des Letztgenannten gelebt. Er habe noch mehrere Angehörige in Indien, die überwiegend in der Provinz Punjab leben würden. Mit seiner Familie stehe er nach wie vor in Kontakt und pflege ein gutes Verhältnis. Der Beschwerdeführer sei weder verheiratet, noch habe er Kinder. In Indien habe ihn sein Vater unterstützt und er habe auch als Hirte gearbeitet. Bei der Ausübung seiner Religion habe er in seinem Herkunftsstaat keine Probleme gehabt. Am 01.03.2016 sei er von Delhi mit dem Flugzeug legal aus Indien ausgereist und später in Österreich unrechtmäßig eingereist. An welchen Orten er sich in der Zwischenzeit aufgehalten habe, wisse er nicht mehr. Selbstverständlich sei er von den Beamten in Indien bei seiner Ausreise kontrolliert worden. Seit der Antragstellung am 22.03.2016 habe er das Bundesgebiet nicht mehr verlassen. Der Beschwerdeführer spreche Punjabi, Hindi und ein wenig Deutsch. In Österreich habe er keine Freunde und bleibe in seiner Freizeit zu Hause. Seinen Lebensunterhalt finanziere er sich durch seine Tätigkeit als Zusteller für ein Unternehmen. Weder in Österreich noch in anderen Mitgliedstaaten der EU habe er Familienangehörige. Einem Verein oder einer sonstigen Organisation gehöre er nicht an und führe in Österreich auch kein Familienleben oder eine familienähnliche Beziehung. Befragt zu seinem Fluchtgrund führte er aus, jemand habe das heilige Buch verbrannt, woraufhin es zu Demonstrationen gekommen sei, an denen er teilgenommen habe. Folglich sei sein Name bei der Polizei aktenkundig gewesen. Die Polizei habe ihm deshalb Probleme gemacht. Dann seien drei bis vier Personen wegen der Teilnahme an den Demonstrationen verhaftet worden und man wisse nicht, was mit ihnen nach der Festnahme geschehen sei. Aus Furcht vor der Polizei habe er sein Dorf daraufhin verlassen und sei zu Verwandten gezogen. Seine Familie habe Probleme, da ihn die Polizei suche. Auch bei seinen Verwandten, bei welchen er gelebt habe, sei er gesucht worden. Nachdem er sich zwei bis drei Monate versteckt habe, habe er Indien verlassen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Nachdem ihm vorgehalten worden war, dass seine Angaben vage seien und er genaue Angaben zum Fluchtgrund machen sowie Einzelheiten und Details nennen solle, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll: "Das ist alles. Mein Leben ist in Gefahr." Auf Wiederholung der Frage und Vorhalt, er schildere einen abstrakten Sachverhalt, er gebe keine Details und Einzelheiten an und er solle konkrete Angaben über seinen Fluchtgrund machen, antwortete er, drei bis vier Leute würden als vermisst gelten und die indische Polizei könne alles machen. Dies habe er bereits gesagt Auf Nachfrage erklärte er, er könne nicht mehr dazu angeben. Er sei nicht persönlich bedroht oder verfolgt worden. Auf die Frage, wann die beschriebenen Vorfälle genau stattgefunden hätten, gab dieser lediglich an, er könne sich nicht erinnern. Befragt zu den Details betreffend die Verbrennung des heiligen Buches gab er zu Protokoll, er wisse nicht, wer das getan habe. Das wisse bis heute niemand. Nach Vorhalt des Widerspruches, dass er nach eigenen Angaben demonstriert habe, sich aber nicht an Einzelheiten erinnern könne, sowie nach Aufforderung, genaue Angaben (Zeit, Ort, wie er davon erfahren habe, warum, ...) zu diesem Vorfall zu machen, erklärte der Beschwerdeführer, er könne sich nicht erinnern. Mehr könne er dazu nicht angeben. Er sei zweimal bei den Demonstrationen gewesen. Sie hätten demonstriert. Dann sei sein Name auf der Polizeiliste gewesen. Nach erneuter Wiederholung der Frage antwortete er, sie hätten auf der Hauptstraße neben seinem Dorf demonstriert. Es seien mehrere Leute gewesen. Sie seien dort gesessen. Das sei alles gewesen. Mehr könne er dazu nicht vorbringen. Auf Nachfrage gab er zu seinen Problemen mit der Polizei an, er habe schon alles erzählt. Die Frage wurde wiederholt und der Beschwerdeführer dazu angehalten, konkrete Angaben rund um die "Verfolgungshandlungen" der Polizei zu machen. Er gab zu Protokoll, sie hätten ihn gesucht, auch bei seinen Verwandten, wo er gelebt habe. Deshalb habe er Indien verlassen. Auf die neuerliche Wiederholung der Frage, antwortete er, sein Leben sei in Gefahr. Beweise dafür, dass ihn die Polizei gesucht habe, habe er nicht. Vorher hätte er schon Beweise gehabt. Er wisse dennoch, dass sie ihn gesucht hätten, da sie immer wieder seine Familie gefragt hätten, wo er sei. Ob es einen Haftbefehl oder eine Anzeige gegen ihn gebe, wisse er nicht. Befragt zu den Verhaftungen, die durch die Polizei bereits stattgefunden hätten, gab er an, er wisse nicht so viel von denen. Niemand wisse, was mit denen passiert sei. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, mehr über die Verhaftungen zu erzählen, zumal er selbst angegeben habe, Angst vor einer Verhaftung zu haben. Er antwortete, es könne sein, dass er tot sei, wenn er verhaftet werde. Mehr könne er zu diesen Verhaftungen nicht sagen. Zu den Problemen der Familie mit der Polizei gab der Beschwerdeführer auf Nachfrage zu Protokoll, die Polizei habe immer wieder gefragt, wo er sei. Manchmal müssten seine Angehörigen auch zur Polizeistelle gehen. Hinsichtlich der Aufforderung, er solle die Probleme seiner Verwandten mit der Polizei schildern, nachdem er sein Heimatdorf verlassen habe, gab er an, die Polizei habe ihn gesucht. Auf Wiederholung der Frage antworte der Beschwerdeführer, er könne nicht mehr dazu sagen. Im Falle seiner Rückkehr sei sein Leben in Gefahr.

Abschließend wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zu Indien Einsicht und Stellung zu nehmen. Ihm wurde überdies angeboten, dass ihm der Dolmetscher die Feststellungsunterlagen vorlese. Der Beschwerdeführer antwortete, er brauche das nicht.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Beweiswürdigend hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen fest, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei. Zunächst wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bereits in der Erstbefragung zu seinem Fluchtweg unglaubwürdige Angaben gemacht habe, zumal er behauptet habe, dass er zum einen nicht wisse, ob er jemals in den Niederlanden gewesen sei, und er zum anderen nicht angeben habe können, über welche Länder er aus Indien ausgereist sei. Auch zu seinem Visum habe er keine konkreten Angaben machen können. Wenngleich die Ausführungen zum Fluchtweg nicht asylrelevant seien, so seien sie doch ein Indiz für die Gesamtbewertung der Glaubwürdigkeit einer Person. Darüber hinaus habe sich der Beschwerdeführer dem Asylverfahren entzogen, da er zahlreichen Ladungen nicht gefolgt sei und über eine Scheinmeldung verfügt habe. Lediglich einmal habe er dem Bundesamt eine Krankmeldung vorgelegt. Er habe sohin kein besonderes Interesse an der Fortführung des Asylverfahrens gehabt, woraus resultiere, dass er keinen Fluchtgrund habe.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen seien dementsprechend vage gewesen. Selbst auf Aufforderung, mehr über die mutmaßliche Verfolgung und die näheren Umstände zu berichten, sei er nicht in der Lage gewesen, glaubhafte und konkrete Angaben zu machen. So sei es nicht nachvollziehbar, dass er nicht wisse, ob er sich zwei oder drei Monate versteckt habe. Befragt zu den Demonstrationen, habe er lediglich ausführen können, er sei zwei- oder dreimal dabei gewesen und deshalb sei sein Name "auf der Polizeiliste". Er habe sich bloß auf nichtssagende Allgemeinplätze beschränkt, zumal er von sich aus weder reelle Zeit- oder Ortsangaben, noch andere Details genannt habe. Da er folglich kaum etwas über seine Fluchtgründe angeben habe können, sei nicht davon auszugehen, dass er das Geschilderte jemals erlebt habe. Überdies würden seine Ausführungen in Widerspruch zu den Länderinformationen der Staatendokumentation stehen, wonach die Verfassung in Indien die Rede- und Meinungsfreiheit garantiere und es möglich sei, an angemeldeten friedlichen Protesten teilzunehmen. Ein Eingriff der Behörden aufgrund von Aufruhr oder Gefahr stelle keine asylrelevante Verfolgung dar. Die Gefahr einer systematischen, landesweiten, staatlich geduldeten asylrelevanten Verfolgung des Beschwerdeführers ergebe sich im Rahmen einer amtswegigen Prüfung nicht.

Rechtlich hielt das Bunddesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. fest, es sei eine der wesentlichen Voraussetzungen des Asylgesetzes, dass der Antragsteller glaubhafte Angaben mache. Da sämtliche vom Beschwerdeführer im Rahmen seines Verfahrens getätigten Ausführungen als unglaubwürdig zu befinden seien, wie der Beweiswürdigung klar zu entnehmen sei, sei im konkreten Fall keine Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention anzunehmen. Selbst unter Annahme eines Verfolgungsgrundes, stehe dem Beschwerdeführer aber eine innerstaatliche Fluchtalternative offen, da es in Indien kein Meldesystem gebe und es ihm zumutbar sei, sich an einem anderen Ort in seinem Herkunftsstaat niederzulassen. Folglich könne ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt werden.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt rechtlich aus, dass eine Gefährdungslage nicht glaubhaft gemacht worden sei und keine Anhaltspunkte für eine unmenschliche Behandlung im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers bestehen würden. Er könne sich in Indien eine Existenz aufbauen, zumal er gesund sei, über Sprachkenntnisse, eine Schulausbildung, Berufserfahrung sowie familiäre und soziale Anknüpfungspunkte verfüge und mit der Kultur bestens vertraut sei. Es sei sohin nicht zu erwarten, dass er im Falle seiner Rückkehr in eine ausweglose Situation geriete. Auch aus der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat sei keine Gefährdung ersichtlich.

Zu den Spruchpunkten III., IV., V. und VI. hielt das Bundesamt fest, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht erfülle. Sein Aufenthalt in Österreich beruhe nur auf der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz. Seine Angehörigen würden sich in seinem Herkunftsstaat befinden, wo er den Großteil seines Lebens verbracht habe. Ansatzpunkte, welche die Vermutung einer besonderen Integration des Beschwerdeführers in Österreich rechtfertigen würden, seien nicht hervorgetreten. Er verfüge im Bundesgebiet sohin weder über relevantes Privatleben noch über Familienleben. Wie unter Spruchpunkt I. und II. dargelegt, bestehe im Falle einer Rückkehr keine Gefährdung iSd § 50 FPG. Folglich sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtmäßig und die Abschiebung nach Indien zulässig. Besondere Umstände, die bei der Bemessung der Frist zur freiwilligen Ausreise zu berücksichtigen seien, seien nicht geltend gemacht worden.

Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht mit Beschwerde vom 08.08.2018 wegen Feststellungs- und Begründungsmängeln, mangelnde Berücksichtigung des Parteivorbringens, Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung, Verkennen der Sachlage sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung vollinhaltlich angefochten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Volksgruppe der Jat und der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Seine Eltern, seine Schwester sein Großvater und sein Onkel leben in einem Dorf im Punjab, in welchem auch der Beschwerdeführer den Großteil seines Lebens verbrachte. In Indien besuchte er fünf Jahre die Schule und arbeitete anschließend als Hirte und Landwirt. Zusätzlich erhielt der Beschwerdeführer Unterstützung von seinem Vater. Er spricht Punjabi, Hindi und ein wenig Deutsch.

Am 22.03.2016 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Die Ladungen zu seiner Einvernahme am 17.08.2016 sowie zur Einvernahme am 12.09.2016 konnten ihm nicht zugestellt werden, da er an der von ihm bekanntgegeben Adresse nicht mehr wohnhaft war. Den Ladungen zur Einvernahme am 10.10.2016, 24.10.2016, 28.02.2018 sowie am 21.03.2018 leistete der Beschwerdeführer nicht Folge.

In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen oder Freunde. In einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt er ebenso wenig. Er engagiert sich weder in einem Verein noch in einer anderen Organisation. Seine Freizeit verbringt er zuhause. Am Wochenende arbeitet er als Zeitungszusteller und verdient monatlich € 200,--. Darüber hinaus meldete er am 23.06.2016 das Gewerbe "Güterbeförderung mit Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugen mit Anhängern, deren höchst zulässiges Gesamtgewicht insgesamt 3.500 kg nicht übersteigt" an. Er ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich unbescholten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen - konkret aufgrund der Verfolgung durch die Polizei wegen der Teilnahme an Demonstrationen anlässlich der Entehrung des heiligen Buches der Sikhs - verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

A) Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

B) Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

B.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

C) Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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