Entscheidungsdatum
02.10.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W184 2189201-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner PIPAL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.02.2018, Zl. 1177630201/171424531, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005, § 61 FPG und § 21 Abs. 5 BFA-VG als unbegründet abgewiesen. Es wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die beschwerdeführende Partei, ein männlicher Staatsangehöriger Afghanistans, brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.12.2017 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.
Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass die beschwerdeführende Partei bereits am 07.11.2017 in Bulgarien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte.
Bei der Erstbefragung am 28.12.2017 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, dass er aus Afghanistan über Pakistan, den Iran und die Türkei nach Bulgarien eingereist und in weiterer Folge über Serbien nach Österreich gelangt sei. In Bulgarien habe er das Lager nicht verlassen können und es habe keine Arbeitsmöglichkeiten gegeben. Er habe weder in einem anderen Land um Asyl angesucht noch ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erhalten und wolle nunmehr in Österreich bleiben. Die Schleppung habe 12.000 USD gekostet. In Österreich leben seit 14 Jahren seine Schwiegereltern.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 03.01.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen mit dem Hinweis auf den EURODAC-Treffer an Bulgarien. Mit Schreiben vom 04.01.2018 stimmte Bulgarien dem Ersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu und teilte weiters mit, dass die beschwerdeführende Partei dort mit einem anderen Geburtsdatum geführt werde.
Bei der Einvernahme durch das Bundesamt am 24.01.2018 gab die beschwerdeführende Partei im Wesentlichen an, dass er sich psychisch und physisch in der Lage fühle, die gestellten Fragen zu beantworten, und dass er an Depressionen sowie Schlafproblemen leide. Seine Schwiegereltern und sein Schwager würden als anerkannte Flüchtlinge im österreichischen Bundesgebiet leben. Ansonsten habe er keine Verwandten oder sonstigen Personen, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestehe. Er sei insgesamt einen Monat lang in Bulgarien aufhältig gewesen und wolle dorthin nicht zurückkehren, weil die Asylwerber dort unter widrigen Bedingungen und ohne medizinische Versorgung in den Unterkünften gefangen gehalten worden seien und auch keine Nahrung bekommen hätten. Zudem habe die Polizei sie schlecht behandelt, weil sie Asylwerber dazu gezwungen habe, die Kleidung auszuziehen, oder diese durchsucht habe. Zu seiner in Österreich aufhältigen Familie habe er vor der Einreise keinen Kontakt gehabt. Laut Befund eines Klinikums vom 12.01.2018 leidet die beschwerdeführende Partei an einem Brustwirbelsäulen-Syndrom und einem Infekt der oberen Atemwege und wurde eine medikamentöse Therapie verordnet.
Die beschwerdeführende Partei brachte durch ihren bevollmächtigten Vertreter in einer Stellungnahme vom 29.01.2018 im Wesentlichen vor, dass er in Österreich über nahe Angehörige verfüge, die ihn sozial und finanziell unterstützen würden. Für den Fall der Rückführung nach Bulgarien drohe der beschwerdeführenden Partei ein erheblicher gesundheitlicher Nachteil, weil mit einer psychischen Beeinträchtigung und einem dauerhaften psychischen Schaden zu rechnen sei. Die beschwerdeführende Partei habe in Bulgarien kein faires Verfahren zu erwarten und ihm würde eine Kettenabschiebung drohen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Bulgarien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. die Außerlandesbringung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig ist.
Dieser Bescheid legt in seiner Begründung insbesondere auch ausführlich dar, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung sowie die Grund- und Gesundheitsversorgung im Wesentlichen unbedenklich sind und den Grundsätzen des Unionsrechts genügen. Im Einzelnen lauten die Länderfeststellungen folgendermaßen (unkorrigiert, gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
Kurzinformation vom 13.12.2017, Dublin-Charterüberstellungen ...
Im Zuge eines bilateralen Arbeitstreffens des BFA mit Bulgarien Ende November 2017 hat sich Bulgarien sehr kooperativ gezeigt und erklärt, dass aufgrund der derzeitigen Kapazitäten Charterüberstellungen nach Sofia weiterhin möglich wären. Der etablierte Prozess (individuelle Anfrage für ein bestimmtes Datum und Bestätigung durch BG) funktioniere gut (BFA 11.12.2017).
Zur Rücküberstellung von Personen mit aufrechtem Asylstatus bzw. subsidiärem Schutz in Bulgarien wurde nochmals betont, dass Schutzberechtigte dieselben Rechte wie bulgarische Staatsbürger genießen (bis auf die Teilnahme an Wahlen). Die Zuständigkeit zur Aufnahme ("Readmission") besteht bei der Direktion für Migration. Mit Ablauf des jeweiligen Aufenthaltstitels bzw. der jeweiligen Aufenthaltskarte geht der Schutzstatus der Person nicht automatisch unter. Die Person muss persönlich in Bulgarien einen Antrag auf Verlängerung stellen (BFA 11.12.2017).
Quellen:
BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (11.12.2017):
Arbeitstreffen mit SAR, per E-Mail.
Allgemeines zum Asylverfahren
Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten.
(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
99,8% der betretenen illegalen Migranten geben an, dass Bulgarien nicht ihr Zielland ist. Ende 2016 stieg die Quote der Antragsteller, die ihr Verfahren nicht zu Ende führen, auf 84%. 44% der Asylverfahren wurden eingestellt (discontinued) und 41% in Abwesenheit entschieden. Nur 15% der Asylwerber blieben lange genug im Land, um eine inhaltliche Entscheidung zu erhalten (AIDA 2.2017). Illegale Ausreise ist eine Straftat und kann zu Haftstrafen von über einem Jahr führen (AI 2.2017). In Bulgarien gab es 2017 bis 16.11.2017 3.334 Asylanträge (VB 22.11.2017).
Es gibt weiterhin Berichte über Gewalt gegen Migranten und Asylwerber durch Mitglieder ziviler "Bürgerwehren" und Beamte an den Landesgrenzen. Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "Pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten. Dabei soll in hunderten Fällen vonseiten der Polizei und Grenzwache körperliche Gewalt zum Einsatz gekommen und die Migranten bisweilen auch beraubt und erniedrigend behandelt worden sein. Im November 2016 wurde im Zuge der Niederschlagung eines gewaltsamen Aufstandes im Unterbringungszentrum Harmanli von der Polizei angeblich übertriebene Gewalt angewendet. Im Juni 2016 wurden zwei Männer wegen versuchten Mordes angeklagt, die einen Asylwerber aus fremdenfeindlichen Motiven niedergestochen hatten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017). Die Handlungen der zivilen "Bürgerwehren", welche Migranten an den Grenzen bis zum Eintreffen der Polizei festhielten und bisweilen auch misshandelten, wurden von Teilen von Politik und Gesellschaft zunächst begrüßt. Nach formellen Beschwerden von NGOs wurden einige Mitglieder dieser Gruppen verhaftet und das bulgarische Innenministerium rief dazu auf, von der eigenmächtigen Anhaltung von Migranten Abstand zu nehmen (AI 2.2017). Die NGO Ärzte ohne Grenzen (MSF) betreibt in Serbien eine mental health clinic. MSF berichtet, dass von den verletzten Minderjährigen, die sich zwischen Jänner und Juni 2017 an diese Klinik wandten, nach Eigenangaben der Betroffenen, 48% der Verletzungen auf verschiedene bulgarische Behörden zurückgingen und ihnen in den Grenzregionen, in Lagern, Polizeistationen, Hafteinrichtungen und anderen Einrichtungen beigebracht worden seien (MSF 3.10.2017). Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind - wie überall - nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017). Asylwerber und Schutzberechtigte haben dieselben gesetzlichen Beschwerdemöglichkeiten wie bulgarische Staatsbürger. Sie können die Behörden informieren. Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem Charakter der Beschwerde. Ansprechbar sind der Direktor der jeweiligen Institution; der Vorsitzende der SAR über den Direktor der jeweiligen territorialen SAR-Einheit oder über NGOs; UNHCR; das Bulgarische Rote Kreuz; das Bulgarische Helsinki-Komitee und andere NGOs, welche reguläre Vertreter bei den territorialen Einheiten der SAR haben; der Direktor des jeweiligen Unterbringungszentrums (VB 9.7.2015).
Quellen:
AI - Amnesty International (2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bulgaria ...;
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria ...;
BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States
...;
MSF - Médecins Sans Frontières (3.10.2017): Serbia; Games of violence; Unaccompanied children and young people repeatedly abused by EU member state border authorities ...;
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria ...;
VB des BM.I Bulgarien (9.7.2015): Auskunft SAR, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (22.11.2017): Bericht des VB, per E-Mail.
Dublin-Rückkehrer
Ein Verfahren ist zu suspendieren, wenn sich der Antragsteller diesem für mehr als zehn Arbeitstage entzieht oder seine Adresse ändert, ohne dies zu melden. Nach weiteren drei Monaten des Nichterscheinens ist das Verfahren zu beenden (Act Art. 14f.; vgl. AIDA 2.2017; EASO 24.10.2017).
Wurde der zugrunde liegende Asylantrag bereits inhaltlich behandelt, hat der Antragsteller ab Beendigung sechs Monate Zeit, triftige Gründe für sein Fernbleiben vorzubringen und somit das Verfahren wiederzueröffnen. Kann er keine triftigen Gründe vorbringen oder ist die 6-Monats-Frist verstrichen, kommt nur noch ein neuerlicher Asylantrag infrage, der jedoch neue Elemente enthalten muss, um zulässig zu sein (Act Art. 77; vgl. AIDA 2.2017; EASO 24.10.2017).
Wurde der zugrunde liegende Asylantrag vor Beendigung noch nicht inhaltlich behandelt, ist das Verfahren im Falle einer Dublin-Rückkehr jedenfalls wiederzueröffnen und der Antrag inhaltlich zu behandeln (Act Art. 77; vgl. AIDA 2.2017; EASO 24.10.2017; VB 13.11.2017). Wenn in einem solchen Fall die 6-Monats-Frist verstrichen ist, kann der Rückkehrer einen erneuten Asylantrag stellen, welcher als Erstantrag gewertet wird (und nicht als Folgeantrag) (SAR 17.5.2016b).
Wurde der zugrunde liegende Asylantrag bereits rechtskräftig negativ entschieden, werden Schritte zur Außerlandesbringung des Rückkehrers gesetzt. Auch hier besteht die Möglichkeit, einen neuen Asylantrag einzubringen, der jedoch neue Elemente enthalten muss, um zulässig zu sein (EASO 24.10.2017; vgl. VB 13.11.2017).
Dublin-Rückkehrer haben bis zum Vorliegen einer inhaltlich rechtskräftigen Entscheidung dieselben Unterbringungsrechte wie andere Asylwerber und auch ihre Krankenversicherungen werden erneuert (EASO 24.10.2017).
Folgeantragsteller (außer Vulnerable) haben während der Zulässigkeitsprüfung ihres Folgeantrags (de jure 14 Tage) kein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversicherung/-versorgung und psychologische Hilfe (Act Art. 29 und 76b; vgl. AIDA 2.2017). Bei Antragstellern, deren suspendiertes Verfahren wiedereröffnet wird, weil es triftige Gründe für ihr Fernbleiben gibt, ist laut Gesetz das Recht auf Krankenversicherung als fortdauernd (continuous) zu betrachten (Act Art. 29).
Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und -Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von diesen medizinisch bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum "Nadya", IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: Psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017a).
Quellen:
Act - Asylum and Refugees Act (amend. 22.12.2015), per E-Mail;
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria ...;
EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.
Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail;
SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (17.5.2016b): Auskunft SAR, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017a): Auskunft SAR, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (13.11.2017): Auskunft SAR, per E-Mail.
Non-Refoulement
Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2017).
Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017).
Die Regierung garantiert einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Migranten und Asylwerbern in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria ...;
BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States
...;
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria ...
Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable
Das bulgarische Asylgesetz definiert als vulnerable Gruppen: Kinder, Schwangere, Alte, alleinstehende Elternteile in Begleitung ihrer minderjährigen Kinder, Behinderte und Opfer schwerer Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt. Die Gesetze sehen keine spezifischen Identifikationsmechanismen für Vulnerable vor, weswegen sich NGOs besorgt über den Mangel an Verfahrensgarantien für Vulnerable zeigen (AIDA 2.2017).
Im Gesetz ist eine medizinische Untersuchung vorgesehen, um spezielle Bedürfnisse von Antragstellern festzustellen. Die genaue Prozedur dieses Identifikationsmechanismus ist nicht gesetzlich festgelegt, sondern basiert auf internen Regulierungen. So ist schon seit Ende 2012 ein mit Mitteln des Europäischen Flüchtlingsfonds ko-finanzierter Fragebogen anzuwenden (PROTECT Questionnaire). Die regelmäßige praktische Umsetzung dieser Bestimmungen ist aber zweifelhaft. SAR selbst gibt an, dass die Identifizierung von Ärzten, Psychologen und NGO-Sozialarbeitern in den Zentren vorgenommen wird. Da aber eine der beiden beteiligten NGOs nicht mehr operativ ist, soll dies nicht mehr auf alle Zentren zutreffen. Meist wird die Untersuchung angeblich von Rechtsvertretern initiiert und die Kosten von NGOs getragen (HHC 5.2017).
Die Feststellung einer etwaigen Vulnerabilität wird vor der Registrierung durch Gruppenbefragungen vorgenommen. In der Praxis werden bestimmte Maßnahmen zur Sicherstellung der Medikation bzw. Ernährung bei bestimmten schweren chronischen Krankheiten gesetzt, z. B. Diabetes, Epilepsie, etc.) (AIDA 2.2017).
Bei Zweifeln an der Minderjährigkeit eines Antragstellers ist eine medizinische Altersfeststellung vorgesehen. Eine bestimmte Methode ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, Standardverfahren ist aber das Handwurzelröntgen. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. Sozialarbeiter haben in jedem Fall eine Einschätzung des besten Interesses des Minderjährigen abzugeben. Seit Oktober 2015 fungiert nach einer Gesetzesänderung ein Repräsentant der zuständigen lokalen Gemeinde als Vertreter von unbegleiteten Minderjährigen (UM). Dieser hat darauf zu achten, dass das beste Interesse des Kindes im Verfahren berücksichtigt wird, und er muss den UM in allen Arten von Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren vertreten bzw. dessen rechtliche Vertretung sicherstellen. Die Vertretung der UM durch Sozialarbeiter, die früher in der Praxis üblich (aber nach der Auffassung von NGOs nicht rechtskonform) war, wurde abgeschafft. Kritiker meinen aber, die neue Regelung wäre noch schlechter, da es den Gemeinden an geeignetem Personal mangle. Erst Ende 2016 rangen sich die zuständigen Gemeinden, auf deren Gebiet sich die Unterbringungszentren befinden, dazu durch, pro Zentrum einen Vertreter zu benennen. Diese werden von NGOs als unerfahren und schlicht ungeeignet bezeichnet, außerdem sei ein Vertreter für UM pro Zentrum zu wenig. 2016 stellten in Bulgarien insgesamt 2.772 unbegleitete Minderjährige einen Asylantrag. Eine gesetzliche Neuregelung der Vormundschaft für UM unter Beteiligung der Zivilgesellschaft wird angestrebt (AIDA 2.2017).
Laut Gesetz ist Vulnerabilität nur bei der Unterbringung zu berücksichtigen. Aufgrund mangelnder Kapazitäten und schlechter Unterbringungsbedingungen wird das in der Praxis aber selten umgesetzt. In den Unterbringungszentren existieren keine separaten Bereiche für Familien, alleinstehende Frauen, unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) oder Traumatisierte (zumindest nicht permanent) (EASO 2.2016; vgl. HHC 5.2017). Gemäß Ombudsmann mangelt es einigen Unterbringungszentren weiterhin an Infrastruktur für Behinderte (FRA 10.2017). Unbegleitete Minderjährige müssen bei Verwandten, in Pflegefamilien, Kinderheimen oder anderen für unbegleitete Minderjährige geeigneten Einrichtungen untergebracht werden. Laut Angaben der bulgarischen Behörden ist ein Unterbringungszentrum (70 Plätze) für die Unterbringung von UMA spezialisiert (EASO 2.2016). Nichtstaatlichen Quellen zufolge werden in der Praxis aber in allen Unterbringungszentren auch UM untergebracht, weswegen NGOs angeben, dass die sichere und angemessene Unterbringung von UM in Bulgarien nicht gewährleistet sei, nicht zuletzt wegen der fehlenden Trennung von erwachsenen Antragstellern. Minderjährige dürfen nur in Ausnahmefällen und in eigenen Bereichen geschlossen untergebracht werden (AIDA 2.2017).
2016 erhielten bis 28. September sechs unbegleitete Minderjährige einen Flüchtlingsstatus und sechs weitere einen humanitären Status. Es waren zu jeder Zeit geschätzte 150 UM in Unterbringungszentren untergebracht. Dem Ombudsmann zufolge umgehen die Behörden regelmäßig das Verbot, UM alleine zu inhaftieren, indem sie sie als Verwandte anderer Personen oder Familien registrieren, wodurch immer wieder UM in Haftzentren für Erwachsene landen. Außerdem kritisiert der Ombudsmann, dass die Unterbringungszentren für Asylwerber nicht die Mindestanforderungen für die Unterbringung von UM erfüllen. Da spezifische Unterbringungseinrichtungen für UM fehlen, werden diese oft zusammen mit Erwachsenen und ohne angemessene Aufsicht untergebracht (USDOS 3.3.2016; vgl. AI 2.2017, AIDA 2.2017; FRA 4.2017).
Asylwerbende Minderjährige haben laut Gesetz ohne Altersbeschränkung Zugang zu Bildung, das umfasst Schulen und Berufsausbildung, analog zu bulgarischen Minderjährigen. In der Praxis gibt es gewisse Hindernisse bei der Einstufung der Minderjährigen. Im Zentrum Pastrogor haben Minderjährige keinen Zugang zu Bildung, da für diese entlegene Gegend keine Arrangements für ihren Schulbesuch getroffen wurden (AIDA 2.2017). Im Ort Harmanli kümmert sich ein örtlicher Lehrer seit einem Jahr um die Integration syrischer Minderjähriger, die an keiner anderen Schule akzeptiert wurden. Er veranstaltet folkloristische und ethnologische Veranstaltungen, um Toleranz und Respekt zu fördern. Die Toleranz im Ort für die Fremden wurde dadurch merklich erhöht. Das Council of Refugee Women in Bulgaria (CRWB) informierte weiterhin im Rahmen einer Aktion zur Bewusstseinsbildung und Vorurteilsbekämpfung bulgarische Schüler über die Situation von Asylwerbern (FRA 4.2017). NGOs bieten Kindern von Flüchtlingen weiterhin organisierte Freizeitaktivitäten, Sprachkurse und Hilfe bei den Hausübungen an (FRA 11.2017). Zu Beginn des neuen Schuljahres erhielten in den Zentren untergebrachte Schulkinder u. a. Schultaschen, Bücher und andere Schulartikel durch SAREF und andere Beteiligte (FRA 10.2017).
Das Council of Refugee Women in Bulgaria (CRWB) startete ein Projekt zur psychosozialen Unterstützung von Asylwerbern, speziell Frauen und Kindern, die Opfer von genderbasierter und anderer Gewalt wurden. Als Teil des Projektes wurden fünf neue Sozialmediatoren in die Unterbringungszentren entsendet. Das CRWB unterstützt das von der Communitas Foundation geführte "1000 Stipendien"-Projekt, einen Wettbewerb für Schüler aus bedürftigen Familien bzw. Kinder mit Behinderungen und Kinder unter internationalem Schutz. Seit 2017 richtet sich das Projekt auch an Asylwerber-Kinder in bulgarischen Schulen. CRWB feierte im März 2017 im Zentrum Vrazhdebna das iranische Neujahrsfest Nowruz, organisierte Workshops zum Internationalen Frauentag und sammelte ebenfalls im März Babynahrung für Asylwerber (FRA 4.2017).
Quellen:
AI - Amnesty International (2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bulgaria ...;
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria ...;
EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix Report: Reception conditions, per E-Mail;
FRA - Fundamental Rights Agency (4.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. April 2017 monthly report. 1-31 May 2017 ...;
FRA - Fundamental Rights Agency (10.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. October 2017 monthly report. 1-30 September 2017 ...;
FRA - Fundamental Rights Agency (11.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. October 2017 monthly report. 1-31 October 2017 ...;
HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers ...;
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria ...
Versorgung
Gemäß der bulgarischen Gesetzgebung haben die Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Versorgung - Unterkunft und Verpflegung, soziale Unterstützung, Krankenversicherung, kostenlose medizinische Versorgung nach den Bedingungen und Regelungen wie bulgarische Staatsbürger, außerdem auf psychologische Unterstützung, Dolmetscher oder Dolmetsch-Hilfe (VB 13.11.2017).
Falls das Asylverfahren aus objektiven Umständen länger als 3 Monate dauert, haben die Asylwerber noch während des Asylverfahrens Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu Jobtrainings und Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen aber schwierig (AIDA 2.2017; vgl. VB 13.11.2017).
Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens, inklusive eines etwaigen Beschwerdeverfahrens. Die Aufenthaltsdauer in den Zentren ist gesetzlich nicht begrenzt. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht, sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie zu Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und zu Krankenversicherung, medizinischer Versorgung, psychologischer Versorgung und Bildung gegeben. Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen, während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden. Im Frühjahr 2015 wurde rückwirkend mit 1. Februar 2015 beschlossen, die Sozialhilfe für Asylwerber in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) nicht mehr auszubezahlen, weil die Asylwerber in den Zentren der SAR drei warme Mahlzeiten am Tag erhalten würden. Letzteres ist Berichten zufolge aber nicht immer zutreffend. Einige NGOs haben daher gegen diese Entscheidung gerichtliche Beschwerde erhoben, welche jedoch nicht zugelassen wurde. Wenn Antragsteller sich dem Verfahren entziehen, verlieren sie bei Rückkehr in der Praxis das Recht auf Versorgung (AIDA 2.2017).
Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Harmanli sowie Pastrogor. Die Kapazität der Unterbringungszentren liegt bei 5.190 Plätzen, von denen im Oktober 2017 etwa 18% belegt waren (AIDA 2.2017; vgl. FRA 11.2017).
Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren werden als ärmlich beschrieben, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen, variieren aber zum Teil erheblich von Zentrum zu Zentrum. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2017). Bulgarien bietet entsprechend der Flüchtlingskonvention ausreichende Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. Die Aufnahmezentren werden dahingehend immer wieder von NGOs auf Mindeststandards kontrolliert (VB 31.1.2017). In den meisten Aufnahmezentren gibt es weiterhin Bau- und Renovierungstätigkeiten (FRA 10.2017).
Seit Jänner 2016 können Antragsteller während ihres Asylverfahrens, in Übereinstimmung mit Art. 8(3)(a), (b), (d) und (f) der Neufassung der Aufnahmerichtlinie, auch geschlossen untergebracht werden, etwa aus Gründen der nationalen und öffentlichen Sicherheit. Dazu wurde von SAR ein geschlossenes Unterbringungszentrum geschaffen, der sogenannte "Block 3" des Schubhaftzentrums Busmantsi (60 Plätze). Darüber hinaus sind noch die Schubhaftkapazitäten Bulgariens zu nennen. Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze), Lyubimets (300 Plätze) und das geschlossene Verteilerzentrum Elhovo (240 Plätze). Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten werden kritisiert (AIDA 2.2017). Die bulgarischen Behörden verbessern weiterhin die Unterbringungsbedingungen in den beiden Schubhaftzentren (FRA 11.2017).
Das Zentrum in Pastrogor wird renoviert, um es in eine geschlossene Einrichtung umzuwandeln (FRA 4.2017). Es soll Ende 2017 eröffnet werden und etwa 300 Plätze haben. Es sei für Personen gedacht sein, welche die Hausordnung offener Zentren verletzt haben (FRA 10.2017).
Derzeit sind in Bulgarien untergebracht (Stand 16.11.2017): 934 Personen in offenen Zentren (18% Auslastung), 416 Personen in geschlossenen Zentren (42% Auslastung) und 348 privat (auf eigene Kosten). Das sind gesamt 1.698 Personen (VB 22.11.2017).
Wenn das Asylverfahren länger als drei Monate dauert, haben Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu Jobtrainings und Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen aber schwierig (AIDA 2.2017).
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria ...;
FRA - Fundamental Rights Agency (4.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. April 2017 monthly report. 1-31 May 2017 ...;
FRA - Fundamental Rights Agency (10.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. October 2017 monthly report. 1-30 September 2017 ...;
FRA - Fundamental Rights Agency (11.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. October 2017 monthly report. 1-31 October 2017 ...;
VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (13.11.2017): Auskunft SAR, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (22.11.2017): Bericht des VB, per E-Mail.
Medizinische Versorgung
Asylwerber in Bulgarien haben nach wie vor Zugang zu medizinischer Versorgung im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger, das umfasst auch den Zugang zu psychologischer/psychiatrischer Versorgung (VB 11.10.2017).
Asylwerber haben ein Recht auf dieselbe medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsbürger. SAR ist verpflichtet Asylwerber krankenzuversichern. In der Praxis haben Asylwerber damit mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren, da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist. In dieser Situation ist laut AIDA spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2017).
In der Praxis ist der Zugang zu geeigneter medizinischer Versorgung eingeschränkt durch den Mangel an medizinischem Personal in den Unterbringungszentren bzw. mangelnden Zugang zu Übersetzung (HHC 5.2017).
Die Zahl qualifizierter Psychologen zur Unterstützung Vulnerabler in Bulgarien ist gemäß der Asylbehörde SAR weiterhin ungenügend (FRA 10.2017). Die NGO "Zentrum NADYA" bietet auf Projektbasis psychologische Betreuung an. Eine zweite NGO (ACET) ist seit 2017 nicht mehr aktiv, weswegen zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Örtlichkeiten psychologische Betreuung nicht oder nur reduziert möglich ist (HHC 5.2017).
Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und -Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von diesen medizinisch bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum "Nadya", IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: Psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017a).
In Bulgarien besteht grundsätzlich die Möglichkeit, rezeptfreie Medikamente auch über das Internet zu erwerben (VB 26.4.2016).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
...
Quellen:
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria ...;
HHC - Hungarian Helsinki Committee (5.2017): Unidentified and Unattended. The Response of Eastern EU Member States to the Special Needs of Torture Survivor and Traumatised Asylum Seekers ...;
MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (26.4.2016): Auskunft SAR, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017a): Auskunft SAR, per E-Mail;
VB des BM.I Bulgarien (11.10.2017): Auskunft SAR, per E-Mail."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die beschwerdeführende Partei in Österreich über nahe Angehörige verfüge, die ihn sozial und finanziell unterstützen würden. Wenn die beschwerdeführende Partei tatsächlich nach Bulgarien abgeschoben werden sollte, wäre mit einer schweren psychischen Beeinträchtigung und dauerhaften psychischen Schäden zu rechnen. Das Bundesamt habe es unterlassen, ein entsprechendes Sachverständigengutachten einzuholen, weshalb die materielle Wahrheit nicht erforscht worden sei. Des Weiteren sei nicht ermittelt worden, welche privaten Interessen die beschwerdeführende Partei an einem Aufenthalt in Bulgarien habe. Außerdem hätten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien auch grundsätzlich kein Recht auf Unterbringung, Krankenversicherung sowie psychologische und soziale Hilfe, es sei denn, es handle sich um "vulnerable" (mit diesem missverständlichen Anglizismus sind offenbar "schutzbedürftige" Personen gemäß Art. 21 Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU gemeint) Personen.
Die beschwerdeführende Partei wurde am 26.04.2018 nach Bulgarien abgeschoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die beschwerdeführende Partei gelangte aus der Türkei über Bulgarien illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten und stellte dort am 07.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge gelangte die beschwerdeführende Partei illegal nach Österreich, wo er am 27.12.2017 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz einbrachte. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 03.01.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-Verordnung gestütztes Wiederaufnahmeersuchen mit dem Hinweis auf den EURODAC-Treffer an Bulgarien, welchem dieser Mitgliedstaat mit einem am 04.01.2018 eingelangten Schreiben gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zustimmte.
Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Bulgariens wieder beendet hätte, liegt nicht vor. Die beschwerdeführende Partei wurde am 26.04.2018 nach Bulgarien abgeschoben.
Besondere, in der Person der beschwerdeführenden Partei gelegene Gründe, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Bulgarien sprechen, liegen nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.
Zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei wird festgestellt, dass dieser an einem Brustwirbelsäulen-Syndrom, einem Infekt der oberen Atemwege sowie an Depressionen und Schlafproblemen leidet. Es wurde lediglich eine medikamentöse Therapie verordnet.
Die beschwerdeführende Partei verfügt in Österreich über Anknüpfungspunkte in Form seiner Schwiegereltern und seines Schwagers. Es liegen noch keine konkreten Schritte zur Integration in die österreichische Gesellschaft vor, wie etwa eine Deutschprüfung oder eine Erwerbstätigkeit.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes, insbesondere den Niederschriften.
Die beschwerdeführende Partei wies auf Berichte über einzelne Missstände im zuständigen Mitgliedstaat hin. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen.
Insbesondere wurden detaillierte Feststellungen zur Rechtslage und Vollzugspraxis im Bereich des Asyl- und Fremdenrechtes einschließlich der Versorgung von Asylwerbern in Bulgarien getroffen, darunter auch betreffend Rückkehrer nach der Dublin III-Verordnung, wobei neben vielen anderen Quellen auch Berichte seriöser nichtstaatlicher Organisationen berücksichtigt wurden.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zum Privat- und Familienleben der beschwerdeführenden Partei basieren auf dessen eigenen Angaben.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2018 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
...
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet."
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 56/2018 lautet:
"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-Verordnung) lauten:
Art. 3:
"(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) ..."
Art. 7 Abs. 1 und 2:
"(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt."
Art. 13 Abs. 1:
"(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."
Art. 17 Abs. 1:
"(1) Abweichend von Art. 3 Abs. 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt."
Art. 18 Abs. 1:
"(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:
a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;
b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;
d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen."
Art. 19 Abs. 2:
"(2) Die Pflichten nach Art. 18 Abs. 1 erlöschen, wenn der zuständige Mitgliedstaat nachweisen kann, dass der Antragsteller oder eine andere Person im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Buchstabe c oder d, um dessen/deren Aufnahme oder Wiederaufnahme er ersucht wurde, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, die betreffende Person ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels."
Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht dem Bundesamt bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Bulgariens ergibt. Dies folgt aus den Bestimmungen der Art. 13 Abs. 1 und Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung.
In einem Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 18 Dublin III-Verordnung findet eine neuerliche Überprüfung der Richtigkeit der seinerzeit erfolgten Zuständigkeitsbestimmung nicht mehr statt, es ist vielmehr primär zu prüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen wieder erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K 6 zu Art. 18). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung diese Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12). Im vorliegenden Fall gibt es für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Bulgarien keine Anhaltspunkte.
Die Zuständigkeit Bulgariens ist auch nicht wieder nachträglich erloschen. Es liegen nämlich keine ausreichenden Beweise oder Indizien dafür vor, dass die beschwerdeführende Partei das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten wieder für mindestens drei Monate verlassen hat (Art. 19 Abs. 2 Dublin III-Verordnung in Verbindung mit der Durchführungsverordnung, Anhang II, Verzeichnisse A Pkt. II.3. und B Pkt. II.3.).
Zu einer Verpflichtung Österreichs, vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung Gebrauch zu machen, wird bemerkt:
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Fremdenrechtspaket 2005 führen zu der damals geschaffenen Bestimmung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 Folgendes aus (952 BlgNR, 22. GP):
"Es ist davon auszugehen, dass diese Staaten Asylwerbern ein faires, den rechtsstaatlichen und völkerrechtlichen Vorschriften entsprechendes Asylverfahren einräumen. Im zweiten Erwägungsgrund der Präambel zur Dublin-Verordnung ist ausdrücklich festgehalten, dass sich die Mitgliedstaaten als "sichere Staaten" - insbesondere die Grundsätze des Non-Refoulements beachtend - für Drittstaatsangehörige ansehen. Daher normiert Abs. 3 eine Beweisregel, nach der der Asylwerber besondere Gründe vorbringen muss, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes sprechen. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH 19.02.2004, 99/20/0573, mwN auf die Judikatur des EGMR). Im Erkenntnis des VwGH vom 31.03.2005, 2002/20/0582, führt dieser - noch zum AsylG 1997 - aus, dass es für die Frage der Zulässigkeit einer Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat aufgrund des Dublin-Übereinkommens nicht darauf ankommt, dass dieser Mitgliedstaat dem Asylwerber alle Verfahrensrechte nach Art. 13 EMRK einräumt. Verlangt sei statt einer detaillierten Bewertung der diesbezüglichen Rechtslage des anderen Mitgliedstaats lediglich eine ganzheitliche Bewertung der möglichen Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch Österreich durch die Überstellung. Dabei ist auf die "real risk"-Judikatur des EGMR abzustellen. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen zu beziehen. Dies wird durch die neue Beweisregel des Abs. 3 für Verfahren nach § 5 hervorgehoben, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass die Be