Entscheidungsdatum
02.10.2018Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
G311 2198153-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2018, Zl. XXXX erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo und Serbien, beschlossen:
A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG und
§ 22 Abs. 1 BFA-VG nicht rechtmäßig.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Asylwerberin stellte am 25.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß
Zu ihren Fluchtgründen brachte sie zusammengefasst vor, ihren ursprünglichen Herkunftsstaat Kosovo im Zuge des Krieges in Richtung Serbien verlassen zu haben. In das Bundesgebiet sei sie illegal und schlepperunterstützt eingereist, da sie an Epilepsie und infolge eines Schlaganfalles vor 20 Jahren an Lähmungen der rechten Hand und des rechten Fußes leide. Sie könne schwer sprechen, habe einen Behinderungsgrad von 89 Prozent und sei pflegebedürftig. Ihr Sohn sowie dessen Ehegattin und Kinder würden sich bereits in Österreich aufhalten. Sie sei auf deren Pflege bereits in Serbien angewiesen gewesen. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie sich weiters vor ihren Nachbarn, die sie und ihren Sohn geschlagen hätten. Den Grund dafür vermute sie in einer "Drogensache" ihres Sohnes.
Es wurde im Verfahren vor der belangten Behörde eine Reihe von medizinischen Unterlagen vorgelegt.
Am 24.04.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren des Sohnes der Asylwerberin, seiner Ehegattin und seiner Kinder eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt. Die Asylwerberin war dazu als Zeugin geladen, konnte jedoch auf Grund ihres Gesundheitszustandes nicht befragt werden. Der Sohn der Asylwerberin und seine Ehegattin gaben im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, dass sie allesamt über eine serbisch-kosovarische Doppelstaatsbürgerschaft verfügen würden, dafür jedoch keine Nachweise hätten. Die gesamte Familie habe jedoch nur serbische Reisepässe gehabt. Die Asylwerberin halte sich schon seit 31 Jahren in Serbien bei ihrem Sohn und seiner Familie auf. Man habe gemeinsam zu acht in einem kleinen Haus gelebt, welches lediglich aus einem etwa 45 m² großen Wohnraum und einem kleinen Zimmer bestanden habe. Die Asylwerberin sei bereits in Serbien - überwiegend von der Schwiegertochter - gepflegt worden. Früher hätten sie auch mit dem Ehegatten der Asylwerberin zusammengewohnt. Dieser habe die gesamte Familie jedoch irgendwann aus der Unterkunft hinausgeworfen. Die Asylwerberin sei bereits seit 17 Jahren pflegebedürftig und habe bereits in Serbien Medikamente gegen Epilepsie erhalten.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 09.05.2018 wurde der Antrag der Asylwerberin vom 25.03.2017 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat "Kosovo, Serbien" gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), der Asylweberin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung nach "Kosovo, Serbien" gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Dennoch wurde in einem weiteren Spruchpunkt VI. der gegenständlichen Beschwerde gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2018, Zahlen G307 2188338-1/11E, G307 2188333-1/12E, G307 2188332-1/12E, G307 2188334-1/12E, G307 2188340-1/12E, G307 2188341-1/13E und G307 2188335-1/15E wurden die Beschwerden des Sohnes der Asylwerberin, seiner Ehegattin sowie seiner fünf minderjährigen Kinder gegen die Abweisung ihrer jeweiligen Anträge auf internationalen Schutz, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung mit der Maßgabe abgewiesen, dass ihre Abschiebung ausschließlich nach Serbien für zulässig erklärt und der jeweilige Spruchpunkt V. zur Erteilung einer Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG bei gleichzeitiger Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben wurde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31.07.2018, G311 2198153-1, wurde die Beschwerde gegen den die Asylwerberin betreffenden Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018 abgewiesen.
Zusammengefasst wurden folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:
Die Asylwerberin ist Doppelstaatsbürgerin von Serbien und des Kosovo, Angehörige der Volksgruppe der Roma und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Ihre Muttersprache ist Albanisch.
Sie ist verheiratet, lebt aber offenbar von ihrem Ehegatten seit Jahren getrennt. Zur nach wie vor in Serbien lebenden Tochter besteht kein Kontakt Sie verfügt weder über ein Schul- noch eine Berufsausbildung und ist bisher auch keinem Beruf nachgegangen.
Die Asylwerberin lebt seit über 30 Jahren mit ihrem Sohn und in weiterer Folge auch mit der Schwiegertochter und ihren Enkeln im gemeinsamen Haushalt in Serbien bzw. zweitweise auch im Kosovo und bedarf seit mindestens 17 Jahren fremder Hilfe. Die überwiegende Zeit davon, zumindest 13 Jahre, kümmerte sich die Schwiegertochter um die Asylwerberin.
Es konnte nicht festgestellt werden, wann konkret die Asylwerberin nunmehr Serbien verließ, sie reiste eigenen Angaben nach etwa am 04.03.2017 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie - unterstützt durch ihren Sohn - am 25.03.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seither hält sie sich ohne Unterbrechung im Bundesgebiet auf und lebt auch hier im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn und dessen Familie.
Zum Entscheidungszeitpunkt leidet die Asylwerberin an folgenden Krankheiten:
* Symptomatische Epilepsie mit fokalen und sekundär generalisiert tonisch klonischen Anfällen (G40.1);
* Grand mal Anfall bei bekannter Epilepsie (R55);
* ausgeprägte Hypothyreose (TSH ? 100) bei Zustand nach Tyreoidektomie 08/2017 (E89.0) bei fokal tonisch klonischem Krampfgeschehen bei bekannter Epilepsie (G40.6);
* papilläres Mikrokarzinom im rechten Schilddrüsenlappen (pT1a L0 V0 R0 pN0 (0/2), diffuse C-Zell Hyperplasie (C73);
* pulmonaler Rundherd Oberlappenbasis links, am ehesten Harmartrom (laufende pulmonologische Kontrollen) (D38.1);
* Dysphagie bei Recurrenspares links postoperativ (R13);
* Spastische Hemiparese rechts bei periventrikulärer Leukomalazie und Verdacht auf frühkindlichen hypoxischen Hirnschaden (I63.9)
* Status epilepticus
* Schluckbeschwerden
* Zustand nach Tuberkulose ohne bakteriologische oder histologische Sicherung (pos. Elispot) (A16.9)
* Zustand nach Insult (anamnestisch vor ca. 20 Jahren Hemiplegie rechts)
* Der Asylwerberin wurden zuletzt die folgenden Medikamente (in wechselnder Dosierung) verordnet:
* TEGRETOL RETARD Filmtabletten in 200mg und 400mg Dosierungen (Wirkstoff: Carbamazepin)
* LEVEBON Filmtabletten 500 mg (Wirkstoff: Levetiracetam)
* NOVALGIN Tropfen (Wirkstoff: Metamizol-Natrium)
Die Asylwerberin leidet an wiederkehrenden Krampfanfällen und epileptischen Anfällen und befindet sich deswegen immer wieder in stationärer Behandlung. Sie leidet weiters an einer (Teil-)Lähmung (Hemiparese) des rechten Armes und des rechten Beines infolge eines Schlaganfalles vor vielen Jahren.
Wegen eines Schilddrüsen-Karzinoms musste ihr die Schilddrüse entfernt werden. Im Zuge dessen kam es zu einer Schädigung des Recurrensnerves, welcher die Bewegungsanweisungen für die inneren Kehlkopfmuskeln vom Gehirn zum Kehlkopf leitet und somit für die Stimmgebung und Atmung wichtig ist. Zum Entscheidungszeitpunkt ist sie nicht in der Lage zu sprechen und hat weiters bedingt durch diese Nervenschädigung Schluckbeschwerden (vgl aktenkundiges Konvolut an medizinischen Befunden). Wegen der ehemals bestehenden Tuberkulose-Erkrankung und eines bestehenden Lungenherdes finden zeitweise lungenfachärztliche Kontrollen bei der Asylwerberin statt.
Sie wurde wegen ihrer epileptischen Anfälle und aus dem Schlaganfall resultierenden Lähmungen bereits in Serbien medizinisch behandelt.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Asylwerberin an einer per se lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die in Serbien oder im Kosovo nicht behandelbar ist.
Bis auf den Sohn, die Schwiegertochter und die Enkel hat sie im Bundesgebiet keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte. Deren Anträge auf internationalen Schutz wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2018, Zahlen G307 2188338-1/11E, G307 2188333-1/12E, G307 2188332-1/12E, G307 2188334-1/12E, G307 2188340-1/12E, G307 2188341-1/13Eund G307 2188335-1/15E, ebenso als unbegründet abgewiesen und gegen diese eine Rückkehrentscheidung nach Serbien getroffen.
Die Asylwerberin ging in Österreich (wenn auch aufgrund ihrer schweren Erkrankungen kaum möglich) bisher keiner Erwerbstätigkeit nach. Sie lebte aus den Mitteln der staatlichen Grundversorgung. Auch sonst konnten keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer maßgeblichen Integration in gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und sprachlicher Hinsicht festgestellt werden.
Die Asylwerberin ist in ihren Herkunftsstaaten nach ihren eigenen Angaben nicht vorbestraft oder inhaftiert worden. Sie hatte mit den Behörden der Herkunftsstaaten weder aufgrund ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme.
Sie hat Serbien aufgrund ihres Gesundheitszustandes und ihrer Pflegebedürftigkeit verlassen, da auch ihr Sohn zuvor mit seiner Familie Serbien verließ und die Asylwerberin, die auf die Pflege und Hilfe ihres Sohnes und ihrer Schwiegertochter angewiesen ist, allein in Serbien zurückließ. Die Asylwerberin hat Serbien daher aus persönlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen verlassen. Im Kosovo lebt sie schon seit langem nicht mehr.
Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen der Herkunftsstaaten konnte hingegen nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass die Asylwerberin im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Serbien oder Kosovo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in die Herkunftsstaaten entgegenstehen würden. Der Wunsch der Asylwerberin nach besserer medizinischer Versorgung ist asylrechtlich nicht relevant. Unabhängig davon sind die gesundheitlichen Beschwerden der Asylwerberin sowohl in Serbien als auch im Kosovo behandelbar.
Die gesundheitlichen Probleme der Asylwerberin weisen auch nicht jene besondere Schwere auf, die nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK eine Abschiebung als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Es ist insbesondere nicht anzunehmen, dass sich etwa die Asylwerberin in dauernder stationärer Behandlung befände oder auf Dauer nicht reisefähig wäre. Laut den schon dargestellten Länderfeststellungen stehen in Serbien und im Kosovo für die bei der Asylwerberin vorliegenden Erkrankungen eine medizinische Behandlung zur Verfügung. Nach der Rechtsprechung zu Art. 3 EMRK wäre es schließlich auch unerheblich, wenn etwa die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver wäre als im abschiebenden Staat.
Die Asylwerberin stellte bei der Polizeiinspektion XXXX am 03.09.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.
Am 03.09.2018 wurde sie aufgrund der neuerlichen Antragstellung, niederschriftlich einvernommen (Erstbefragung nach dem AsylG). Der Niederschrift ist zu entnehmen, dass sie selbst nicht in der Lage ist zu sprechen. Sie ist bei der Polizeiinspektion mit ihrem Sohn erschienen, er übersetzte für sie und machte für seine Mutter Angaben, sie kommentierte diese Angaben durch Kopfnicken bzw. mit Handzeichen. Zu ihren Fluchtgründen gab er an, ihre Fluchtgründe hätten sich insofern geändert, als sie von der Familie ihres Sohnes abhängig sei, die Asylwerberin sei sehr krank und auf die Familie ihres Sohnes angewiesen. Sie benötige Therapien und medizinische Versorgung, in Serbien habe sie zu diesen aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit keinen Zugang.
Bei ihrer Befragung am 17.09.2018 vor der belangten Behörde unter Beiziehung ihres Sohnes gab die Asylwerberin an (sie konnte wiederum nicht selbst antworten), dass sie von ihrer Schwiegertochter gepflegt werde, da ihre rechte Seite gelähmt sei. Die Schwiegertochter wasche sie und gehe mit ihr auf die Toilette.
Mit Mitteilung gemäß § 29 Abs. 3 AsylG vom 17.09.2016 wurde die Asylwerberin darüber informiert, dass beabsichtigt sei, ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Die Asylwerberin wurde am 20.09.2018 aufgrund eines epileptischen Anfalles in der neurologischen Notfallambulanz des Uniklinikums XXXX aufgenommen. Sie wurde am gleichen Tag wieder entlassen.
Wie dem aktenkundigen Entlassungsschein des Uniklinikums XXXX vom 26.09.2018 entnommen werden kann, befand sich die Asylwerberin von 22. bis 26.09.2018 auf der Universitätsklinik für Neurologie.
Weiters kann einem aktenkundigen Email der belangten Behörde vom 26.09.2018 entnommen werden, dass sich die Schwiegertochter der Asylwerberin ebenfalls im Krankenhaus befindet und ein Entlassungstermin noch nicht bekannt ist.
Die Asylwerberin wurde am 27.09.2018 neuerlich vor die belangte Behörde geladen. Sie erschien in Begleitung ihres Sohnes, der wieder für sie antwortete.
Mit mündlich verkündetem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2018 wurde der faktische Abschiebeschutz der Asylwerberin gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben und dies in der Niederschrift gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 beurkundet. Begründend wurde ausgeführt, die Anträge ihres Sohnes, ihrer Schwiegertochter und ihrer Enkelkinder seien ebenfalls wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden. Die ihre Person betreffende Lage habe sich in Serbien seit Rechtskraft des ersten Asylverfahrens am 01.08.2018 nicht geändert. Ihr nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden. Da ihr Sohn, ihre Schwiegertocher und ihre Enkelkinder ebenfalls von aufenthaltsbeenden Maßnahmen betroffen seien, liege kein Eingriff in das Familienleben vor. Eine entscheidungsrelevante Änderung des Privat- und Familienlebens habe sich auch nicht ergeben.
Die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langten am 01.10.2018 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein, worüber das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit Mitteilung vom selben Tag informiert wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der oben festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
2. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG 2005 lautet:
§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn
1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,
2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,
3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und
4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.
(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und
3. darüber hinaus
a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;
b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder
c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.
Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.
(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn
1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder
2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.
Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.
(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.
(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.
Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 ergehen Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.
Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes " betitelte § 22 BFA-VG lautet:
§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.
Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005 im vorliegenden Fall:
Dem gegenständlichen Verfahren liegt ein Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 zugrunde. Ein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 liegt nicht vor.
Über die Asylwerberin wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, welche am 01.08.2018 in Rechtskraft erwuchs. Die Asylwerberin hat seither das Bundesgebiet nicht verlassen.
Das Bundesamt hat es gegenständlich unterlassen, eine konkrete Abklärung der derzeitigen gesundheitlichen Situation der Asylwerberin, der notwendigen Behandlungsschritte und ihrer zu erwartenden Situation in Serbien vorzunehmen, zumal sich die sie pflegende Schwiegertochter zur Zeit in einem Krankenhaus in Österreich befindet.
Zwar trifft es zu, dass im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.07.2018 dem Grunde nach festgestellt worden ist, dass die gesundheitliche Situation der Asylwerberin kein Hindernis für eine Rückkehr in den Herkunftsstaat begründet, zumal auch dort Behandlungsmöglichkeiten für das vorliegende Beschwerdebild bestehen würden und der sie im Herkunftsstaat bis zu ihrer Ausreise in medizinischer Betreuung gestanden hätte. Den vorgelegten Befunden habe sich nicht entnehmen lassen, dass sie sich zum Entscheidungszeitpunkt an einem schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheitsbild leiden würde oder eine Behandlung benötigen würde, welche in seinem Herkunftsstaat nicht zur Verfügung stünde.
Durch das Bundesamt wäre jedoch im Lichte der obigen Ausführungen zu klären gewesen, wie die Pflege der Asylwerberin ohne die Schwiegertochter erfolgen könnte, um die Beurteilung zu ermöglichen, ob eine Rückkehr in den Herkunftsstaat zum gegenwärtigen Zeitpunkt allenfalls eine Verletzung ihrer Rechte insbesondere gemäß Artikel 8 EMRK bewirken würde.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gesundheitlichen Problemen und den Verhältnissen im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens im Rahmen einer Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK auch unter der Schwelle von § 50 FPG eine Bedeutung zukommen können (vgl. dazu insbesondere VwGH 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101; VwGH 14.04.2016, Zl. 2016/21/0033; VwGH 17.12.2003, Zl. Ra 2015/21/0119).
Dem Bundesverwaltungsgericht ist es im Entscheidungszeitpunkt innerhalb der kurzen Entscheidungsfrist nicht möglich abschließend beurteilen, ob die Abschiebung der Asylwerberin keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist somit angesichts der Ermittlungsmängel und nicht aussagekräftigen Beweiswürdigung des Bundesamtes in Bezug auf den aktuellen Gesundheitszustand und die Umstände der Pflege nicht rechtmäßig.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da die in der vorliegenden Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 133 Abs. 4 V-BVG aus.
Schlagworte
Behandlungsmöglichkeiten, Ermittlungspflicht, faktischerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G311.2198153.2.00Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018