Entscheidungsdatum
03.10.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W247 1259578-4/8E
BESCHLUSS
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Beschwerdeführer ist russischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Tschetschenen und der Glaubensrichtung des Islam zugehörig.
I. Verfahrensgang:
1. Vorverfahren:
1.1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 28.02.2005 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.03.2005 wurde mit Polen ein Konsultationsverfahren eingeleitet und der Asylantrag des BF gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen. Der Bescheid wurde am 25.03.2005 rechtmäßig zugestellt. Der Beschwerde dagegen wurde mit UBAS-Bescheid vom 06.09.2005, Zl. XXXX, stattgegeben und der erstinstanzliche Bescheid behoben. Mit Bescheid vom 04.09.2006 wurde der Asylantrag des BF abgewiesen und der BF in die Russische Föderation ausgewiesen. Der gegen diese Entscheidung verspätet eingebrachten Beschwerde und dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden mit Bescheid des UBAS vom 17.12.2007, Zl.XXXX entsprochen und dem BF der Status des anerkannten Flüchtlings verliehen.
1.2. Am 18.03.2010 wurde - aufgrund zahlreicher Straftaten und Verurteilungen in Österreich - ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Der Bescheid gem. § 7 (Asylaberkennung) wurde am 03.05.2010 rechtswirksam zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
2. Zweiter und gegenständlicher Antrag auf internationalen Schutz:
2.1. Am 12.06.2018 brachte der BF einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein.
2.2. Der BF brachte im Rahmen seiner Erstbefragung zusammengefasst vor, er habe von 2005 bis 2014 mit seiner Mutter in Österreich gelebt. Er habe leider keine Arbeit gefunden und auch keine Ausbildung absolvieren können. Seine Mutter hätte ihn dazu veranlasst in seine Heimat zurückzukehren. Dies wäre die falsche Entscheidung gewesen. Er habe in Tschetschenien nach seiner Rückkehr Probleme russischen Sicherheitskräften ("Kadirovs Leuten") bekommen. Sie hätten ihn mehrere Male verhaftet, geschlagen und befragt. Dabei wäre es um seinen damaligen Ausreisegrund gegangen. Der BF habe sich in Tschetschenien wie ein Asylwerber gefühlt. Aus Angst um sein Leben habe er beschlossen nach Österreich zurückzukehren. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er von Kadirovs Leuten verschleppt zu werden.
2.3. Im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 21.06.2018 macht der BF zusammenfassend geltend, dass er in XXXX geboren und auch dort aufgewachsen sei. Der BF sei russischer Staatsangehöriger und der Glaubensrichtung des Islam zugehörig. Er hätte in XXXX von 1993 bis 2002 die Grundschule besucht. Im Jahr 2005 hätte er seine Heimat verlassen, wäre aber am 26.11.2014 freiwillig in seine Heimat Tschetschenien zurückgekehrt. Er hätte bis zur gegenständlichen Ausreise immer in XXXX an der XXXX gewohnt. Nach seiner Rückkehr hätte sich auch die Polizei in Tschetschenien für ihn interessiert. Da der BF keine Arbeit fand und Probleme mit den heimatlichen Behörden hatte, möchte er wieder Asyl haben und hier wieder arbeiten.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde (BFA) vomXXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Georgien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist (Spruchpunkt III., IV., V) und ausgesprochen, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt wird.
2.3. Mit Eingabe vom 31.07.2018 brachte der gewillkürte Vertreter des Beschwerdeführers fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde ein.
2.4. Die Beschwerdevorlage wurde von der belangten Behörde am 03.08.2018, mit 06.08.2018 hg einlangend, an das BVwG übermittelt.
2.5. Mit Beschluss des BvWG vom 13.08.2018 wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt.
3. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
4. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den behördlichen Verwaltungsakt unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des BF, des Bescheidinhaltes, sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu Spruchpunkt A:
2. Zurückverweisung gem. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG
2.1. § 28 VwGVG lautet:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 2 2. Satz VwGVG (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0167: "Tatsachenbereich") (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 Anm. 11).
2.2. § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.1.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.5.1985, 84/08/0085).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere Folgendes ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c Abs. 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der ‚obersten Berufungsbehörde' beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
Es besteht kein Grund zur Annahme, dass sich die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf die neue Rechtslage übertragen ließe. Es liegt weiterhin nicht im Sinne des Gesetzes, wenn das Bundesverwaltungsgericht erstmals den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ermittelt und beurteilt, sodass es seine umfassende Kontrollbefugnis nicht wahrnehmen kann. Eine ernsthafte Prüfung des Antrages soll nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden.
2.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und folgende für die Auslegung des § 28 VwGVG maßgeblichen Gesichtspunkte aufgezeigt:
Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht komme nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, auch dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Der Verfassungsgesetzgeber habe sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I 51, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stelle die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis stehe diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe, wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlange das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck finde, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werde. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen würde daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt habe. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Annahme bestünden, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH 26.11.2003, 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung, ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (vgl. VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 mwN, 14.421/1996, 15.743/2000).
2.4. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:
2.1. Die von der von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderte ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers ist im gegenständlichen Fall unterblieben und die belangte Behörde hat einen antragsbedürftigen Bescheid erlassen, obwohl kein diesbezüglicher Antrag vorliegt und dadurch das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt ist.
Die Spruchpunkte II. und V. des angefochtenen Bescheides beziehen sich unzweifelhaft auf den Herkunftsstaat Georgien. Gem. § 2 Z 13 AsylG 2005 bildet der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten bei Nichtzuerkennung mit dem Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten eine Gedankeneinheit. Die Anführung Georgiens im Spruchpunkt II. (Antrag auf subsidiären Schutz) führt daher zum objektiven Verständnis, dass im Spruchpunkt I. (Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten) über den gegenständlichen Asylantrag auch in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgesprochen worden ist. Asyl ist nämlich nur in Hinblick auf den Heimatstaat zu gewähren und der subsidiäre Schutz nur zu prüfen, wenn Asyl nicht gewährt wurde (vgl. § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Z 13 AsylG 200). Ein anderes Ergebnis wäre auch mit dem nicht berichtigbaren Wortlaut unvereinbar und würde zu einem gedanklich inkonsistenten Bescheidspruch führen. Aufgrund des sprachlich exakt gefassten Spruchs ist objektiv und zweifelsfrei davon auszugehen, dass die behördliche Entscheidung sich mit allen Spruchpunkten auf den Herkunftsstaat Georgien bezieht. Darüber hinaus legt die belangte Behörde auf Seite 15 ihrer Entscheidung die Feststellung zu Grunde, dass keine existenzbedrohende Notlage des BF im Falle seiner Rückkehr nach Georgien zu erwarten ist. Damit widerspricht die belangte Behörde gleichzeitig ihren eigenen an anderer Stelle (siehe Seite 13) des angefochtenen Bescheides getroffenen Feststellungen zur Person des BF hinsichtlich seines Herkunftslands Russische Föderation.
Die Auslegung des Parteivorbringens nach dem objektiven Erklärungswert ergibt jedoch ganz klar, dass eine Entscheidung in Hinblick auf den Herkunftsstaat russische Föderation beantragt wurde (vgl. VwGH vom 6.11.2006, 2006/09/0094). Dem erklärten Willen einer Partei darf in Verwaltungsverfahren aber keine andere Bedeutung als die gewollte beigemessen werden (vgl. VwGH vom 20.11.2011 2009/1/0269). Erlässt die Behörde einen antragsbedürftigen Bescheid, obwohl kein diesbezüglicher Antrag vorliegt, wird dadurch das Recht auf das Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt (vgl. VfGH vom 28.09.2013 B307/63 und VwGH vom 20.09.2012, Zl. 2011/07/0149). Im Übrigen belasten auch die Widersprüche zwischen Spruch und Begründung die gesamte Entscheidung mit Rechtswidrigkeit.
Eine Entscheidung des BVwG in der Sache bezogen auf die russische Föderation würde im Übrigen der Partei rechtswidrig eine Instanz in der Sachfrage nehmen (vgl. VwGH vom 20.03.2012, Zl. 2012/11/0013).
Im vorliegenden Fall konnte die Verhandlung im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war.
Der Bescheid war daher in seiner Gesamtheit wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
3. Zum Spruchteil B Unzulässigkeit der Revision:
4.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
4.2. Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
4.3. Die Revision ist im konkreten Fall ausfolgenden Gründen nicht zulässig: Parteivorbringen ist abstrakt nach dem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. VwGH vom 24.01.1994). Die Auslegung von in Verhandlungsschriften protokollierten Vorbringens ist nicht reversibel (vgl. VwGH vom 18.05.2016 RA 2016/04/001). Die Auslegung von Bescheiden ist eine Frage des Einzelfalls (vgl. VwGH vom 24.10.1986 84/17/0208).
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W247.1259578.4.01Zuletzt aktualisiert am
26.11.2018