Entscheidungsdatum
04.10.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W166 2003742-2/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX, geb. XXXX, vom 02.10.2018 auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur weiteren Führung des Verfahrens nach dem Verbrechensopfergesetz im Rahmen ihres Beschwerdeverfahrens wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, betreffend den am 16.10.2012 gestellten Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz, beschlossen:
A)
Dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG stattgegeben und die Verfahrenshilfe im Umfang der Beigebung eines Rechtsanwalts/einer Rechtsanwältin für die am 06.11.2018 anberaumte mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der notwendigen Barauslagen, die von dem der Antragstellerin beigegebenen Rechtsanwalt/der Rechtsanwältin gemacht worden sind, bewilligt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die Antragstellerin brachte am 16.10.2012 einen Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Ersatz des Verdienstentganges, Heilfürsorge im Sinne von psychotherapeutischer Krankenbehandlung und Übernahme von Selbstbehalten, Orthopädischer Versorgung in Form von Zahnersatz und Brille sowie Rehabilitation beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), ein.
Mit Bescheid vom 15.11.2013 bewilligte die belangte Behörde die Übernahme zur Aufarbeitung der durch den Vorfall vom 26.12.2010 erlittenen psychischen Schädigung entstehenden Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung ab Behandlungsbeginn (Jänner 2011).
Die Entscheidung über die weiteren Anträge der Antragstellerin blieb vorbehalten.
Am 29.01.2014 erhob die Antragstellerin eine Säumnisbeschwerde.
Nach Durchführung eines umfassenden Ermittlungsverfahrens, welches die Einholung diverser Sachverständigengutachten und Ergänzungsgutachten zum Gegenstand hatte, wurden die übrigen Anträge der Antragstellerin vom 16.10.2012 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG), Zl. W166 2003742-1, vom 21.09.2016 mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach dem VOG als unbegründet abgewiesen.
Mit Erkenntnis vom 23.11.2017, Zl. Ra 2016/11/0160, hob der Verwaltungsgerichtshof die bundesverwaltungsgerichtliche Entscheidung vom 21.09.2016 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass die Antragstellerin offenbar nur eingeschränkt der Deutschen Sprache mächtig sei und insbesondere das juristische und medizinische Fachvokabular nicht verstehe. Das Bundesverwaltungsgericht hätte dem nachgehen, weitere Ermittlungen in diese Richtung anstellen und gegebenenfalls für die Beiziehung eines Dolmetschers sorgen müssen.
Am 28.08.2018 beraumte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung für den 06.11.2018 an, für welche die betraute Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie als auch ein Dolmetscher für die Sprache Englisch geladen wurden.
Mit E-Mail vom 01.10.2018, einlangend beim Bundesverwaltungsgericht am 02.10.2018 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Verfahrenshilfe zur Vertretung bei der mündlichen Verhandlung, zur Befreiung von den Gerichtsgebühren, den Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichts, den Gebühren von Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, den notwendigen Barauslagen, die von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter gemacht worden sind und den Reisekosten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S. 4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenshilfe unterliegt somit der Einzelrichterzuständigkeit.
Zu A) Verfahrenshilfe:
(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch das Erk. des VwGH vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.
Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Aus den von der Antragstellerin vorgelegten Vermögensbekenntnis ergibt sich, dass die Antragstellerin vermögenslos ist und als monatliches Einkommen Mindestsicherung in Höhe von € 863,04 bezieht, gemäß der Existenzminimum-Tabelle des Bundesministeriums für Justiz sohin ein Einkommen unter der Existenzminimumgrenze bezieht.
Zu einer weiteren Klärung der Rechtssache wurde für den 06.11.2018 eine mündliche Verhandlung anberaumt. Das bundesverwaltungsgerichtliche Ermittlungsverfahren ist demnach noch nicht abgeschlossen und können daher Aussagen zu Erfolgsaussichten derzeit nicht getätigt werden.
Im konkreten Fall erfüllt die Antragstellerin daher unstrittig das in § 8a Abs. 1 leg. cit. als Voraussetzung festgehaltene persönliche Kriterium der geringen Vermögensverhältnisse und ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht offenbar mutwillig oder aussichtslos.
Letztlich ist jedenfalls davon auszugehen, dass das anhängige Beschwerdeverfahren für die Antragstellerin erhebliche Bedeutung hat. Im Rahmen einer Gesamtabwägung, in welche auch ihr bisheriger, teilweise unbeholfener Verkehr mit der Behörde und auch dem Bundesverwaltungsgericht einfließt, ist im konkreten Fall von einem Überwiegen jener Umstände auszugehen, die die Gewährung der Verfahrenshilfe im Ausmaß der rechtsanwaltlichen Vertretung für die anberaumte mündliche Verhandlung für geboten erscheinen lassen.
Da die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, war somit spruchgemäß zu entscheiden und Verfahrenshilfe im genannten Ausmaß zu gewähren.
Zu den übrigen beantragten Befreiungen ist auszuführen, dass im gegenständlichen Verfahren weder Gerichtsgebühren, noch Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichtes, noch Gebühren von Zeugen, Übersetzer und/oder Beisitzer anfallen. Hinsichtlich der Sachverständigen- und Dolmetschergebühren ist festzuhalten, dass die Antragstellerin von solchen im gegenständlichen Verfahren ohnehin befreit ist. Allfällige Reisekosten sind gemäß § 26 Abs. 5 VwGVG iVm den entsprechenden Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes ersatzfähig.
Die Bestellung eines Rechtsanwaltes/einer Rechtsanwältin als Verfahrenshelfer/in erfolgt gesondert durch die Rechtsanwaltskammer.
Die Verfahrenshilfe genießende Partei hat sich mit dem/der als Verfahrenshelfer/in bestellten Rechtsanwalt/Rechtsanwältin unverzüglich in Verbindung zu setzen und ihm/ihr alle ihre Rechtsangelegenheiten betreffenden Schriftstücke zur Verfügung zu stellen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verfahrenshilfe, VermögensverhältnisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W166.2003742.2.00Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018