Entscheidungsdatum
04.10.2018Norm
AsylG 2005 §55Spruch
L508 1430619-5/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG über die Beschwerde des
XXXX, StA. Pakistan, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß §§ 27, 28 Abs. 2 VwGVG aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang und Sachverhalt
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), stellte nach illegaler Einreise am 11.10.2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde im Rechtsmittelweg hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; des Weiteren wurde der Beschwerdeführer nach Pakistan ausgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das in dieser Sache ergangene Erkenntnis des Asylgerichtshofes E13 430.619-1/2012-5E vom 02.01.2013, und die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen. Jene Entscheidung erwuchs in Rechtskraft mit 15.01.2013.
2. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und brachte am 22.01.2016 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein. Das BFA wies zunächst - ohne Durchführung einer weiteren Einvernahme - mit einem ersten Bescheid vom 22.11.2016 diesen Antrag wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung. In Erledigung einer dagegen erhobenen Beschwerde wurde jener Bescheid vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 12.12.2016, L516 1430619-2/3E, gem § 24 Abs 2 und 3 AsylG ersatzlos behoben, da sich der Beschwerdeführer dem Verfahren entzogen hatte und der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststand. Das BFA wies mit einem zweiten Bescheid vom 21.04.2017 den Antrag erneut gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides). Das BFA erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt. Einer gegen diesen Bescheid vom 21.04.2017 vom Beschwerdeführer erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 22.05.2017, L516 1430619-3/6E, gem § 21 Abs 3 BFA-VG wegen fehlender Sachverhaltsermittlungen statt und jener Bescheid wurde behoben. Nach nochmaliger Einvernahme des BF wies das BFA mit Bescheid vom 24.08.2017 den Antrag erneut gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides). Das BFA erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II). Das BFA sprach zudem aus, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt III). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt. Dieser Bescheid wurde im Rechtsmittelweg bestätigt und wurde die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I gemäß § 68 Abs 1 AVG als unbegründet abgewiesen sowie hinsichtlich Spruchpunkt II und III gemäß §§ 10 Abs 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 52 und 55 Abs 1a FPG als unbegründet abgewiesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das in dieser Sache ergangene Erkenntnis des BVwG L516 1430619-4/2E vom 25.09.2017, und die dortigen Entscheidungsgründe verwiesen. Jene Entscheidung erwuchs in Rechtskraft mit 28.09.2017.
3. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung abermals nicht nach und brachte am 25.10.2017 beim BFA einen Antrag gem. § 55 Abs. 1 AsylG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK. Gleichzeitig stellte er einen Antrag gem. § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 Abs. 1 AsylG-DV, da es ihm mangels Kooperationsbereitschaft der pakistanischen Botschaft nicht möglich sei, ein Reisedokument vorzulegen. Seinen Antrag begründete er im Wesentlichen mit seiner über 5-jährigen Aufenthaltsdauer, dem Vorliegen von Deutschkenntnissen und einer Erwerbstätigkeit. In der Einvernahme am 30.03.2018 befragt gab er an, dass er seinen Lebensunterhalt durch seine Arbeit als Koch verdiene. Sein monatliches Einkommen betrage ca. € 500,- bis € 600,-. An seinen persönlichen Verhältnissen habe sich im letzten halben Jahr nichts geändert. Er habe vor, einen B1 Deutschkurs zu besuchen. In Österreich lebe er seit 6 Jahren.
Der Beschwerdeführer legte seinem Antrag - neben dem Formular der belangten Behörde zur Erteilung des verfahrensgegenständlichen Titels - auch noch bei:
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Zusatzantrag gem. § § 4 Abs. 1 Z 3 iVm § 8 Abs. 1 AsylG-DV
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Wohnrechtsvereinbarung
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Arbeitsvorvertrag mit der XXXX
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Melderegisterauszug
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ÖSD Zertifikat A2 vom 11.10.2016
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ÖSD Zertifikat A1 vom 18.07.2013
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Firmenbuchauszug der XXXX, deren Kommanditist Sie sind
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Versicherungsdatenauszug vom 20.10.2017
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Geburtsurkunde vom 04.02.2013 samt beglaubigter Übersetzung
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Empfehlungsschreiben des Präsidenten des Vienna Gladiators Cricket Club
4. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid des BFA, Regionaldirektion Wien, vom 15.05.2018, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Absatz 1 AsylG aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen.
Die belangte Behörde führte im Bescheid aus, dass die Identität des BF feststehe. Seit der rechtskräftig negativen Rückkehrentscheidung des BVwG vom 25.09.2017 halte sich der BF illegal im Bundesgebiet auf. Seit der Entscheidung des BVwG vom 25.09.2017 hätten keine maßgeblichen, insbesondere über die bereits im Entscheidungszeitpunkt hinausgehenden Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden können.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe weder eine körperliche noch eine geistige Beeinträchtigung geltend gemacht. Eine akute lebensbedrohende Krankheit, welche eine Überstellung nach Pakistan gemäß der Judikatur des EGMR verbieten würde, liege gegenständlich nicht vor. Auch könne nicht festgestellt werden, dass sich der Gesundheitszustand im Falle einer Überstellung nach Pakistan verschlechtern würde. In gesundheitlicher Hinsicht sei zuletzt am 07.04.2017 folgende Diagnosen gestellt: rezidivierender Ulcus cruris; chron. Ulcus cruris UE; chron. Venöse Insuffizienz;
Eisenmangel-Anämie; Hypertrigliceridämie; Hypercholesterinämie;
Hypovitaminosis-D; postthrombotisches Syndrom. Der Antragsteller befinde sich nicht in stationärer Behandlung und konsultiere ungefähr einmal im Monat oder wenn er Schmerzen habe einen Arzt für Allgemeinmedizin und erhalte Medikamente und einen Spray. Sein gesundheitlicher Zustand werde immer besser. Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes könne ihm eine Behandlung in Pakistan zugemutet werden und stelle sein Gesundheitszustand keine derartige Beeinträchtigung dar, welche seine Rückbringung nach Pakistan im Lichte des Art 3 EMRK unzulässig machen würde. Das Bundesverwaltungsgericht habe auch festgestellt, dass er den überwiegenden Teil seines Lebens in seinem Heimatland verbracht habe und dort sozialisiert wurden. Seine engsten Familienangehörigen (Mutter, Ehefrau, Tochter, Geschwister) leben nach wie vor in Pakistan und es deutet nichts darauf hin, dass es ihm im Falle einer Rückkehr nicht möglich wäre, sich erneut in die dortige Gesellschaft zu integrieren.
Zum Privat- und Familienleben hätten sich im Vergleich zum Asylverfahren keine relevanten Änderungen ergeben und sei kein maßgeblich geänderter Sachverhalt iSv nova producta feststellbar. Das BFA stellte ferner fest, dass seit Erlassung der Rückkehrentscheidung am 25.09.2017 keine maßgebliche Änderung seine Privat- und Familienlebens aufgetreten sei. Dies habe er selbst in der Einvernahme am 30.03.2018 bestätigt. Alle von ihm vorgebrachten Integrationsschritte seien bei Erlassung der Rückkehrentscheidung bereits bekannt gewesen und hätten nicht zu einer Interessensabwägung zu seinen Gunsten geführt.
Die belangte Behörde führte im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aus, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht eingetreten sei. So liege zwischen dem Zeitpunkt der jetzigen Bescheiderlassung und der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung nur ein kurzer Zeitraum, sodass sich auch sein Inlandsaufenthalt nicht wesentlich verlängert habe. Der BF habe diese Zeitspanne nicht für eine weitere Integration genutzt, sowohl seine Sprachkenntnisse, als auch die Umstände seiner Lebensführung seien unverändert. Die von ihm vorgebrachten Integrationsschritte seien bei Erlassung der Rückkehrentscheidung schon bekannt gewesen und fiel eine Interessensabwägung dennoch zu seinen Ungunsten aus. Unter Bedachtnahme auf all diese genannten Faktoren könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Sachverhalt seit der letzten Rückkehrentscheidung derart wesentlich geändert hätte, dass eine erneute Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich wäre. Da in seinem Fall weiterhin eine aufrechte Rückkehrentscheidung vorliege, sei gemäß § 59 Abs. 5 FPG die Erlassung einer neuerlichen Rückkehrentscheidung nicht notwendig.
5. Mit Schriftsatz vom 14.06.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine Rechtsvertretung, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Begründend führt die Beschwerde aus, es sei nicht richtig, dass keine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten sei. Der BF sei Kommanditist einer Gastronomie, er habe im Jahr 2016 ein ÖSD A2 absolviert und habe er auch einen Arbeitsvortrag mit jener Firma abgeschlossen, deren Kommanditist er sei. Zurzeit verdiene er als Zeitungszusteller Euro 600. Der BF halte sich seit nunmehr 6 Jahren im Bundesgebiet auf, verfüge über eine gesicherte Unterkunft und einen Freundeskreis, sei krankenversichert und erfülle somit die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Es werde daher ersucht den bekämpften Bescheid im antragsstattgebenden Sinne abzuändern.
6. Hinsichtlich des Verfahrensganges und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich unzweifelhaft aus dem Verwaltungs- sowie Gerichtsakt.
2. Verfahrensbestimmungen
2.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.
2.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
2.3. Prüfungsumfang
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Zu A)
3. Behebung des angefochtenen Bescheides
3.1. § 55 AsylG 2005 samt Überschrift lautet:
"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK
§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."
§ 58 Absatz 10 AsylG lautet:
Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Anträge gemäß §§ 56 und 57, die einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag (Folgeantrag) oder einer rechtskräftigen Entscheidung nachfolgen, sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn aus dem begründeten Antragsvorbringen ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht hervorkommt.
§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:
Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.
§ 58 Abs. 9 AsylG lautet:
Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige
1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,
2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder
3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist
soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.
§ 52 Abs. 3 FPG lautet:
Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
§ 59 Abs. 5 FPG lautet:
Besteht gegen einen Drittstaatsangehörigen bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung, so bedarf es bei allen nachfolgenden Verfahrenshandlungen nach dem 7., 8. und 11. Hauptstück oder dem AsylG 2005 keiner neuerlichen Rückkehrentscheidung, es sei denn, es sind neue Tatsachen gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG hervorgekommen.
3.2. Indem das BFA im gegenständlichen Verfahren keine Rückkehrentscheidung erließ, hat es die Rechtslage verkannt. Im Erkenntnis vom 19.11.2015, Zahl Ra 2015/20/0082, führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass § 59 Abs. 5 FPG 2005 der Verfahrensökonomie dienen und bewirken soll, dass es keiner neuerlichen Rückkehrentscheidungen bedarf, wenn bereits rechtskräftige Rückkehrentscheidungen vorliegen, es sei denn, dass neue Tatsachen iSd § 53 Abs. 2 und 3 FPG 2005 hervorkommen, die eine Neubemessung der Dauer eines Einreiseverbotes erforderlich machen. Durch den Verweis auf § 53 FPG 2005, der die Erlassung eines Einreiseverbotes regelt, geht in Zusammenschau mit den Materialien (vgl. EB RV 1803 BlgNR 24. GP, 67 zum FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) hervor, dass sich § 59 Abs. 5 FPG 2005 nur auf solche Rückkehrentscheidungen bezieht, die mit einem Einreiseverbot verbunden sind. Nur im Fall der Änderung des für die Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes relevanten Sachverhaltes bedarf es einer neuen Rückkehrentscheidung, um allenfalls die Dauer des mit ihr zu verbindenden Einreiseverbotes neu festlegen zu können; ist die Rückkehrentscheidung allerdings von vornherein nicht mit einem Einreiseverbot verbunden, fällt sie nicht in den Anwendungsbereich dieser Norm.
Daraus ergibt sich, dass die Behörde im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gehabt hätte, da der Beschwerdeführer nie mit einem Einreiseverbot belegt wurde und auch kein Fall des § 58 Abs. 9 AsylG vorliegt.
Da das BFA im gegenständlichen Fall eine verfehlte Rechtsansicht vertrat, indem es keine Rückkehrentscheidung erließ, und das Bundesverwaltungsgericht schon im Hinblick darauf, dass es im gegenständlichen Verfahren nur in Beschwerdesachen tätig werden und den Beschwerdeführer nicht um eine Instanz bringen darf, sohin die seitens des BFA unterlassene Rückkehrentscheidung nicht nachholen kann, war der angefochtene Bescheid gem. §§ 27, 28 Abs. 2 VwGVG zu beheben.
Für das vom BFA in weiterer Folge fortzusetzende Verfahren ergibt sich, dass durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides der verfahrensgegenständliche Antrag des Beschwerdeführers wieder unerledigt ist.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Aufgrund der Behebungsentscheidung aus den dargestellten Gründen konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu B) Zum Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zum Spruch des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L508.1430619.5.00Zuletzt aktualisiert am
27.11.2018