TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/4 L502 2128923-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.10.2018
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Entscheidungsdatum

04.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L502 2128923-1/29E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.06.2016, FZ. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.04.2018, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am 04.06.2015 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 05.06.2015 fand seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, danach wurde das Verfahren zugelassen.

3. Am 15.12.2015 wurde er vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Vorarlberg, einvernommen.

Er legte dabei als Identitätsnachweise jeweils eine Kopie seines Personalausweises, seines Staatsbürgerschaftsnachweises und seines Reisepasses, sowie als weitere Beweismittel Kopien des Personalausweises, der Lebensmittelbezugskarte und der Wohnsitzbestätigung seines Vaters vor, die zum Akt genommen wurden.

4. Zu den ihm am 25.01.2016 übermittelten länderkundlichen Informationen der Behörde verzichtete er ausdrücklich auf eine Stellungnahme.

5. Zu weiteren ihm am 18.05.2016 übermittelten länderkundlichen Informationen nahm er mit Schriftsatz einer Rechtshilfeorganisation vom 07.06.2016 Stellung.

6. Mit dem im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde wurde sein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I. und II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß §§ 57 AsylG nicht erteilt, unter einem wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 und 3 FPG wurde ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

7. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 10.06.2016 wurde ihm gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

8. Gegen den ihm durch Hinterlegung per 14.06.2016 zugestellten Bescheid des BFA wurde mit Schriftsatz seines Rechtsberaters vom 23.06.2016 innerhalb offener Frist Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

9. Die Beschwerdevorlage des BFA langte am 28.06.2016 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das Verfahren in der Folge der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zur Entscheidung zugewiesen.

10. Mit Schriftsatz eines vormaligen anwaltlichen Vertreters vom 04.09.2017 brachte der BF beim VwGH einen Fristsetzungsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des BVwG ein.

Mit Verfahrensleitender Anordnung des VwGH vom 25.10.2017 wurde dem BVwG aufgetragen binnen drei Monaten eine Ausfertigung seiner Entscheidung in der Beschwerdesache des BF vorzulegen. Diese Frist wurde auf Antrag des BVwG vom 31.03.2018 per 05.02.2018 um weitere drei Monate verlängert.

11. Bereits mit Beschluss vom 20.10.2017 beauftragte das BVwG einen länderkundlichen Sachverständigen mit Recherchen im Herkunftsstaat des BF um deren Ergebnis im Beschwerdeverfahren des BF als Beweisquelle heranzuziehen.

12. Mit Eingabe vom 29.03.2018 legte die nunmehrige Vertretung des BF ihre Bevollmächtigung sowie Urkunden in Kopie über einen Mitgliedschaftsantrag des BF vom 30.01.2017 einen Verein für sexuelle Randgruppen in Österreich betreffend vor.

13. Am 28.02.2018 langte beim BVwG eine Mitteilung über die Betretung des BF bei einer unselbständigen Beschäftigung ohne Bewilligung am 29.06.2017 ein.

14. Am 04.04.2018 langte beim BVwG die Mitteilung des vormaligen anwaltlichen Vertreters des BF über die Auflösung des Vollmachtverhältnisses ein.

15. Am 05.04.2018 langte ein Recherchebericht des länderkundlichen Sachverständigen beim BVwG ein, dessen Endfassung lag dem BVwG mit 20.04.2018 vor. In der Folge wurde der Sachverständige mit der ergänzenden Beibringung einer Darstellung des genaueren Rechercheverlaufs beauftragt, diese langte mit 14.05.2018 beim BVwG ein.

16. Am 13.04.2018 führte das BVwG eine mündliche Verhandlung in der gg. Beschwerdesache im Beisein des BF sowie seiner Vertretung durch. In dieser legte die Vertretung länderkundliche Informationen sowie einen Beschäftigungsnachweis des BF als weitere Beweismittel vor.

17. Mit Erkenntnis vom 24.05.2018 trug der VwGH in der Fristsetzungssache des BF dem BVwG die Nachholung seiner Entscheidung über die Beschwerde des BF auf.

18. Mit 11.09.2018 wurde dem BF im Wege seiner Vertretung sowie dem BFA das vorliegende Gesamtergebnis der im Auftrag des BVwG durchgeführten Recherchen zum Parteiengehör übermittelt.

19. Eine Stellungnahme der Vertretung des BF langte am 14.09.2018 beim BVwG ein.

20. Vom BVwG wurden aktuelle Auszüge aus dem Grundversorgungsinformationssystem, dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister den BF betreffend erstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF steht fest. Er ist irakischer Staatsangehöriger, Angehöriger der arabischen Volksgruppe, Moslem der schiitischen Glaubensrichtung und ledig.

Er stammt aus Al Zubair unweit der südirakischen Stadt Basra. Er besuchte zwischen 1992 und 2009 die Schule. In der Folge war er im elterlichen Geschäft als KFZ-Elektriker beschäftigt, ehe er sich 2012 als solcher beruflich selbständig machte. Seine Eltern sowie drei Brüder und zwei Schwestern leben weiterhin in Basra.

Er reiste im November 2014 ausgehend von Basra auf dem Luftweg auf legale Weise unter Verwendung seines Reisepasses aus dem Irak in die Türkei aus, wo er sich für sechs Monate aufhielt, und gelangte anschließend schlepperunterstützt über Griechenland bis nach Österreich, wo er am 04.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte und sich seither aufhält.

Er bezieht seit der Einreise in das Bundesgebiet bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber und bewohnt eine organisierte Unterkunft in einem Wohnheim für Asylwerber. Er erwarb im Selbststudium grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache. Er nahm im Jahr 2017 eine unerlaubte Hilfstätigkeit in einem Gastronomiebetrieb war und betätigte sich 2018 als bezahlte Hilfskraft bei einer Feuerwehr.

Er ist bis dato in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Es war nicht feststellbar, dass der BF, wie von ihm behauptet wurde, vor seiner Ausreise aus dem Irak in einer homosexuellen Beziehung zu einem früheren Schulfreund stand und wegen dieser im November 2014 einer individuellen Bedrohung durch Dritte, insbesondere Mitgliedern der Herkunftsfamilie dieses Freundes, ausgesetzt war.

Es war darüber hinaus auch nicht feststellbar, dass der BF, wie von ihm behauptet wurde, grundsätzlich homosexuell orientiert ist.

Eine aus diesem Vorbringen behaupteter Weise resultierende Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr in den Irak war sohin nicht feststellbar.

1.3. Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogen. Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mosul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer langfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.05.2018 noch ca. 2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,8 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. 83 % der im März und April 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 119.000 Binnenvertriebenen stammten alleine aus der Provinz Ninava, weitere Schwerpunkte für Rückkehrende sind Anbar mit den Bezirken Fallujah, Ramadi und Heet, Salah al-Din mit den Bezirken Tikrit und Al Shirqat und Kirkuk.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogen. Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mosul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mosul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mosul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mosul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mosul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mosul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 mußte der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mit zustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk. Am 15.10.2017 wurden die in Kirkuk stationierten kurdischen Sicherheitskräfte von Einheiten der irakischen Armee und der Polizei sowie der sogen. der Zentralregierung nahestehenden Volksmobilisierungseinheiten angegriffen, die sich in der Folge aus Kirkuk zurückzogen. Zuletzt kam es zur Besetzung weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze sowie von Grenzübergängen an der irakisch-syrischen Grenze durch die irakische Armee und die Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via Bagdad möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt geworden.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die oben genannten Ereignisse im Zusammenhang mit der Bekämpfung des IS im Zentralirak. Seit 2016 kam es jedoch im Stadtgebiet von Bagdad zu mehreren Anschlägen bzw. Selbstmordattentaten auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern, die sich, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS, gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. So wurden am 13. und 15. Jänner 2018 von Selbstmordattentätern zwei Sprengstoffanschläge auf öffentliche Plätze in Bagdad verübt, deren genaue Urheber nicht bekannt wurden. Für den Großraum Bagdad sind im Gefolge der nunmehrigen Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet nur mehr wenige sicherheitsrelevante Ereignisse bzw. Entwicklungen bekannt geworden. Zuletzt kam es am 06.06.2018 im Stadtteil Sadr-City zu einem Anschlag unbekannter Täter auf eine Moschee, bei dem 18 Menschen starben und 90 verletzt wurden.

(Quellen: Institute for the Study of War; IOM Iraq; IFK - Institut für Friedensforschung und Konfliktmanagement; Spiegel.online; Tagesschau.de; tripadvisor.com)

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes, die Einsichtnahme in die von ihm vorgelegten Urkunden und sonstigen Beweismittel, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Heranziehung aktueller länderkundlicher Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat durch das BVwG sowie durch amtswegige Einholung von Auskünften des Zentralen Melderegisters, des Strafregisters und des Grundversorgungsdatensystems den BF betreffend.

Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangte das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu den entscheidungswesentlichen Feststellungen.

2.2. Identität, Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, regionale Herkunft und soziale wie wirtschaftliche Verhältnisse des BF im Herkunftsstaat vor der Ausreise sowie aktuell in Österreich wie auch jene seiner Angehörigen derzeit im Irak konnten auf der Grundlage seiner persönlichen Angaben vor dem BFA und dem BVwG in der Zusammenschau mit dem Inhalt der von ihm beigebrachten Beweismittel und den vom BVwG zuletzt erstellten Datenbankauszügen als unstrittig festgestellt werden.

2.3. Zu den Feststellungen oben unter 1.2. gelangte das BVwG aus nachstehenden Erwägungen:

2.3.1. Anlässlich seiner Erstbefragung führte der BF hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass er sich in seiner Heimat in ein Mädchen verliebt habe, ihr "Stamm" das aber nicht wollte. Ein Bruder des Mädchens, der Mitglied einer Miliz gewesen sei, habe ihn mit dem Tod bedroht, wenn er ihr zu nahe käme. Selbst in der Türkei sei er "von einer Mafia von ihnen" verfolgt worden, die ihn töten wollte, weshalb er nach Österreich geflohen sei.

In seiner erstinstanzlichen Einvernahme führte er auf Befragen nach seinen familiären Verhältnissen aus, dass er einen Mann "geheim" bzw. ohne Wissen anderer geehelicht habe. Auf Nachfrage bejahte er, "schwul" zu sein. Im Wesentlichen führt er dann weiter aus, dass er mit einem namentlich genannten früheren Schulfreund eine homosexuelle Beziehung geführt habe und beide schließlich beschlossen hätten zu "heiraten". Von diesem Verhältnis habe nur ein Freund des BF gewusst, in dessen Haus diese "Heirat" dann stattgefunden habe. Dieser Freund habe in der Folge aber Sex mit dem Geliebten des BF gewollt und nach Ablehnung dieses Ansinnens beiden damit gedroht, Filmaufnahmen vom Geschlechtsverkehr der beiden deren Angehörigen zu zeigen, wenn man sein Begehren weiter ablehne. Zu einem genannten späteren Zeitpunkt habe der BF dann erfahren, dass sein Geliebter von dessen eigenem Bruder ermordet worden sei, weil er den Ruf der Familie beschmutzt habe, und dass dieser auch ihn suche. Der BF habe sich dann mit seinem Bruder beraten, der ihm zur Ausreise geraten habe. In weiterer Folge trug der BF noch vor, nicht nur von der Familie seines Geliebten, auch von seiner eigenen Herkunftsfamilie werde er bei einer Rückkehr mit dem Tod bedroht. In einem anderen Landesteil könne er sich deshalb nicht niederlassen, weil sein Name schon "im ganzen Irak" bekannt sei.

2.3.2. Die belangte Behörde erachtete im Rahmen ihrer Entscheidungsbegründung dieses Vorbringen mangels Nachvollziehbarkeit und Plausibilität als nicht glaubhaft. Insbesondere stützte sie sich dabei auf die Erwägung des von ihr festgestellten Auswechselns des Vorbringens von der Erstbefragung hin zur Einvernahme sowie verschiedene näher ausgeführte Erwägungen zu inhaltlichen Widersprüchen und nicht plausiblen Aspekten des Vorbringens.

2.3.3. In der Beschwerde wurde das erstinstanzliche Vorbringen in seinen Grundzügen wiederholt und verschiedenen Erwägungen der belangten Behörde im Hinblick auf deren Feststellung mangelnder Plausibilität des Vorbringens im Einzelnen argumentativ entgegengetreten.

2.3.4. In einer Gesamtbetrachtung dieses Vorbringens des BF durch das erkennende Gericht fiel zum einen auf, dass er anläßlich seiner Erstbefragung als Flucht auslösend ausschließlich ein Geschehen ins Treffen führte, das sich auf ein behauptetes Liebesverhältnis zu einem Mädchen bezog. In seiner Einvernahme vermeinte er demgegenüber, seine Flucht sei durch Ereignisse rund um eine behauptete Liebesbeziehung zu einem Mann bzw. im Genaueren zu einem früheren Schulkollegen ausgelöst worden. U.a. diese maßgebliche Divergenz zwischen den beiden Darstellungen legte auch die belangte Behörde seiner Entscheidungsbegründung zu Grunde.

Nun verkennt das BVwG nicht, dass gerade (wie der EuGH in seinem Urteil vom 2. Dezember 2014 in den verbundenen Rechtssachen C-148/13 bis C-150/13 grundlegend ausführte) "angesichts des sensiblen Charakters der Fragen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität, betreffen, allein daraus, dass diese Person, weil sie zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, ihre Homosexualität nicht sofort angegeben hat, nicht geschlossen werden kann, dass sie unglaubwürdig ist", bzw., wie der EuGH in dieser Entscheidung weiter ausführte, "es auf einen Verstoß gegen

das .. dargestellte Erfordernis ... hinausliefe, wenn ein

Asylbewerber allein deshalb als unglaubwürdig angesehen würde, weil er seine sexuelle Ausrichtung nicht bei der ersten ihm gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe offenbart hat". Diese Erwägungen verbieten es jedoch nicht, den Umstand, dass ein Antragsteller erst zu einem späteren Zeitpunkt des Verfahrens erstmals das Vorbringen erstattete, dass er homosexuell orientiert sei, in eine Gesamtwürdigung aller Aspekte des Ergebnisses des Beweisverfahrens mit einzubeziehen.

Im gg. Fall wurde der BF schon vor dem BFA auf diese gravierende Divergenz in seinem Vorbringen hingewiesen und hatte er Gelegenheit sich dazu zu äußern (vgl. AS 77 ff). Dort hat er dem Vorhalt, weshalb er in seiner Erstbefragung mit keinem Wort seinen in der Einvernahme erstmals dargelegten Ausreisegrund einer vormaligen homosexuellen Beziehung erwähnt bzw. vielmehr ein gegensätzliches Vorbringen erstattet habe, entgegengehalten, dass er "die Übersetzerin nicht gut verstanden habe", "die Beamten gestresst waren und ihn aufforderten so schnell als möglich zu erzählen", er "Angst hatte davon zu erzählen, weil er befürchtet habe diesfalls in seine Heimat zurückgeschickt zu werden" und "während der Einvernahme die Tür (gemeint wohl: zum Einvernahmeraum) offen gestanden sei und davor mehrere junge Iraker gestanden seien, weshalb er Angst gehabt habe".

Diese Erklärung überzeugte jedoch auch das BVwG nicht im Hinblick auf ihre Plausibilität, zumal ein vages, nicht näher ausgeführtes Übersetzungsproblem die ursprüngliche ganz anders lautende Version in der Erstbefragung als solche nicht erklärte, auch das Erfordernis eines nur kursiven, die wesentlichen Eckpunkte des "Wer, was, wann und wo" der Flucht auslösenden Ereignisse umfassenden Vortrags den BF nicht daran gehindert haben konnte, eine homosexuelle an Stelle einer heterosexuellen Beziehung im Irak als maßgeblich für die Ausreise zu benennen, die Angst vor einer Abschiebung gerade wegen eines solchen Vorbringens dem Grundmotiv eines Asylbegehrens überhaupt widerspricht, und letztlich auch eine behaupteter Weise fehlende Privatsphäre bei der Erstbefragung kein nachvollziehbares Hindernis darstellte, zumal der BF mit Hinweis darauf eine solche erbeten hätte können, indem man die Türe geschlossen hätte. Nicht zuletzt hat er in weiterer Folge vor dem BFA sein behauptetes homosexuelles Vorleben im Irak offenkundig ohne weitere Hemmungen darlegen können, weshalb es an der Natur desselben als solchem nicht gelegen zu haben schien.

Diese Erwägungen belasteten aus Sicht des BVwG, auch in Ansehung der grundlegenden Ausführungen oben, das Vorbringen des BF über ein von ihm behauptetes homosexuelles Verhältnis zu einem früheren Schulfreund und die daraus entstandenen Schwierigkeiten bereits mit Zweifeln.

2.3.5. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG wurde das erstinstanzlich vom BF dargebotene Geschehen nochmals erörtert.

In der Einvernahme vor dem BFA hatte er auf Befragen angegeben, er habe seine homosexuelle Orientierung im Alter von 16 Jahren bemerkt, was in Anbetracht seiner Geburtsdaten sohin ca. im Jahr 2008 gewesen wäre. Sein vormaliger Geliebter habe mit ihm gemeinsam die Schule besucht und sei dieses Verhältnis sein erstes und auch einziges homosexuelles gewesen. Bereits in dieser gemeinsamen Schulzeit sei es zum Austausch von Zärtlichkeiten und auch zum Geschlechtsverkehr gekommen. Auf Nachfrage ergänzte er, zwischen dem gegenseitigen Kennenlernen und dem ersten Geschlechtsverkehr seien zwei Jahren vergangen. Eingangs der Einvernahme hatte er auch angegeben, er habe bis 2009 die Schule besucht, was wiederum die Beendigung des Schulbesuchs im Alter von ca. 17 bis 18 Jahren implizierte. Diese Darstellung ergab vorerst ein zeitlich insgesamt kompatibles Gesamtbild. Auf Nachfrage führte er schließlich auch noch aus, dass es nach dem ersten Geschlechtsverkehr, der ja zwei Jahre nach dem Kennenlernen stattgefunden habe, mehrmals zum Geschlechtsverkehr gekommen sei, dies entweder am Wohnsitz des BF oder an jenem seines Geliebten. Zwischen dem Kennenlernen und der "Hochzeit" im Haus des Freundes seien im Übrigen ca. 6 bis 7 Jahre vergangen.

In der mündlichen Verhandlung legte der BF demgegenüber dar, dass er seine homosexuelle Neigung bereits mit 13 Jahren verspürt habe. In welcher Situation dies geschehen sei, konnte er auf Nachfrage aber nicht wiedergeben. Den Zeitpunkt des ersten sexuellen Kontakts mit Männern, im Konkreten mit jenem früheren Geliebten, ordnete er sodann zeitlich "mit 22 Jahren" ein, was in diametralem Widerspruch zur erstinstanzlichen Aussage stand. Auf Nachfrage, ob dies sohin im Jahr 2014 geschehen sei, bejahte er nochmals diese Daten. Im Weiteren vermeinte er noch, es sei nur ein einziges Mal zum Geschlechtsverkehr mit seinem früheren Geliebten gekommen, nämlich im Oktober 2014 im Haus eines Freundes, was ebenso nicht mit seiner erstinstanzlichen Darstellung vereinbar war. Auf Vorhalt seiner gänzlich anderslautenden Aussagen vor dem BFA, dass er nämlich schon zwei Jahre nach dem Kennenlernen seines früheren Schulfreundes mit diesem Sex gehabt habe und dies schon während des gemeinsamen Schulbesuchs geschehen sei, bestritt er diese erstinstanzlichen Aussagen bloß pauschal.

Diese eben dargelegten gravierenden Widersprüche zwischen dem erstinstanzlichen und dem zweitinstanzlichen Vortrag, was die behauptete homosexuelle Beziehung des BF zu einem früheren Schulfreund betraf, belasteten sein Vorbringen mit maßgeblichen Zweifeln, was die bloße Existenz des behaupteten homosexuellen Verhältnisses vor der Ausreise angeht.

2.3.6. Über diese Aspekte hinaus stellte sich auch das weitere Vorbringen zum behaupteten Flucht auslösenden Geschehen im Haus eines Freundes und danach in verschiedener Hinsicht als nicht plausibel sowie als widersprüchlich dar.

Soweit der BF vermeinte, sein Freund, der ihm und seinem Geliebten sein Haus zur Verfügung gestellt habe, habe die beiden beim Sex gefilmt und sie dann damit erpressen wollen, stellte sich diese Behauptung der Existenz eines Videos vom Geschlechtsverkehr - vor dem BFA hatte er diesbezüglich nur vage gemeint, "es sei herausgekommen", dass es ein solches Video gegeben habe - auf Nachfrage in der Beschwerdeverhandlung als bloße Mutmaßung des BF dar. Weder hatte der BF je ein solches Video gesehen noch konnte er nachvollziehbar machen, wer sonst dieses wo und wann gesehen habe. Zudem legte er dar, dass der Freund das ganze Haus zur Verfügung gestellt habe und dann weggegangen sei. Auf die Frage, wie er sich dann erklären könne, auf welche Weise der Freund ein solches Video hergestellt haben könnte, erwiderte der BF dann nicht überzeugend nur, dass er das nicht wisse, aber dass er vermute, dass es wohl irgendwo eine versteckte Kamera gegeben habe. Im Übrigen wäre für das erkennende Gericht zwar hypothetisch vorstellbar gewesen, dass der betreffende Freund ein solches Ansinnen, ebenfalls Sex mit dem Geliebten des BF haben zu wollen, für den Fall eines tatsächlich solchen Geschehens in seinem Haus offenbart haben könnte, dass er aber eine Drohung in der Art, ein angebliches Video von den beiden öffentlich machen zu wollen, nicht nur in den Raum gestellt, sondern auch in die Tat umgesetzt hätte, war für das Gericht nicht in Vereinbarung mit der Aussage des BF zu bringen, dass dieser Freund einer der besten des BF gewesen sei, bedenkt man die vom BF behaupteten fatalen Konsequenzen eines solchen Handelns.

In diesem Zusammenhang widersprachen sich auch die verschiedenen Darstellungen des BF über die behauptete Konfrontation mit der Behauptung der Existenz eines solchen Videos. Vor dem BFA vermeinte er, besagter Freund habe den Geliebten des BF im November 2014 mit seinem Wunsch nach Sex mit ihm sowie der Existenz eines Videos konfrontiert, was dem BF in der Folge von seinem Geliebten berichtet worden sei. Vor dem BVwG stellte er dies wiederum in der gänzlich anderen Form dar, dass sich der Freund 5 Tage nach dem Treffen des BF mit seinem Geliebten im Haus des Freundes an die beiden gewandt habe, was in Verbindung damit, dass dieses Treffen definitiv am 03.10.2014 stattgefunden habe, sohin nicht im November, sondern anfangs Oktober 2014 gewesen wäre. Zudem habe sich dieser Freund telefonisch mit der Behauptung der Existenz eines Videos an den BF selbst gewandt, während dessen Geliebter dies nebenher mitbekommen habe. Dass die in diesem Zusammenhang gemachte Behauptung, der Geliebte des BF sei ca. einen Monat nach der Drohung des Freundes getötet worden, auch nicht mit der ersten Version des BF, dass es (erst) im November zur versuchten Erpressung mit einem angeblichen Video gekommen sei, nicht vereinbar war, ergab sich wiederum daraus, dass er am 17.11.2014 bereits ausgereist sei.

Schon vor dem BFA widersprach sich der BF auch zum weiteren Geschehen nach der behaupteten Ermordung seines Geliebten in der Weise, dass er einmal vermeinte, er selbst habe nach dem Erhalt der Information über dessen Tod seinen Bruder angerufen und "offen über alles" mit ihm geredet (AS 77), an späterer Stelle (AS 83) demgegenüber aber vermeinte, jener Freund, bei dem er sich zu diesem Zeitpunkt aufgehalten habe, habe vorerst durch Telefonate den Hintergrund für diese Tat erfahren und danach selbst den Bruder des BF angerufen um ihm alles zu erzählen. Auf Vorhalt seiner ersten Aussage in der Beschwerdeverhandlung verneinte er bloß pauschal, dass er dies so gesagt habe.

Schließlich stellte sich für das Gericht als wenig plausibel dar, dass er vom Tod seines Geliebten am 16.11.2014 um ca. 20:00 erfahren habe und bereits am Folgetag um 05:00 zum Flughafen gefahren sei um dort ein Flugzeug zu besteigen, bedenkt man, dass er lediglich vom Hörensagen über Dritte erfahren habe, dass sein Geliebter von dessen eigenem Bruder ermordet worden sei und auch er selbst von diesem bedroht werde, wie er auch gar nicht mit Gewissheit von der Existenz eines ihn belastenden Videos gewusst habe.

2.3.7. In einer Gesamtsicht dieser Erwägungen war sohin für das Gericht weder feststellbar, dass es zum behaupteten sexuellen Verhältnis zwischen dem BF und einem früheren Schulfreund gekommen war, noch dass es im Gefolge eines behaupteten Treffens der beiden zur Erpressung durch einen Freund mit der Existenz eines kompromittierenden Videos sowie der anschließenden Ermordung des Geliebten des BF gekommen war.

Er konnte sohin auch nicht glaubhaft machen, dass er aus diesen Gründen im Gefolge seiner Rückkehr von Angehörigen seines früheren Geliebten verfolgt werde.

Soweit er darüber hinaus noch, wenn auch unsubstantiiert, auf eine mögliche Bedrohung durch Angehörige seiner eigenen Herkunftsfamilie aus diesen Gründen verwiesen hatte, entfaltete in Anbetracht dessen keine Relevanz mehr.

2.3.8. Mit dem BF wurde in der Beschwerdeverhandlung darüber hinaus erörtert, ob bzw. inwieweit er eine von ihm behauptete homosexuelle Orientierung seit seiner Einreise in das Bundesgebiet auslebe.

Hatte er bisher fehlende gleichgeschlechtliche Kontakte anläßlich seiner erstinstanzlichen Einvernahme etwa sechs Monate nach der Einreise noch mit mangelnden Kontaktmöglichkeiten begründet, jedoch auf seine Absicht solche zu knüpfen verwiesen, verneinte er auch etwa drei Jahre nach der Einreise eine bisherige dauerhafte homosexuelle Beziehung. Zwar verwies er über diese Frage hinausgehend auf eine aktuelle homosexuelle Bekanntschaft, die seit ca. einem Monat bestehe, und deren offenbar rein sexuelle Natur, wie er auch auf vorhergehende kurzfristige und ebenso rein sexuelle Begegnungen mit Männern hinwies. Den erwähnten homosexuellen Bekannten betreffend vermochte er jedoch auch auf Nachfragen hin nur sehr wenige konkrete Informationen zu dessen Person sowie dessen Umfeld zu geben. Auch dessen eventuelles Erscheinen als Zeuge vor dem BVwG verneinte er mit der Begründung, dass dieser Bekannte dies mit fehlenden zeitlichen Möglichkeiten abgelehnt habe.

Es war in Ansehung dessen für das erkennende Gericht daher nicht hinreichend nachvollziehbar, ob bzw. in welcher Weise der BF eine behauptete homosexuelle Orientierung im Bundesgebiet überhaupt lebt.

In ähnlicher Weise lieferten auch weitere Hinweise des BF auf bisherige Kontaktformen keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme bisher bestehender homosexueller Kontakte. Die von ihm in der mündlichen Verhandlung genannte Internetplattform "lovoo" erwies sich schon auf den ersten Blick hin als bloße Dating-App ohne konkreten Bezug zur homosexuellen Szene. Einen bereits im Vorfeld der Verhandlung eingebrachten und in der Verhandlung erneuerten Hinweis auf eine Mitgliedschaft bei einer Vereinigung für Angehörige sexueller Randgruppen namens "GoWest" betreffend dokumentierte das vorgelegte Antragsformular für eine Mitgliedschaft vom 30.01.2017 zwar eine dahingehende Absicht des BF. Dass er in der Folge tatsächlich Mitglied geworden wäre, konnte er aber weder durch weitere Beweismittel noch durch seine Aussage, "er wisse nicht wirklich ob er Mitglied geworden sei", nachvollziehbar machen.

Im Lichte dessen gelangte das Gericht daher auch zum Ergebnis, dass mangels Glaubhaftmachung durch den BF nicht feststellbar war, dass er grundsätzlich homosexuell orientiert ist.

2.3.9. Ein spezifisches Eingehen auf länderkundliche Informationen zur spezifischen Lage von Angehörigen sexueller Randgruppen im Irak war im Lichte dessen obsolet.

2.4. Die länderkundlichen Feststellungen des BVwG zur allgemeinen Lage im Irak stützen sich auf das Amtswissen des erkennenden Gerichtes und die als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignisse im Irak in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Der Lageeinschätzung des Gerichts wurde zuletzt im Beschwerdeverfahren auch nicht mittels einer in der mündlichen Verhandlung von der Vertretung des BF noch diesbezüglich später in Betracht gezogenen Stellungnahme entgegengetreten, wie auch der BF selbst im gesamten Verfahrensverlauf etwaige Rückkehrbefürchtungen nicht auf Bedenken hinsichtlich der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat stützte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit dem BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) als Rechtsnachfolger des vormaligen Bundesasylamtes eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 1 BFA-VG obliegt dem BFA u.a. die Vollziehung des BFA-VG und des AsylG.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheides des Bundesamtes.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, mit seinem Vorbringen glaubhaft darzulegen, dass er aus asylrelevanten Gründen seinen Herkunftsstaat verlassen hat oder aus diesen Gründen bei einer Rückkehr einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt wäre.

1.3. Vor diesem Hintergrund war daher die Beschwerde gegen Spruchteil I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

Der EGMR geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass die EMRK kein Recht auf politisches Asyl garantiert. Die Ausweisung eines Fremden kann jedoch eine Verantwortlichkeit des ausweisenden Staates nach Art. 3 EMRK begründen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass der betroffene Person im Falle seiner Ausweisung einem realen Risiko ausgesetzt würde, im Empfangsstaat einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung unterworfen zu werden (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06).

Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK auch dann, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (für viele:

VfSlg 13.314; EGMR 7.7.1989, Soering, EuGRZ 1989, 314). Die Asylbehörde hat daher auch Umstände im Herkunftsstaat des Antragstellers zu berücksichtigen, wenn diese nicht in die unmittelbare Verantwortlichkeit Österreichs fallen. Als Ausgleich für diesen weiten Prüfungsansatz und der absoluten Geltung dieses Grundrechts reduziert der EGMR jedoch die Verantwortlichkeit des Staates (hier: Österreich) dahingehend, dass er für ein "ausreichend reales Risiko" für eine Verletzung des Art. 3 EMRK eingedenk des hohen Eingriffschwellenwertes ("high threshold") dieser Fundamentalnorm strenge Kriterien heranzieht, wenn dem Beschwerdefall nicht die unmittelbare Verantwortung des Vertragsstaates für einen möglichen Schaden des Betroffenen zu Grunde liegt (vgl. Karl Premissl in Migralex "Schutz vor Abschiebung von Traumatisierten in "Dublin-Verfahren"", derselbe in Migralex:

"Abschiebeschutz von Traumatisieren"; EGMR: Ovidenko vs. Finnland; Hukic vs. Scheden, Karim, vs. Schweden, 4.7.2006, Appilic 24171/05, Goncharova & Alekseytev vs. Schweden, 3.5.2007, Appilic 31246/06.

Der EGMR geht weiter allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische oder sonstige unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann diesbezüglich die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 ["St. Kitts-Fall"], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).

Gemäß der Judikatur des EGMR muss der Antragsteller die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 - Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller "Beweise" zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt so weit als möglich Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht ( z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)

Angesichts des im Wesentlichen identen Regelungsinhalts des bis 31.12.2005 in Kraft stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 1997 im Verhältnis zum nunmehr in Geltung stehenden § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - abgesehen vom im letzten Halbsatz des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nunmehr enthaltenen zusätzlichen Verweis auf eine eventuelle ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als weitere mögliche Bedingung für eine Gewährung subsidiären Schutzes - lässt sich auch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum § 8 AsylG 1997 in nachstehend dargestellter Weise auch auf die neue Rechtslage anwenden.

Danach erfordert die Feststellung einer Gefahrenlage auch iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesem nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung. Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher ohne Hinzutreten besonderer Umstände, welche ihnen noch einen aktuellen Stellenwert geben, nicht geeignet, die begehrte Feststellung zu tragen (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122). Die bloße Möglichkeit einer den betreffenden Bestimmungen der EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427). Im Übrigen ist auch zu beachten, dass mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben das Bestehen einer aktuellen Gefährdung bzw. Bedrohung glaubhaft zu machen ist (vgl. VwGH 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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