TE Bvwg Beschluss 2018/10/5 W257 2185062-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.10.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

05.10.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W257 2185062-3/2E

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2018, IFA-Zahl: 1112215702, VZ-INT:

180303580, VZ-FAS: 180919700, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geboren am XXXX, Staatsbürger von Afghanistan, den

BESCHLUSS

A) Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 rechtmäßig.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 20.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. In seiner Ersteinvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 21.04.2016 gab der BF an, er habe Afghanistan verlassen, weil die Taliban mit der Regierung in seiner Region Streit hätten. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil er in Österreich bleiben wolle.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 07.06.2017 führte der BF dagegen aus, dass er von den Taliban geschlagen worden sei und hätte diese versucht ihn zu rekrutieren.

Die belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, wies den Antrag mit Bescheid vom 02.01.2018, Zl. XXXX, ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gemäß § 52 FPG eine Rückkehrentscheidung und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit zwei Wochen fest.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF zur hg AZ W 257 2185062-1 Beschwerde. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 08.06.2018 brachte der BF im Wesentlichen vor wie bisher. Mit Erkenntnis vom 15.06.2018 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Das Vorbringen des BF sei in vielen (näher ausgeführten) Punkten unplausibel und somit nicht glaubhaft. Dem BF sei eine Rückkehr in die Städte Herat oder in die Stadt Mazar- e Sahrif, Afghanistan, möglich und zumutbar. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.

Der BF kam der Ausreiseverpflichtung nicht nach, reiste nach Deutschland und stellte am 17.09.2018 seinen zweiten Asylantrag. Er brachte ergänzend vor, dass er gehört hätte, dass sein Vater von den Taliban umgebracht worden sei und deswegen könne er nicht nach Afghanistan zurückkehren. In seiner Einvernahme vor der Behörde am 27.09.2018 wiederholte er im Grunde sein Vorbringen. Er könne nicht nach Afghanistan zurückkehren, weil ihm die Taliban umbringen werden.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom hob die belangte Behörde am 05.02.2018 den faktischen Abschiebeschutz des BF auf. Der Antrag werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden. Das neue Vorbringen baue auf das bereits zu Recht als unglaubwürdig erkannte Vorbringen auf und sei daher ebenfalls unglaubwürdig.

Die belangte Behörde hat den Verwaltungsakt von Amts wegen am 03.10.2018 dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung des Bescheids vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt steht fest!

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Der BF wird in seinem Heimatdorf individuell weder bedroht noch verfolgt, insbesondere nicht durch die Taliban. Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Nangarhar in Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung außerhalb seiner Heimatprovinz, insbesondere in der Stadt Kabul, in die Stadt Herat oder in die Stadt Mazar- e Sahrif, liefe der Beschwerdeführer nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Die Familie des Beschwerdeführers besteht aus seinem Vater, seiner Mutter, seinen beiden jüngeren Bruder und seinen beiden jüngeren Schwestern. Er hat noch einen Onkel väterlicherseits mit der Frau des Onkels, welche in der gleichen Ortschaft leben wie seine Kernfamilie. Die gesamte Familie lebt noch in dem Heimatdorf, zu der er allerdings keinen Kontakt hat. Der Beschwerdeführer ist ledig und er hat keine Kinder.

1.2. Zur den Fluchtgründen:

Der Asylwerber stellte erstmals am 20.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen damit, er sei von den Taliban geschlagen worden und zudem hätten die Taliban versucht ihn zu rekrutieren.

Dieser Antrag wurde letztlich mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.06.2018 rechtskräftig abgewiesen.

Am 17.09.2018 stellte der Asylwerber einen Asylfolgeantrag.

In der Einvernahme durch die belangte Behörde am 27.09.2018 gab der Asylwerber an, bei den Fluchtgründen des Asylfolgeantrages handle es sich um die gleichen wie im ersten Asylverfahren.

1.3. Zur Lage in seiner Heimatregion

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF sind gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Zusammengefasst ergibt sich, dass derzeit eine Rückkehr in die Provinz Nangarhar, der Heimatprovinz des BF, aus sicherheitsrelevanter Sicht derzeit eine reale Gefahr der Verletzung des Art 2, 3 ERMK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.

Im Erkenntnis des Gerichtes wurde jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat festgestellt.

Dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die aktuellen Länderfeststellungen der Staatendokumentation, zuletzt aktualisiert am 11.09.2018, zugrunde gelegt.

An den innerstaatlichen Fluchtalternativen hat sich nichts geändert, dies auch die Behörde in ihrem mündlichen Bescheid festhält. Dem ist aufgrund der eingebrachten Länderfeststellungen zuzustimmen.

1.4. Zu seiner persönlichen Situation in Österreich

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des LG XXXX, XXXX, am 30.08.2017 wegen des Vergehens wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Ziffer 1 erster und zweiter Fall und § 27 Abs. 2a dritter Fall zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Er verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen engen sozialen Bindungen in Österreich. Der Beschwerdeführer hat von 16.11.2016 bis zum 30.06.2017 die Schule besucht. Er verfügt über keine Nachweise über deutschsprachigen Ausbildungen. Es gibt keine Nachweise einer gesicherten und nachhaltigen Integrationsbestrebung.

2. Beweiswürdigung:

Beweise wurden erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan mit der letzten eingefügten Kurzinformation vom 11.09.2018 welches dem Bescheid zugrunde gelegt wurde.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang und zu den persönlichen Daten des BF gründen sich auf den unbedenklichen Verwaltungsakt.

2.1. Zu den Fluchtgründen:

Die Feststellung, dass es sich der Asylfolgeantrag auf die gleichen Fluchtgründe bezieht wie das abgeschlossene Asylverfahren, ergibt sich aus seinen im Verwaltungsakt aufliegenden Aussagen: Am 27.09.2018, der Einvernahme vor der Behörde, brachte er vor, dass sein Vater vor etwa zwei Jahren von den Taliban getötet worden sei. Dies hätte er in Deutschland durch einen Bekannten aus dem gleichen Heimatdorf wie er erfahren. Er hätte diese Person zufällig in Passau getroffen. Dessen Bruder lebe in Afghanistan und dieser wäre zu das Familienhaus des BF gegangen und hätte erfahren, dass der Vater von den Taliban getötet worden sei.

Dem Gericht erscheint diese Darstellung im höchsten Ausmaß unwahrscheinlich zu sein. Der BF lebt seit ca 4 Jahren in Österreich, brachte vor, keinen Kontakt zu seiner Familie in Nangarhar zu haben und erst nach der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung würde er zufällig am Bahnhof in Passau einen Dorfbewohner aus seiner Ortschaft treffen. Genau diese Person hätte einen Bruder in der Ortschaft und zudem auch noch einen Kontakt zu seinem Bruder. Vor dem Hintergrund, dass dem BF im gerichtlichen Verfahren gänzliche seine Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde, ist diese Darstellung mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit gelogen.

2.2. Zur Lage in seiner Heimatregion

Dies ergibt sich aus den angeführten einschlägigen Länderberichten der Staatendokumentation, dem der BF im Grunde nicht widersprach. Dass in Nangarhar ein Bombenanschlag verübt worden sei, so wie der Beschwerdeführer vorbrachte, ist angesichts der festgestellten innerstaatlichen Fluchtalternative unerheblich.

2.3. Zu seiner persönlichen Situation in Österreich

Diese Feststellung ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Er selbst brachte bei der behördlichen Einvernahme vor, dass er alle Integrationsunterlagen dem Gericht vorgelegt habe. Es hat sich daher insofern keine Änderung eingestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Weder das Asylgesetz 2005 noch das BFA-Verfahrensgesetz sehen eine Entscheidung durch Senate vor, sodass das Bundesverwaltungsgericht vorliegend durch Einzelrichter zu entscheiden hat.

Zu A)

3.1. Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Rechtsgrundlagen lauten wie folgt:

Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 leg cit die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 dieser Bestimmung findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

§ 12 Abs 1 des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, ("Faktischer Abschiebeschutz") lautet:

"Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt."

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" überschriebene § 12a AsylG 2005 lautet (auszugsweise):

"(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1.-4. [...]

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) - (6) [...]"

§ 22 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2002, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 BFA-VG, der die Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes regelt, lautet:

"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

3.2. Zur Anwendbarkeit des § 12a Abs 2 AsylG 2005

Die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 ist den Fällen des Abs 1 leg cit subsidiär, in welchen Fremden dieser Schutz schon ex lege nicht zukommt. Hier liegt schon deswegen kein Fall des Abs 1 leg cit vor, weil der erste Asylantrag des BF in der Sache rechtskräftig erledigt wurde.

Zu prüfen ist daher, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 vorliegen:

3.2.1. Zum Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung (Z1)

Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, einer Ausweisung gemäß § 66 FPG oder eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs 2 AsylG 2005. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.01.2018 wurde gegen den BF rechtskräftig eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG getroffen.

3.2.2. Zum Vorliegen einer entschiedenen Sache (Z2)

Eine weitere Voraussetzung für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist, dass "der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist". Es ist also eine Prognose darüber zu treffen, ob der Antrag voraussichtlich (insbesondere wegen entschiedener Sache) zurückzuweisen sein wird (§ 12a Abs 2 Z 2 AsylG 2005).

Nach der Rechtsprechung zu § 68 Abs 1 AVG liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (siehe zB VwGH 17.09.2008 2008/23/0684).

Selbst bei Wahrunterstellung des neuen Vorbringens, wonach sein Vater von den Taliban umgebracht worden sei, wäre die Änderung des Sachverhalts nicht entscheidungswesentlich. Selbst wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht bekannt gewesen wäre, dass sein Vater von den Taliban umgebracht wurde, würde dies kein anderes Ergebnis nach sich ziehen und der Bescheid wäre bestätigt worden. Dies liegt darin, dass dem Beschwerdeführer selbst die Glaubwürdigkeit entzogen wurde und ob nun sein Vater gelebt hätte oder von den Taliban getötet worden wäre, hätte keinen Einfluss, weil seine Fluchtgeschichte zur Gänze unglaubwürdig war (sh Seite 20 des Erkanntnisses).

Folglich steht dem zweiten Antrag auf internationalen Schutz die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegen.

3.2.3. Prüfung auf Verletzung von Rechten nach der EMRK (Z3)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutz ist zulässig, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung für den Asylwerber keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeutet und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt (§ 12a Abs 2 Z 3 AsylG 2005).

Bereits im ersten Verfahren hat das BFA rechtskräftig ausgesprochen, dass der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner derartigen Gefahr und Bedrohung ausgesetzt sei.

Auch im gegenständlichen Verfahren konnte keine Feststellungen getroffen werden, die gegen die Abschiebung des BF in seinen Heimatstaat Afghanistan sprächen:

3.2.3.1. Eingriff in die Rechte nach Art 2 und 3 EMRK

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063 mwN). Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehende Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, und 23.09.2009, 2007/01/0515, mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063).

Es obliegt dabei grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl VwGH 05.10.2016, Ra 2016/19/0158, mit Verweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 05.09.2013, I gegen Schweden, Appl. 61.204/09, mwH).

Es wurden im vorliegenden Fall keine Umstände festgestellt, die dem BF ein "reales Risiko" einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe droht.

3.2.3.2. Eingriff in die Rechte nach Art 8 EMRK

Der Fremde hat in Österreich keine familiären Bindungen. Der Fremde führt daher in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und verfügt in Österreich über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte (vgl dazu VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479, mwN). Eine Abschiebung des Fremden bedeutet demnach keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 8 EMRK.

Die Abschiebung des BF nach Afghanistan stellt daher keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK dar bzw ist ein Eingriff in allfällig bestehende Rechte nach Art 8 EMRK gerechtfertigt. Es besteht für ihn als Zivilperson auch keine ernsthafte Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W257.2185062.3.00

Zuletzt aktualisiert am

27.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten