Entscheidungsdatum
09.10.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W183 2176947-1/9E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 10.09.2018 MÜNDLICH VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER aufgrund der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Säumnisbeschwerde) von XXXX , geb. am XXXX , StA: Somalia, vertreten durch RA Edward DAIGNEAULT, betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 15.04.2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 10.09.2018 zu Recht erkannt:
I. Der Antrag wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Dem Antrag wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 15.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 16.04.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.
Am 07.08.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), der gegenständlich belangten Behörde, eine Beschwerde des BF wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein.
Das BFA stellte dem BF amtswegig einen Rechtsberater zur Seite.
2. Das BFA entschied nicht über den Antrag des BF, sondern legte mit Schriftsatz vom 14.11.2017 (eingelangt am 17.11.2017) die Säumnisbeschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
3. Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht gem. § 19 Abs. 6 AsylG 2005 führte das BFA am 22.12.2017 eine Einvernahme des BF durch und gab dieser als Fluchtgrund im Wesentlichen eine Verfolgung durch Angehörige eines anderen Clans an. Seitens des BF wurden diverse Unterlagen betreffend Integration vorgelegt.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.05.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (dort eingelangt am 22.05.2018).
5. Mit Schreiben vom 06.08.2018 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 10.09.2018 geladen und wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, Wien am 12.01.2018 (aktualisiert am 03.05.2018)" (in der Folge LIB 2018), dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia-Somaliland (Wien am 12.01.2018, aktualisiert am 03.05.2018)", dem "Fact Finding Mission Report Somalia - Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM (August 2017)", dem Bericht "Focus Somalia - Clans und Minderheiten" des Schweizer Staatssekretariats für Migration vom 31. Mai 2017 sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu" vom 11. Mai 2018 als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Somalia heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung. Schriftliche Stellungnahmen wurden von keiner der Parteien dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.
5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.09.2018 unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. BF wurde ausführlich zu seiner Person und den Fluchtgründen befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen und zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen. BF legte eine Bestätigung über seine Tätigkeit als Aushilfsarbeiter in einem Landesforstgarten vor. Ein Strafregisterauszug wurde am Tag der Verhandlung eingeholt.
Das Bundesverwaltungsgericht verkündete das Erkenntnis wie im Spruch oben angeführt. Nach einer Belehrung gem. § 29 Abs. 2a VwGVG verzichtete BF auf eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof sowie auf eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof. Das Informationsblatt zu Integration gem. § 67 Abs. 1 AsylG 2005 wurde BF persönlich ausgehändigt.
6. Mit Schriftsatz vom 17.09.2018 ersuchte die belangte Behörde um eine schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
BF ist ein XXXX geborener, volljähriger somalischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens. Er gehört den Madhiban an und stammt aus Jamaame.
BF leidet an keiner physischen oder psychischen Erkrankung.
BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und es sind keine Aberkennungsgründe hervorgekommen.
1.2. Zum Fluchtvorbringen
Es wird festgestellt, dass BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine asylrelevante Verfolgung durch Angehörige anderer Clans droht.
Es wird festgestellt, dass BF auch aus anderen Gründen keine asylrelevante Verfolgung in Somalia droht.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:
1.3.1. Der Bezirk Jamaame ist vollständig unter Kontrolle der al Shabaab. Dies gilt auch für weite Teile des ländlichen Raumes der anderen Bezirke in der Region (BFA 8.2017).
Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfern niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017).
In Lower Juba haben sich die Clan-Konflikte beruhigt (DIS 3.2017).
1.3.2. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Insbesondere unter jungen Somali ist die Einstellung zu ihnen positiver geworden; mittlerweile ist es für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten. Es gibt keine gezielten Angriffen oder Misshandlungen hinsichtlich der Gabooye (SEM 31.5.2017).
Viele Minderheitengemeinden leben aber in tiefer Armut und leiden an zahlreichen Formen der Diskriminierung und Exklusion (USDOS 3.3.2017). Einzelne Minderheiten (u.a. Jareer, Benadiri, Gabooye) leben unter besonders schwierigen sozialen Bedingungen und sehen sich in vielfacher Weise von der übrigen Bevölkerung - nicht aber systematisch von staatlichen Stellen - wirtschaftlich, politisch und sozial ausgegrenzt (AA 1.1.2017). Minderheitengemeinden sind überproportional von der im Land herrschenden Gewalt betroffen (Tötungen, Folter, Vergewaltigungen etc.) (USDOS 3.3.2017).
1.3.3. In Somalia kam es zu überdurchschnittlichen Regenfällen und sind die Prognosen für eine gute Nahrungsmittelversorgung gut. Mogadischu wird bei der Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung in der Stufe 1 (minimal) verzeichnet und ist die Bevölkerung in den Städten besser versorgt, als jene auf dem Lande (FAO 2018). Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b).
1.3.4. Verzeichnis der oben zitierten Quellen
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM
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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):
South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016
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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia
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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia,
1.4. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr
In Somalia lebten zuletzt die Mutter, die Ehefrau und die Schwester des BF. Der Vater des BF ist verstorben. Es kann nicht festgestellt werden, dass BF aktuell Kontakt zu seinen Verwandten in Somalia hat. Es kann kein verlässliches familiäres Netzwerk des BF in Somalia festgestellt werden. Es kann nicht mit der nötigen Sicherheit festgestellt werden, dass BF im Falle einer Rückkehr hinreichend mit Nahrungsmitteln versorgt wäre.
1.5. Zur Säumnis der belangten Behörde
BF stellte am 15.04.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 07.08.2017 brachte BF mangels Entscheidung des BFA eine Säumnisbeschwerde ein. Das BFA traf keine Entscheidung über den Antrag des BF.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (16.04.2016) und durch das BFA 22.12.2017) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (10.09.2018), die Säumnisbeschwerde, das LIB 2018 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten und der Strafregisterauszug vom 10.09.2018.
2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:
2.2.1 Zur Person des Beschwerdeführers
Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet BF betreffend die Angaben zu seiner Person und familiären Situation für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.
2.2.2. Zum Fluchtvorbringen
Das Fluchtvorbringen des BF ist insofern nicht glaubhaft, als es zum einen an der persönlichen Glaubwürdigkeit und Konsistenz im Hinblick auf eine potentielle Verfolgung mangelt. Nicht nachvollziehbar ist die von BF erzählte Fluchtgeschichte, wonach er einmal seinen Vater als Türsteher vertrat und gerade an diesem Abend ein Gefecht stattgefunden haben soll, bei dem der Türsteher des Nachbargeschäfts jemanden erschossen habe soll und in der Folge der BF selbst für den Tod des Angreifers verantwortlich gemacht worden sei. Anhaltspunkte, wonach der BF für den Mörder gehalten hätte werden können, sind nicht hervorgekommen. Auch ist es unplausibel, dass die Schusswechsel vor dem Geschäft 20-30 Minuten gedauert haben, und es dennoch keine Zeugen für den Vorfall gegeben habe (AS 55, 56). Warum der Vater des BF getötet wurde, wo doch der BF selbst des Mordes bezichtigt worden sei, ist nicht verständlich.
Nicht nachvollziehbar ist auch, dass ein tatsächliches Interesse an der Person des BF bestehen soll, weil die Verfolger sodann besser nach ihm gesucht hätten (AS 54). Dass BF keinerlei Hilfe holte bzw. zu erwarten gehabt hätte, erscheint lebensfremd und der Verweis auf die Minderheitenzugehörigkeit ist pauschal. In der mündlichen Verhandlung konnte BF nicht glaubwürdig darlegen, warum man ihn im Falle einer Rückkehr finden sollte, und wich er dieser Frage aus (Niederschrift S 11). Ebenso wenig überzeugend war die Antwort auf die Frage, warum das Haus der Mutter nicht besser durchsucht worden sei. BF sagte darauf, es war Mittagszeit und sind die Leute nach Hause essen gegangen. Pauschal war die Antwort, was er bei einer Rückkehr befürchte, nämlich die Männer würden mich töten (Niederschrift S 11). Bereits vor dem BFA gab der BF sehr allgemein an, dass er meint, Angehörige des Clans Sure wären die Angreifer gewesen, weil diese den Leuten immer Dinge wegnehmen (AS 55).
Gesteigert war das Fluchtvorbringen insofern, als der BF erstmals vor dem Bundesverwaltungsgericht angab, dass noch ein weiteres Mal in seinem Elternhaus nach ihm gesucht worden wäre (Niederschrift S 10).
Widersprüchlich waren die Angaben des BF betreffend die Clanzugehörigkeit der angeblichen Verfolger. So gab er vor der Behörde an, dass er befürchte, durch Angehörige der Darod verfolgt zu werden, beim Bundesverwaltungsgericht jedoch, dass die Dir ihn verfolgen würden. Zwar gab BF beim Bundesverwaltungsgericht an, dass das BFA richtigerweise Dir hätte schreiben sollen, doch ist diese Korrektur nicht glaubwürdig, weil BF an mehreren Stellen vor dem BFA sagte, dass die Darod ihn verfolgen würden (AS 54, 57). Inkonsistent sind auch die Angaben, welchem Clan die Getöteten angehören. So sagte der BF vor der Behörde, die Angehörigen des Clans Sure würden ihn verdächtigen, zwei ihrer Männer umgebracht zu haben (AS 54), wohingegen er vor dem Bundesveraltungsgericht sagte, dass zwei Biomaal Männer getötet worden seien (Niederschrift S 10).
Bei einer Gesamtbetrachtung der Einvernahmen des BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht fällt auch auf, dass die Frage nach dem Fluchtgrund ausführlicher beantwortet wurde als alle weiteren Fragen, welche aber gleichfalls für die Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz relevant sind. So erzählte BF zwar eine "Fluchtgeschichte", kann aber nicht nachvollziehbar darlegen, warum er aktuell einer asylrelevanten Verfolgung in Somalia ausgesetzt wäre. Während die Antworten auf Fragen zu anderen Themen als dem Fluchtgrund sowie auch auf Nachfragen zum Fluchtgrund in der Regel knapp und vage gehalten sind, ist die "Fluchtgeschichte" ausführlicher, was dafür spricht, dass es sich um eine konstruierte und vorab einstudierte "Fluchtgeschichte" handelt. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung lässt der persönliche Eindruck des BF nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen.
Abgesehen von der persönlichen Unglaubwürdigkeit ist eine drohende Verfolgung auch vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Herkunftsland nicht objektivierbar. So sind nämlich die Clanauseinandersetzungen in der Herkunftsregion des BF zurückgegangen.
Andere Fluchtgründe wurden von BF weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht (AS 55, Niederschrift S 11) und sind auch sonst insbesondere aufgrund der zitierten Länderberichte etwa betreffend die Clanzugehörigkeit nicht hervorgekommen.
2.2.3 Zur maßgeblichen Situation in Somalia
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im LIB 2018 zitierten Berichten. Die konkret den Feststellungen zugrunde liegenden Quellen wurden unter Punkt 1.3. zitiert. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
Zur Säumnisbeschwerde
Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG 2005 ist abweichend von § 73 Abs. 1 AVG über einen Antrag auf internationalen Schutz längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden.
Infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde geht nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über (VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0052; 19.09.2017; Ro 2017/20/0001).
"Das VwG ist nach Verstreichen der dreimonatigen Nachfrist zuständig, in der Verwaltungssache (meritorisch) zu entscheiden, ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist (Hinweis E vom 27.05.2015, Ra 2015/19/0075)." (VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001)
"Der VwGH hat bereits im E vom 22.06.2017, Ra 2017/20/0133, dargelegt, dass entsprechend der Intention des Gesetzgebers trotz der durch den starken Zustrom Schutzsuchender hervorgerufenen Belastung der Asylbehörde die Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz grundsätzlich binnen 15 Monaten zu erfolgen hat. Davon ausgehend kann die Überlastung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der hohen Zahl an Asylanträgen im Jahr 2015 allein keinesfalls als geeignet angesehen werden, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen. Davon, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG 2014 zurückzuführen wäre, kann diesfalls ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht (mehr) gesprochen werden." (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0208)
Im vorliegenden Fall stellte BF am 15.04.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Mit am 07.08.2017 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob BF durch seine Rechtsvertretung die Säumnisbeschwerde. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde waren mehr 15 Monate vergangen und somit die 15-monatige Entscheidungsfrist des Bundesamtes verstrichen, weshalb sich aufgrund der - unbestrittenen - Säumigkeit des BFA die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als zulässig erweist.
Das BFA legte die Säumnisbeschwerde mit der Anmerkung, es könne eine Erledigung nicht fristgerecht erfolgen, dem Bundesverwaltungsgericht vor. Aus der oben angeführten VwGH-Judikatur ergibt sich, dass trotz des großen Andrangs von Schutzsuchenden im Jahr 2015 angesichts der verlängerten Entscheidungsfrist von 15 Monaten und ohne Hinzutreten weiterer Gründe - die das Bundesamt nicht vorgebracht hat - nicht davon auszugehen ist, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre. Damit ist ein überwiegendes Behördenverschulden hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht im konkreten Fall gegeben.
Da sich aus dem Akteninhalt auch nicht ergibt, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des BF oder durch unüberwindbare Hindernisse verursacht war, ist die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht auch berechtigt. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist damit auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen und hat dieses meritorisch zu entscheiden.
Zu Spruchpunkt I.
3.1.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt daraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, der BF in Bezug auf seinen vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig war und die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr widersprüchlich und nicht nachvollziehbar waren. Hinzu kommt, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektivierbar ist. Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, und es BF nicht gelungen ist, eine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen, war der Antrag in Bezug auf die Gewährung von Asyl abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkten II. und III.
3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.
Aus der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137) ergibt sich zusammenfassend Folgendes:
"Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN). [Anm.: zuletzt auch VwGH 30.01.2018, Ra 2017/20/0406]
Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).
Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063)."
3.2.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundlagen, dass bei einer Rückkehr des BF nach Somalia die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht. So kann nicht festgestellt werden, dass BF über ein verlässliches familiäres und soziales Netzwerk in Somalia verfügt. Die Dürresituation ist zwar aufgrund der Regenfälle besser geworden, doch gibt es aktuell vor allem Prognosen einer Verbesserung. Auch ist zu bedenken, dass es Überflutungen gegeben hat. Im Zusammenhang damit, dass der BF einem Minderheitenclan angehört und auch nicht gesichert ist, dass er zu seiner Familie Kontakt hat, sowie weiters, dass die allgemeine Sicherheitslage prekär ist und gerade in den unter der Kontrolle der al Shabaab stehenden Gebieten häufig Zivilisten unter den Todesopfern sind, bestünde im Falle der Rückkehr des BF die ernsthafte Gefahr, dass dieser in eine lebensbedrohliche oder ausweglose Lage geraten würden. Gesamtheitlich betrachtet ergibt sich in dem konkreten Fall des BF auf Grund mehrerer kumulativer Faktoren eine Situation, wonach davon auszugehen ist, dass BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre.
Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht BF nicht offen, weil BF auch in anderen Landesteilen über keine familiären Kontakte verfügt und die Dürre landesweit zu einer allgemeinen schlechten Lebensmittelversorgung führte.
Aberkennungsgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind und BF andererseits strafrechtlich unbescholten ist.
Dem Antrag auf internationalen Schutz war daher in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattzugeben und BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuzuerkennen. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 war BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr zu erteilen.
3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.
Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Aufenthaltsberechtigung, Glaubwürdigkeit, mangelnde Asylrelevanz,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W183.2176947.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.11.2018