TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/10 W222 2198298-1

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Veröffentlicht am 10.10.2018
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Entscheidungsdatum

10.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2198298-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG, und §§ 46, 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 05.03.2018 vor einem Organ der LPD Wien einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am 06.03.2018 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen.

Zu seiner Person gab er an in XXXX , Indien geboren worden zu sein und der Volksgruppe der Punjabi anzugehören. Er habe die Grundschule in Indien besucht. Seine Eltern würden im Heimatland leben. Er wolle auf keinen Fall nach Ungarn zurück, weil er dort eingesperrt und sehr schlecht behandelt worden sei. Er sei in Ungarn für fünf Monate in einem geschlossenen Camp untergebracht und dann elf Monate in Schubhaft gewesen. Dort sei es ihm sehr schlecht ergangen. Er habe kaum und sehr schlecht zu essen bekommen. Er sei von der Polizei sehr schlecht behandelt und psychisch gefoltert worden. Er habe keine Freiheit gehabt und habe sich nicht frei bewegen können. Er wolle hier in Österreich bleiben. Er sei von Ungarn nach Österreich selbstständig mit einem Zug gefahren. Als Fluchtgrund gab er Folgendes an:

"Im Oktober 2015 wurde das heilige Buch vom Sikhismus beleidigt, indem die Seiten dieses Buches zerrissen und auf die Straße geworfen wurden. Diese Tat wurde von den Hinduextremisten ausgeübt. Daraufhin ging ich gemeinsam mit anderen Shiks auf der Straße und wir protestierten friedlich dagegen. Dabei wurden wir von der Polizei angegriffen. Es wurde dabei Gewalt angewendet und mehrere Personen wurden verletzt. 2 Personen wurden getötet. Viele wurden auch festgenommen, darunter war ich auch. Ich wurde dann für 6 Monate eingesperrt und es wurde gegen mich eine falsche Anzeige erstattet, indem sie mich als Staatsverräter hinstellten. Nach 6 Monaten Haft, sollte ich vor Gericht gebracht werden. Dabei wurde ich von einem Polizisten gegen Geld frei gelassen. Ich hatte dort Angst, mehrere Jahre eingesperrt zu werden, deshalb bin ich aus Indien geflüchtet. Nach mir wird in Indien offiziell gefahndet und wenn ich zurückkehren würde, würden sie mich sofort festnehmen.

Ich habe hiermit alle meine Gründe und die dazugehörenden Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung."

Am 11.04.2017 erfolgte eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Muttersprache Punjabi sei und es ihm gesundheitlich gut gehe und er nicht in ärztlicher Behandlung stehe oder an einer Krankheit leide. Er nehme keine Medikamente. Er habe keine Eltern oder Kinder hier in Österreich, sondern nur ein paar Freunde. Er habe sein Heimatland im Mai 2016 verlassen. Er habe eine Mittelschule besucht und absolviert. Er habe keinen Beruf in seinem Heimatland ausgeübt. Als er Indien verlassen habe, habe er Eltern gehabt, diese seien aber in der Zwischenzeit gestorben und er habe niemanden mehr dort. Seine Eltern seien im Jahre 2016 verstorben und zwar einen Monat nachdem er sein Heimatland verlassen habe. Sein Vater hätte Herzprobleme gehabt und seine Mutter sei an einem Schock gestorben. Seine Mutter sei Dezember 2016 verstorben und sein Vater im Jänner 2017. Seine Eltern hätten in einer kleinen Hütte gelebt. Seine Eltern hätten diese Hütte verkauft und das Geld an den Schlepper für den Beschwerdeführer bezahlt und seien dann in ein Altersheim gegangen.

In weiterer Folge wurde Folgendes ausgeführt:

"F: Haben Sie im Herkunftsland oder hier Strafrechtsdelikte begangen?

A: Ja. Ich habe bei einer Demonstration über die "SIKH" mitgemacht, das hätte ich nicht machen dürfen, weil SIKH ist eine Religion. Und die SIKH steht in Oposition zur Regierung. Wir haben protestiert, weil unserer Religion beleidigt wurde. Unser heiliges Buch " Guru Granth Sahib" (ist wie Biebel und Kuran) wurde nämlich beleidigt.

F: Von wem wurden Sie beleidigt?

A: XXXX , das ist eine Partei, diese Mitglieder haben das Buch beleidigt und das Buch zerissen. Daraufhin haben wir dann eben protestiert. Ich war in Haft.

F: Wann waren Sie in Haft?

A: Dezember 2015 bis Mai 2016 war ich in Haft. Nach 6 Monaten wurde ich auf Kation frei gelassen. Ich war in Haft wegen der Teilnahme der Demonstration. Nachgefragt gebe ich an, dass ich das Datum nicht kenne.

Anmerkung: AW gibt keine Haftentlassung zu haben. Dann gibt er an, dass er durch Bestehungsgeld flüchten konnte. Er habe ca. 6000 Euro bezahlt.

F: Wie konnten Sie das zahlen, wenn Sie in einer Hütte gelebt haben?

A: Das Geld war von der Hütte, wo meine Eltern die Hütte verkauft hatten. In der Erstbefragung habe ich nur wegen dem Geld erzählt, aber nichts über die Kaution.

F: Haben Sie noch Grundstücke in Ihrer Heimat?

A: Nein.

F: Hatten Sie wirtschaftliche Gründe Ihre Heimat zu verlassen?

A: Nein, um mich zu retten. Ich wollte weiter studieren, aber ich musste wegen dem Vorfall fliehen.

F: Sind Sie arbeitsfähig?

A: Ja.

F: Sind Sie in Österreich Mitglied in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen?

A: Nein.

F: Warum stellen Sie einen Asylantrag bzw. was veranlasste Sie, die Heimat zu verlassen? Schildern Sie bitte möglichst konkret und detailliert Ihre Fluchtgründe!

A: Ich wurde fälschlich angezeigt, dass ich bei der Demonstration gewaltätig war, obwohl ich es nicht war. Dann kam ich in Haft in Indien. Dann war ich in Ungarn in Haft und bin dann weiter nach Österreich geflüchtet, weil ich in Ungarn kein Asyl erhalten habe. Die Polizei sucht mich, weil ich aus dem Gefängnis geflüchtet bin.

F: Wie sind Sie zurecht gekommen in Ihrem Heimatland vor Ihrer Ausreise?

A: Ich hatte ein normales Problem bis zu dem Vorfall bei der Demonstration.

Vorhalt:

Aus den von Ihnen behaupteten Gründen warum Sie Ihr Land verlassen haben ist weder ein Asylstatus noch subsidiäre Schutzberechtigung herzuleiten noch ist jenes Vorbringen dazu geeignet eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Was sagen Sie dazu?

A: Ich kann nicht in mein Heimatland zurückkehren.

F: Haben Sie Dokumente die dokumentieren, warum Sie in Haft waren oder dass Sie überhaupt in Haft waren?

A: Ich habe keine Beweise und kann keine Beweise besorgen, weil ich mit niemanden dort Kontakt habe. Ich wurde in Ungarn schlecht behandelt.

F: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland sonst noch zu befürchten?

A: Ich befürchte, komme ich ins Gefängnis. Diesmal könnte es auch lebenslänglich sein."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Beweiswürdigend hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen fest, dass das Vorbringen nicht glaubhaft sei. "Sie brachten befragt zu Ihren Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass Sie auf der Flucht vor der indischen Polizei wären. Sie wurden laut Ihren Angaben fälschlicherweise angezeigt und kamen dann ungerecht ins Gefängnis. Laut Ihren Angaben wurden Sie fälschlicherweise angezeigt. Die indische Polizei hat angegeben, dass Sie bei einer Demonstration über "SIKH" gewalttätig gewesen wären.

Grundsätzlich ist eine Aussage dann als glaubhaft einzustufen, wenn das Vorbringen des Asylwerbers genügend substantiiert ist und der Asylwerber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen. Zudem muss das Vorbringen in sich schlüssig und plausibel sein, was voraussetzt, dass der Asylwerber sich nicht in wesentlichen Aussagen widerspricht bzw. dass sein Vorbringen mit den Tatsachen oder der allgemeinen Lebenserfahrung übereinstimmt. Weiters muss der Asylwerber persönlich glaubwürdig sein, was z.B. nicht anzunehmen ist, wenn er sein Vorbringen im Laufe des Verfahrens auswechselt oder steigert.

Dazu darf angeführt werden, dass es grundsätzlich nicht Aufgabe der Behörden ist, durch Nachfragen derartige Details zu erfragen, vielmehr entspricht es der Erfahrung der ho. Behörden, dass Personen, die einen ins Treffen geführten Sachverhalt tatsächlich erlebt haben, aus freien Stücken bereit sind, eine Vielzahl von Details ihrer Fluchtgeschichte zu Protokoll zu geben, ohne dass seitens des Einvernehmenden immer wieder nachgefragt und der Asylwerber aufgefordert werden muss, konkrete Einzelheiten seiner Fluchtgeschichte zu erzählen bzw. diese auch unter Angaben seiner Befürchtungen und Gefühle schildert.

Das Bundesamt geht nicht davon aus, dass Sie in Indien von der Polizei verfolgt werden bzw. dass Sie fälschlicher Weise angezeigt wurden. Tatsächlich verfolgte Personen schildern Realereignisse, insbesondere wenn sie im Leben entscheidend sind, detailliert und auf Einzelheiten eingehend. Sie legten nur emotionslos Behauptungen in den Raum. Die Wiedergabe von tatsächlich selbst erlebten Umständen bzw. Ereignissen wie z. B., dass Sie bei der Demonstration teilgenommen festgenommen wurden zeichnet sich gerade dadurch aus, dass man nicht lediglich objektive Rahmenbedingungen darlegt, sondern entspricht es vielmehr der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Menschen über persönlich Erlebtes detailreich, oft weit schweifend unter Angabe der eigenen Gefühle bzw. unter spontaner Rückerinnerung an auch oft unwesentliche Details oder Nebenumstände berichten. Im konkreten Fall vermochten Sie jedoch diesen Voraussetzungen für die Qualifizierung eines Erlebnisberichtes nicht entsprechen. Vor dem Hintergrund dieser Prämissen ist die von Ihnen präsentierter Sachverhalt tatsächlich als zu "blass", wenig detailreich und zu oberflächlich zu qualifizieren.

Zu Ihrem Vorbringen rund um Ihre Fluchtgründe ist weiters festzuhalten, dass Sie nur sehr vage und allgemeingehaltene Angaben zu Ihrem Fluchtgrund in der Einvernahme am 11.04.2018 gemacht haben. Allgemeiner Lebenserfahrung kann- unabhängig vom Bildungsniveau einer Person- ausgegangen werden, dass diese persönliche Erlebnisse bzw. Details von Ereignissen, die sie selbst betroffen hat, auf individuelle Art und Weise darstellt.

Es kann ferner erwartet werden, dass eine Person, die im Ausland um Schutz ansucht, Anstrengungen unternimmt, die Behörde von ihrer Darstellung zu überzeugen bzw. an der Feststellung eines Sachverhaltes mitwirkt.

Es hat den Anschein als sei von Ihnen lediglich ein standardisiertes Vorbringen erstattet worden, dass sich auf wenige, leicht erinnerbare Eckpunkte, die auch über Befragen nicht ausführlicher dargestellt werden können, beschränkt. Sie waren nicht in der Lage eine konkrete Verfolgung Ihrer Person darzustellen. In Ihrem Fall steht fest, dass Sie nicht persönlich bedroht oder verfolgt werden.

Gegen Ende der Einvernahme, haben Sie sich sogar widersprochen. Zuerst gaben Sie an, dass Sie nach 6 Monaten Haft auf Kaution frei gelassen wurden und dann gaben Sie wiederum an, dass Sie durch Bestechungsgeld geflüchtet sind. Also ist davon auszugehen, dass Sie falsche Angaben von sich geben. Ebenso ist anzuführen, dass Sie keine Beweise vorlegen konnten.

Es ist weiters festzuhalten, dass in Ihrem Heimatland Bewegungsfreiheit existiert, sodass Ihnen jedenfalls die Möglichkeit offen steht, sich an einen anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat zu begeben, um etwaig tatsächlich vorliegenden Problemen zu entgehen.

Aus einer Gesamtschau Ihrer Angaben ergibt sich, dass eine im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehende und dem Herkunftsstaat zurechenbare Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht bzw. vorgebracht wurde.

Zusammenfassend gelangt die erkennende Behörde daher im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu einem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechenden Ergebnis, indem sie aufgrund der getroffenen Feststellungen, insbesondere aber aufgrund des Vorbringens zu den Fluchtgründen zu dem Schluss kommt, dass Sie mit diesem keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen konnten.

Aus Ihren Behauptungen ist somit weder ein Asylstatus noch subsidiäre Schutzberechtigung herzuleiten noch ist jenes Vorbringen dazu geeignet eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen."

Rechtlich hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. fest, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt keinerlei Umstände vorgebracht habe, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er persönlich in seinem Heimatstaat Verfolgung im Sinne der GFK, das heißt aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt wäre.

Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt u.a. aus: "Aus der allgemeinen Lage in ihrem Heimatland allein ergab sich keine Gefährdung. Es war demnach auch kein Abschiebungshindernis im Sinne des § 8 AsylG ersichtlich. Ebenso wenig ergaben sich in Ihrer Person selbst gelegene Gründe, wie etwa eine lebensbedrohende Krankheit. Sie haben weder eine lebensbedrohende Erkrankung noch einen sonstigen auf Ihre Person bezogenen "außergewöhnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK iVm § 8 Absatz 1 AsylG darstellen könnte.

Wie bereits in der rechtlichen Würdigung zu Spruchteil I erörtert, konnte Ihrem Vorbringen keinerlei glaubhafte aktuelle Gefährdung Ihrer Person entnommen werden, weshalb auch nicht anzunehmen ist, dass Sie im Falle der Rückkehr aufgrund der von Ihnen behaupteten persönlichen Fluchtgründe einer unmenschlichen Behandlung bzw. der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt sein würden.

Somit ist davon auszugehen, dass Ihnen im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat in diesem Zusammenhang keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention droht.

In Ihrem Fall war nichts dahingehend ersichtlich, dass Sie im Falle der Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnten. Auch aus der allgemeinen Situation in Ihrem Heimatstaat bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine lässt sich eine solche nicht ableiten. Zudem steht Ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative offen.

Auch aus der allgemeinen Lage in Ihrem Heimatland ist keine Gefährdung ersichtlich.

Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens ergaben sich bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gemäß § 8 AsylG zur Gewährung von subsidiärem Schutz führen würde. Die Behörde gelangt zur Ansicht, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestehen, dass Sie im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefen, in die Indien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden, womit festzustellen war, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung zulässig ist."

Zu den Spruchpunkten III., IV., V. und VI. hielt das Bundesamt u.a. fest, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 57 AsylG nicht erfülle. Sein Aufenthalt in Österreich beruhe nur auf der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz. Er spreche kein Deutsch.

Dieser Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien und stammt aus dem Bundesstaat Punjab, er gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an. In Indien besuchte er eine Mittelschule. Er spricht Punjabi und Hindi. Am 05.03.2018 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. In Österreich hat der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen. In einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft lebt er ebenso wenig. Er engagiert sich weder in einem Verein noch in einer anderen Organisation. Seine Freizeit verbringt er zuhause. Er ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich unbescholten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen - konkret aufgrund der Verfolgung durch die Polizei wegen der Teilnahme an Demonstrationen anlässlich der Entehrung des heiligen Buches der Sikhs - verlassen hat.

Zur allgemeinen politischen und menschenrechtlichen Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

A) Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

-

CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

-

FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

B) Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

B.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

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BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

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MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

C) Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Abl

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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