TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/10 W176 2166776-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.10.2018
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Entscheidungsdatum

10.10.2018

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W176 2166776-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX .1965, syrische Staatsangehörige, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2017, Zl. 1097207309/151883078/BMI-BFA_SZB_RD, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 33/2013 (VwGVG), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin brachte am XXXX .2015 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX 2015 gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes an: Sie sei syrische Staatsangehörige sunnitisch-muslimischen Glaubens, gehöre der kurdischen Volksgruppe an, sei in XXXX geboren und habe im (westlich der Altstadt gelegenen) Damaszener Stadtteil XXXX (auch XXXX ) gelebt. Syrien habe sie zwei Wochen zuvor legal verlassen, indem sie mit ihren Familienangehörigen mit dem Bus von Damaskus nach Beirut gefahren sei. Zu ihrem Fluchtgrund führte sie an, dass in Syrien Krieg herrsche und es nicht mehr sicher gewesen sei; auch habe sie finanzielle Probleme gehabt. Auf die Frage, was sie bei einer Rückkehr nach Syrien erwarte, erwiderte sei, sie habe Angst vor dem Krieg und es sei nicht mehr sicher. Dabei legte sie ihren syrischen Reisepass vor, auf dessen Seite 6 ein syrischer Ausreise- sowie ein korrespondierender libanesischer Einreisestempel vom XXXX ersichtlich ist.

3. Am XXXX 2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen, brachte die Beschwerdeführerin zusammengefasst Folgendes vor: Sei sie im Dorf XXXX , Provinz XXXX , aufgewachsen und habe seit der Eheschließung mit ihrem mittlerweile durch einen Unfall verstorbenen Mann im Damaszener Stadtteil XXXX gelebt. An Schulbildung habe sie nur zwei Jahre Grundschule genossen. Berufserfahrung habe sie nicht, sie habe nicht gearbeitet. Ihr Mann und ihre Kinder hätten für sie gesorgt. Mit ihren Geschwistern in Syrien habe sie ca. einmal im Monat Kontakt. Die Fragen, ob sie jemals aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder ihrer Religion verfolgt worden sei oder ob sie jemals in Syrien Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei gehabt habe, verneinte die Beschwerdeführerin ebenso wie jene, ob sie jemals politisch tätig gewesen sei oder je an Demonstrationen teilgenommen habe. Auf die Frage nach ihren Fluchtgründen gab sie an, dass in Syrien Krieg herrsche und ihr Sohn XXXX sowie ihr Schwiegersohn Militärdienst hätten machen müssen. Sie habe ihren Sohn nicht verlieren wollen und sei dann einfach mitgegangen. Auf Nachfrage, worin die in der Erstbefragung angeführten finanziellen Probleme bestanden hätten, erwiderte die Beschwerdeführerin, die allgemeine Lage in Syrien sei schlecht, alles sei dort teuer geworden und sie sei wegen ihrer Kinder geflüchtet. Befragt, was sie im Falle einer Rückkehr nach Syrien zu befürchten hätte, erwiderte sie, sie hätte keine Angst; sie hätte dort aber niemanden mehr und würde auf der Straße leben.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte das BFA zur Person der Beschwerdeführerin fest, dass ihre Identität feststehe; sie sei syrische Staatsangehörige sunnitisch-muslimischen Glaubens und kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen könne nicht festgestellt werden. Überdies traf das BFA im Wesentlichen mit dem zuvor Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien übereinstimmende Feststellungen.

Die Nichtzuerkennung des Status einer Asylberechtigten begründete das BFA damit, dass die Beschwerdeführerin asylrelevante Verfolgung nicht geltend gemacht habe.

Zur Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten wurde auf die allgemeine Lage in Syrien verwiesen.

Gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde den Beschwerdeführern ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der Folgendes vorbracht wird:

Die Beschwerdeführerin habe viele Jahre in Syrien als Witwe und alleinerziehende Mutter von vier Kindern gelebt. Dadurch habe sie Tatkraft entfalten müssen, die übergroße Verantwortung habe sie aber belastet. Es sei ihr ein Anlegen und Wunsch gewesen, dass insbesondere ihre Töchter zu selbstbewussten Frauen werden und einen Beruf ergreifen. Ihr eigenes Leben habe sie dabei bewusst zurückgestellt.

Die Beschwerdeführerin müsse sich in Österreich erst orientieren. Die Umstellung falle ihr nicht leicht, doch sehe sie jetzt auch für sich die Möglichkeit, so zu leben, wie sie es sich für ihre Kinder gewünscht habe, auch in einer eigenen Wohnung zu leben und sich nicht nur um die Familie zu kümmern.

Demgemäß sei sie enttäuscht darüber, dass sie im Unterschied zu ihren Töchtern und ihrem Sohn nicht Asyl zuerkannt worden sei.

5. In der Folge legte das BFA die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Die Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige sunnitisch-muslimischen Glaubens und gehört der kurdischen Volksgruppe an. Sie lebte im (westlich der Altstadt gelegenen) Damaszener Stadtteil XXXX und hat Syrien unter Verwendung ihres syrischen Reisepasses legal verlassen.

1.2. Die Beschwerdeführerin hätte im Falle einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Übergriffe zu befürchten.

2. Zur maßgebliche Lage in Syrien:

Politische Lage

Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit über 50 Jahren, seit Hafez al-Assad 1963 mit fünf anderen Offizieren einen Staatsstreich durchführte und sich dann 1971 als der Herrscher Syriens ernannte. Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad diese Position. Seit dieser Zeit haben Vater und Sohn keine politische Opposition geduldet. Jegliche Versuche eine politische Alternative zu schaffen wurden sofort unterbunden, auch mit Gewalt (USCIRF 26.4.2017). 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Assad führten (USDOS 3.3.2017). Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Die Wahl wurde als undemokratisch bezeichnet. Die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce" (Haaretz 4.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat (USDOS 3.3.2017). Am 13.4.2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden (Reuters 13.4.2016; vgl. France24 17.4.2017). Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen (France24 17.4.2016). Die Verfassungsreform von 2012 lockerte die Regelungen bezüglich der politischen Partizipation anderer Parteien. In der Praxis unterhält die Regierung jedoch noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten (FH 1.2017)

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016). Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016). Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in Deir ez-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes und rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus (USDOS 3.3.2017). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben (Reuters 13.4.2016). Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen bzw. errichten sie wieder, inklusive irregulär aufgebauter Gerichte (USDOS 3.3.2017). Seit 2016 hat die Regierung große Gebietsgewinne gemacht, jedoch steht noch beinahe die Hälfte des syrischen Territoriums nicht unter der Kontrolle der syrischen Regierung. Alleine das Gebiet, welches unter kurdischer Kontrolle steht wird auf etwa ein viertel des syrischen Staatsgebietes geschätzt (DS 23.12.2017; vgl. Standard 29.12.2017).

Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickte Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe von syrischen Militärbasen aus durchzuführen. Während Russland hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt, führt die von den USA geführte internationale Koalition Luftangriffe gegen den IS durch (FH 27.1.2016; vgl. AI 24.2.2016).

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava genannt werden (Spiegel 16.8.2017). 2011 soll der damalige irakische Präsident Jalal Talabani ein Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), deren Mitglieder die PYD gründeten, vermittelt haben: Im September 2011 stellte der iranische Arm der PKK, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan (Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê - PJAK), ihren bewaffneten Kampf gegen den Iran ein. Etwa zur selben Zeit wurde die PYD in Syrien neu belebt. Informationen zahlreicher Aktivisten zufolge wurden bis zu zweihundert PKK-Kämpfer aus der Türkei und dem Irak sowie Waffen iranischer Provenienz nach Syrien geschmuggelt. Aus diesem Grundstock entwickelten sich die Volksverteidigungseinheiten (YPG). Ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel begann die PYD, die kurdische Bevölkerung davon abzuhalten, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine "zweite Front" in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Baath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden ?Afrin, ?Ain al-?Arab (Kobanî) und die Dschazira von PYD und YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (ES BFA 8.2017). Im März 2016 wurde die Democratic Federation of Northern Syria ausgerufen, die sich über Teile der Provinzen Hassakah, Raqqa und Aleppo und auch über Afrin erstreckte. Afrin steht zwar unter kurdischer Kontrolle, ist jedoch nicht mit dem Rest des kurdischen Gebietes verbunden (ICC 4.5.2017; vgl. IRIN 15.9.2017). Das von der PYD in den kurdischen Gebieten etablierte System wird von der PYD als "demokratische Autonomie" bzw. "demokratischer Konföderalismus" bezeichnet. "Demokratischer Konföderalismus" strebt danach, die lokale Verwaltung durch Räte zu stärken, von Straßen- und Nachbarschaftsräten über Bezirks- und Dorfräte bis hin zu Stadt- und Regionalräten. "Demokratischer Konföderalismus" muss somit als Form der Selbstverwaltung verstanden werden, in der Autonomie organisiert wird. Die Realität sieht allerdings anders aus. Tatsächlich werden in "Rojava" Entscheidungen weder von den zahlreichen (lokalen) Räten getroffen, noch von Salih Muslim und Asya Abdullah in ihrer Funktion als Co-Vorsitzende der PYD, stattdessen liegt die Macht bei der militärischen Führung im Kandilgebirge, die regelmäßig hochrangige Parteikader nach Syrien entsendet (ES BFA 8.2017 und ICC 4.5.2017). In den kurdischen Gebieten haben die Bürger durch die PYD auch Zugang zu Leistungen, wobei die Partei unter anderem die Bereitstellung von Leistungen nutzt, um ihre Macht zu legitimieren. Die Erbringung öffentlicher Leistungen variiert jedoch. In Gebieten, in denen die PYD neben Behörden der Regierung existiert, haben sich zahlreiche Institutionen entwickelt und dadurch wurden Parallelstrukturen geschaffen. In Gebieten in denen die PYD mehr Kontrolle besitzt, bleibt die Macht in der Hand der PYD zentralisiert, trotz den Behauptungen der PYD die Macht auf die lokale Ebene zu dezentralisieren (CHH 8.12.2016).

Noch sind die beiden größeren von Kurden kontrollierten Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (Spiegel 16.8.2016). Der Ton zwischen Assad und den an der Seite der USA kämpfenden syrischen Kurden hat sich in jüngster Zeit erheblich verschärft. Assad bezeichnete sie zuletzt als "Verräter". Das von kurdischen Kämpfern dominierte Militärbündnis der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) konterte, Assads Regierung entlasse "Terroristen" aus dem Gefängnis, damit diese "das Blut von Syrern jeglicher Couleur vergießen" könnten (Standard 29.12.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16-The State of the World's Human Rights-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/319684/458913_de.html, Zugriff 22.12.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Syria Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Syria.pdf, Zugriff 22.12.2017

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CHH - Chatham House (8.12.2017): Governing Rojava - Layers of Legitimacy in Syria,

https://www.chathamhouse.org/sites/files/chathamhouse/publications/research/2016-12-08-governing-rojava-khalaf.pdf, Zugriff 11.12.2017

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DS - The Daily Star (23.12.2017): Syria war winds down but tangled map belies conflict ahead,

https://www.dailystar.com.lb/News/Middle-East/2017/Dec-23/431317-syria-war-winds-down-but-tangled-map-belies-conflict-ahead.ashx, Zugriff 28.12.2017

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ES BFA - Eva Savelsberg: Der Aufstieg der kurdischen PYD im syrischen Bürgerkrieg (2011 bis 2017) in BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 12.12.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/468444_de.html, Zugriff 22.12.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/341821/485142_de.html, Zugriff 17.1.2018

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France24 (17.4.2016): Assad's Party wins majority in Syrian election,

http://www.france13.4.201624.com/en/20160417-syria-bashar-assad-baath-party-wins-majority-parliamentary-vote, Zugriff 17.8.2017

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Haaretz (4.6.2014): Landslide Win for Assad in Syria's Presidential Elections,

http://www.haaretz.com/middle-east-news/1.597052, Zugriff 17.8.2017

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ICC - International Crisis Group (4.5.2017): The PKK's Fateful Choice in Northern Syria,

https://www.ecoi.net/file_upload/5351_1499082102_176-the-pkks-fateful-choice-in-northern-syria.pdf, Zugriff 22.12.2017

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IRIN - Integrated Regional Information Networks (15.9.2017): The Kurdish struggle in northern Syria, http://www.irinnews.org/analysis/2017/09/15/kurdish-struggle-northern-syria, Zugriff 2.1.2018

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Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 22.12.2017

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Spiegel - Spiegel Online (10.8.2016a): Die Fakten zum Krieg in Syrien: 1. Was sind die Ursachen des Konflikts in Syrien?, http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 22.12.2017

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Spiegel - Spiegel Online (16.8.2016b): Ankara sieht kurdischen Militärerfolg mit Sorge,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-kurden-traeumen-nach-eroberung-von-manbidsch-von-eigenem-staat-rojava-a-1107785.html, Zugriff 22.12.2017

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Der Standard (29.12.2017): Syrien: USA warnen Assad vor Offensive gegen Kurden,

https://derstandard.at/2000071227330/USA-warnen-Assad-vorOffensive-gegen-Kurden, Zugriff 3.1.2018

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USCIRF - US Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): United States Commission on International Religious Freedom 2017 Annual Report; 2017 Country Reports: USCIRF Recommended Countries of Particular Concern (CPC): Syria, https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494489917_syria-2017.pdf, Zugriff 11.1.2017

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 22.12.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 17.8.2017

Die Bevölkerung besteht überwiegend aus Arabern (hauptsächlich Syrer, Palästinenser und Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen (AA 8.2016). Dazu kommen die chaldäischen und assyrischen Christen (Chaldeans 1999).

Innerhalb der Minderheiten gibt es eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des syrischen Regimes (BBC 24.12.2012; vgl. MRG 12.7.2016; zu Christen vgl. z.B. DS 21.2.2014).

Quellen:

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BBC News (24.12.2012): Syria crisis: Low-key Christmas for Christians, http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-20835485, Zugriff 3.1.2018

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AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Syrien - Überblick, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Syrien.html, Zugriff 22.11.2016

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Chaldeans on Line (1999): Who are the Chaldeans?, http://www.chaldeansonline.org/chald.html, Zugriff 22.11.2017

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DS - The Daily Star (21.2.2014): Group of Christians reject church support for Assad,

http://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2014/Feb-21/248004-group-of-christians-reject-church-support-for-assad.ashx#ixzz2ty3rFrpK, Zugriff 3.1.2018

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MRG - Minority Rights Group International (12.7.2016): State of the World's Minorities and Indigenous Peoples 2016, http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1472564995_middle.pdf, Zugriff 3.1.2018

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/337226/479990_de.html, Zugriff 11.8.2017

Frauen

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des IS, zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind (FH 1.2017).

Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation und vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte. Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den andauernden Konflikt dramatisch, weil Frauen Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden. Aufgrund der Kampfhandlungen (orig. shelling) zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017).

In oppositionellen Gebieten, welche von radikalislamistischen Gruppen kontrolliert werden (z.B. in Idlib oder umkämpften Gebieten östlich von Damaskus), sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Außerdem ist es schwierig für sie zu arbeiten, weil sie unter Druck stehen, zu heiraten. Dies hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).

Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Jabhat Fatah ash-Sham setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. In Gebieten, die der IS kontrolliert(e), wurde ein Dokument veröffentlicht, welches Frauen unter Androhung der Todesstrafe die Befolgung von 16 Punkten vorschreibt. Die Punkte waren unter anderem, das Haus nicht ohne einen männlichen nahen Verwandten (mahram) zu verlassen, weite Kleidung, ein Kopftuch und einen Gesichtsschleier zu tragen, Friseursalons zu schließen, in der Öffentlichkeit nicht auf Stühlen zu sitzen und keine männlichen Ärzte aufzusuchen (USDOS 3.3.2017; vgl. BFA 8.2017). In Raqqa gründete der IS die "al-Khansaa"-Brigade, welche hauptsächlich aus nicht-syrischen Frauen besteht und die Regeln des IS bei anderen Frauen durchsetzten soll (USDOS 3.3.2017). Familien werden auch gezwungen ihre Töchter an IS-Kämpfer zu verheiraten. Jabhat Fatah ash-Sham [Anm.: vormals Jabhat al-Nusra] ist Frauen gegenüber etwas weniger restriktiv, die Situation ist jedoch ähnlich. Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikalislamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).

Syrien ist ein multireligiöses und multiethnisches Land mit einer muslimischen Mehrheit und mehreren religiösen Minderheiten. Die unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften haben seit Langem das Recht, bestimmte Angelegenheiten des Familienrechtes entsprechend ihren jeweiligen religiösen Vorschriften zu regeln. Das Syrische Personenstandsgesetz von 1953 regelt das Familienrecht, mit Gesetzesnovellen von 1975, 2003 und 2010, und basiert vorwiegend auf islamischen Rechtsquellen wie der Hanafitischen Rechtslehre. Das syrische Personenstandsgesetz gilt für alle Syrer, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Es erlaubt jedoch drusischen, jüdischen oder christlichen Gemeinden eine beschränkte juristische Autonomie in Personenstandsangelegenheiten wie Verlobung, Bedingungen bei der Eheschließung, Eheschließung, Gehorsam der Ehefrau, Unterhalt für Ehefrauen und Kinder, Annullierung und Scheidung, Mitgift, Pflege und seit 2010 Erbe und Nachlass. Das Syrische Personenstandsrecht und die Scharia-Gerichte, die dieses Recht anwenden, haben jedoch klaren Vorrang gegenüber den nicht-muslimischen Gerichten. Es gilt als das "generelle Gesetz", während beispielsweise christliche Gesetze "spezielle Gesetze", also Ausnahmen vom generellen Gesetz sind. Nicht nur die verschiedenen Religionsgruppen, sondern sogar unterschiedliche Konfessionen haben eine eigene Gesetzgebung in gewissen personenstandsrechtlichen Angelegenheiten. So gibt es z.B. drei orthodoxe, ein katholisches und ein evangelisches Personenstandsgesetz [bezüglich der genannten Angelegenheiten, Anm.] (Eijk 2013).

Viele Abschnitte des Familien- und Strafrechtes diskriminieren Frauen, darunter das Personenstandsgesetz und das Staatsbürgerschaftsrecht (USDOS 3.3.2017; vgl. Eijk 2013). Eine christliche oder jüdische Frau kann einen muslimischen Mann heiraten, eine muslimische Frau kann jedoch laut Gesetz keinen nicht-muslimischen Mann heiraten. Wenn ein nicht-muslimischer Mann eine muslimische Frau heiraten möchte, müsste er zum Islam konvertieren. Eine christliche oder jüdische Ehefrau eines muslimischen Mannes muss zwar nicht konvertieren, kann jedoch nichts von ihrem Mann erben und ihre Kinder werden automatisch Muslime. Gemischtreligiöse Ehen sind in Syrien selten, existieren aber. Sie werden aber häufig geheim geschlossen oder nicht offiziell registriert, weil sie von der Gesellschaft verurteilt werden (Eijk 2013; vgl. USDOS 15.8.2017). Eine Ehe zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht-muslimischen Mann ist ungültig und wäre laut Gesetz nicht-existent, selbst wenn die Ehe bereits vollzogen wurde (Eijk 2013).

Das laut syrischem Personenstandsgesetz heiratsfähige Alter ist bei Männern 18 Jahre und bei Frauen 17 Jahre. Eine Frau, die jünger als 17 Jahre ist, braucht die Zustimmung ihres gesetzlichen Vormundes. Bei einer Frau, die 17 Jahre oder älter ist, wird das Gericht den Vormund nach seiner Meinung fragen, kann die Frau jedoch auch gegen den Willen des Vormundes, aber mit Zustimmung des Gerichtes, verheiraten (Eijk 2013).

Ehen sollten in oder durch ein Gericht geschlossen werden. Ehen, die außerhalb des Gerichts geschlossen werden, können jedoch auch als gültig angesehen werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt werden. Diese Ehen werden oft als "traditionelle Ehen" oder "'urfi-Ehen" bezeichnet. 'Urfi-Ehen werden nicht immer registriert, es scheint sogar so, dass Personen 'urfi-Ehen nur dann registrieren, wenn es einen rechtlichen Grund dafür gibt, z.B. durch aus der Ehe entstandene Kinder. Andere Gründe für eine traditionelle Ehe können sein, dass das Paar unterschiedlichen islamischen Konfessionen angehört, dass es gegen die Wünsche der Familie heiratet, oder weil es sich um eine polygame Ehe handelt (mit oder ohne dem Wissen der ersten Ehefrau), die grundsätzlich im syrischen Personenstandsrecht erlaubt, jedoch strukturell beschränkt ist. Ein weiterer Grund ist, dass Männer, die in der Armee dienen, eine Genehmigung der Armee für eine Eheschließung benötigen. Ein Mann kann auch einer solchen Ehe zustimmen, um dem unehelichen Kind seiner Frau einen Vater und somit einen Familiennamen zu geben. Selbst wenn nicht alle Bedingungen erfüllt werden, tendieren Richter dazu 'urfi-Ehen zu registrieren, speziell wenn bereits Kinder in die Ehe geboren wurden. Wenn eine 'urfi-Ehe registriert ist, wird sie als rechtsgültige Ehe angesehen (Eijk 2013). Neben Männern, die in der Armee dienen und eine Genehmigung der Armee zur Eheschließung benötigen, benötigen auch Paare, bei denen ein Partner ausländischer Staatsbürger ist, eine Genehmigung, in diesem Fall von den Sicherheitsbehörden (Eijk 2013).

Das Datum der Eheschließung wird bei einer nachträglichen Registrierung vom Gericht bestimmt. Wenn das Gericht die traditionelle Eheschließung als gültig anerkennt ist das Datum der traditionellen Eheschließung das Datum der Eheschließung und nicht das Datum der Registrierung. Da es auch möglich ist Kinder ex post facto zu registrieren (oftmals gleichzeitig mit der Registrierung der Ehe) und Kinder im Kontext einer Ehe geboren werden sollten, sollte das Hochzeitsdatum hierbei jedenfalls vor dem Geburtsdatum der Kinder liegen. Daher würde es laut der Expertin für syrisches Ehe- und Familienrecht Esther van Eijk, Sinn machen, dass das Gericht das Datum der traditionellen Eheschließung als das "echte Hochzeitsdatum" festlegt (Eijk 4.1.2018). Stellvertreterehen und die Registrierung einer Ehe durch einen Stellvertreter sind möglich, selbst wenn beide Ehepartner von einem Stellvertreter repräsentiert werden (Eijk 2.1.2018).

Für Kinder, die in eine bestehende Ehe geboren werden, gilt automatisch der Ehemann als Vater der Kinder (Eijk 2013).

Das syrische Personenstandsrecht erkennt auf Basis des islamischen Rechts drei Arten der Scheidung an: einseitige Scheidung oder Verstoßung durch den Ehemann (talaq), Scheidung mit gegenseitigem Einverständnis (mukhala'a) und gerichtliche Scheidung (tafriq) (Eijk 2013).

Die einseitige Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann ist die gängige Version der Scheidung, wobei der Ehemann die Scheidung verbal oder schriftlich aussprechen kann. In einer Wartezeit von etwa drei Monaten kann er seine Ehefrau noch zurücknehmen. Wenn der Ehemann jedoch zum dritten Mal die Scheidung ausspricht gilt diese als final. Die Scheidung kann vor einem Richter oder außerhalb des Gerichtes ausgesprochen und im Nachhinein beim Gericht registriert werden. Diese relativ verbreitete Art der Scheidung führt jedoch zu Fällen von Frauen die das Gericht aufsuchen müssen, um zu erfahren, ob sich ihre Ehemänner von ihnen scheiden haben lassen (Eijk 2013).

Die einvernehmliche Scheidung wird häufig von der Frau initiiert und beinhaltet oftmals eine Vereinbarung, laut der der Ehemann sein Einverständnis für die Scheidung gibt und die Ehefrau im Gegenzug teilweise oder gänzlich auf Unterhalt verzichtet. Der entsprechende Vertrag kann im Gericht geschlossen werden, oder außerhalb des Gerichtes geschlossen und ex post facto registriert werden. Jedenfalls muss die Ehefrau beim Gericht erscheinen und ihren Verzicht auf Unterhalt bekanntgeben (Eijk 2013).

Es gibt unterschiedliche Gründe auf Basis derer eine gerichtliche Scheidung beantragt werden kann. Scheidung aufgrund von Krankheit oder Mangel (orig. defect) des Ehemannes, Abwesenheit oder Verschwinden des Ehemannes, Unterlassen der Unterhaltszahlungen des Ehemannes oder aufgrund von Eheproblemen. Bei dieser Art der Scheidung müssen jedoch bestimmte Beweise vorgelegt werden. Wenn beispielsweise eine Ehefrau aufgrund von Abwesenheit ihres Ehemannes die Scheidung einreichen will, muss sie diesbezüglich zweimal in drei verschiedenen nationalen Zeitungen eine Anzeige stellen (Eijk 2013; vgl. Emory o.D.).

Eine Ehe, die in einer Kirche geschlossen wird, wird vom Staat als gültige Ehe anerkannt. Nach der Zeremonie sendet die Kirche die Unterlagen an das Zivilregisterbüro (Eijk 2013).

Laut christlichem Familienrecht ist die Ehe ein Sakrament und es ist daher sehr schwierig sich scheiden zu lassen. Die katholische Kirche erkennt Scheidung nicht an, lediglich die Annullierung ist unter bestimmten Bedingungen möglich. Dies führt teilweise zu drastischen Maßnahmen wie einer Konversion zum Islam eines Ehepartners, um eine Scheidung zu erwirken (Eijk 2013; vgl. BFA 8.2017), wobei die erste Ehefrau noch immer an den Ehemann gebunden ist (BFA 8.2017). Das Islamische Recht sieht nach einer Scheidung zwei Konzepte des Sorgerechtes für Kinder vor. Erstens die Vormundschaft (wilaya), welche immer der Vater innehat, und zweitens die physische Obhut/Obsorge (hadana). Im Falle einer Scheidung kann die Mutter die physische Obsorge über die Kinder erhalten, bis diese ein bestimmtes Alter erreichen, wobei die Altersgrenze hierbei von der Konfession abhängt (BFA 8.2017; vgl. Eijk 2013). Laut Syrischem Personenstandsrecht liegt diese Altersgrenze für Mädchen bei 15 und für Buben bei 13 Jahren (Eijk 2013; vgl. USDOS 15.8.2017). Die Gesetze bezüglich Vormundschaft (wilaya) sind laut syrischem Personenstandsrecht für alle Religionen/Konfessionen anzuwenden, zur Obsorge (hadana) haben jedoch die jüdischen und christlichen Gemeinden eigene Regelungen (Eijk 2013). In manchen Fällen werden Scharia-Gerichte gegenüber nicht-islamischen Gerichten bevorzugt, in der Hoffnung vorteilhaftere Urteile zu erreichen. Zum Beispiel gibt es Fälle, in denen christliche Männer zum Islam konvertiert sind und vor Scharia-Gerichten das volle Sorgerecht, also Obsorge und Vormundschaft, für ihre Kinder eingefordert haben (Eijk 2013). Frauen können das Obsorgerecht auch verlieren. Etwa wenn die Mutter Christin, der Vater aber Muslim ist, könnte der Vater im Falle einer Scheidung argumentieren, dass die Mutter die Kinder nicht richtig erziehen kann. Dies kann auch der Fall sein, wenn die Mutter erneut eine Ehe eingeht. In den muslimischen, christlichen und drusischen Konfessionen kann es für eine Frau sehr schwer sein, die Obsorge über Kinder zu erhalten. Selbst wenn die Mutter die Obsorge innehat, besitzt der Vater stets die Vormundschaft über die Kinder und somit Entscheidungsgewalt über ihre Ausbildung oder Reisebewegungen der Kinder. Minderjährige Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen, selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden. Wenn der Vater neben der Vormundschaft auch die Obsorge über die Kinder hat, bleiben diese nach einer Scheidung sehr wahrscheinlich bei dessen Familie. Auch nach dem Tod des Vaters geht die Vormundschaft nicht auf die Mutter, sondern auf die Familie des Vaters über. Kinder können so als Druckmittel benutzt werden, um die Frau dazu zu bringen, sich nicht scheiden zu lassen oder auf Unterhaltszahlungen zu verzichten. Im Falle einer Scheidung zeigen die Gerichtsdokumente der Scheidungsverhandlung, wem das Obsorgerecht zugesprochen wurde. Ein gesondertes Dokument über den Zuspruch der Obsorge ist nicht bekannt (BFA 8.2017).

Frauen, deren Ehemänner als vermisst gelten, können sich unter bestimmten Umständen weder scheiden lassen, noch gelten sie als Witwen, solange es keinen Beweis für den Tod des Ehemannes gibt. Wenn der Ehemann vermisst wird, bleibt er dennoch der Vormund der Ehefrau, und sie gilt rechtlich weiterhin als verheiratet. Gleichzeitig hat sie aber den Ernährer der Familie verloren und ist so von ihrer Verwandtschaft abhängig. Dies gilt auch für Frauen, deren Männer inhaftiert sind, und die nicht wissen, ob diese überhaupt noch am Leben sind. Es gibt keinen rechtlichen Schutzmechanismus, der diesem Problem entgegenwirken würde. Dies kann zur Vulnerabilität von Frauen führen und sie dem Risiko einer Ausbeutung aussetzen, welche auch von Verwandten ausgehen kann (BFA 8.2017).

Frauen können die syrische Staatsbürgerschaft nicht an ihre Kinder weitergeben, und es gibt keine Anzeichen, dass eine Änderung der diesbezüglichen Gesetzgebung überhaupt angedacht wird. Dass Frauen die Staatsbürgerschaft nicht weitergeben können, kann ein Problem sein, z.B. für Frauen, die einen ausländischen Kämpfer geheiratet haben und manchmal nicht einmal den echten Namen des Mannes kennen. Kinder aus einer solchen Ehe sind prima facie staatenlos. Das Gesetz erlaubt grundsätzlich die Weitergabe der Staatsbürgerschaft durch die Mutter, wenn das Kind in Syrien geboren wurde und der Vater "unbekannt" ist. In der Praxis wird betroffenen Kindern die Staatsbürgerschaft jedoch nicht immer zuerkannt. Wenn ein Kind im Ausland geboren wurde, kann es die syrische Staatsbürgerschaft nur erlangen, wenn der Vater syrischer Staatsbürger ist. Wenn eine Geburt nicht registriert wird, führt dies für das Kind zu bestimmten Einschränkungen im Zugang zu Leistungen, wie Abschlusszeugnissen, Zugang zu Universitäten, Zugang zu formaler Beschäftigung, Dokumenten und zivilem Schutz (BFA 8.2017). Eine Mutter kann ihrem Kind auch nicht ihren Nachnamen geben, ohne Nachnamen wird dem Kind keine Identitätskarte ausgestellt, und es wird nicht in die Schule gehen, ins Ausland reisen oder Eigentum besitzen können. Für eine unverheiratete Frau bleibt nur die Option das Kind bei einem Waisenhaus als Findling zurück zu lassen oder einen Mann zu finden, der sie heiratet und das Kind als sein eigenes anerkennt (Eijk 2013). Kinderehen gab es in Syrien bereits vor dem Konflikt. Im Zuge dessen steigt seither die Zahl an Früh- und Zwangsehen jedoch an, wobei sich die Dynamik und die Gründe für eine Ehe verändert haben (BFA 8.2017). Besonders bei vertriebenen und flüchtenden Familien ist die Anzahl der Kinderehen hoch (FH 1.2017), und junge Mädchen werden aus Gründen der Sicherheit verheiratet, oder um die Mädchen versorgt zu wissen. Dies kann jedoch zur Folge haben, dass manche dieser Ehen zu sexueller Ausbeutung führen. Auch aufeinanderfolgende Zeitehen werden immer häufiger und setzen besonders heranwachsende Mädchen dem Risiko von Vergewaltigung, frühen und ungewollten Schwangerschaften und Trauma aus (BFA 8.2017).

Vergewaltigungen sind weit verbreitet und die Regierung und deren Verbündete setzten Vergewaltigungen gegen Frauen, aber auch gegen Männer und Kinder ein, welche als der Opposition zugehörig wahrgenommen werden, um diese zu terrorisieren oder zu bestrafen. Das tatsächliche Ausmaß von sexueller Gewalt in Syrien lässt sich nur schwer einschätzen, weil viele Vergehen nicht angezeigt werden. Es passieren auch Vergewaltigungen durch Wächter und Sicherheitskräfte in Haftanstalten (USDOS 3.3.2017).

Frauen und Mädchen sind besonders im Kontext von Hausdurchsuchungen, an Checkpoints, in Haftanstalten, an Grenzübergängen und nach einer Entführung durch regierungstreue Einheiten von sexueller Gewalt betroffen, während Männer und Jungen vor allem während Verhören in Haftanstalten der Regierung von sexueller Gewalt betroffen sind (WILPF 11.2016 und BFA 8.2017).

Vergewaltigung außerhalb der Ehe ist zwar laut Gesetz strafbar, die Regierung vollstreckt dieses Gesetz jedoch nicht. Außerdem kann der Täter Straffreiheit erlangen, wenn er das Opfer heiratet, um so das soziale Stigma einer Vergewaltigung zu vermeiden (USDOS 3.3.2017). Die gesellschaftliche Tabuisierung von sexueller Gewalt führt zu einer Stigmatisierung von Frauen, die in Haft waren, zur Erniedrigung von Opfern, Familien und Gemeinschaften und zu einer hohen Dunkelziffer bezüglich der Fälle von sexueller Gewalt. Eltern oder Ehemänner verstoßen oftmals Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden oder eine Vergewaltigung auch nur vermutet wird. Es gibt Fälle von Frauen, die nach einer Vergewaltigung Opfer von Ehrenmorden werden. Berichten von NGOs zufolge kam es seit dem Ausbruch des Konfliktes zu einem starken Anstieg bei Ehrenmorden infolge weit verbreiteter Fälle von Vergewaltigungen durch Regierungseinheiten und Ausbeutung durch den IS (BFA 8.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Alleinstehende Frauen sind in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt oder Schikane ausgesetzt, jedoch hängt dies von der sozialen Schicht und der Position der Frau bzw. ihrer Familie ab. Man kann die gesellschaftliche Akzeptanz von alleinstehenden Frauen aber in keinem Fall mit europäischen Standards vergleichen, und Frauen sind potentiell Belästigungen ausgesetzt. In Syrien ist es fast undenkbar als Frau alleine zu leben, da eine Frau ohne Familie keine gesellschaftlichen und sozialen Schutzmechanismen besitzt. Beispielsweise würde nach einer Scheidung eine Frau in den meisten Fällen wieder zurück zu ihrer Familie ziehen. Vor dem Konflikt war es für Frauen unter bestimmten Umständen möglich alleine zu leben, z. B. für berufstätige Frauen in urbanen Gebieten (BFA 8.2017).

Der Zugang von alleinstehenden Frauen zu Dokumenten hängt von deren Bildungsgrad, individueller Situation und bisherigen Erfahrungen ab. Beispielsweise werden ältere Frauen, die immer zu Hause waren, mangels vorhandener Begleitperson und behördlicher Erfahrung nur schwer Zugang zu Dokumenten bekommen können (BFA 8.2017). Im Dezember 2017 hat das von Hay'at Tahrir ash-Sham gestützte Syrian Salvation Government (SSG) in der Provinz Idlib, die großteils von islamistischen Oppositionsgruppen kontrolliert wird, eine Entscheidung verkündet, laut welcher alle Witwen in ihrem Kontrollgebiet mit einem Shari'a-konformen männlichen Familienangehörigen wohnen müssen. Die Meldung warnt auch vor Bestrafung für "jeden der sich nicht nach dieser Regelung richtet", es ist jedoch noch unklar wie die Entscheidung umgesetzt wird (Syria Direct 14.12.2017).

Frauen in von der PYD kontrollierten Gebieten

Die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens ist in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser. Frauen und Männer sind auch in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert. Dies gilt jedoch ausdrücklich nur für kurdische Frauen in den kurdischen Gebieten, nicht jedoch für arabische Frauen in den kurdischen Gebieten oder für kurdische Frauen im Rest Syriens (BFA 8.2017). 2013 akzeptierte die kurdische Autonomieregierung wichtige Maßnahmen, um die Rechte von Frauen zu verbessern. So werden Ehrenmorde nun als strafbare Verbrechen angesehen, Zwangsehen und Eheschließungen von Minderjährigen wurden verboten und Männer, die mehr als eine Ehefrau haben, wurden von allen Organisationen und Komitees ausgeschlossen (TF 27.8.2017).

Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, dass die "Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens" vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde und andere Gewalt gegen Frauen wurden verboten (TF 27.8.2017).

Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden, wobei auch arabische und christliche Frauen die Zentren nutzen (TF 27.8.2017). Generell gilt jedoch, nicht nur in Bezug auf Frauen, dass sich Organisationen bei der PYD registrieren oder eine Lizenz beantragen müssen, womit die PYD eine gewisse Monopolstellung erreichen will. Organisationen, die dem nicht nachkommen, werden als illegal angesehen (CHH 8.12.2017). Die kurdische Selbstadministration schloss mehrere Organisationen, die sich auf Frauenförderung und Frauenbetreuung spezialisiert hatten (SNHR 25.11.2016).

Die Emanzipation der Frauen in Rojava ist ein laufender Prozess. Gemäß der Aussage von Janet Biehl via Toward Freedom sind dort patriarchale Traditionen tief eingebettet und mit Religion verbunden (TF 27.8.2017). Laut der syrischen Aktivistin Mahwash Sheiki entstanden diese Veränderungen jedoch nicht durch Veränderungen im sozioökonomischen System, sondern waren eine von der PYD-Spitze getroffene Entscheidung, nicht von der breiten Bevölkerung. Die Raten von Fällen von Gewalt gegen Frauen sind jedenfalls gesunken, wobei Polygamie, sexuelle Gewalt, Frühehen, Vergewaltigung etc. noch immer sensible Themen in Nordsyrien sind. Aufgrund des Bürgerkriegs lassen sich die längerfristigen Entwicklungen auch im Bezug auf Frauenrechte schwer einschätzen (Syria Untold 25.3.2017).

Quellen:

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Syrien - mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak,

https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 19.10.2017

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CHH - Chatham House (8.12.2017): Governing Rojava - Layers of Legitimacy in Syria,

https://www.chathamhouse.org/sites/files/chathamhouse/publications/research/2016-12-08-governing-rojava-khalaf.pdf, Zugriff 11.12.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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