TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/11 W183 2186000-1

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Veröffentlicht am 11.10.2018
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Entscheidungsdatum

11.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W183 2186000-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Erika PIELER aufgrund der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Säumnisbeschwerde) von XXXX , geb. am XXXX , StA: Somalia, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, betreffend den Antrag auf internationalen Schutz vom 01.08.2016, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.09.2018 zu Recht:

I. Der Antrag wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Dem Antrag wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 01.08.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Ein Sachverständigengutachten betreffend das Alter des BF wurde erstellt (AS 53 ff.) und ergibt sich daraus der XXXX als fiktives Geburtsdatum. BF behauptete, am XXXX geboren zu sein (AS 1).

Am 02.11.2017 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), der gegenständlich belangten Behörde, eine Beschwerde des BF wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG ein.

2. Das BFA entschied nicht über den Antrag des BF, sondern legte mit Schriftsatz vom 12.02.2018 (eingelangt am 14.02.2018) die Säumnisbeschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

3. Nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht gem. § 19 Abs. 6 AsylG 2005 führte das BFA am 09.04.2018 eine Einvernahme des BF durch und gab dieser als Fluchtgrund im Wesentlichen drohende Blutrache sowie eine Verfolgung durch die al Shabaab an. Seitens des BF wurden diverse Unterlagen betreffend Integration vorgelegt.

4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 16.05.2018 wurde die gegenständliche Rechtssache der bislang zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nun zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen (dort eingelangt am 22.05.2018).

Das Bundesverwaltungsgericht stellte dem BF mit Beschluss vom 08.06.2018 einen Rechtsberater zur Seite.

5. Mit Schreiben vom 06.08.2018 bzw. 21.08.2018 wurden der BF sowie das BFA zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 17.09.2018 geladen und wurde darauf hingewiesen, dass das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigt, die Länderberichte gemäß dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia, Wien am 12.01.2018 (aktualisiert am 03.05.2018)" (in der Folge LIB 2018), dem "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Somalia-Somaliland (Wien am 12.01.2018, aktualisiert am 03.05.2018)", dem "Fact Finding Mission Report Somalia - Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM (August 2017)", dem Bericht "Focus Somalia - Clans und Minderheiten" des Schweizer Staatssekretariats für Migration vom 31. Mai 2017 sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Humanitäre Hilfe, Arbeitsmarkt, Versorgungslage in Mogadischu" vom 11. Mai 2018 als Grundlage für die Feststellungen zur Situation in Somalia heranzuziehen. Es wurde Gelegenheit zur Einsicht- und Stellungnahme gegeben. Das BFA entschuldigte sich für die Nichtteilnahme an der Verhandlung. Schriftliche Stellungnahmen wurden von keiner der Parteien dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.09.2018 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Somali eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen. BF wurde ausführlich zu seiner Person und den Fluchtgründen befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, die Fluchtgründe umfassend darzulegen und zu den ins Verfahren eingeführten Länderberichten Stellung zu nehmen. BF legte Unterlagen betreffend Integration sowie einen Bericht über sicherheitsrelevante Vorfälle vor. Ein Strafregisterauszug wurde am Tag der Verhandlung eingeholt.

6. Mit Schriftsatz vom 29.09.2018 legte der Rechtsvertreter des BF eine Stellungnahme zur Situation im Herkunftsstaat vor und brachte vor, dass keine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

BF ist ein 1999 geborener, volljähriger somalischer Staatsangehöriger muslimischen Glaubens. Er gehört den Sheikhal an und stammt aus Belet Weyne in der Region Hiraan. BF ist ledig und hat keine Kinder.

Es kann nicht festgestellt werden, dass BF über eine schulische oder berufliche Ausbildung verfügt.

BF leidet an keiner physischen oder psychischen Erkrankung.

BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und es sind keine Aberkennungsgründe hervorgekommen.

1.2. Zum Fluchtvorbringen

Es wird festgestellt, dass BF im Falle einer Rückkehr nach Somalia keine asylrelevante Verfolgung durch al Shabaab oder aufgrund von Blutrache droht.

Es wird festgestellt, dass BF auch aus anderen Gründen keine asylrelevante Verfolgung in Somalia droht.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt sich Folgendes:

1.3.1. Belet Weyne befindet sich unter Kontrolle von AMISOM. Große Teile des ländlichen Raumes werden von al Shabaab kontrolliert. Zwar ist die al Shabaab in Hiiraan nicht mehr so aktiv, wie zuvor (DIS 3.2017). Trotzdem verfügt sie dort über den Großraum westlich der Hauptverbindungsstraße sowie über das Gebiet zwischen Maxaas und Adan Yabaal; sowie nördlich nahezu bis zur Straße von Belet Weyne nach Dhusamareb (BFA 8.2017).

Aus der im LIB 2018, S 19 enthaltenen Karte (Quelle: BFA 8.2017) ergibt sich, dass Buq Aqable in al Shabaab Gebiet liegt.

In der Region Hiraan gab es im 2. Viertel des Jahres 2018 38 Vorfälle mit insgesamt 88 Toten und liegt die Region landesweit betrachtet damit an 4.-höchster Stelle im Hinblick auf Vorfälle und Todesopfer (ACCORD, 5. September 2018).

1.3.2. Gezielte Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastruktur mittels Selbstmordattentätern und anderen Sprengstoffanschlägen durch die al Shabaab haben weiterhin gravierende Folgen (HRW 12.1.2017). Zivilisten kommen im Kreuzfeuer, bei gezielten Attentaten, durch Sprengsätze oder Handgranaten und bei komplexen Anschlägen ums Leben oder werden verwundet (AI 22.2.2017). Generell hat al Shabaab vermehrt Gewalt gegen Zivilisten angewandt, nötigt oder bestraft in den Gebieten unter ihrer Kontrolle ganze Gemeinden. Aufgrund der durch die Dürre verstärkten Ressourcenknappheit hat al Shabaab Dörfer niedergebrannt und Älteste enthauptet, um ihre Steuerforderungen durchzusetzen - so z.B. im Raum Xaradheere im November 2016 (SEMG 8.11.2017).

Auch rund um Städte in Süd-/Zentralsomalia, die von nationalen oder regionalen Sicherheitskräften und/oder AMISOM gehalten werden, kontrolliert al Shabaab den ländlichen Raum und wichtige Versorgungsstraßen. Dadurch gelingt es der Gruppe, große Teile der Bevölkerung von einer Versorgung abzuschneiden (SEMG 8.11.2017).

1.3.3. (Zwangs-)Rekrutierungen kommen in den von al Shabaab kontrollierten Gebieten vor, doch ist vorwiegend die Gruppe der 10-15 Jährigen betroffen und werden diese in Schulen und Moscheen angeworben. Häufig setzt al Shabaab auf ökonomische Anreize. Rekrutierungsgesuche richten sich nicht an Einzelpersonen. Das Erbringen von Ersatzleistungen ist möglich. Aktuell ist kein Fall einer Exekution eines Rekrutierungsverweigerers bekannt. (BFA 8.2017)

1.3.4. Der Ausdruck "Clan-Schutz" bedeutet traditionell die Möglichkeit einer Einzelperson, vom eigenen Clan gegenüber einem Aggressor von außerhalb des Clans geschützt zu werden. Die Rechte einer Gruppe werden durch Gewalt oder die Androhung von Gewalt geschützt. Sein Jilib oder Clan muss in der Lage sein, Kompensation zu zahlen - oder zu kämpfen. Schutz und Verletzlichkeit einer Einzelperson sind deshalb eng verbunden mit der Macht ihres Clans (SEM 31.5.2017).

Durch die schwache Ausprägung bzw. Abwesenheit staatlicher Strukturen in einem großen Teil des von Somalis besiedelten Raums spielen die Clans auch heute wichtige politische, rechtliche und soziale Rollen. Die Konfliktlösungsmechanismen der Clans für Kriminalität und Familienstreitigkeiten sind intakt. Selbst im Falle einer Bedrohung durch al Shabaab kann der Clan einbezogen werden. Zwar kann der Clan nicht mehr jedes einzelne Mitglied beschützen - gerade vor al Shabaab. Doch bei Kriminalität, die nicht von al Shabaab ausgeht, können Probleme direkt zwischen den Clans gelöst werden (SEM 31.5.2017).

Das traditionelle Rechtssystem, in dem Abschreckung und Kompensationszahlungen eine bedeutende Rolle spielen, kommt oft zu tragen (SEM 31.5.2017). Laut Schätzungen werden 90% aller Rechtsstreitigkeiten in Somalia über traditionelle Konfliktlösungsmechanismen ausgetragen. Diese Mechanismen sind wichtig, da sie nahe an den Menschen arbeiten und jahrhundertealte, den Menschen bekannte Verfahren und Normen nutzen. Der Entscheidungsprozess ist transparent und inklusiv. Allerdings beruhen die traditionellen Mechanismen auf keinen schriftlich festgelegten Regeln (UNHRC 6.9.2017). Die traditionelle Justiz wird oft herangezogen, da sie zu schnellen Entscheidungen gelangt. Allerdings werden in diesem System oft ganze (Sub-)Clans für die Tat Einzelner zur Verantwortung gezogen (USDOS 3.3.2017).

1.3.5. Die Sheikhal werden traditionell respektiert und von den Clans, bei welchen sie leben, geschützt. Die Sheikhal sind außerdem eng mit dem Clan der Hawiye/Hirab assoziiert und nehmen sogar einige Sitze der Hawiye im somalischen Parlament ein (EASO 8.2014).

1.3.6. In Somalia kam es zu überdurchschnittlichen Regenfällen und sind die Prognosen für eine gute Nahrungsmittelversorgung gut (FAO 2018). Durch die Regenfälle kam es aber auch zu Überflutungen und war Belet Weyne davon besonders stark betroffen, weshalb 70% der Haushalte ihre Häuser haben verlassen müssen. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

1.3.4. Verzeichnis der oben zitierten Quellen

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ACCORD - Somalia, Second Quarter 2018, Update on incidents according to the Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) 5. September 2018

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Somalia

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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM

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DIS - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (3.2017):

South and Central Somalia Security Situation, al-Shabaab Presence, and Target Groups. Report based on interviews in Nairobi, Kenya, 3 to 10 December 2016

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview

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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

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Food Security Outlook Update

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Somalia

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SEM - Staatssekretariat für Migration (Schweiz) (31.5.2017): Focus Somalia - Clans und Minderheiten

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia

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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia,

1.4. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr

In Somalia leben die Eltern, Geschwister und Großmutter des BF. Sie leben alle in Buq Aqable, südlich von Belet Weyne. Die wirtschaftliche Situation ist angespannt. Seit Juli 2018 hatte der BF keinen Kontakt mehr zur Familie. Es kann nicht mit der nötigen Sicherheit festgestellt werden, dass BF im Falle einer Rückkehr hinreichend mit Nahrungsmitteln versorgt wäre.

1.5. Zur Säumnis der belangten Behörde

BF stellte am 01.08.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 02.11.2017 brachte BF mangels Entscheidung des BFA eine Säumnisbeschwerde ein. Das BFA traf keine Entscheidung über den Antrag des BF.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsunterlagen sowie den Aktenbestandteilen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Als Beweismittel insbesondere relevant sind die Niederschriften der Einvernahmen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes (01.08.2016) und durch das BFA (09.04.2018) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (17.09.2018), die Säumnisbeschwerde, das LIB 2018 mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten, der ACCORD-Abfrage vom 05.09.2018 und der Strafregisterauszug vom 17.09.2018.

2.2. Zu folgenden Feststellungen wird näher ausgeführt wie folgt:

2.2.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Die Identität konnte mangels Vorlage (unbedenklicher) Dokumente nicht bewiesen werden, weshalb hinsichtlich Name und Geburtsdatum Verfahrensidentität vorliegt.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet BF betreffend die Angaben zu seiner Person und familiären Situation für persönlich glaubwürdig, weil er im Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte. Es gibt keine Gründe, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

2.2.2. Zum Fluchtvorbringen

Das Fluchtvorbringen des BF ist insofern nicht glaubhaft, als es zum einen an der persönlichen Glaubwürdigkeit und Konsistenz im Hinblick auf eine potentielle Verfolgung mangelt. Relevant ist hier insbesondere, dass der BF bei der Erstbefragung eine Verfolgung aufgrund von Blutrache nicht einmal im Ansatz erwähnte. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass gem. § 19 AsylG 2005 die Erstbefragung insbesondere der Ermittlung von Identität und Reiseroute dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, es ist aber doch festzuhalten, dass die Angaben des BF in der Erstbefragung nicht gänzlich unbeachtlich sind (vgl. VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0189). Auch wenn nicht die näheren Fluchtgründe zu erfragen sind, so ist doch zu berücksichtigen, dass ein gänzlich neues Fluchtvorbringen die Glaubwürdigkeit des BF massiv erschüttert. Selbst wenn die Erstbefragung nur kurz gehalten sein soll, so war es BF nicht verwehrt, die Blutrache als Fluchtgrund anzuführen. Im Protokoll ist explizit festgehalten, dass der Antragsteller in eigenen Worten antworten soll. Die Frage nach dem Fluchtgrund ist auch in Zusammenschau mit der Frage nach den Befürchtungen im Falle einer Rückkehr zu sehen und antwortete BF auch hier abermals mit Angst "von der Terrormiliz umgebracht zu werden" (AS 9). Der BF hätte somit auch an dieser Stelle die Möglichkeit gehabt, Blutrache - wenn auch nur stichwortartig - anzuführen. Indem der BF bei der Erstbefragung in keinster Weise eine Blutrache als Fluchtgrund nannte, ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht, dass es sich bei der behaupteten Verfolgung aufgrund von Blutrache um ein gesteigertes und konstruiertes Vorbringen handelt. Angemerkt wird in diesem Zusammenhang auch, dass der BF darauf vom BFA wie auch BVwG angesprochen wurde, und die Erklärungsversuche divergieren (BFA, S 23: ich wurde nicht danach gefragt; BVwG, S 10: ich habe Angst gehabt).

Insgesamt fällt beim Fluchtvorbringen auf, dass die Datumsangaben widersprüchlich und inkonsistent sind. Bereits bei der Einvernahme vor dem BFA wurde der BF darauf aufmerksam gemacht (Niederschrift S 15, 17). Dass es sich um eine konstruierte Fluchtgeschichte handelt zeigt sich auch daran, dass der BF zwar teilweise dieselben Datumsangaben in seine Geschichte einbaut, diese aber mit unterschiedlichen Ereignissen verbindet. So gab er vor dem BFA an, dass er am 28.02.2016 getötet werden sollte, in der mündlichen Verhandlung hingegen, dass am 28.02.2016 das Todesurteil ausgesprochen worden sei (Niederschrift S 9). Die Angaben, wie lange er im Haus des Clanältesten aufhältig war, divergierten ebenfalls (10.03. bzw. 05.03.2016).

Nicht nachvollziehbar ist, dass der BF durch den Fluss schwimmen konnte, die Verfolger ihn aber nicht erwischten. Ebenfalls lebensfremd ist, dass der BF beim Durchschwimmen ein Telefon mithaben konnte und es nachher gleich wieder funktionstüchtig war, um seine "Retter" anzurufen (Niederschrift BFA, S 20 f).

Ausweichend antwortete BF auf die Frage in der mündlichen Verhandlung, warum er nicht mit seiner Familie von Belet Weyne weggegangen sei (Niederschrift S 10: das Gebiet stehe unter der Kontrolle der al Shabaab). Diese Antwort nimmt aber nicht auf die angebliche Clanproblematik Bezug.

Pauschal und nicht näher erklärend waren die Angaben des BF, warum nur er gesucht werden sollte (Niederschrift BFA S 23) bzw. warum er nicht zu seiner Großmutter hätte flüchten können ("Die al Shabaab sind überall", Niederschrift BFA S 23).

Bei einer Gesamtbetrachtung der Einvernahmen des BF vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht fällt auch auf, dass die Frage nach dem Fluchtgrund ausführlicher beantwortet wurde als alle weiteren Fragen, welche aber gleichfalls für die Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz relevant sind. So erzählte BF zwar eine "Fluchtgeschichte", konnte aber nicht nachvollziehbar darlegen, warum er aktuell einer asylrelevanten Verfolgung in Somalia ausgesetzt wäre. Während die Antworten auf Fragen zu anderen Themen als dem Fluchtgrund sowie auch auf Nachfragen zum Fluchtgrund in der Regel knapp und vage gehalten sind, ist die "Fluchtgeschichte" ausführlicher, was dafür spricht, dass es sich um eine konstruierte und vorab einstudierte "Fluchtgeschichte" handelt. Auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung lässt der persönliche Eindruck des BF nicht auf ein tatsächliches Erleben der geschilderten Ereignisse schließen. So wirkte die Fluchtgeschichte nicht lebensnah, sondern vorbereitet.

Abgesehen von der persönlichen Unglaubwürdigkeit ist eine drohende Verfolgung auch vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Herkunftsland nicht objektivierbar. So betreffen Zwangsrekrutierungen jüngere Personen und werden in der Regel ökonomische Anreize geboten. Auch die vorgebrachte Blutrache erscheint unplausibel, weil es üblich ist, dass die Clans untereinander die Auseinandersetzungen unblutig lösen und Kompensationszahlungen geleistet werden. Warum dies im Falle des BF nicht möglich gewesen sein soll, konnte BF nicht glaubhaft machen.

Andere Fluchtgründe wurden von BF weder im behördlichen Verfahren noch in der mündlichen Verhandlung vorgebracht (Niederschrift BFA S 11; BVwG S 11) und sind auch sonst insbesondere aufgrund der zitierten Länderberichte etwa betreffend die Clanzugehörigkeit zu den Sheikhal nicht hervorgekommen.

2.2.3 Zur maßgeblichen Situation in Somalia

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aus den im LIB 2018 zitierten Berichten. Die konkret den Feststellungen zugrunde liegenden Quellen wurden unter Punkt 1.3. zitiert. Die aktuellen Länderberichte beruhen auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von staatlichen und nichtstaatlichen Stellen und bieten dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche, weshalb im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass besteht, an der Richtigkeit dieser Berichte zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte den Verfahrensparteien im Rahmen der Ladung zur mündlichen Verhandlung mit, welche Berichte es beabsichtigt, der Entscheidung zugrunde zu legen, und bot die Möglichkeit zur Einsicht- und Stellungnahme an. Den Länderberichten wurde nicht entgegengetreten, weshalb für das Bundesverwaltungsgericht auch aus diesem Grund keine Zweifel an deren Richtigkeit bestehen. Der von BF in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Bericht stützt vielmehr die Feststellung, dass die Region Hiraan eine hohe Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen mit vielen Todesopfern aufweist.

2.2.4. Zur Situation des Beschwerdeführers im Falle einer Rückkehr

Der BF hat glaubwürdig und im Verfahren gleichbleibend vorgebracht, dass seine Familie aus Belet Weyne nach Buq Aqable zog. Auch versicherte er in der mündlichen Verhandlung, dass aufgrund der Dürre und den al Shabaab der Viehbestand kleiner und die wirtschaftliche Lage somit schlechter wurde. Auch konnte kein aktueller Kontakt zur Familie festgestellt werden. Vor dem Hintergrund der Länderberichte ist die Versorgungslage in Belet Weyne wie auch Hiraan insgesamt aktuell vor allem aufgrund der Regenfälle angespannt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A)

Zur Säumnisbeschwerde

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Gemäß § 22 Abs. 1 AsylG 2005 ist abweichend von § 73 Abs. 1 AVG über einen Antrag auf internationalen Schutz längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden.

Infolge einer zulässigen und berechtigten Säumnisbeschwerde geht nach Vorlage derselben oder ungenütztem Ablauf der Nachfrist des § 16 Abs. 1 VwGVG die Zuständigkeit, über die betriebene Verwaltungsangelegenheit zu entscheiden, auf das Verwaltungsgericht über (VwGH 20.06.2017, Ra 2017/01/0052; 19.09.2017; Ro 2017/20/0001).

"Das VwG ist nach Verstreichen der dreimonatigen Nachfrist zuständig, in der Verwaltungssache (meritorisch) zu entscheiden, ohne dass ein ausdrücklicher Abspruch über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde vorzunehmen ist (Hinweis E vom 27.05.2015, Ra 2015/19/0075)." (VwGH 19.09.2017, Ro 2017/20/0001)

"Der VwGH hat bereits im E vom 22.06.2017, Ra 2017/20/0133, dargelegt, dass entsprechend der Intention des Gesetzgebers trotz der durch den starken Zustrom Schutzsuchender hervorgerufenen Belastung der Asylbehörde die Erledigung eines Antrags auf internationalen Schutz grundsätzlich binnen 15 Monaten zu erfolgen hat. Davon ausgehend kann die Überlastung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der hohen Zahl an Asylanträgen im Jahr 2015 allein keinesfalls als geeignet angesehen werden, eine längere Verfahrensdauer als 15 Monate zu rechtfertigen. Davon, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde im Sinn des § 8 Abs. 1 VwGVG 2014 zurückzuführen wäre, kann diesfalls ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht (mehr) gesprochen werden." (VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0208)

Im vorliegenden Fall stellte BF am 01.08.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Mit am 02.11.2017 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob BF durch seine Rechtsvertretung die Säumnisbeschwerde. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde waren mehr als 15 Monate vergangen und somit die 15-monatige Entscheidungsfrist des Bundesamtes verstrichen, weshalb sich aufgrund der - unbestrittenen - Säumigkeit des BFA die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht als zulässig erweist.

Das BFA legte die Säumnisbeschwerde mit der Anmerkung, es könne eine Erledigung nicht fristgerecht erfolgen, dem Bundesverwaltungsgericht vor. Aus der oben angeführten VwGH-Judikatur ergibt sich, dass trotz des großen Andrangs von Schutzsuchenden im Jahr 2015 angesichts der verlängerten Entscheidungsfrist von 15 Monaten und ohne Hinzutreten weiterer Gründe - die das Bundesamt nicht vorgebracht hat - nicht davon auszugehen ist, dass die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen wäre. Damit ist ein überwiegendes Behördenverschulden hinsichtlich der Verletzung der Entscheidungspflicht im konkreten Fall gegeben.

Da sich aus dem Akteninhalt auch nicht ergibt, dass die Ermittlungsverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten des BF oder durch unüberwindbare Hindernisse verursacht war, ist die Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht auch berechtigt. Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist damit auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen und hat dieses meritorisch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt I.

3.1.1. Rechtsgrundlagen

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (in Folge: AsylG 2005), ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.11.2003, 2003/20/0389, ausführte, ist das individuelle Vorbringen eines Asylwerbers ganzheitlich zu würdigen und zwar unter den Gesichtspunkten der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Behaupteten.

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an (vgl. jüngst etwa VwGH vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN, vom 30. September 2015, Ra 2015/19/0066, und vom 18. November 2015, Ra 2015/18/0220, sowie etwa VwGH vom 15. Mai 2003, 2001/01/0499, VwSlg. 16084 A/2003). Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass BF bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn daher BF im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, dass sie im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des VwG) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 13.12.2016, Ro 2016/20/0005); die entfernte Gefahr einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.1.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt daraus, dass, wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, der BF in Bezug auf seinen vorgebrachten Fluchtgrund persönlich unglaubwürdig war und die Angaben im Zuge des gesamten Verfahrens nicht hinreichend konsistent, sondern vielmehr widersprüchlich und nicht nachvollziehbar waren. Hinzu kommt, dass eine aktuelle Verfolgungsgefahr auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht objektivierbar ist. Da die Glaubhaftmachung ein wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Gewährung von Asyl ist, und es BF nicht gelungen ist, eine aus einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Grund aktuell drohende Verfolgung maßgeblicher Intensität glaubhaft zu machen, war der Antrag in Bezug auf die Gewährung von Asyl abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkten II. und III.

3.2.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen, so ist dem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention betreffen die Abschaffung der Todesstrafe.

Aus der jüngsten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137) ergibt sich zusammenfassend Folgendes:

"Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art. 2 oder 3 EMRK eine Einzelfallprüfung voraus, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0053 mwN). [Anm.: zuletzt auch VwGH 30.01.2018, Ra 2017/20/0406]

Um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüber hinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479 und 23.09.2009, 2007/01/0515 mwN).

Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des EGMR beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. VwGH vom 08.09.2016, Ra 2016/20/0063)."

3.2.2. Umgelegt auf den gegenständlichen Fall folgt vor dem Hintergrund dieser Rechtsgrundlagen, dass bei einer Rückkehr des BF nach Somalia die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK besteht. So hat BF zwar in Somalia Familie, doch befindet sich diese in einer Region, welche aktuell von Überflutungen betroffen ist. Auch ist die wirtschaftliche Lage angespannt. Hinzu kommt, dass die Herkunftsregion zu den gefährlicheren Regionen Somalias zählt und es viele sicherheitsrelevante Vorfälle und Todesopfer gab. Wie die Länderberichte zeigen, ereignen sich gerade in Gebieten, die den al Shabaab unterstehen, regelmäßig Vorfälle, welche fatale Folgen für die Zivilbevölkerung haben. Es bestünde im Falle der Rückkehr des BF daher die ernsthafte Gefahr, dass dieser in eine lebensbedrohliche oder ausweglose Lage geraten würden. Gesamtheitlich betrachtet ergibt sich in dem konkreten Fall des BF auf Grund mehrerer kumulativer Faktoren eine Situation, wonach davon auszugehen ist, dass BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung entgegen Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht BF nicht offen, weil BF in anderen Landesteilen über keine familiären Kontakte verfügt.

Aberkennungsgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind und BF andererseits strafrechtlich unbescholten ist.

Dem Antrag auf internationalen Schutz war daher in Bezug auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattzugeben und BF gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuzuerkennen. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 war BF eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von einem Jahr zu erteilen.

3.4. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die unter Punkt 3. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung, mangelnde Asylrelevanz, politischer
Charakter, subsidiärer Schutz, wirtschaftliche Situation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W183.2186000.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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