TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/15 W124 2017083-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2018
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Entscheidungsdatum

15.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W124 2017083-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Felseisen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, vertreten durch "XXXX", gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nunmehr BF) reiste illegal in das Bundesgebiet und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab er an, aus Indien, einem namentlich im BundesstaatXXXX gelegenen Dorf zu stammen. Er sei verheiratet und würde einen Sohn und eine Tochter haben. Seine Eltern und Geschwister würden wie seine engeren Familienangehörigen ebenso in Indien leben.

Der BF habe sein Land am XXXX schlepperunterstützt mittels Flugzeug nach XXXX verlassen und reiste von dort am Landweg bis Österreich.

Zu seinem Fluchtgrund befragt, gab der BF zu Protokoll, dass es am XXXX eine Demonstration in der Stadt XXXX von den Sikhs gegeben habe. Dabei sei es direkt vor seinem Geschäft zu einer Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Polizei sei bei der Demonstration durch die Hindi Sekte Shiv Sena unterstützt worden. Von der Polizei sei dabei mit Pistolen und Gewehren auf die Demonstranten geschossen worden. Einige Personen seien dabei verletzt worden. Ein Mann sei ums Leben gekommen. Der BF sei Augenzeuge dieser Aktion und deshalb zu einer Gerichtsverhandlung geladen worden. Auf Grund dessen sei der BF aufgefordert worden nicht mehr bei den weiteren Gerichtsverhandlungen auszusagen, da er ansonsten umgebracht werden würde. Er sei insgesamt vier Mal bei Gericht gewesen und habe diesen Ladungen Folge geleistet. Deshalb sei der BF von den Anhängern der Shiv Sena und der Polizei attackiert worden. Einmal in seinem Geschäft und einmal beim BF zu Hause. Beim zweiten Angriff sei der BF verletzt worden. Bei der Polizei würden zwei gefälschte Anzeigen gegen den BF laufen und würde er deswegen ständig unter Druck gesetzt werden. Er habe Angst um sein Leben und habe daher beschlossen sein Land zu verlassen.

3. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am XXXX gab der BF an, gesund zu sein, keine Medikamente einzunehmen und an keiner ansteckenden Krankheit zu leiden. Er gehöre der Volksgruppe der "Punjabi/Sikh" an und würde der Religion der Sikh angehören.

In einem anderen Land habe er um Asyl nicht angesucht, als er nirgends Asyl gewollt hätte. Vor seiner Flucht habe er in "XXXX" gelebt.

12 Jahre lang habe er die Schule besucht und danach in einem Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Das Geschäft, welches sich in der Stadt XXXX befunden habe, sei sein eigenes Geschäft gewesen. Gelebt habe er in einem eigenen Haus in XXXX. Es sei ca. 16 bzw. 17 Kilometer von seinem Wohnhaus entfernt gewesen. Die Frau und die Kinder des BF hätten mit ihm gemeinsam gelebt. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder. Auch die Mutter des BF würde in ihrem Haus wohnen.

Das Geschäft des BF würde es nicht mehr geben und würde die Familie des BF noch eine Landwirtschaft haben. Seine gesamte Familie, mit der er regelmäßig in telefonischen Kontakt stehen würde, würde noch dort leben. Seiner Familie gehe es gut und würde diese keine gesundheitlichen Probleme haben.

Zu seinen Fluchtgründen führte der BF aus, dass es am XXXX zu Ausschreitungen zwischen Hindus und Sikhs in XXXX gekommen sei. Er sei in diesem Zeitraum in seinem Geschäft gewesen und sei die Polizei bei diesen Ausschreitungen eingeschritten. Zunächst habe es sich dabei um einen Streit gehandelt, später habe man aufeinander geschossen. Man habe auf beide Gruppen geschossen. In seinem Geschäft habe er alles mitbekommen. Der BF sei weder auf der Seite der Hindu noch der Sikhs gestanden.

Er habe gesehen, wie die Polizei einen gewissen XXXX getroffen habe und dieser sofort auf der Stelle tot gewesen wäre. Drei andere Personen seien ebenso verletzt gewesen. Mit dem BF seien noch drei andere Personen im Geschäft gewesen. Sie alle hätten gesehen, dass die Polizei aufXXXX geschossen habe.

Der BF habe auch der Familie von XXXX erklärt, dass er bereit sei vor Gericht auszusagen, dass die Polizei geschossen habe. Es sei auch einer aus der Gruppe der Hindus dabei gewesen.

Die Familie von XXXX habe Anzeige erstattet, dass die Polizei auf diesen geschossen habe. Dies wurde von der Polizei geleugnet.

Nachdem der BF ausgesagt habe, dass die Polizei auf den Sohn der FamilieXXXX geschossen habe, sei der BF sowohl von den Hindus als auch der Polizei bedroht worden. Der BF hätte seine Aussage zurücknehmen und sagen sollen, dass er nichts gesehen habe. Der Fall sei auch in der Zeitung gewesen.

Ungefähr vier Monate nach dem Vorfall sei der BF am Abend nach Hause gefahren. Einige Leute von den Hindus hätten auf den BF geschossen. Sie hätten den BF nicht treffen wollen, sondern diesen nur Angst machen wollen, damit er keine Anzeige legen würde. Er sei auch bei der Polizei gewesen und habe diesen Vorfall zur Anzeige gebracht. Die Polizei habe ihm aber nicht zugehört und niemand eine Anzeige aufgenommen.

Er sei auch über das Telefon bedroht worden. Wer angerufen habe, wisse der BF nicht. Es sei ihm aber gesagt worden, er solle seine Anzeige zurückziehen. Ein paar Mal seien sie auch in seinem Geschäft gewesen und hätten Probleme gemacht. Der BF habe sein Geschäft verlassen, weil auch seine Familie Angst gehabt habe.

Schließlich habe die Polizei eine fingierte Anzeige erstattet, dass er auf den Dorfvorsteher der XXXX, XXXX, geschossen und ihm 800.000 Rupien geraubt hätte.

Dass alles hätte nicht gestimmt und habe der BF nichts getan. Er sei wegen der §§ 301, 26 und 149 angezeigt worden. Der Anwalt des BF habe gesagt, dass das wegen der Schüsse, dem Gel d und der Verletzung sei. Die Nummer oder Zahl dieser Anzeige könne er auch holen, wenn es nötig sei. Wegen dieser Anzeige habe er schließlich das Land verlassen.

Er wisse nicht genau wie hoch die Strafe sei, die dem BF drohen würde. Wahrscheinlich 10 oder 12 Jahre Haft, weil er versucht habe den Führer zu töten. Dies sei aber nur gemacht worden, dass er seine Anzeige zurückziehe.

Ungefähr sechs oder sieben Monate nach diesem Vorfall sei Anzeige erstattet worden. Die Frage was XXXX passiert sei, beantworte der BF damit, dass diesem gar nichts passiert sei und er gesund sein würde. Die Anzeige hätte dem BF nur Probleme machen sollen. Auf Vorhalt, dass der BF und XXXX die gefälschte Anzeige leicht entkräften hätte können, gab der BF an, dass der Führer mit der Polizei zusammenarbeiten würde. Dieser würde das sagen, was die Polizei von ihm wolle. Er sei ein Beamter und würde mit der Polizei zusammenarbeiten. Sie hätten die Anzeige zusammen gemacht.

Die Frage, weshalb ein Angehöriger der Sikh gegen einen eigenen Mann vorgehen solle und der Polizei und Hindus helfen würde, gab dieser an, dass er Führer und Beamter sei. Er würde alles versuchen, um sich zu rechtfertigen.

Ein Gerichtsverfahren würde es wegen diesen Vorfall am XXXX noch nicht geben. Die Aussagen habe er in XXXX, bei der Familie und beim Rechtsanwalt der Familie abgegeben. Auf Vorhalt bei der Erstbefragung angegeben zu haben vier Mal bei Gericht gewesen zu sein und dort ausgesagt zu haben, gab dieser an, dass dies nicht stimmen würde und er nicht vor Gericht ausgesagt habe.

XXXX habe er von seinen Bekannten gekannt. Auf die Frage, ob es ein Gerichtsverfahren wegen der gefälschten Anzeigen gegen den BF geben würde, gab dieser an, dass es keine Verhandlung geben würde und er das Land verlassen habe.

Auf Vorhalt, dass der BF angegeben habe, dass die Anzeigen sechs oder sieben Monate nach dem XXXX gemacht worden seien und der BF Indien erst im XXXX verlassen habe, gab dieser an die Stadt schon früher verlassen zu haben und nicht lange dort geblieben zu sein. Ca. 3 oder 4 Monate nach der Anzeige gegen den BF habe er die Stadt verlassen. Er sei dann nach XXXX gegangen. Es handle sich dabei um einen kleinen Ort in der Nähe von "XXXX". Er sei alleine dort gewesen.

Die anderen drei Personen, die den Vorfall auch gesehen hätten, hätten keine Aussage gemacht. In XXXX habe es keine Probleme gegeben, als er dort nicht gemeldet gewesen sei und nicht offiziell gelebt habe. Auf den Vorhalt, dass er dort ohne weiteres sein Leben fortführen hätte können, gab dieser an Familie gehabt zu haben, aber kein Haus und keine Arbeit. Irgendwann hätten sie den BF auch erwischen können.

Die Leute, die den BF in seinem Geschäft bedroht hätten, habe er nicht gekannt. Zu den Drohungen sei es ungefähr ein Monat nach dem XXXX gekommen. Man habe ihm gesagt, er solle seine Aussage zurückziehen und nicht zu Gericht gehen.

Ansonsten habe er mit den Behörden oder der Polizei keine Probleme gehabt. Er sei auch nicht festgenommen worden und habe es wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seines Glaubens deswegen keine Probleme gegeben.

Insgesamt habe er an seinen Schlepper 300.000 Rupien bezahlt, welche er zu Hause gehabt habe. Die Frau des BF habe bezahlt, als der BF mit dem Flugzeug aus XXXX abgeflogen sei. Mit seiner Frau sei er mehrmals in der Woche in telefonischen Kontakt gestanden und habe diese gewusst, dass er von zu Hause weggehen würde.

Versteckt habe er in Indien nicht leben können. Er sei Sikh und würden außerhalb meist nur Hindus leben. Da hätte der BF dann Probleme bekommen. Irgendwann würde der BF auch von der Polizei gefunden werden.

4. Mit dem nun angefochtenen Bescheid des BFA vom XXXX wurde der Antrag des BF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 tagen festgesetzt. (Spruchpunkt IV.).

Das BFA stellte fest, dass die vom BF angegebenen Gründe für das Verlassen des Heimatlandes nicht glaubhaft seien. Eine Zurückweisung, Zurück-, oder Abschiebung nach Indien würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Der BF habe in Österreich keine Familienangehörigen und verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte in Indien. Den überwiegenden Teil seines Lebens habe er in Indien verbracht. Er habe keine anderen Gründe namhaft gemacht, die für eine Integration in Österreich sprechen würden.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass dem Vorbringen des BF kein Glauben geschenkt werde. Für die erkennende Behörde sei es völlig unverständlich, dass der BF von dem Verfahren nichts gewusst habe. Gerade als Zeuge und unmittelbar Betroffener hätte dieser die Entwicklungen mit großem Interesse verfolgen müssen. Für die erkennende Behörde sei es völlig realitätsfern und unlogisch und somit unglaubwürdig, dass dem BF ein Verfahren, an dem er selbst Interesse habe hätte müssen, weil er selbst davon betroffen gewesen sei und über welches bereits im Oktober 2012 online berichtet worden sei.

Sein gesamtes Flucht-, und Asylvorbringen würde auf der Tatsache aufbauen, dass er Augenzeuge des Mordes an XXXXgewesen sei. Es sei dem BF die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weshalb es auf der Hand liegen würde, dass auch die daraus resultierenden Drohungen und die fingierte Anzeige, um den BF zum Zurückziehen seiner angeblichen Aussage zu zwingen, rein fiktiver Natur sei und keineswegs der Wahrheit entsprechen würde.

Ebenso würden seine Angaben, dass der BF deswegen seine Heimatstadt verlassen habe und seit längerer Zeit in einem kleinen Ort in der Nähe der Stadt XXXX gelebt habe unlogisch und nicht glaubhaft. Hätte es die vom BF ins Treffen geführte Anzeige tatsächlich gegeben und hätte dem BF tatsächlich, wie von diesem behauptet 10 oder 12 Jahre Haft gedroht, wäre es nur logisch und nachvollziehbar gewesen, dass der BF seine Heimat schon viel früher verlassen hätte. Keinesfalls wäre der BF noch drei oder vier Monate in seiner Stadt verblieben und hätte sich danach noch ungefähr ein Jahr in einer anderen Stadt Indiens aufgehalten. Er hätte, wie er selbst ausgeführt habe, jeder Zeit von der Polizei gefunden werden können.

Offensichtlich habe der BF sich eine wahre Hintergrundgeschichte ausgesucht und auf diese seine konstruierte rein fiktive Fluchtgeschichte aufgebaut, die lediglich der Asylerlangung dienen hätte sollen.

Die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung werde auch dadurch untermauert, dass der BF in seiner Einvernahme am XXXX angegeben habe, er könne sich über seinen Anwalt eine Kopie der Anzeige gegen seine Person schicken lassen oder aber dem Bundesamt zumindest die Aktenzahl dieser Anzeige übermitteln können. Beides sei innerhalb der dem BF dafür gesetzten Frist von sechs Wochen nicht geschehen. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht im Asylverfahren sei dies dem BF jedenfalls zumutbar gewesen, zumal lediglich ein Telefonat mit seinem Anwalt dafür notwendig gewesen wäre.

Da das Vorbringen des BF als unglaubwürdig festgestellt worden sei, würde sich im Falle einer Rückkehr keine Bedrohungssituation für die Person des BF ergeben. Den Länderfeststellungen zu seinem Heimatland würden keine Informationen zu entnehmen sein, die darauf hinweisen würden, dass Personen, die im Ausland einen Asylantrag gestellt hätten, bei einer Rückkehr nachteilige Konsequenzen zu befürchten hätten.

Es würde keine Hinweise dafür geben, dass der BF in eine die Existenz bedrohende Notlage bei der Rückkehr in sein Heimatland kommen könne. Der BF sei ein gesunder, arbeitsfähiger und arbeitswilliger Mann, von dem die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Der BF könnte seinen Lebensunterhalt, wie auch schon vor seiner Ausreise, jedenfalls durch berufliche Tätigkeiten bestreiten. In Österreich würde der BF bei einem anderen indischen Staatsangehörigen leben und würde sich eigenen Angaben nach etwas Geld mit dem Austragen von Werbung und Flyern verdienen. Man könne daher davon ausgehen, dass der BF in seiner Heimat, in seinem Sprach-, und Kulturkreis, auf jeden Fall in der Lage wäre eine Arbeit zu finden.

Die Familie des BF und seine Angehörigen würden nach wie vor in Indien leben. Der BF würde jedenfalls über ein familiäres Netzwerk verfügen. Die entscheidende Behörde gehe davon aus, dass der BF bei einer Rückkehr durch dieses familiäre Netzwerk Unterstützung finden würde. Ebenso stehe es dem BF frei eine staatliche Rückkehrhilfe oder Hilfe durch diverse NGO in Anspruch zu nehmen.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass sämtliche vom BF getätigten Ausführungen unglaubwürdig gewesen seien.

Eine Verfolgung auf Grund seiner Volksgruppe bzw. Religion habe der BF nicht geltend gemacht und sei eine solche auch im gesamten Ermittlungsverfahren nicht zu Tage getreten.

Zu Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass auf Grund der Ausbildung des BF und des bestehenden familiären Netzwerkes es dem BF jedenfalls möglich sei die existenziellen Grundbedürfnisse wie Nahrung und Unterkunft zu erfüllen. Aus den Länderfeststellungen würde sich weder ergeben, dass der BF bei einer Rückkehr in sein Heimatland wieder in der Lage sein würde durch eine Tätigkeit eine ausreichende Lebensgrundlage zu finden. Darüber hinaus würde der BF Unterstützung von seiner Familie erhalten und daher nicht in eine hoffnungslose Lage nach seiner Rückkehr kommen. Die Möglichkeit einer finanziellen Unterstützung bei einer Rückkehr ermögliche es dem BF auch in der Übergangszeit, bis dieser selbst wieder eine Arbeit gefunden habe, sich selbst zu versorgen.

Es seien während des ganzen Verfahrens keine Anhaltspunkte zu Tage getreten, die darauf hindeuten würden, dass der BF bei einer Rückkehr in eine ausweglose und die Existenz bedrohende Lage kommen würde.

Der BF würde weder an einer physischen oder psychischen Krankheit leiden. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sei jedenfalls davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Indien in der Lage sein würde, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht, über anfängliche Schwierigkeiten hinaus, in eine dauerhaft aussichtlose Lage geraten würde.

5. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 BFA-VG der XXXX amtswegig als Rechtsberater zur Seite gestellt.

6. Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde wurde der angefochtene Bescheid zur Gänze aufgrund inhaltlich falscher Entscheidung und mangelhafter Verfahrensführung angefochten.

Das BFA habe keine konkreten Recherchen zum Vorbringen des BF angestellt.

Das Vorbringen des BF sei kongruent mit den Länderberichten. Die belangte Behörde ignoriere diese Umstände und gehe davon aus, dass der BF auf ein faires Verfahren hoffen könne. Dies sei aber auf Grund der eigenen Länderberichte allerdings nicht als wahrscheinlich anzusehen. Die Gegner des BF würden nicht irgendwelche Dritte sein gegen die der BF aussagen müsse, sondern würde es sich dabei um einen mächtigen und korrupten Parteiapparat handeln.

Der Fall sei medienbekannt und wäre es für das BFA sehr einfach gewesen vor Ort entsprechende Nachforschungen anzustellen. Die Behörde hätte das Vorbringen vor Ort untersuchen müssen und nicht nur eine Internetrecherche betreiben dürfen.

Es würde noch keinen Hinweis geben, dass das Verfahren schon abgeschlossen und Zeugen überhaupt gehört worden seien. Bei näherer Beschäftigung wäre das BFA zur Feststellung gelangt, dass die Anwälte in Indien direkt am Gericht arbeiten würden und daher das Vorbringen des BF, dass er bei Gericht ausgesagt habe, dies aber nur in Gegenwart des Anwaltes der Familie des Opfers und dieser selbst gemacht habe, nicht mehr unglaubwürdig bzw. unplausibel gewesen. Überdies hätte sich die belangte Behörde eines länderkundigen Sachverständigen bedienen müssen, welcher Aufschluss über die tatsächliche Situation in Indien geben hätte können.

Unter auszugsweisen Verweis der Richtlinie 2004/83/EG und des Urteils des EUGH vom 18.12.2008 zu C-349/07 hätte man dem BF vor Bescheiderlassung die Möglichkeit geben müssen auf die Beweiswürdigung zu reagieren, indem er sein Vorbringen in einzelnen Punkten noch einmal konkretisieren hätte können.

Zur Beweiswürdigung wurde im Wesentlichen moniert, dass sich die belangte Behörde mit den Länderberichten nicht auseinandergesetzt habe.

Die Hauptgefährdung des BF liege in der falschen strafrechtlichen Anklage gegen diesen. Er habe die diesbezügliche Bestätigung durch seinen Anwalt beschaffen lassen. Daraus gehe hervor, dass gegen den BF eine Anklage bestehen würde. Dieser Umstand könne auch durch einen Vertrauensanwalt vor Ort bestätigt werden.

Der BF habe vorgebracht vier Mal bei Gericht ausgesagt zu haben. Dies habe er jedoch beim Anwalt der Familie des Opfers und nicht vor dem Richter gemacht. In Indien würde jeder Anwalt sein Büro direkt bei Gericht haben. Darüber hinaus kenne die belanget Behörde den Ablauf eines indischen Strafverfahrens nicht. Es sei davon auszugehen, dass sich dieses vom österreichischen System signifikant unterscheiden würde, da es auf der "common law" Tradition beruhen würde. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass der BF nur durch seine Aussagen beim Anwalt der Familie des Opfers am Verfahren mitgewirkt und nicht öffentlich aussagen habe müssen.

Es würde noch immer kein Ergebnis des Strafverfahrens geben, obwohl im August geschrieben worden sei, dass das Urteil in wenigen Tagen erfolgen würde. Der BF habe seinen Heimatort, nachdem er von der ungerechtfertigten Anzeige gegen ihn erfahren habe, verlassen und versteckt an einem anderen Ort gelebt. Es wäre dem polizeilich gesuchten BF nicht möglich und zumutbar gewesen sich sein ganzes Leben lang versteckt zu halten.

Bei richtiger Beweiswürdigung hätte die Behörde zur Feststellung gelangen müssen, dass der BF verfolgt werden würde und daher eine reale Gefährdung seiner körperlichen Unversehrtheit bzw. seines Lebens zu befürchten habe und sei daher asylberechtigt.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass dieser auf Grund von erheblichen Verfahrensfehlern und Begründungsmängeln erlassen und daher unzulässig sei.

Zu Spruchpunkt II. wurde angemerkt, dass entgegen den Feststellungen der belangten Behörde der BF bei einer Rückkehr nach Indien einer realen Gefahr ausgesetzt, Opfer von unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Gewaltanwendung werden könnte.

Die Behörde habe es pflichtwidrig unterlassen die beunruhigende Menschrechtslage in Indien festzustellen und ordentlich auszuwerten. Die im angefochtenen Bescheid getroffenen Länderfeststellungen würden eindeutig festlegen, dass es systematische Korruption und kein faires Verfahren geben würde. Die Länderfeststellungen seien selektiv und teilweise unrichtig ausgewertet.

Eine Prüfung und Bewertung der Frage eines tatsächlichen und effizienten Schutzes im Heimatstaat finde im angefochtenen Bescheid ebenfalls nicht statt, obwohl die eigenen Länderberichte von einer massiven Korruption der Sicherheitsbehörde ausgehen würden.

Auf Grund einer gefälschten strafrechtlichen Anklage würde der BF landesweit gesucht werden und könne sich nicht wo anders niederlassen. Es wäre daher dem BF in eventu subsidiärer Schutz gemäß § 8 AsylG 2005 zuzuerkennen gewesen.

Bezüglich des Privat-, und Familienlebens des BF wurde ausgeführt, dass sich der BF integriert und regelmäßig Deutschkurse besucht habe, soweit ihm dies sein psychischer Zustand erlaubt habe. Der BF arbeite auch als selbständiger Werbemittelverteiler und könne so für einen Unterhalt sorgen. Das Argument des kurzen Aufenthaltes würde spätestens mit der Einbringung der Beschwerde nicht mehr gelten, da dieser eine aufschiebende Wirkung zu kommen würde. Es sei daher eine wesentliche Änderung der Umstände eingetreten und sei die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung neu zu bewerten.

In der Folge wurden auszugsweise verschiedene Erkenntnisse des VfGH bzw. VwGH zur Abwägung des öffentlichen Interesses und den persönlichen Interessen des BF an einem weiteren Verbleib in Österreich unter Berücksichtigung zu Art 8 EMRK zitiert.

7. In der Ladung vom XXXX wurden dem Vertreter des BF die aktuellen Länderberichte für Indien übermittelt. Eine diesbezügliche Stellungnahme wurde bis dato nicht eingebracht.

8. AmXXXX fand vor dem BVwG eine Verhandlung statt, welche folgenden Verlauf nahm:

..........

R: Was ist Ihre Muttersprache?

BF: Punjabi.

R: Sprechen Sie darüber hinaus noch andere Sprachen?

BF: Hindi.

R an den Dolmetscher: In welcher Sprache übersetzen Sie für den Beschwerdeführer?

D: Punjabi

R befragt den Beschwerdeführer, ob er den Dolmetscher gut verstehe, dies wird bejaht.

R befragt den Beschwerdeführer, ob dieser geistig und körperlich in der Lage ist der heutigen Verhandlung zu folgen bzw. ob irgendwelche Hindernisgründe vorliegen. Nun wird der Beschwerdeführer befragt, ob er gesund ist oder ob bei ihm (Krankheiten) und /oder Leiden vorliegen. Diese Fragen werden vom Beschwerdeführer dahingehend beantwortet, dass keine Hindernisgründe oder chronische Krankheiten und Leiden vorliegen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.

BF: An und für sich fühle ich mich und kann an der heutigen Verhandlung teilnehmen. Ich nehme Medikamente wegen Blutdruck und Diabetes. Ich muss nicht Spritzen, ich nehme nur eine Tablette wegen Zuckerkrankheit. Falls mein Zucker zu hoch ist, dann schickt mich mein Hausarzt ins Spital, wo ich eine Spritze bekomme. Das weiß ich nicht, die Befunde habe ich nicht mit.

R: Dem BF wird der Auftrag gegeben, die Befunde morgen dem BFV vorzulegen.

BFV: Der BF wohnt in XXXX.

R an BF: Faxen können Sie?

BF: Ja.

R: Dann wird das morgen gefaxt.

BF: Einen Befund habe ich, den anderen faxe ich Ihnen. Schreiben vom XXXX wird dem BVwG vorgelegt, welche als Beilage ./A in Kopie zum Akt genommen wird.

R: Bei welchem Arzt sind Sie in Behandlung?

BF: XXXX.

R: Entbinden Sie die Ärzte von der Schweigepflicht?

BF: Ja.

R: Mit BF wird vereinbart, dass der andere Befund morgen, denXXXX mittels Fax dem BVwG übermittelt wird.

R: Seit wann sind Sie bei XXXX in Behandlung?

BF: Seit letztem Mai des letzten Jahres.

Dem Beschwerdeführer wird dargelegt, dass er am Verfahren entsprechend mitzuwirken hat bzw. auf die Fragen wahrheitsgemäß zu antworten hat. Andernfalls dies sich entsprechend im Erkenntnis im Bundesverwaltungsgerichtes auswirken würde.

R: Haben Sie noch neue Beweismittel, die Sie beim BFA oder bzw. bei der Polizei noch nicht vorgelegt haben?

BFV legt vor: Eine Gewerbeberechtigung vom 13.03.2017, darüberhinaus ein Auszug von Umsätzen vom 04.04.2018, welche als Beilage ./B und Beilage./C in Kopie zum Akt genommen werden.

Eröffnung des Beweisverfahrens

Zum bisherigen Verfahren:

Die Partei verzichtet ausdrücklich auf die Verlesung des Akteninhaltes (vorgelegter Verwaltungsakt des BAA und Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes), dieser wird jedoch vom R der Reihe nach erläutert und zur Akteneinsicht angeboten.

Die Partei verzichtet auf eine Akteneinsicht.

R erklärt diese Aktenteile zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und zum Inhalt der hier zu Grunde liegenden Niederschrift.

R weist Beschwerdeführer auf die Bedeutung dieser Verhandlung hin. Der Beschwerdeführer wird aufgefordert nur wahrheitsgemäße Angaben zu machen und belehrt, dass unrichtige Angaben bei der Entscheidungsfindung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sind. Ebenso wird auf die Verpflichtung zur Mitwirkung einer Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes hingewiesen und dass auch mangelnde Mitwirkung bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen ist.

R: Seit wann sind Sie denn in Ö?

BF: Seit vier Jahren. Am XXXX bin ich nach Ö gekommen.

R: Wie bestreiten Sie in Ö Ihren Lebensunterhalt?

BF: Ich arbeite bei DPD und trage Pakete aus.

R: Haben Sie mit DPD einen Vertrag?

BF: Den habe ich vorgelegt. BF verweist auf den Gewerbeschein. BF wird darauf hingewiesen, dass es sich beim Gewerbeschein um keinen Vertrag handelt. BF zeigt eine Karte von DPD, welche als Beilage./D in Kopie zum Akt genommen wird. BF gibt an, doch einen Vertrag zu haben. BF wird aufgetragen, diesen morgen dem BVwG zu faxen.

R: Seit wann üben Sie diese Tätigkeit aus?

BF: Seit über 1,5 Jahren. Ich habe im XXXX begonnen.

R: Dann faxen Sie mir bitte den Auszug für das Jahr XXXX Ihrer Umsätze bzw. Ihres Einkommens, das Sie für die Paketzustellung erhalten.

BF wird der Auftrag gegeben, diese Abrechnung morgen mit den anderen Unterlagen dem BVwG zu faxen. Das ist bei meinem Steuerberater, das dauert ein bisschen.

R: Wie heißt Ihr Steuerberater?

BF: Das fällt mir jetzt nicht ein, ich weiß, in welcher Gasse er ist. Den Namen weiß ich nicht.

R: Was verdienen Sie denn durchschnittlich mit dieser Tätigkeit?

BF: Wenn mehr Pakete zu liefern sind, kann ich einen Umsatz von 6000-7000 EURO im Monat machen. Wenn die Pakete weniger sind, dann mache ich einen Umsatz von ca. 3000-4000 EURO.

R: Sind Sie sozialversichert?

BF: Ja.

BF verweist auf seine ECard mit der Nummer XXXX, welche als Beilage./E in Kopie zum Akt genommen wird.

R: Entbinden Sie Ihren Steuerberater von seiner Schweigepflicht?

BF: Ja.

R: Wie haben Sie Ihren Lebensunterhalt vor dieser Tätigkeit bestritten.

BF: Davor war ich ohne Beschäftigung. Ich habe mich mit Gelegenheitsjobs finanziert. Davor habe ich mit Feibra gearbeitet. Diese wurde aber geschlossen. Ich hatte auch ein Gewerbe für Feibra.

R: Haben Sie eine arbeitsrechtliche Bewilligung gehabt?

BF: Ich habe mit Hilfe des Gewerbescheines arbeiten können.

R: Was haben Sie für Gelegenheitstätigkeiten ausgeübt?

BF: Nach Beendigung der Arbeit bei der Feibra habe ich als Reklamezettelverteiler gearbeitet. Zum Beispiel habe ich für Pizzerien Reklamezetteln verteilt.

R: Wie läuft Ihre jetzige Tätigkeit genau ab?

BF: Zwischen 5 Uhr und 5.30 Uhr fange ich an. Ich scanne die Pakete und verteile sie dann in meinem Gebiet.

R: Wer bestimmt dieses Gebiet, wo Sie die Pakete zuzustellen haben?

BF: Das ist alles mit dem Scanner gespeichert.

R: Ist das immer dasselbe Gebiet, dass Sie da abfahren müssen?

BF: Ja.

R: Wer teilt Ihnen dieses Gebiet zu?

BF: Jemand von DPD.

R: Welches Gebiet ist Ihnen zugeteilt?

BF: XXXX.

Es wird im Google recherchiert unter der Angabe der XXXX. Es kommt in der Recherche hervor, dass der Ort XXXX heißt.

R: Wann müssen Sie mit dieser Arbeit beginnen?

BF: Ich verlasse die Firma um 8 Uhr. Je nachdem, manchmal komme ich um 15 Uhr oder 16 Uhr, es kann auch 17 Uhr werden.

R: Wann beginnen Sie jetzt die Arbeit?

BF: Ich bin in der Firma um 5 Uhr bzw. 5.30 Uhr, ich hole die Pakete und scanne diese. Um 8 Uhr fange ich mit der Lieferung an und komme zwischen 15 und 17 Uhr, je nach Lieferung, in die Firma zurück.

R: Können Sie mit dieser Arbeit auch später anfangen?

BF: Wir müssen die Pakete rechtzeitig liefern. Wenn ich später anfange, komme ich in Verzug.

R: Wer ordnet an, dass Sie um 5 Uhr oder 5:30 Uhr in der Firma sein müssen?

BF: Nein, alle Fahrer kommen in der Früh um 5 Uhr oder 5:30 Uhr, um ihre Pakete abzuholen. Es dauert, bis die Pakete gescannt und eingeladen sind.

R: Müssen die Pakete bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zugestellt werden?

BF: Auf dem Scanner kommt eine Zeit, bis wann das Paket zu liefern ist. Gleichzeitig bekommt der Kunde auch eine Nachricht von der Firma, in welchem Zeitraum ihm geliefert wird.

R: Was zahlen Sie im Monat Sozialversicherung?

BF: Derzeit zahle ich 250 EURO Sozialversicherung im Monat.

R: Was heißt derzeit, zahlen Sie in Zukunft weniger oder mehr?

BF: Das ist fix. Ich nehme an, in Zukunft wird es mehr werden.

R: (Frage auf Deutsch) Sprechen Sie Deutsch?

BF: Ja.

R: (Frage auf Deutsch) Verstehen Sie Deutsch?

BF: No school.

R: (Frage auf Deutsch) Haben Sie einen Deutschkurs in Ö besucht?

BF: Antwort (In Punjabi): Nein, noch nicht, aber ich möchte in Zukunft einen Deutschkurs besuchen. Ich habe mich bereits erkundigt, aber es war in der Ferienzeit.

R: (Frage auf Punjabi) Wann genau haben Sie sich erkundigt?

BF: Das war jetzt vor kurzem. Mir wurde gesagt, jetzt sind Ferien. Ich habe mich auch schon einmal früher erkundigt und wollte einen Deutschkurs beginnen, aber dann hatte ich den Unfall.

R: (Frage auf Deutsch) Sind Sie verheiratet?

BF: Keine Antwort.

R: Fragewiederholung auf Punjabi.

BF: Ja.

R: (Frage auf Deutsch) Haben Sie Kinder?

BF (Antwort auf Deutsch). Ja, zwei.

R: (Frage auf Deutsch) Wie geht es Ihrer Frau und Ihren Kindern?

BF: (Antwort auf Punjabi) Meine Frau lebt bei ihrer Familie.

Verhandlung wird in Punjabi fortgesetzt.

R: Wie geht es Ihrer Frau und Ihren Kindern?

BF: Denen geht es gut. Meine Tochter hat gerade die Matura gemacht und wird in Kanada studieren. Mein Sohn geht noch zur Schule.

R: Was wird Ihre Tochter in Kanada studieren?

BF: Sie möchte Medizin studieren.

R: Hat sie da schon einen Studienplatz?

BF: Ja, sie hat bereits eine Zusage bekommen.

R: Haben Sie außer Ihrer Frau und Ihren Kindern noch andere Verwandte in Indien?

BF: Meine Mutter, ein Bruder und zwei Schwestern leben auch in Indien.

R: Haben Sie Onkeln, Tanten, Cousins, Cousinen?

BF: Ja, einige Onkeln und Tanten sind verstorben, einige leben noch.

R: Wo lebt Ihr Bruder und wo leben Ihre beiden Schwestern?

BF: Mein Bruder lebt in unserem Dorf und die Schwestern sind verheiratet und leben in XXXX.

R: Wie weit ist das von Ihrem Dorf entfernt?

BF: XXXX ca. 100km von meinem Dorf entfernt.

R: Wie oft sind Sie mit Ihren Familienangehörigen in Kontakt?

BF: Mit meinem Bruder telefoniere ca. einmal in der Woche, da meine Mutter krank ist, rufe ich sie täglich an und mit meiner Frau und meinen Kindern telefoniere ich auch zwei bis dreimal in der Woche.

R: Leben Sie in Ö in einer Lebensgemeinschaft?

BF: Nein, ich wohne mit einem Mann in einer WG.

R: Haben Sie in Ö einen Freundeskreis?

BF: Ja, meine Kollegen sind auch meine Freunde.

R: Gehören diesem Freundeskreis auch Österreicher an?

BF: Ja, sowohl in der Firma arbeiten Österreicher, ich habe auch Freundschaften mit Arbeitern an der Tankstelle, wo ich mein Fahrzeug auffülle, geschlossen.

R: Wie heißen Ihre zwei besten Freunde und wie lautet ihre Wohnanschrift?

BF: Meine zwei besten Freunde heißen XXXX ist mein Mitbewohner und XXXX lebt mit seiner Familie, seine Adresse weiß ich nicht.

R: Zählt zu Ihren besten Freunden auch ein Österreicher oder eine Österreicherin?

BF: Ja schon, aber wegen der Sprachbarriere können wir nicht so viel miteinander reden.

R: Wie heißt er mit Vor- und Familiennamen?

BF schreibt Namen auf einen Zettel, welche als Beilage./F zum Akt genommen wird, lautend auf XXXX. BF kann nicht angeben, ob das der Familien- oder Vornamen ist. Er nennt diesen so.

R: Wie lautet seine genaue Adresse?

BF: Die Adresse weiß ich nicht.

R: Waren Sie schon bei ihm zu Hause?

BF: Nein.

R: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF: Ich bleibe zu Hause.

R: Wenn Sie nicht arbeiten, bleiben Sie zu Hause?

BF: Ja, oder ich besuche den Sikh Tempel am Samstag oder Sonntag.

R: Sind Sie in einem Verein, Organisation, Kirche oder dergleichen engagiert?

BF: Nein.

BF wird auf sein Entschlagungsrecht hingewiesen.

R: Sind Sie gerichtlich vorbestraft oder läuft gegen Sie ein gerichtliches Strafverfahren bzw. haben Sie eine schwere Verwaltungsübertretung begangen bzw. Verwaltungsstrafe erhalten zB wegen Übertretung einer Bestimmung nach der STVO.

BF: In Ö habe ich keine Verurteilung oder Gerichtsverfahren anhängig. Ich wurde jedoch zweimal wegen Schnellfahren in der 30er Zone bestraft.

R: Wie schnell sind Sie da gefahren?

BF: Zwischen 35 und 40 bin ich gefahren.

R: Wie war die Geldstrafe?

BF: 30 EURO.

R: Leiden Sie an irgendwelchen schweren Krankheiten?

BF: Ja, seit dem Unfall leide ich unter hohem Blutdruck und Zucker.

R: Arbeiten können Sie aber schon?

BF: Ja. Im Juni, als ich hier einen Termin hatte, war ich auf Krankenstand, da ich hohen Blutdruck hatte.

R: Wie hoch?

BF: Ich hatte über 200 Blutdruck gehabt. Ich habe zwar heute nicht geschaut, aber ich schätze 150 zu 80 oder 90. Aber wenn ich arbeite, dann ist es gut, es ist gut für meine Gesundheit.

R: Nehmen Sie da regelmäßig Medikamente gegen den Bluthochdruck.

BF: Eine Tablette morgens und eine abends.

R: Wie heißt das Medikament?

BF: Ich erinnere mich an den Namen nicht.

BF wird aufgetragen, morgen den XXXX auch eine Kopie bzw. der Tablettenschachtel des verschriebenen Medikaments bzw. die Verordnung zu schicken. Ich habe derzeit keinen Verordnungsschein. Ich werde morgen einen Verordnungsschein von meinem Arzt holen und Ihnen faxen.

R an BFV: Haben Sie Fragen zur Integration?

BFV: Nein.

R: Wo sind Sie geboren, Dorf, Bundesstaat?

BF: Ich bin im Dorf XXXX geboren (BF hat diese Angaben auf die Beilage./G geschrieben).

R: Welcher Volksgruppe bzw. Ethnie gehören Sie an?

BF: Die Volksgruppe ist Jat, die Ethnie ist Sikh.

R: Welcher Volksgruppe bzw. Ethnie gehört Ihre Familie bzw. Verwandten an?

BF: Ja, dergleichen.

R: Wo haben Sie von Ihrer Geburt an bis zu Ihrer Ausreise aus Indien gelebt. Geben Sie mir bitte chronologisch alle Orte und Dörfer bzw. Städte an, in denen Sie gelebt haben.

BF: Ich habe von meiner Geburt an bis zum Jahr XXXX in meinem Dorf gelebt. Im Jahre XXXX hatte ich Probleme in XXXX. Deswegen habe ich mein Dorf verlassen und bin nach UP gereist.

R: Wo genau haben Sie sich dort aufgehalten?

BF: Im Distrikt XXXX, im Dorf XXXX Farm gelebt.

R: Wie lange?

BF: Ich habe dort nicht durchgehend gelebt, ich bin immer wieder nach Punjabi gereist, um mich nach meinem Gerichtsverfahren zu erkundigen bzw. zu verfolgen. Aber als die Polizei mich in weitere Verfahren involviert hat, bin ich nicht mehr in den XXXX zurückgekehrt.

R: Wie lange haben Sie dann dort noch gewohnt, nachdem Sie nicht mehr in den XXXX zurückgekehrt sind?

BF: Fünf bis sechs Monate.

R: Bei wem haben Sie sich dann dort aufgehalten?

BF: Ich habe dort Bekannte in UP gehabt, dort habe ich mich aufgehalten im Dorf XXXX Farm.

R: Woher haben Sie diese Bekannten gekannt?

BF: Sie waren meine Kunden, weil ich ein Geschäft für landwirtschaftliche Produkte gehabt habe und außerdem war sie eine entfernte Tante von mir.

R: Wie lange haben Sie dann insgesamt nicht mehr in Ihrem Heimatdorf gelebt?

BF: Ca. ein Jahr, plus/minus ein bis zwei Monate.

R: Wohin sind Sie dann gegangen, nachdem Sie das Dorf XXXX Farm verlassen haben?

BF: Dann war ich nur mehr ein bis zwei Tage in XXXX. Dann bin ich ausgereist.

R: Sind Sie schlepperunterstützt ausgereist?

BF: Ja, richtig.

R: Wie viel haben Sie dem Schlepper für die Ausreise bezahlt?

BF: Das waren 400.000 indische Rupien. Das war inklusive der Flugkarte nach Moskau.

R: Woher hatten Sie so viel Geld?

BF: Diese entfernten Verwandten in XXXX Farm haben mir das nötige Geld gegeben und ich habe ihnen das später von meinem Konto überwiesen und zurückbezahlt.

R: Haben Sie dem Schlepper das Geld in bar gegeben?

BF: Meine Verwandten haben das Geld dem Schlepper gegeben. Das war in bar.

R: Mit welchem Verkehrsmittel sind Sie ausgereist?

BF: Mit dem Flugzeug.

R: Hat es bei der Ausreise mit den Behörden irgendwelche Probleme gegeben?

BF: Nein, ich wurde erst später als PO deklariert.

R: Welche Schul- bzw. Berufsausbildung haben Sie?

BF: Die Matura.

R: Und welche Berufsausbildung?

BF: Ich habe keine Berufsausbildung, aber ich habe eine eigene Landwirtschaft und daneben ein Geschäft geführt. In diesem Geschäft habe ich auch Medikamente für die Landwirtschaft verkauft.

R: Was für Medikamente für die Landwirtschaft?

BF: Ich meine Spritzmittel, Dünger für die Landwirtschaft.

R: Wer betreibt jetzt die Landwirtschaft?

BF: Die Landwirtschaft betreibt mein Bruder und das Geschäft war gemietet, das ist jetzt geschlossen.

R: Wie bestreitet Ihre Familie jetzt den Lebensunterhalt, das heißt Kinder und Ehefrau?

BF: Jetzt schicke ich meiner Familie Geld, weil ich selbst verdiene. Außerdem bekommen sie auch Geld von meinem Bruder. Das ist mein Anteil der Verpachtung meiner Landwirtschaft.

R: Und, bevor Sie Geld geschickt haben?

BF: Da haben sie meine Ersparnisse aufgebraucht. Ich hatte auf meinem Konto damals 2 Mio indische Rupien gehabt.

R: Wie lange haben Sie diese Tätigkeit in dem Geschäft ausgeübt?

BF: Ich habe mit dem Geschäft XXXX begonnen und habe bis XXXX das Geschäft gehabt.

R: Haben Sie von dem Ertrag dieses Geschäftes gut leben können?

BF: Ja, ich konnte sehr gut leben.

R: Wo leben Ihre Frau und Ihre Kinder jetzt genau?

BF: Sie leben im Dorf XXXX.

R: Wie weit ist es von Ihrer Heimatadresse entfernt?

BF: 17/18 km.

R: Wer lebt in Ihrem Haus?

BF: Meine Mutter und mein Bruder mit seiner Familie.

R: Bei wem lebt Ihre Frau und Ihre Kinder jetzt?

BF: Sie wohnt bei ihren Eltern.

R: Wie geht es Ihren Kindern bzw. Ihrer Frau?

BF: Es geht ihnen gut.

R: Wann hatten Sie das letzte Mal mit ihnen Kontakt?

BF: Vorgestern.

R: Was würden Sie befürchten, wenn Sie nach Indien zurückkehren müssten?

BF: Erstens, die Polizei hat mich in mehrere Verfahren verwickelt und das Gericht hat mich als PO deklariert. Ich habe auch eine Kopie diesbezüglich, darf ich Ihnen das vorlegen?

BF verweist auf AS 123.

R: Was sind die Probleme?

BF: Ich habe gesehen, wie vor meinem Geschäft ein Polizist jemanden erschossen hat. Ich bin der Hauptzeuge und habe die Namen dieses Polizisten dem SHO gegeben. Der Polizist übt Druck auf mich aus, dass ich meiner Pflicht als Zeuge nicht nachkomme und seinen Namen bei der Gerichtsverhandlung nicht nennen soll, ansonsten involviert er mich in verschiedene Verfahren. Ich habe sogar ein Video mit meinem Handy gedreht und diesen Vorfall festgehalten. Der Vater dieses verstorbenen jungen Mannes, welcher erst 16 oder 17 Jahre alt gewesen ist, ist zu mir gekommen und hat mich angefleht, ihm zu helfen Gerechtigkeit für seinen Sohn zu bekommen.

Ich habe mich verpflichtet gefühlt, als Zeuge auszusagen und habe bei der Polizeistation den Namen des Täters erwähnt und habe auch gesagt, dass ich die anderen bei einer Gegenüberstellung erkennen kann. Daraufhin fingen meine Probleme an. Mein Pferd wurde erschossen und ich wurde unter Druck gesetzt, meine Aussagen zurückzuziehen. Ich wurde auch bedroht, aber ich habe meine Aussage nicht zurückgezogen. Daraufhin hat die Polizei mich in ein Verfahren aus dem Jahre 2009 verwickelt, es ist fingiert. Das Dokument habe ich bereits vorgelegt. Das hat mir mein Anwalt aus Indien per E-Mail geschickt.

R: Wie heißt Ihr Anwalt mit vollem Namen und die Adresse.

BF: Er heißt XXXX. Seine Kanzlei ist in XXXX. Ich weiß seine "Kammernummer" nicht. Für dieses Gerichtsverfahren gegen diesen Polizisten gibt es eine Gruppe von mehreren Anwälten. Sie haben mir gesagt, dass Sie per Videokonferenz meine Zeugenaussage dem Gericht übertragen werden.

R: Sind Sie mit den Anwälten des Polizisten in Kontakt?

BF: Nein. Der Richter muss eine Zustimmung für die Videokonferenz geben.

R: Hat er diese schon gegeben?

BF: Nein, in Indien dauert alles sehr lange.

R: Wann hat sich denn dieser besagte Vorfall überhaupt ereignet?

BF: Am XXXX.

R: Was war das für ein Wochentag?

BF: Ich kann mich an den Wochentag nicht erinnern, ich korrigiere mich, es war der XXXX.

R: Warum können Sie sich an das Datum so genau erinnern, an den Wochentag nicht?

BF: Weil alles schon so lange her ist. Ich kann mich an das Datum deswegen erinnern, an diesem Tag war ich auf einer Hochzeit eingeladen.

R: An welchem Wochentag hat die Hochzeit stattgefunden?

BF: Ich glaube, es war ein Montag, ich bin mir aber nicht sicher.

R: Was ist jetzt bzw. wann hat sich dieser Vorfall genau ereignet, Uhrzeit?

BF: Es war zwischen 9.30 Uhr und 10.00 Uhr.

R: Was ist da genau passiert, wenn Sie mir genau den Ablauf bzw. das Ereignis schildern.

BF: An dem Tag gab es eine Auseinandersetzung zwischen den Shiv Sena und den Sikhs.

R: Wem gehören die Shiv Sena an?

BF: Das ist eine hinduistische Gruppierung, das sind fanatische Hindus. Die Mitglieder der Shiv Sena haben den Turban einer Sikhs zu Boden geworfen, woraufhin die Sikhs eine Protestveranstaltung organisiert haben. Ein weiterer Grund dieses Protestes war, dass der Balwant Singh Rajowan die Todesstrafe bekam.

R: Ich möchte, dass Sie mir den Ablauf schildern. Ich möchte genau wissen, was Sie gesehen haben.

BF: Vor meinem Geschäft saßen die Sikhs auf der linken Seite und auf der rechten Seite saßen die Hindus.

R: Wie weit waren dann diese Gruppen voneinander entfernt?

BF: Ca. 50 Meter, in der Mitte saßen Polizisten.

R: Sitzen Sie da alle vor Ihrem Geschäft? Wie kann ich mir das vorstellen?

BF: Wie gesagt, gegenüber meinem Geschäft ist ein Strasse. Auf der linken Seite war eine Gruppe Sikhs. Auf der rechten Seite war eine Gruppe von Shiv Sena. In der Mitte waren zwölf oder dreizehn Polizisten. Diese haben versucht, dass beide Gruppierungen nicht aufeinandertreffen.

R: Was haben die Sikhs bzw. die Shiv Sena gemacht?

BF: Die Sikhs saßen aus Protest auf der Strasse. Die Hindus sind gestanden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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