TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/15 W208 2181309-2

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Veröffentlicht am 15.10.2018
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Entscheidungsdatum

15.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W208 2181309-2/3Z

IM NAMEN der REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER im Verfahren über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , Staatsangehörigkeit AFGHANISTAN, vertreten durch den VEREIN MENSCHENRECHTE ÖSTERREICH, gegen den Bescheid des BUNDESAMTES FÜR FREMDENWESEN UND ASYL, Regionaldirektion Oberösterreich vom 17.09.2918, Zl. 1076450201-150792775, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides wird Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden: bP) ist afghanischer Staatsbürger und stellte nach schlepperunterstützter und unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005).

2. Das BFA hat mit Bescheid vom 24.11.2017, den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der bP gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach AFGHANISTAN zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs 1-3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

3. Am 20.12.2017 brachte die bP gegen alle Punkte dieses Bescheides Beschwerde beim BVwG ein (eingelangt am 02.01.2018), welche zu W208 2181309-1 registriert wurde.

4. In der Folge wurde die bP mit rechtskräftigem Urteil vom 07.03.2018 wegen mehrfachem Handelns mit Suchtgift, Besitz von Suchtgift zum Eigenbedarf, wissentlich falschen Verdächtigungen gegen einen Polizeibeamten, dieser habe Amtsmissbrauch begangen bzw. gegen seine Amts- und Standespflichten verstoßen, nach dem Suchtmittelgesetz (§ 27 SMG) sowie wegen Verleumdung (§ 297 Abs 1 zweiter Fall StGB) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Dabei wurde ihr eine Verwahrungshaft von einem Monat angerechnet und im Übrigen die Haftstrafe unter Verhängung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

5. Die bP wurde sodann am 22.05.2018 abermals rechtskräftig zu einer unbedingten Haftstrafe von 12 Monaten verurteilt (§ 27 SMG, §§ 15 Abs 1 und 269 Abs 1 StGB, §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB), weil sie am 24.04.2018 neuerlich Suchtgift zum Verkauf angeboten hatte und im April regelmäßig Suchtgift zum Eigenbedarf erwarb sowie sich ihrer Festnahme durch einen Polizeibeamten durch die Anwendung von Gewalt widersetzte, wobei sie einen Beamten am Körper verletzte sowie versuchte die Dienstpistole eines Beamten aus dem Holster zu ziehen.

6. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid änderte das BFA gem. § 68 Abs 2 AVG den oben angeführten Bescheid, wie folgt:

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen die bP (nocheinmal!) eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt I.).

Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG (nocheinmal!) festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach AFGHANISTAN zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Es wurde festgestellt, dass sie gemäß § 13 Abs 2 Z 1 AsylG ihr Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 24.04.2018 verloren habe (Spruchpunkt III.).

Es wurde ein Einreiseverbot gem. § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG in der Dauer von 8 Jahren erlassen (Spruchpunkt IV.)

Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung gem. § 18 Abs 1 Z 2 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt V.).

Gemäß § 55 Abs 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI. [Anmerkung: Dies obwohl bereits mit Mandatsbescheid vom 14.05.2018 die Frist zur freiwilligen Ausreise aufgehoben wurde und dieser Bescheid am 02.06.2018 in Rechtskraft erwuchs]).

Im angeführten Bescheid des BFA vom 24.11.2017 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass die bP ihr Herkunftsland aus wohlbegründeter Furcht verlassen habe. Die von ihr vorgebrachten Fluchtgründe (Verfolgung durch die den Taliban zugehörigen Cousins) seien nicht glaubhaft.

Im Fall einer Rückkehr könne nicht festgestellt werden, dass der bP eine Gefährdung durch die Sicherheitslage oder einer Existenz bedrohenden Notlage ausgesetzt wäre. Sie könne sich in einer sicheren Provinz wie KABUL, BALKH oder HERAT niederlassen.

Ein nach § 8 EMRK schützenwertes Privat- und Familienleben in Österreich liege nicht vor.

Die Feststellungen zum Herkunftsland wurden nach dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 25.09.2017 getroffen.

In der Begründung des im Spruch angeführten Bescheides vom 17.09.2018 wurden die Länderfeststellungen Stand: 29.06.2018 zugrunde gelegt und hinsichtlich der Feststellungen zur Person und zum Privat- und Familienleben auf den Bescheid vom 24.11.2017 verwiesen und darauf, dass die von der Behörde im Parteiengehör am 06.08.2018 dazu gestellten Fragen nicht beantwortet worden seien bzw. nicht darauf eingegangen worden sei.

Die Spruchpunkte I. - III. des Bescheides vom 23.08.2018 seien durch den im Spruch angeführten Abänderungsbescheid nicht betroffen.

Es stehe fest, dass die bP wegen angeführter Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bedingt verurteilt worden sei und lägen damit schwerwiegende Gründe vor, dass die bP eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung würde dem Interesse der bP an einem Verbleib gem. Art 8 Abs 2 EMRK überwiegen.

Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde darüber hinaus festgestellt, dass dem Antrag auf internationalen Schutz kein Erfolg beschieden sei und auch sonst keine reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe.

7. Gegen diesen Bescheid wurde von der gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG der bP zur Seite gestellten und im Spruch genannte Rechtsberatungsorganisation (Vollmacht und Zustellvollmacht vom 03.10.2018) am 04.10.2018 beim BFA Beschwerde eingebracht, welche am 10.10.2018 beim BVwG einlangte und zu W208 2181309-2 registriert wurde.

Diese wurde zusammengefasst damit begründet, dass eine nachträgliche Änderung nach § 68 Abs 2 AVG unzulässig sei, weil das Einreisverbot die bP nicht begünstige. Der Beschwerde vom 20.12.2017 sei aufschiebende Wirkung zugekommen, der Spruchpunkt V. daher aufzuheben und werde hinsichtlich der Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung auf diese Beschwerde verwiesen. Die bP habe das Unrecht der Tat eingesehen, sei reuig und werde sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen, das Einreiseverbot von 8 Jahren und eine sofortige Ausreise seien nicht erforderlich und unverhältnismäßig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Zu Spruchteil A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 18 Abs 5 erster Satz BFA-VG idF vom 01.09.2018 (BGBl I 2018/56) hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebungen oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zu Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. § 18 Abs 7 BFA-VG schließt die Anwendung der §§ 13 Abs 2-5 und 22 VwGVG aus. Ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist in § 18 Abs 5 BFA-VG nicht vorgesehen.

In Folge der Rechtsprechung des VwGH vom 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 20.09.2017, 2017/19/0284 hat das BVwG über eine Beschwerde, soweit sie jene Aussprüche betrifft mit denen der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde förmlich zu entscheiden und erledigt dies im vorliegenden Fall mit gesondertem (Teil-)Erkenntnis.

Hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde bedarf die zur Verfügung stehende Aktenlage einer näheren Überprüfung um eine Gefährdung im Sinne des §§ 18 Abs 5 BFA-VG ausschließen zu können. Insbesondere aufgrund des Vorbringens der bP betreffend einer Verfolgungswahrscheinlichkeit durch die Taliban denen seine Cousins angehören würden und der aus den Länderfeststellungen abzuleitenden grundsätzlichen Möglichkeit einer Verfolgung der bP nicht nur in ihrer Herkunftsprovinz, sondern in ganz Afghanistan (vgl. "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne"; LANDINFO - 23.August 2017. Lt. diesen Informationen existiert eine Abschussliste [schwarze Listen] der Taliban. Sie üben Druck auf die Familienmitglieder aus, haben in einigen Fällen auch Verwandte hingerichtet und können ihre Ziele auch in von der Regierung kontrollierten Gebieten heimsuchen bzw. besteht die Gefahr bei Straßensperren von den Taliban aufgegriffen zu werden. Die Taliban behaupten, über Personal am Flughafen in Kabul und viele andere Stellen zu verfügen und zu wissen, wer in das Land einreist. Die Taliban würden alle Fremden, die in den Dörfern und Kleinstädten unter ihrer Kontrolle ankommen, genau beobachten, genauso wie Personen die in Gebiete unter Regierungskontrolle reisen.) ist es notwendig, die Glaubhaftigkeit des Vorbringens in einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der bP zu überprüfen und einen persönlichen Eindruck von der bP zu bekommen (VfGH 11.10.2017, E 2007/2017). Diese Verhandlung wird schon in wenigen Wochen am 14.11.2018 beim BVwG stattfinden und befindet sich die bP derzeit aufgrund der Verurteilung vom 22.05.2018 (1 Jahr unter Anrechnung von knapp einem Monat Verwahrungshaft) in Strafhaft, sodass eine Entscheidung in der Sache durch das BVwG jedenfalls vor einer Entlassung aus der Strafhaft erfolgen wird.

Es kann vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, dass durch eine Außerlandesbringung die bP - sofort nach Ende der Strafhaft - nicht in ihren in Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK geschützte Rechten verletzt werden würde. Die belangte Behörde hat den Ausgang des Rechtsmittelverfahrens im beschwerdeanhängigen Verfahren auf Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz (Beschwerde vom 20.12.2017) vorweggenommen.

Kürzlich hat auch der EuGH in seinem Urteil vom 19.06.2018, C-181/16 festgestellt, dass sichergestellt sein muss, dass alle Rechtwirkungen einer Rückführungsanordnung bis zum Ergebnis der gerichtlichen Überprüfung ausgesetzt werden und sich eine bP während dieses Zeitraumes auf jede Änderung der Umstände stützen kann, die erhebliche Auswirkungen auf die Beurteilung seiner Situation hat.

Der Beschwerde ist daher gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter Spruchpunkt A) angeführte Rechtsprechung wird verwiesen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W208.2181309.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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