TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/16 W169 2143531-1

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Veröffentlicht am 16.10.2018
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Entscheidungsdatum

16.10.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W169 2143532-1/13E

W169 2143526-1/15E

W169 2143528-1/11E

W169 2143531-1/11E

W169 2143530-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX , 5. XXXX , geb. XXXX , alle StA. von AFGHANISTAN, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 18.11.2016, Zlen. 1. 1083802603-151155161, 2. 1083799105-151155145, 3.

1083803306-151155170, 4. 1083803600-151155200, 5.

1132680306-161425824, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX ,

4. XXXX und 5. XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (zu 1.) bzw. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 (zu 2. bis 5.) der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1. XXXX , 2. XXXX , 3. XXXX , 4. XXXX und 5. XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit ihrem Ehegatten, dem Zweitbeschwerdeführer, sowie ihren beiden minderjährigen Kindern, der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers, illegal in das Bundesgebiet ein. Am 22.08.2015 stellten die Erst- bis Viertbeschwerdeführer die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie aus der Provinz Baghlan stamme, verheiratet sei und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Sie habe keine Ausbildung im Heimatland erfahren, sie sei Hausfrau gewesen. Zu ihren Fluchtgründen führte sie aus, dass die Taliban ihrem Ehegatten gedroht hätten, ihn zu töten, wenn er nicht mit ihnen zusammenzuarbeiten würde. Im Falle einer Rückkehr habe sie Angst, dass die Taliban sie umbringen würden.

2. Am 06.10.2016 wurde die Fünftbeschwerdeführerin in Österreich geboren und stellte die Erstbeschwerdeführerin für diese als gesetzliche Vertreterin im Rahmen eines Familienverfahrens am 17.10.2016 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 11.11.2016 führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass sie aus der Provinz Baghlan stamme und dort in einem Haus mit ihrem Ehegatten und den beiden Kindern gelebt habe. Ihre Familie habe sie im Krieg verloren, weshalb sie bei ihrem Onkel väterlicherseits aufgewachsen sei. Dieser sei auch gleichzeitig ihr Schwiegervater. Er sei vor ca. 10 Jahren verstorben. Seit 11 Jahren sei sie verheiratet. In Afghanistan hätten sie eine eigene Landwirtschaft besessen. Zu ihrem Fluchtgrund führte die Erstbeschwerdeführerin aus, dass ihr Schwiegervater Kinder in einer Moschee unterrichtet habe. Nach dem Tod des Schwiegervaters hätten die Dorfbewohner gewollt, dass ihr Mann diesen Unterricht weiterführe. Vier bis fünf Jahre später hätten die Taliban ihm verboten, Mädchen zu unterrichten. Er sei diesbezüglich auch zwei bis drei Mal von den Taliban bedroht worden. Ihr Ehegatte sei im Dorf auch dafür zuständig gewesen, die sogenannte "Grundsteuer" der Dorfbewohner, 2.500,- Afghani pro Familie, den Taliban zu übergeben. Die ersten zwei Jahre sei alles gut gegangen; dann wäre eine Dürre gewesen und ihr Ehegatte hätte nicht viel Geld einsammeln können. An einem Abend seien die Taliban zu ihnen nach Hause gekommen, um das Geld abzuholen und hätten gefragt, warum es so wenig wäre. Daraufhin habe der Ehegatte erklärt, dass dies wegen der Dürre gewesen sei. Am nächsten Tag seien die Taliban um Mitternacht wiedergekommen. Zwei Männer seien ins Schlafzimmer gekommen und hätten zu ihrem Ehegatten gesagt, dass er unfähig sei und nicht mehr für das Geldsammeln zuständig sei. Er solle in einem Haus in XXXX Anschläge vorbereiten. Ihr Ehegatte habe dies aber verweigert. Daraufhin habe einer der beiden Männer seine Kalaschnikow genommen und ihren Ehegatten mit dem Messer, das vorne am Gewehr angebracht gewesen sei, in den rechten Arm gestochen. Auch hätten beide Männer auf ihren Ehegatten eingeschlagen. Sie hätte ihrem Gatten helfen wollen und sei dazwischen gegangen. Daraufhin habe sie einer der beiden Männer ins Wohnzimmer gezogen. Er habe immer wieder auf sie eingeschlagen und sie danach vergewaltigt. Als ihr Ehegatte dann mit dem zweiten Mann ins Zimmer gekommen sei, habe er sie nackt gesehen und nur geschrien und geweint. Ihr Ehegatte sei sprachlos gewesen. Die Männer hätten gesagt, dass sie morgen wiederkommen würden und dass ihr Gatte diese Arbeit ab sofort zu erledigen hätte. Am nächsten Abend seien die beiden Männer vom Vortag wiedergekommen. Einer habe mit ihrem Ehegatten gesprochen, der andere Mann sei mit ihr hinausgegangen. Im Wohnzimmer sei sie dann erneut geschlagen und wieder vergewaltigt worden. Als ihr Ehegatte dies gesehen habe, habe er die Männer angefleht, ihm Zeit zu geben, um eine Unterkunft in XXXX zu finden und ihnen gesagt, dass er die Arbeit dort machen würde. Sie seien dann die ganze Nacht wach gewesen und hätten die Lage besprochen und keine andere Möglichkeit gesehen, als ihr Heimatland zu verlassen. Ihr sei es psychisch sehr schlecht gegangen. Sie hätten ihr Haus und ihr Grundstück an einen Schlepper verkauft und Afghanistan verlassen. Sie könne auf keinen Fall in ihr Heimatland zurückkehren, sie habe auch Angst um ihre Tochter und sie wolle nicht, dass sie "so etwas" erleben müsse.

Zu den Lebensumständen in Österreich brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie von Freiwilligen in Deutsch unterrichtet werde. Am 06.10.2016 habe sie ihr Baby in Feldbach zur Welt gebracht. Dieses sei bis jetzt schon zweimal operiert worden. Auf die Frage des Rechtsberaters, dass sie nicht traditionell gekleidet und auch geschminkt sei, führte die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie in Afghanistan schlechte Erfahrungen gemacht habe. Deshalb habe sie sich entschlossen, sich hier "westlich zu orientieren", kein Kopftuch mehr zu tragen. Auch ihr Mann sei damit einverstanden. In Afghanistan habe sie leider keine Schule besuchen können. In Österreich würde sie gerne eine Ausbildung zur Friseurin machen und die Sprache lernen.

Am Ende der Einvernahme wurde der Erstbeschwerdeführerin die Möglichkeit gegeben, zu den aktuellen Länderfeststellungen zu Afghanistan eine Stellungnahme abzugeben. Die Erstbeschwerdeführerin führte dazu aus, dass sie das nicht brauche und die Lage dort kenne.

4. Am 17.11.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters der Erstbeschwerdeführerin hinsichtlich der Lage der Frauen in Afghanistan ein.

5. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I). Den Beschwerdeführern wurde unter Spruchpunkt II gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen unter Spruchpunkt III gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.11.2017 erteilt.

Die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführer wurde mit der schweren Herzerkrankung der Fünftbeschwerdeführerin begründet, da "die hochspezialisierte Behandlung ihres angeborenen Herzfehlers in ihrem Herkunftsland vermutlich nicht möglich wäre", wodurch ihr der Tod oder ein Leben in menschenunwürdigen Umständen drohen könnte.

6. Gegen Spruchpunkt I dieser Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei der Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl substantiiert entgegengetreten wurde. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass es die belangte Behörde unterlassen habe, genauere Ermittlungen hinsichtlich der westlichen Gesinnung bzw. hinsichtlich des westlichen Lebensstils der Erstbeschwerdeführerin durchzuführen.

7. Am 20.03.2018 fand vor dem Bundverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an welcher die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer sowie der bevollmächtigte Vertreter teilgenommen haben. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist bei der Verhandlung entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer ausführlich zu ihren Fluchtgründen, zu ihren Rückkehrbefürchtungen bzw. zu ihren Integrationsbemühungen in Österreich befragt (siehe Verhandlungsprotokoll vom 20.03.2018).

8. Am 25.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine ergänzende Stellungnahme des bevollmächtigten Vertreters der Beschwerdeführer zur gegenwärtigen Lage in Afghanistan ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige von Afghanistan und Angehörige der Volksgruppe der Hazara. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer und die Ehegattin des Zweitbeschwerdeführers. Die Erstbeschwerdeführerin wurde in der Provinz Baghlan, im Distrikt Gauhargan, im XXXX , geboren und ist dort aufgewachsen. Als sie drei oder vier Jahre alt war, wurden ihre Eltern, ihre drei Schwestern und ihr Bruder bei einem Anschlag getötet, weshalb sie von ihrem Onkel väterlicherseits und dessen Frau aufgenommen und versorgt wurde. Die Erstbeschwerdeführerin ging in Afghanistan nie in die Schule und hat auch nie gearbeitet. Im Alter von 18/19 Jahren heiratete sie den Zweitbeschwerdeführer, welcher auch aus der Provinz Baghlan stammt, und lebte mit ihm im Haus ihres Onkels, welcher auch ihr Schwiegervater war (dieser verstarb vor ca. zwölf Jahren). Der Zweitbeschwerdeführer arbeitete in der Landwirtschaft und konnte so den Lebensunterhalt der Familie sichern. Die Beschwerdeführer haben keine Familienmitglieder mehr in Afghanistan.

Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer wurden in Afghanistan, die minderjährige Fünftbeschwerdeführerin wurde in Österreich geboren. Für die Drittbis Fünftbeschwerdeführer wurden keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

Die Erstbeschwerdeführerin ist eine junge selbstständige Frau, die in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie lebt in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition, lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die Erstbeschwerdeführerin beabsichtigt, in Österreich eine Ausbildung zu machen und einer Arbeit nachzugehen, um berufliche Selbstständigkeit zu erlangen. Diese Einstellung steht im Widerspruch zu den nach den Länderfeststellungen im Herkunftsstaat bestehenden traditionalistisch-religiös geprägten gesellschaftlichen Auffassungen hinsichtlich Bewegungsfreiheit und Zugang zur Erwerbstätigkeit für Frauen.

Die Erstbeschwerdeführerin besuchte nach ihrer Einreise in Österreich einige Zeit einen Deutschkurs. Danach wurde sie mit der Fünftbeschwerdeführerin schwanger, wobei es ihr schon in der Schwangerschaft gesundheitlich sehr schlecht ging. Die Fünftbeschwerdeführerin wurde mit einem schweren Herzfehler geboren, wurde bis jetzt schon drei Mal am Herzen operiert und braucht eine ständige Betreuung durch die Erstbeschwerdeführerin. Folglich konnte die Erstbeschwerdeführerin bis jetzt keine weiteren Deutschkurse besuchen. Zudem war die Fünftbeschwerdeführerin sieben Monate im Krankenhaus und musste sich die Erstbeschwerdeführerin auch in dieser Zeit um die Fünftbeschwerdeführerin und um ihre beiden anderen minderjährigen Kinder kümmern. Die Erstbeschwerdeführerin hat bereits österreichische Freundinnen, sie geht alleine einkaufen, zumal ihr Ehegatte, der Zweitbeschwerdeführer, arbeitet und trägt kein Kopftuch. Wenn es ihrer Tochter, der Fünftbeschwerdeführerin, gesundheitlich besser geht, möchte die Erstbeschwerdeführerin die Sprache weiter erlernen und anschließend eine Ausbildung zur Frisörin machen. Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und minderjährige Viertbeschwerdeführer besuchen in Österreich die Schule, sprechen gut Deutsch und haben österreichische Freunde, mit welchen sie zusammen Hausübungen machen und die Freizeit verbringen.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten und nehmen Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten; speziell in Gegenden von Bedeutung wie z.B. Kunduz City und der Provinz Helmand (USDOD 12.2016). Zu Jahresende haben die afghanischen Sicherheitskräfte (ANDSF) Aufständische in Gegenden von Helmand, Uruzgan, Kandahar, Kunduz, Laghman, Zabul, Wardak und Faryab bekämpft (SIGAR 30.1.2017).

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes (Lokaler Sicherheitsberater in Afghanistan 17.2.2017).

INSO beziffert die Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2016 mit 28.838 (INSO 2017).

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben (USDOD 12.2016). Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und afghaninischen Nationalpolizei (ANP) erhöht (SIGAR 30.1.2017).

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften (USDOD 12.2016). Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen - ausgeführt durch die Polizei und das Militär - landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen (VOA 5.1.2017).

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. - 17.11.2016) (UN GASC 13.12.2016; vgl. auch: SCR 30.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern (USDOD 12.2016).

Kontrolle von Distrikten und Regionen

Den Aufständischen misslangen acht Versuche, die Provinzhauptstadt einzunehmen; den Rebellen war es möglich, Territorium einzunehmen. High-profile Angriffe hielten an. Im vierten Quartal 2016 waren 2,5 Millionen Menschen unter direktem Einfluss der Taliban, während es im 3. Quartal noch 2,9 Millionen waren (SIGAR 30.1.2017).

Laut einem Sicherheitsbericht für das vierte Quartal, sind 57,2% der 407 Distrikte unter Regierungskontrolle bzw. -einfluss; dies deutet einen Rückgang von 6,2% gegenüber dem dritten Quartal: zu jenem Zeitpunkt waren 233 Distrikte unter Regierungskontrolle, 51 Distrikte waren unter Kontrolle der Rebellen und 133 Distrikte waren umkämpft. Provinzen, mit der höchsten Anzahl an Distrikten unter Rebelleneinfluss oder -kontrolle waren: Uruzgan mit 5 von 6 Distrikten, und Helmand mit 8 von 14 Distrikten. Regionen, in denen Rebellen den größten Einfluss oder Kontrolle haben, konzentrieren sich auf den Nordosten in Helmand, Nordwesten von Kandahar und die Grenzregion der beiden Provinzen (Kandahar und Helmand), sowie Uruzgan und das nordwestliche Zabul (SIGAR 30.1.2017).

Rebellengruppen

Regierungsfeindliche Elemente versuchten weiterhin durch Bedrohungen, Entführungen und gezielten Tötungen ihren Einfluss zu verstärken. Im Berichtszeitraum wurden 183 Mordanschläge registriert, davon sind 27 gescheitert. Dies bedeutet einen Rückgang von 32% gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2015 (UN GASC 13.12.2016). Rebellengruppen, inklusive hochrangiger Führer der Taliban und des Haqqani Netzwerkes, behielten ihre Rückzugsgebiete auf pakistanischem Territorium (USDOD 12.2016).

Afghanistan ist mit einer Bedrohung durch militante Opposition und extremistischen Netzwerken konfrontiert; zu diesen zählen die Taliban, das Haqqani Netzwerk, und in geringerem Maße al-Qaida und andere Rebellengruppen und extremistische Gruppierungen. Die Vereinigten Staaten von Amerika unterstützen eine von Afghanen geführte und ausgehandelte Konfliktresolution in Afghanistan - gemeinsam mit internationalen Partnern sollen die Rahmenbedingungen für einen friedlichen politischen Vergleich zwischen afghanischer Regierung und Rebellengruppen geschaffen werden (USDOD 12.2016).

Zwangsrekrutierungen durch die Taliban, Milizen, Warlords oder kriminelle Banden sind nicht auszuschließen. Konkrete Fälle kommen jedoch aus Furcht vor Konsequenzen für die Rekrutierten oder ihren Familien kaum an die Öffentlichkeit (AA 9.2016).

Taliban und ihre Offensive

Die afghanischen Sicherheitskräfte behielten die Kontrolle über große Ballungsräume und reagierten rasch auf jegliche Gebietsgewinne der Taliban (USDOD 12.2016). Die Taliban erhöhten das Operationstempo im Herbst 2016, indem sie Druck auf die Provinzhauptstädte von Helmand, Uruzgan, Farah und Kunduz ausübten, sowie die Regierungskontrolle in Schlüsseldistrikten beeinträchtigten und versuchten, Versorgungsrouten zu unterbrechen (UN GASC 13.12.2016). Die Taliban verweigern einen politischen Dialog mit der Regierung (SCR 12.2016).

Die Taliban haben die Ziele ihrer Offensive "Operation Omari" im Jahr 2016 verfehlt (USDOD 12.2016). Ihr Ziel waren großangelegte Offensiven gegen Regierungsstützpunkte, unterstützt durch Selbstmordattentate und Angriffe von Aufständischen, um die vom Westen unterstütze Regierung zu vertreiben (Reuters 12.4.2016). Gebietsgewinne der Taliban waren nicht dauerhaft, nachdem die ANDSF immer wieder die Distriktzentren und Bevölkerungsgegenden innerhalb eines Tages zurückerobern konnte. Die Taliban haben ihre lokalen und temporären Erfolge ausgenutzt, indem sie diese als große strategische Veränderungen in sozialen Medien und in anderen öffentlichen Informationskampagnen verlautbarten (USDOD12.2016). Zusätzlich zum bewaffneten Konflikt zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Taliban kämpften die Taliban gegen den ISIL-KP (Islamischer Staat in der Provinz Khorasan) (UN GASC 13.12.2016).

Der derzeitig Talibanführer Mullah Haibatullah Akhundzada hat im Jänner 2017 16 Schattengouverneure in Afghanistan ersetzt, um seinen Einfluss über den Aufstand zu stärken. Aufgrund interner Unstimmigkeiten und Überläufern zu feindlichen Gruppierungen, wie dem Islamischen Staat, waren die afghanischen Taliban geschwächt. hochrangige Quellen der Taliban waren der Meinung, die neu ernannten Gouverneure würden den Talibanführer stärken, dennoch gab es keine Veränderung in Helmand. Die südliche Provinz - größtenteils unter Talibankontrolle - liefert der Gruppe den Großteil der finanziellen Unterstützung durch Opium. Behauptet wird, Akhundzada hätte nicht den gleichen Einfluss über Helmand, wie einst Mansour (Reuters 27.1.2017).

Im Mai 2016 wurde der Talibanführer Mullah Akhtar Mohammad Mansour durch eine US-Drohne in der Provinz Balochistan in Pakistan getötet (BBC News 22.5.2016; vgl. auch: The National 13.1.2017). Zum Nachfolger wurde Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt - ein ehemaliger islamischer Rechtsgelehrter - der bis zu diesem Zeitpunkt als einer der Stellvertreter diente (Reuters 25.5.2016; vgl. auch:

The National 13.1.2017). Dieser ernannte als Stellvertreter Sirajuddin Haqqani, den Sohn des Führers des Haqqani-Netzwerkes (The

National 13.1.2017) und Mullah Yaqoub, Sohn des Talibangründers Mullah Omar (DW 25.5.2016).

Haqqani-Netzwerk

Das Haqqani-Netzwerk ist eine sunnitische Rebellengruppe, die durch Jalaluddin Haqqani gegründet wurde. Sirajuddin Haqqani, Sohn des Jalaluddin, führt das Tagesgeschäft, gemeinsam mit seinen engsten Verwandten (NCTC o.D.). Sirajuddin Haqqani, wurde zum Stellvertreter des Talibanführers Mullah Haibatullah Akhundzada ernannt (The National 13.1.2017).

Das Netzwerk ist ein Verbündeter der Taliban - dennoch ist es kein Teil der Kernbewegung (CRS 26.5.2016). Das Netzwerk ist mit anderen terroristischen Organisationen in der Region, inklusive al-Qaida und den Taliban, verbündet (Khaama Press 16.10.2014). Die Stärke des Haqqani-Netzwerks wird auf 3.000 Kämpfer geschätzt (CRS 12.1.2017). Das Netzwerk ist hauptsächlich in Nordwaziristan (Pakistan) zu verorten und führt grenzübergreifende Operationen nach Ostafghanistan und Kabul durch (NCTC o.D.).

Das Haqqani-Netzwerk ist fähig - speziell in der Stadt Kabul - Operationen durchzuführen; finanziert sich durch legale und illegale Geschäfte in den Gegenden Afghanistans, in denen es eine Präsenz hat, aber auch in Pakistan und im Persischen Golf. Das Netzwerk führt vermehrt Entführungen aus - wahrscheinlich um sich zu finanzieren und seine Wichtigkeit zu stärken (CRS 12.1.2017).

Kommandanten des Haqqani Netzwerk sagten zu Journalist/innen, das Netzwerk sei bereit eine politische Vereinbarung mit der afghanischen Regierung zu treffen, sofern sich die Taliban dazu entschließen würden, eine solche Vereinbarung einzugehen (CRS 12.1.2017).

Al-Qaida

Laut US-amerikanischen Beamten war die Präsenz von al-Qaida in den Jahren 2001 bis 2015 minimal (weniger als 100 Kämpfer); al-Qaida fungierte als Unterstützer für Rebellengruppen (CRS 12.1.2017). Im Jahr 2015 entdeckten und zerstörten die afghanischen Sicherheitskräfte gemeinsam mit US-Spezialkräften ein Kamp der al-Quaida in der Provinz Kandahar (CRS 12.1.2017; vgl. auch: FP 2.11.2015); dabei wurden 160 Kämpfer getötet (FP 2.11.2015). Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass al-Qaida die Präsenz in Afghanistan vergrößert hat. US-amerikanische Kommandanten bezifferten die Zahl der Kämpfer in Afghanistan mit 100-300, während die afghanischen Behörden die Zahl der Kämpfer auf 300-500 schätzten (CRS 12.1.2017). Im Dezember 2015 wurde berichtet, dass al-Qaida sich primär auf den Osten und Nordosten konzertierte und nicht wie ursprünglich von US-amerikanischer Seite angenommen, nur auf Nordostafghanistan (LWJ 16.4.2016).

Hezb-e Islami Gulbuddin (HIG)

Siehe Kapitel 2 - Politische Lage - Friedens- und Versöhnungsprozesse

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Seit dem Jahr 2014 hat die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) eine kleine Präsenz in Afghanistan etabliert (RAND 28.11.2016). Die Führer des IS nennen diese Provinz Wilayat Khorasan - in Anlehnung an die historische Region, die Teile des Irans, Zentralasien, Afghanistan und Pakistan beinhaltete (RAND 28.11.2016; vgl. auch:

MEI 5.2016). Anfangs wuchs der IS schnell (MEI 5.2016). Der IS trat im Jahr 2014 in zwei getrennten Regionen in Afghanistan auf: in den östlichsten Regionen Nangarhars, an der AfPak-Grenze und im Distrikt Kajaki in der Provinz Helmand (USIP 3.11.2016).

Trotz Bemühungen, seine Macht und seinen Einfluss in der Region zu vergrößern, kontrolliert der IS nahezu kein Territorium außer kleineren Gegenden wie z.B. die Distrikte Deh Bala, Achin und Naziyan in der östlichen Provinz Nangarhar (RAND 28.11.2016; vgl. auch: USIP 3.11.2016). Zwar kämpfte der IS hart in Afghanistan, um Fuß zu fassen. Die Gruppe wird von den Ansässigen jedoch Großteils als fremde Kraft gesehen (MEI 5.2016). Nur eine Handvoll Angriffe führte der IS in der Region durch. Es gelang ihm nicht, sich die Unterstützung der Ansässigen zu sichern; auch hatte er mit schwacher Führung zu kämpfen (RAND 28.11.2016). Der IS hatte mit Verslusten zu kämpfen (MEI 5.2016). Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Auch wenn die Gruppierung weiterhin interne Streitigkeiten der Taliban ausnützt, um die Präsenz zu halten, ist sie mit einem harten Kampf konfrontiert, um permanenter Bestandteil komplexer afghanischer Stammes- und Militärstrukturen zu werden. Anhaltender Druck durch US-amerikanische Luftangriffe haben weiterhin die Möglichkeiten des IS in Afghanistan untergraben; auch wird der IS weiterhin davon abgehalten, seinen eigenen Bereich in Afghanistan einzunehmen (MEI 5.2016). Laut US-amerikanischem Außenministerium hat der IS keinen sicherheitsrelevanten Einfluss außerhalb von isolierten Provinzen in Ostafghanistan (SIGAR 30.1.2017).

Unterstützt von internationalen Militärkräften, führten die afghanischen Sicherheitskräfte regelmäßig Luft- und Bodenoperationen gegen den IS in den Provinzen Nangarhar Kunar durch - dies verkleinerte die Präsenz der Gruppe in beiden Provinzen. Eine kleinere Präsenz des IS existiert in Nuristan (UN GASC 13.12.2016).

Presseberichten zufolge betrachtet die afghanische Bevölkerung die Talibanpraktiken als moderat im Gegensatz zu den brutalen Praktiken des IS. Kämpfer der Taliban und des IS gerieten, aufgrund politischer oder anderer Differenzen, aber auch aufgrund der Kontrolle von Territorium, aneinander (CRS 12.1.2017).

Drogenanbau und Gegenmaßnahmen

Einkünfte aus dem Drogenschmuggel versorgen auch weiterhin den Aufstand und kriminelle Netzwerke (USDOD 12.2016). Laut einem Bericht des afghanischen Drogenbekämpfungsministeriums, vergrößerte sich die Anbaufläche für Opium um 10% im Jahr 2016 auf etwa 201.000 Hektar. Speziell in Nordafghanistan und in der Provinz Badghis, verstärkte sich der Anbau: Blaumohn wächst in 21 der 34 Provinzen, im Vergleich zum Jahr 2015, wo nur 20 Provinzen betroffen waren. Seit dem Jahr 2008 wurde zum ersten Mal von Opiumanbau in der Provinz Jawzjan berichtet. Helmand bleibt mit 80.273 Hektar (40%) auch weiterhin Hauptanbauprovinz, gefolgt von Badghis, Kandahar und der Provinz Uruzgan. Die potentielle Opiumproduktion im Jahr 2016 macht insgesamt 4.800 Tonnen aus - eine Steigerung von 43% (3.300 Tonnen) im Gegensatz zum Jahr 2015. Die hohe Produktionsrate kann einer Steigerung des Opiumertrags pro Hektar und eingeschränkter Beseitigungsbemühungen, aufgrund von finanziellen und sicherheitsrelevanten Ressourcen, zugeschrieben werden. Hauptsächlich erhöhten sich die Erträge aufgrund von vorteilhaften Bedingungen, wie z.B. des Wetters und nicht vorhandener Pflanzenkrankheiten (UN GASC 17.12.2016).

Zivile Opfer

Die Mission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) dokumentiert weiterhin regierungsfeindliche Elemente, die illegale und willkürliche Angriffe gegen Zivilist/innen ausführen (UNAMA 10.2016). Zwischen 1.1. und 31.12.2016 registrierte UNAMA 11.418 zivile Opfer (3.498 Tote und 7.920 Verletzte) - dies deutet einen Rückgang von 2% bei Getöteten und eine Erhöhung um 6% bei Verletzten im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Jahres 2015 an. Bodenkonfrontation waren weiterhin die Hauptursache für zivile Opfer, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attentaten, sowie unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtung (IED), und gezielter und willkürlicher Tötungen (UNAMA 6.2.2017).

UNAMA verzeichnete 3.512 minderjährige Opfer (923 Kinder starben und 2.589 wurden verletzt) - eine Erhöhung von 24% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres; die höchste Zahl an minderjährigen Opfern seit Aufzeichnungsbeginn. Hauptursache waren weibliche Opfer registriert (341 Tote und 877 Verletzte), dies deutet einen Rückgang von 2% gegenüber dem Vorjahr an (UNAMA 6.2.2017).

Hauptsächlich waren die südlichen Regionen von dem bewaffneten Konflikt betroffen: 2.989 zivilen Opfern (1.056 Tote und 1.933 Verletzte) - eine Erhöhung von 17% gegenüber dem Jahr 2015. In den zentralen Regionen wurde die zweithöchste Rate an zivilen Opfern registriert: 2.348 zivile Opfer (534 Tote und 1.814 Verletzte) - eine Erhöhung von 34% gegenüber dem Vorjahreswert, aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Angriffe auf die Stadt Kabul. Die östlichen und nordöstlichen Regionen verzeichneten einen Rückgang bei zivilen Opfern: 1.595 zivile Opfer (433 Tote und 1.162 Verletzte) im Osten und 1.270 zivile Opfer (382 Tote und 888 Verletzte) in den nordöstlichen Regionen. Im Norden des Landes wurden 1.362 zivile Opfer registriert (384 Tote und 978 Verletzte), sowie in den südöstlichen Regionen 903 zivile Opfer (340 Tote und 563 Verletzte). Im Westen wurden 836 zivile Opfer (344 Tote und 492 Verletzte) und 115 zivile Opfer (25 Tote und 90 Verletzte) im zentralen Hochgebirge registriert (UNAMA 6.2.2017).

Laut UNAMA waren 61% aller zivilen Opfer regierungsfeindlichen Elementen zuzuschreiben (hauptsächlich Taliban), 24% regierungsfreundlichen Kräften (20% den afghanischen Sicherheitskräften, 2% bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppen und 2% internationalen militärischen Kräften); Bodenkämpfen zwischen regierungsfreundlichen Kräften und regierungsfeindlichen Kräften waren Ursache für 10% ziviler Opfer, während 5% der zivilen Opfer vorwiegend durch Unfälle mit Munitionsrückständen bedingt waren (UNAMA 6.2.2017).

Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen und der US-Streitkräfte

Die Taliban greifen weiterhin Mitarbeiter/innen lokaler Hilfsorganisationen und internationaler Organisationen an - nichtsdestotrotz sind der Ruf der Organisationen innerhalb der Gemeinschaft und deren politischer Einfluss ausschlaggebend, ob ihre Mitarbeiter/innen Problemen ausgesetzt sein werden. Dieser Quelle zufolge, sind Mitarbeiter/innen von NGOs Einschüchterungen der Taliban ausgesetzt. Einer anderen Quelle zufolge kam es im Jahr 2015 nur selten zu Vorfällen, in denen NGOs direkt angegriffen wurden (IRBC 22.2.2016). Angriffe auf Mitarbeiter/innen internationaler Organisationen wurden in den letzten Jahren registriert; unter anderem wurden im Februar 2017 sechs Mitarbeiter/innen des Int. Roten Kreuzes in der Provinz Jawzjan von Aufständischen angegriffen und getötet (BBC News 9.2.2017); im April 2015 wurden 5 Mitarbeiter/innen von "Save the Children" in der Provinz Uruzgan entführt und getötet (The Guardian 11.4.2015).

Die norwegische COI-Einheit Landinfo berichtet im September 2015, dass zuverlässige Berichte über konfliktbezogene Gewalt gegen Afghanen im aktiven Dienst für internationale Organisationen vorliegen. Andererseits konnte nur eine eingeschränkte Berichtslage bezüglich konfliktbezogener Gewalt gegen ehemalige Übersetzer, Informanten oder andere Gruppen lokaler Angestellter ziviler oder militärischer Organisationen festgestellt werden (Landinfo 9.9.2015). Ferner werden reine Übersetzerdienste, die auch geheime Dokumente umfassen, meist von US-Staatsbürgern mit lokalen Wurzeln durchgeführt, da diese eine Sicherheitszertifizierung benötigen (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Grundsätzlich sind Anfeindungen gegen afghanische Angestellte der US-Streitkräfte üblich, da diese im Vergleich zu ihren Mitbürger/innen verhältnismäßig viel verdienen. Im Allgemeinen hält sich das aber in Grenzen, da der wirtschaftliche Nutzen für die gesamte Region zu wichtig ist. Tätliche Übergriffe kommen vor, sind aber nicht nur auf ein Arbeitsverhältnis bei den internationalen Truppen zurückzuführen. Des Weiteren bekommen afghanische Angestellte bei den internationalen Streitkräften Uniformen oder Dienstbekleidung, Verpflegung und Zugang zu medizinischer Versorgung nach westlichem Standard. Es handelt sich somit meist um Missgunst. Das Argument der Gefahr im Beruf für lokale Dolmetscher wurde von den US-Streitkräften im Bereich der SOF (Special Operation Forces), die sehr sensible Aufgaben durchführen, dadurch behoben, dass diesen Mitarbeitern nach einer gewissen Zeit die Mitnahme in die USA angeboten wurde. Dieses Vorgehen wurde von einer militärischen Quelle aus Deutschland bestätigt (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014).

Quellen:

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http://www.bbc.com/news/world-asia-35169478, Zugriff 12.1.2016

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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