TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/18 W261 2166926-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2018
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Entscheidungsdatum

18.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W261 2166926-1/21E

W261 2166929-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin Gastinger, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerden von

1. XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan,

2. XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan,

beide vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, jeweils gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom

1. 14.07.2017, Zl. XXXX ,

2. 14.07.2017, Zl. XXXX ,

nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 09.01.2018 und 29.01.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Gang des Verfahrens:

Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1) und der Zweitbeschwerdeführer (in der Folge BF2), zwei Brüder und beide afghanischer Staatsbürger, reisten nach ihren Angaben am 04.01.2016 gemeinsam irregulär in Österreich ein und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 04.01.2016 erfolgten die Erstbefragungen des BF1 und BF2 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Anwesenheit eines Dolmetschers in der Sprache Farsi. Dabei gab BF1 an, wegen der ISIS-Kämpfer in seiner Gegend das Land verlassen zu haben. Mehrere Personen und Kinder seien geköpft worden und das Leben seiner Familie sei ebenfalls in Gefahr gewesen. Weiters habe die Familie ein Grundstück besessen, von dem der Nachbar behauptet habe, dass es ihm gehöre. Sein Vater habe deshalb sogar ins Gefängnis müssen. Nach seiner Freilassung hätten sie viele Feinde gehabt. BF2 gab zu seinen Fluchtgründen befragt an, wegen eines Streites seines Vaters mit einem Nachbarn aus Afghanistan geflohen zu sein. Durch den Streit hätten sie viele Feinde bekommen, die sie mit dem Umbringen bedroht hätten. BF1 und BF2 gaben beide an, mit der gesamten Familie geflüchtet zu sein. Unterwegs sei die Familie jedoch auseinandergerissen worden, die Brüder wüssten nicht, wo sich ihre Eltern und Geschwister befinden würden.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl veranlasste aufgrund von Zweifeln an den Altersangaben von BF1 und BF2 in weiterer Folge eine Altersfeststellung. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung des BF1 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten vom XXXX kommt der medizinische Sachverständige kurz zusammengefasst zu dem Ergebnis, dass das höchstmögliche Mindestalter des BF1 zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX mit 19 Jahren anzunehmen sei, woraus sich das errechnete "fiktive" Geburtsdatum XXXX ergebe. Es könne damit zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 04.01.2016 von einem Mindestalter des BF1 von 18,67 Jahren ausgegangen werden. Das höchstmögliche Mindestalter des BF2 zum Untersuchungszeitpunkt am XXXX sei ebenfalls mit 19 Jahren anzunehmen, woraus sich das errechnete "fiktive" Geburtsdatum XXXX ergebe. Es könne damit zum Zeitpunkt der Asylantragstellung am 04.01.2016 von einem Mindestalter des BF2 von 18,67 Jahren ausgegangen werden. BF1 und BF2 seien daher zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits volljährig gewesen.

Am 25.04.2017 erfolgten die niederschriftlichen Einvernahmen von BF1 und BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland (in der Folge BFA oder belangte Behörde), im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Dabei gab der BF1 an, seine Familie habe im Ort XXXX sowie in seinem Geburtsort XXXX Grundstücksstreitigkeiten mit den Nachbarn gehabt. Sein Vater und Onkel seien geschlagen worden, die Familie habe einander in der Nacht bewachen müssen. Sie hätten die Vorfälle bei der Polizei angezeigt, die Polizei habe dann festgestellt, dass das Grundstück der Familie der BF gehöre. Aufgrund seiner schweren Verletzung durch den Übergriff sei sein Onkel ins Krankenhaus gebracht worden. Während des etwa zweiwöchigen Krankenhausaufenthalts seines Onkels sei auch ein Sohn der Nachbarsfamilie dort stationär aufgenommen gewesen, welcher dann verstorben sei. Der BF1 glaube, dieser habe Epilepsie gehabt, er sei als Hirte am Berg gewesen und dürfte bei einem Anfall gestützt sein und wegen der dadurch zugezogenen Kopfverletzungen im Krankenhaus gewesen sein. Die gegnerische Familie habe behauptet, dass die Familie des BF1 und BF2 ihrem Sohn auf den Kopf geschlagen habe und er deswegen gestorben sei. Der Vater und der Onkel des BF1 seien daraufhin festgenommen und zu 12 Jahren Haft verurteilt worden. Sie seien nach fünf Jahren freigelassen worden. Nach der Haftentlassung habe der Vater die Familie bewacht, als fünf Personen zu ihrem Haus gekommen sei und die Scheiben eingeschlagen hätten. Die Dorfbewohner hätten die Schreie der Familie gehört und als sie aus dem Haus gekommen seien, seien die fünf Personen verschwunden gewesen. Während sein Vater in Haft gewesen sei, habe der BF1 und seine Schwester nicht in die Schule gehen können, fast täglich seien sie bedroht worden. Der BF1 habe vier Jahre lang als Hirte arbeiten müssen. Sein Cousin sei am Neujahrstag 2015 bei seinen Großeltern zu Besuch gewesen, als er von Mitgliedern der gegnerischen Familie zunächst geschlagen und anschließend ins Wasser geschmissen worden sei. Sie hätten eineinhalb Monate nach dem Cousin gesucht, ihn aber nie wiedergefunden. Nach seiner Haftentlassung sei der Vater der BF weiterhin, wenn er in der Stadt gewesen sei, von unbekannten Personen verfolgt worden, weshalb er schlussendlich beschlossen habe, mit der Familie aus Bamyan zu flüchten. Der BF2 bestätigte in seiner Ersteinvernahme im Westlichen das, was sein Bruder bereits ausgeführt hatte. Als der Vater im Gefängnis gewesen sei, hätten die Kinder die Schule abbrechen müssen, da sie von den Söhnen der anderen Familie auf dem Schulweg geschlagen worden seien. Der BF habe dann begonnen als Hirte zu arbeiten, der BF2 als Mechaniker, die Mutter habe in einem Hotel gearbeitet. Nach der Entlassung seines Vaters aus dem Gefängnis habe sein Gegner ihn in der Stadt verfolgt und ihn mit dem Auto überfahren wollen. Sie hätten versucht, die Familie so umzubringen, dass es wie ein Unfall aussehe. Als der BF2 einmal als Mechaniker in der Werkstatt gearbeitet habe und unter einem Auto gelegen sei, sei der Gegner gegen das Auto gefahren, unter dem der BF2 gelegen sei. Das Auto sei vom Wagenheber gekippt und auf die Brust des BF2 gefallen. Der Leiter der Werkstatt habe ihn dann befreit. Befragt, ob er jemals aus religiösen Gründen persönlich verfolgt oder bedroht worden sei, bejahte der BF2 und führte aus, dass sie in einem Hotel in Kabul von einem paschtunischen Hotelmitarbeiter bzw. dem Hotelbesitzer mit dem Tod bedroht worden seien, nachdem sie gesagt hätten, aus Bamyan zu stammen. Die BF legten beide eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 14.07.2017 wies diese jeweils in den Spruchpunkten I die Anträge auf internationalen Schutz ab. In den Spruchpunkten II wies die belangte Behörde die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan ab. In den Spruchpunkten III erteilte die belangte Behörde den BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. In den Spruchpunkten IV legte die belangte Behörde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die belangte Behörde führte darin aus, dass die vorgebrachten Fluchtgründe nicht glaubhaft seien. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF in Afghanistan einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen seien beziehungsweise einer solchen gegenwärtig ausgesetzt wären. Es würden daher die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes nicht vorliegen. Es sei den BF zumutbar in ihren Herkunftsstaat zurückzukehren, weswegen auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren sei. Die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen würden nicht vorliegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen sei.

Mit jeweiligen Verfahrensanordnungen vom 14.07.2017 stellte die belangte Behörde den BF den Verein Menschenrechte Österreich amtswegig als Rechtsberater zur Seite. Mit Verfahrensordnung vom selben Tag wies die belangte Behörde die BF darauf hin, dass diese verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

Gegen diese Bescheide brachten die BF, beide bevollmächtigt vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, mit Eingaben vom 27.07.2017 jeweils fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein und legten eine Vertretungsvollmacht vor.

Darin brachten sie vor, bei einer Rückkehr würden sie aufgrund drohender Blutrache, wegen Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie sowie der von Grundstücksstreitigkeiten betroffenen Personen verfolgt. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative. Es bestehe keine Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden. Die BF hätten in Afghanistan kein familiäres oder soziales Netz, auf das sie zurückgreifen könnten. Darüber hinaus bestehe aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara ohne familiären Rückhalt bei einer Rückkehr die Gefahr der Verfolgung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit. Als Personen, die lange Zeit im westlichen Ausland verbrachten hätten, sei diese Verfolgungsgefahr noch einmal deutlich erhöht. Die belangte Behörde habe mangelhaft ermittelt, in der Entscheidung seien die in den UNHCR-Richtlinien genannten potenziellen Risikoprofile bezüglich afghanischer Flüchtlinge sowie Berichte zum Thema Blutrache und zur Situation der Hazara nicht beachtet worden. Die allgemeine Sicherheitslage und die schwierige Situation von Rückkehrern lasse eine Rückkehr nicht zu. Den Beschwerden wurden eine Reihe von Integrationsunterlagen beider BF angeschlossen.

Die belangte Behörde legte die Beschwerden der BF samt den Aktenvorgängen jeweils mit Schreiben vom 28.07.2017 dem BVwG zur Entscheidung vor, wo diese am 08.08.2017 einlangten.

Am 09.01.2018 und 29.01.2018 fanden vor dem BVwG öffentliche mündliche Verhandlungen im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, zu der BF1 und BF2 persönlich gemeinsam mit ihren Rechtsvertretern erschienen. Die belangte Behörde nahm an den mündlichen Verhandlungen entschuldigt nicht teil.

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlungen führten die BF im Wesentlichen das aus, was sie bereits vor der belangten Behörde aussagten und legten eine Reihe von Integrationsunterlagen vor.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 09.01.2018 legte das erkennende Gericht den BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand 21.12.2017 sowie die "Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 07.06.2017 zu Afghanistan: Blutrache und Blutfehde" vor. Den BF wurden die Bedeutung dieser Berichte erklärt, insbesondere, dass auf Grund dieser Berichte die Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat getroffen werden, sowie deren Zustandekommen. Den BF wurde eine Frist zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.

Die BF gaben mit Eingabe vom 24.01.2018, durch ihre bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme zu den Länderberichten ab, in welcher auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan und die Risikoprofile laut UNHCR Richtlinien hingewiesen wurde. Weiters wurde zum Sachverständigengutachten Mag. Mahringer Stellung genommen. Zu ihren Fluchtgründen führten die BF aus, dass die Afghanischen Behörden nicht gewillt bzw. nicht in der Lage seien, sie vor der von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung zu schützen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ihnen der Tod drohen.

Mit Schreiben vom 10.07.2018 übermittelte das BVwG den Parteien des Verfahrens die aktualisierten Länderinformationen zu Afghanistan mit Stand 29.06.2018 und räumte diesen die Möglichkeit ein, innerhalb einer bestimmten Frist eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Eingabe vom 13.07.2018 übermittelte das BFA eine Stellungnahme, in welcher es an seiner Entscheidung und Begründung festhielt und den Antrag stelle, die Beschwerden der BF in allen Punkten abzuweisen.

Mit Eingaben vom 24.07.2018 übermittelten die BF, bevollmächtigt vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, eine Stellungnahme, in welcher neben erneutem Hinweis auf die potenziellen Risikoprofile bezüglich afghanischer Flüchtlinge ausgeführt wurde, dass im Falle einer Abschiebung aufgrund der in den aktualisierten Berichten bestätigten katastrophalen Sicherheits- und Wirtschaftslage die akute Gefahr bestehe, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Die Sicherheitslage Kabuls habe sich in den letzten Jahren weiterhin verschlechtert, die Zahl der zivilen Opfer steige. Kabul stelle keinen sicheren Zufluchtsort dar. Die pauschalierte Behauptung, dass man als junger Mann keiner Gefahr ausgesetzt sein könnte, werde auch durch das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 widerlegt, in welcher junge afghanische Männer eher der Gefahr ausgesetzt seien, Opfer von Morden durch terroristische Gruppierungen zu werden. Aus dem Gutachten sei auch deutlich erkennbar, dass ausgerechnet junge Menschen sowohl von der Regierungsseite als auch von der Nicht-Regierungsseite konstant ausgenutzt würden. Menschen, die aufgrund des Aufenthalts im Ausland keine soziale Bindung zum Herkunftsstaat mehr haben würden oder kein (familiäres) Auffangnetz im Herkunftsstaat besitzen würden, seien eher der Gefahr ausgesetzt, in einen dieser Kreise zu gelangen, als Personen, die durchgehend in Afghanistan leben würden.

Das BVwG führte am 18.10.2018 eine Auskunft im Strafregister durch, wonach für die BF im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung aufscheinen.

Das BVwG führte am selben Tag eine Abfrage im Betreuungsinformationssystem durch, wonach die BF seit ihrer Ankunft in Österreich Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung beziehen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Zu den Beschwerdeführern:

BF1 trägt den Namen XXXX alias XXXX und ist im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Bamyan geboren. Danach lebte er im Dorf XXXX , ebenfalls in der Provinz Bamyan. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Zur Identifikation im Verfahren wird das Geburtsdatum mit XXXX festgelegt.

Die Muttersprache des BF1 ist Dari.

BF1 besuchte in Afghanistan sieben Jahre lang die Schule, danach absolvierte er einen sechsmonatigen Kurs zum Elektriker. Er arbeitete etwa 15 Tage als Elektriker, danach war er vier Jahre lang als Hirte tätig.

BF1 ist ledig und hat keine Kinder.

BF2 führt den Namen XXXX alias XXXX und ist im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Bamyan geboren. Danach lebte er im Dorf XXXX , ebenfalls in der Provinz Bamyan. Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslim. Zur Identifikation im Verfahren wird das Geburtsdatum mit XXXX festgelegt.

Die Muttersprache des BF2 ist Dari.

BF2 besuchte in Afghanistan drei Jahre lang die Schule, danach arbeitete er fünf Jahre lang als Mechaniker.

BF2 ist ledig und hat keine Kinder.

Die Eltern von BF1 und BF2 heißen XXXX und XXXX . Die Eltern der BF haben insgesamt vier Söhne und zwei Töchter. Es sind dies neben BF1 und BF2, der etwa 15-jährige XXXX , die 10-jährige XXXX , die 9-jährige XXXX und der 5-jährige XXXX . Die Familie verließ gemeinsam Afghanistan, BF1 und BF2 wurden an der Grenze zwischen dem Iran und der Türkei von den restlichen Verwandten getrennt. Es kann nicht festgestellt werden, wo sich die Eltern und Geschwister der BF1 und BF2 derzeit aufhalten. BF1 und BF2 haben Tanten und Onkel im Iran. Ein Onkel väterlicherseits, der zuvor im Iran gelebt hatte, befindet sich derzeit in der Türkei. BF1 und BF2 haben keine Verwandten mehr in Afghanistan.

BF1 und BF2 reisten Ende 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über den Iran, die Türkei über Griechenland und weitere Staaten nach Österreich, wo sie am 04.01.2016 illegal einreisten und am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.

1.2 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer

Der Grund für die Ausreise der BF aus Afghanistan war die Furcht vor der Verfolgung durch Blutrache mit ihnen verfeindeten Nachbarn im Zusammenhang mit einem privaten Grundstücksstreit. Nach Grundstücksstreitigkeiten im Heimatdorf der BF übersiedelte die Familie in das Dorf XXXX , wo der Vater der BF ein Grundstück kaufte, auf dem er ein Haus bauen wollte. Das Grundstück wurde jedoch auch von einer anderen Familie beansprucht, die den Vater und Onkel der BF deshalb angriffen und schlugen. Aufgrund der dabei erlittenen Verletzungen musste der Onkel der BF ins Krankenhaus, wo auch ein Verwandter der Feinde namens XXXX wegen eines Sturzes behandelt wurde. Als XXXX verstarb, beschuldigten die Feinde den Vater und den Onkel, XXXX getötet zu haben. Der Vater und Onkel wurden daraufhin zu 12 Jahren Haft verurteilt und nach fünf Jahren entlassen. In der Folge wurden die Mitglieder der Familie des BF von der Nachbarsfamilie bedroht und angegriffen. Zum persischen Neujahr 2015 wurde der Cousin der BF, Sohn des ebenfalls inhaftierten Onkels, geschlagen und ins Wasser geworfen und seither nicht mehr gefunden. Nach der Haftentlassung wurde der Vater der BF verfolgt, auch das Haus der Familie wurde angegriffen. Bei einem weiteren Vorfall fuhr einer der Feinde mit seinem Auto auf das Auto, welches des BF2 gerade reparierte, wodurch dieses auf den BF2 fiel. Weiters wurde das Haus der BF angegriffen und mit Steinen die Fenster zerstört.

Den BF droht wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara oder zur schiitischen Religion konkret und individuell keine physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan. Nicht jeder Angehörige der Volksgruppe der Hazara oder der schiitischen Religion ist in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt.

Konkret sind weder die beiden BF auf Grund der Tatsache, dass sie sich seit zweieinhalb Jahren in Europa aufhalten, bzw. noch ist jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan einer psychischen und/oder physischen Gewalt ausgesetzt. Den beiden BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf Grund ihrer "westlichen Wertehaltung" mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine psychische und/oder physische Gewalt.

1.3 Zum (Privat)Leben der Beschwerdeführer in Österreich:

Die BF befinden sich seit ihrer Antragstellung im Jänner 2016 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Sie beziehen seit ihrer Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Die BF besuchen Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügen über Kenntnisse der deutschen Sprache. In ihrer Freizeit spielen die BF Fußball. Sie sind ehrenamtlich in der Gemeinde beim Rasenmähen, Ausmalen und Straßenreinigen tätig. Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens der BF in Österreich festgestellt werden.

Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr der Beschwerdeführer in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass den BF bei einer Überstellung nach Afghanistan in ihre Herkunftsprovinz Bamyan ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit durch eine Blutfehde mit Feinden der Familie drohen würde.

Den BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht-bzw. Schutzalternative zur Verfügung. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedlung außerhalb ihrer Heimatprovinz, insbesondere in eine der Städte Mazar-e Sharif oder Herat, ist es ihnen möglich, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Den BF würde bei ihrer Rückkehr in eine dieser beiden Städte kein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit drohen.

Die BF sind jung und arbeitsfähig. Ihre Existenz können sie in einer dieser beiden Städte - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Sie sind auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Die BF haben auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF1 hat eine siebenjährige Schulbildung und absolvierte eine sechsmonatige Ausbildung zum Elektriker. Danach war er vier Jahre lang als Hirte tätig. Der BF2 besuchte in Afghanistan drei Jahre lang die Schule und hat bereits fünf Jahre lang Berufserfahrung als Mechaniker gesammelt, was die BF auch in Mazare Sharif oder Herat werden nutzen können.

Die Städte Mazar-e Sharif und Herat sind von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug zu erreichen.

Die BF sind gesund. Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle der Rückkehr in eine der Städte Mazar-e Sharif oder Herat Gefahr liefen, aufgrund ihres derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung der BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan in der Fassung vom 29.06.2018:

"...

3. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

...

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

...

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

...

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% Gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

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Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht (USDOD 12.2017). Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden (Reuters 28.4.2017). Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren (LWJ 28.4.2017). Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen (UNAMA 2.2018).

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans (SIGAR 30.4.2018). Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten (ODI 6.2018). Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten (JD News 12.3.2018; vgl. LWJ 20.4.2018). Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten: Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden (NYT 27.3.2018).

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen (FAZ 19.10.2017; vgl. Pajhwok 13.3.2018). Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben (FAZ 19.10.2017). Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS (AAN 5.2.2018).

IS/ISIS/ISKP/ISIL-KP/Daesh

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation (WSJ 21.3.2018). Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen (Tolonews 10.1.2018). Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet (Reuters 9.3.2018).

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben (USDOD 12.2017). Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen (VoA 10.1.2018; vgl. AJ 30.4.2018). Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen (USDOD 12.2017).

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt (UNAMA 2.2018); er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an (AAN 5.2.2018), aber auch ausländische Botschaften (UNAMA 2.2.018). Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab (UNAMA 2.2018; vgl. AAN 5.2.2018) - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätten (UNAMA 2.2018). Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind (AAN 5.2.2018).

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar (UNAMA 2.2018).

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben (USDOD 12.2017).

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens (AN 6.3.2018).

Haqqani-Netzwerk

Der Gründer des Haqqani-Netzwerkes - Jalaluddin Haqqani - hat aufgrund schlechter Gesundheit die operationale Kontrolle über das Netzwerk an seinen Sohn Sirajuddin Haqqani übergeben, der gleichzeitig der stellvertretende Führer der Taliban ist (VoA 1.7.2017). Als Stellvertreter der Taliban wurde die Rolle von Sirajuddin Haqqani innerhalb der Taliban verfestigt. Diese Rolle erlaubte dem Haqqani-Netzwerk seinen Operationsbereich in Afghanistan zu erweitern und lieferte den Taliban zusätzliche Fähigkeiten in den Bereichen Planung und Operation (USDOD 12.2017).

Von dem Netzwerk wird angenommen, aus den FATA-Gebieten (Federally Administered Tribal Areas) in Pakistan zu operieren. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge soll das Netzwerk zwischen 3.000 und 10.000 Mitglieder haben. Dem Netzwerk wird nachgesagt finanziell von unterschiedlichen Quellen unterstützt zu werden - inklusive reichen Personen aus den arabischen Golfstaaten (VoA 1.7.2017).

Zusätzlich zu der Verbindung mit den Taliban, hat das Netzwerk mit mehreren anderen Aufständischen Gruppierungen, inklusive al-Qaida, der Tehreek-e Taliban in Pakistan (TTP), der Islamic Movement of Uzbekistan (IMU) und der ebenso in Pakistan ansässigen Lashkar-e-Taiba (VoA 1.7.2017).

Sowohl die afghanische, als auch die US-amerikanische Regierung haben Pakistan in der Vergangenheit wiederholt kritisiert, keine eindeutigen Maßnahmen gegen terroristische Elemente zu ergreifen, die darauf abzielen, die Region zu destabilisieren - zu diesen Elementen zählen auch die Taliban und das Haqqani-Netzwerk (RFE/RL 23.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, UNGASC 27.2.2018).

Al-Qaida

Al-Qaida konzentriert sich hauptsächlich auf das eigene Überleben und seine Bemühungen sich selbst zu erneuern. Die Organisation hat eine nachhaltige Präsenz in Ost- und Nordostafghanistan, mit kleineren Elementen im Südosten. Manche Taliban in den unteren und mittleren Rängen unterstützen die Organisation eingeschränkt. Nichtsdestotrotz konnte zwischen 1.6.-20.11.2017 keine Intensivierung der Beziehung zu den Taliban auf einem strategischen Niveau registriert werden (USDOD 12.2017).

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3.6. Bamyan/Bamian

Bamyan liegt im Süden des Hindukusch und im Norden des Koh-e-Baba Gebirges. Die Provinz besteht aus sieben Distrikten: Bamyan City, Kahmard, Panjab, Sayghan, Shaibar/Shibar, Waras und Yakawlang (Pajhwok o.D.h; vgl. UN OCHA 4.2014). In Bamyan existiert ein nationaler Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.), der z.B. von der afghanischen Fluglinie Kam Air angeflogen wird (HT 25.5.2017; vgl. AJ 25.5.2017).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 462.144 geschätzt (CSO 4.2017). Bamyan-City gilt als die inoffizielle Hauptstadt der Hazara (Al-Jazeera 27.6.2016). Der Großteil der Bevölkerung besteht aus Hazara, gefolgt von Tadschiken, Tataren und Pashtunen. Etwa 96% der Bevölkerung spricht Dari, die restlichen 4% sprechen Paschtu. Mehr als 90% der Bevölkerung fühlt sich dem schiitischen Islam zugehörig (GN 2013).

Am 29.8.2016 wurde die Straße Kabul-Bamyan eingeweiht. Das von der italienischen Agentur für Entwicklung finanzierte Straßenprojekt sollte die Verbindungen zwischen Kabul und Bamyan erleichtern und den wirtschaftlichen Aufschwung in der Region unterstützen. Durch die neu errichtete Straße beträgt die Reisezeit von Kabul nach Bamyan zweieinhalb Stunden (Farnesina 29.8.2016). Ausgeführt durch eine chinesische Firma, wurde der Startschuss zur Weiterführung des Projektes "Dare-e-Sof and Yakawlang Road" gegeben. In der ersten bereits fertiggestellten Phase wurde Mazar-e Sharif mit dem Distrikt Yakawlang in der Provinz Bamyan durch eine Straße verbunden. Der zweite Teil dieses Projektes, eine Straße mit 178 km, die durch mehr als 37 Dörfer gehen soll, wird den Distrikt Dare-e-Sof in der Provinz Samangan mit dem Distrikt Yakawlang verbinden; angedacht ist eine dritte Phase - dabei sollen die Provinzen Bamyan und Kandahar durch eine 550 km lange Straße verbunden werden (Xinhua 9.1.2017).

Laut Vereinten Nationen (UN) war Bamyan mit Stand November 2017 landesweit die einzige Opium-freie Provinz (UNODC 11.2017).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Bamyan wird als relativ friedliche Provinz erachtet; die Ursache dafür ist, laut UNAMA, die aktive Einbindung religiöser Gelehrter in Friedensprozesse, sowohl auf Gemeinde- als auch Regierungsebene (UNAMA 20.11.2017). Die Provinz wird trotz der Armut und Vernachlässigung durch die Zentralregierung als sicherer Hafen betrachtet (GV 16.4.2017; vgl. LP 18.10.2017, Tolonews 28.6.2017). Mit Stand April 2017 war die Provinz laut Berichten sicher und war offen für den lokalen und internationalen Tourismus (GV 16.4.2017; vgl. Pajhwok 3.9.2017). So hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 die Anzahl inländischer und ausländischer Touristen verdoppelt (Pajhwok 3.9.2017).

Im Zuge einer Befragung wurde die Verbesserung der Sicherheitslage im Jahr 2017 als Grund zum Optimismus angeführt (AF 2017). Bamyan hat in den letzten 15 Jahren weniger Gewalt als die anderen Provinzen durchlebt (VA 5.7.2017). Sogar Frauen können in Bamyan sicher und alleine in eigens für sie errichtete Cafés gehen, ohne belästigt zu werden (AN 19.11.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 10 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 4 zivile Opfer (0 getötete Zivilisten und 4 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Drohungen, Einschüchterungen und Belästigungen, gefolgt von Blindgängern/Landminen und Bodenoffensiven. Dies bedeutet einen Rückgang von 60% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Bamiyan

Der Zusammenhalt zwischen den Bewohnern ethnisch homogenerer Gesellschaften wie in Panjsher, Bamyan und Daikundi wird als Grund für die geringe Anzahl an Anschlägen betrachtet: Da die Bewohner dieser Provinzen mehrheitlich einer Ethnie zugehören, würden diese keine aufständischen Aktivitäten erlauben (Pajhwok 14.1.2018). So nahmen im Juli 2017 elf Talibanmitglieder an den Friedensverhandlungen in der Provinz Bamyan teil (Pajhwok 8.7.2017).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in Bamyan gemeldet (ACLED 23.2.2018).

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3.5 Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Hauptstadt Mazar-e Sharif, liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.:

Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.: Provinzhauptstadt Baghlan]. Sie hat folgende administrative Einheiten: Hairatan Port, Nahra-i-Shahi, Dihdadi, Balkh, Daulatabad, Chamtal, Sholgar, Chaharbolak, Kashanda, Zari, Charkont, Shortipa, Kaldar, Marmal, und Khalm. Die Provinz grenzt im Norden an Tadschikistan und Usbekistan. Die Provinz Samangan liegt sowohl östlich als auch südlich. Die Provinz Kunduz lieg im Osten, Jawzjan im Westen und Sar-e Pul im Süden (Pajhwok o.D.y). Balkh grenzt an drei zentralasiatische Staaten an: Turkmenistan, Usbekistan und Tadschikistan (RFE/RL 9.2015). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.353.626 geschätzt (CSO 2016).

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Im Zeitraum 1.1. - 31.8.2015 wurden in der Provinz Balkh 226 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 21.1.2016).

Die zentral gelegene Provinz Balkh - mit ihrer friedlichen Umgebung, historischen Denkmälern und wunderschönen Landschaft - wird als einer der friedlichsten und sichersten Orte Afghanistans geschätzt (Xinhua 12.12.2016; DW 4.8.2016). Obwohl Balkh zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan zählt, versuchen dennoch bewaffnete Aufständische die Provinz zu destabilisieren. In den letzten Monaten kam es zu Vorfällen in Schlüsselbezirken der Provinz (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Xinhua 11.11.2016; Xinhua 1.10.2016). Laut dem Gouverneur Noor würden Aufständische versuchen, in abgelegenen Gegenden Stützpunkte zu errichten (Khaama Press 30.3.2016). Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt (Khaama Press 30.3.2016; vgl. auch: Tolonews 26.5.2016; Tolonews 18.4.2016). In der Provinz wurden militärische Operationen durchgeführt (Kabul Tribune 5.1.2017). Dabei hatten die Taliban Verluste zu verzeichnen (Khaama Press 14.12.2016; Tolonews 26.5.2016). Auf Veranlassung des Provinzgouverneur Atta Noor wurden auch in abgelegenen Gegenden großangelegte militärische Operationen durchgeführt (Khaama Press 17.1.2017; vgl. auch: Khaama Press 14.12.2016; Khaama Press 7.3.2016).

Die Stadt Mazar-e Sharif ist eine Art "Vorzeigeprojekt" Afghanistans für wichtige ausländische Gäste (Liaison Officer to Ministry of Interior of GIROA 14.11.2014). Balkh ist, in Bezug auf Angriffe der Taliban, zentralasiatischer Aufständischer oder IS-Kämpfer die sicherste Provinz in Nordafghanistan. Grund dafür ist das Machtmonopol, das der tadschikisch-stämmige Gouverneur und ehemalige Warlord Atta Mohammed Noor bis in die abgelegensten Winkel der Provinz ausübt. Nichtsdestotrotz ist die Stabilität stark abhängig von den Beziehungen des Gouverneurs zum ehemaligen Warlord und nunmehrigen ersten Vizepräsidenten Abdul Rashid Dostum. Im Juni 2015 haben sich die beiden Rivalen darauf geeinigt, miteinander zu arbeiten, um die Sicherheit in Nordafghanistan wiederherzustellen. Die Stabilität der Provinz Balkh war ein Hauptfokus der NATO-Kräfte (RFE/RL 8.7.2015). Im Distrikt Balkh wird die Reduzierung von Rebellenaktivitäten der Leistungsfähigkeit der ANSF und des neuen Distriktpolizeichefs zugeschrieben (APPRO 1.2015)

High-profile Angriff:

Bei einem Angriff auf das deutsche Konsulat in Mazar-e Sharif waren am 10.11.2016 sechs Menschen getötet und fast 130 weitere verletzt worden (Die Zeit 20.11.2016). Nach Polizeiangaben attackierte am späten Abend ein Selbstmordattentäter mit seinem Auto das Gelände des deutschen Generalkonsulats in Mazar-e Sharif. Die Autobombe sei gegen 23:10 Uhr Ortszeit am Tor der diplomatischen Einrichtung explodiert, sagte der Sicherheitschef der Provinz Balkh. Bei den Toten soll es sich um Afghanen handeln. Alle deutschen Mitarbeiter des Generalkonsulats seien bei dem Angriff unversehrt geblieben (Die Zeit 10.11.2016). Das Gebäude selbst wurde in Teilen zerstört. Der überlebende Attentäter wurde dem Bericht zufolge wenige Stunden später von afghanischen Sicherheitskräften festgenommen (Die Zeit 20.11.2016).

Außerhalb von Mazar-e Sharif, in der Provinz Balkh, existiert ein Flüchtlingscamp - auch für Afghan/innen - die Schutz in der Provinz Balkh suchen. Mehr als 300 Familien haben dieses Camp zu ihrem temporären Heim gemacht (RFE/RL 8.7.2015).

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3.13 Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirker zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.8.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.1.2017).

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Im Zeitraum 1.9.2015 - 31.5.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 2.1.2017; vgl. auch: RFE/RL 6.10.2016; Press TV 30.7.2016; IWPR 14.6.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 2.1.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.1.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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