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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §44 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerden des NR in P, geboren am 9. April 1972, vertreten durch Dr. Alexander Knotek, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Pergerstraße 12, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates 1. vom 17. August 1998, Zl. 203.997/0-XI/35/98, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 AsylG, und 2. vom 9. Oktober 1998, Zl. 203.997/5-XI/35/98, betreffend Wiederaufnahme, (weitere Partei: Bundesminister für Inneres),
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Der Bescheid vom 17. August 1998 wird in seinem Ausspruch betreffend Asyl wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in seinem Ausspruch nach § 8 AsylG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von
S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 9. Oktober 1998 wird als gegenstandslos erklärt und das Verfahren eingestellt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger albanischer Nationalität aus dem Kosovo, reiste am 27. Mai 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 28. Mai 1998 die Gewährung von Asyl. Diesen Antrag begründete er im Wesentlichen damit, dass er und seine Familienangehörigen am 23. Mai 1998 von uniformierten Polizisten mit Gummiknüppeln - ein Bruder auch mit einem Gewehrkolben - geschlagen worden wären. Er und seine zwei Brüder wären zu Unrecht bezichtigt worden, der Befreiungsarmee des Kosovo anzugehören, und man hätte sie für den 25. Mai 1998 zur Polizeistelle nach Peje (= Pec) geladen. Im Hinblick darauf, dass er aus Erzählungen gewusst hätte, dass Kosovo-Albaner auf Polizeistellen Gewaltakten ausgesetzt wären, hätte er der Ladung nicht Folge geleistet. Für den Fall einer Rückkehr in den Kosovo würde er befürchten, wegen Nichtbefolgung der erwähnten Ladung verhaftet, misshandelt und im Zuge der Misshandlungen vielleicht umgebracht zu werden.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 9. Juni 1998 gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 AsylG für zulässig (Spruchpunkt II.). In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung verwies der Beschwerdeführer u.a. auf einen beigelegten Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 12. Mai 1998, in dem über Massaker an der albanisch-stämmigen Bevölkerung berichtet wird.
Mit Bescheid vom 17. August 1998 wies der unabhängige Bundesasylsenat (die belangte Behörde) die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und sprach wie das Bundesasylamt aus, dass gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien zulässig sei.
Mit weiterem Bescheid vom 9. Oktober 1998 wies die belangte Behörde einen mit 19. September 1998 datierten Antrag des Beschwerdeführers auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ab.
Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Verbindung zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung erwogen hat:
1. Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 17. August 1998:
Die belangte Behörde ist auf die als notorisch anzusehende Eskalation der Situation im Kosovo ab 28. Februar 1998 - ungeachtet des der Berufung beigelegten, zuvor erwähnten Berichtes der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 12. Mai 1998 - nicht eingegangen. Sie hat ferner die von ihr unterstellte "inländische Fluchtalternative" für den aus Pec stammenden Beschwerdeführer damit begründet, dass sich Übergriffe auf albanisch-stämmige Staatsangehörige, wie amtsbekannt sei, auf den Kosovo beschränkten; insbesondere aus Zentralserbien seien keine Diskriminierungen oder Menschenrechtsverletzungen gegenüber Angehörigen von Minderheiten bekannt; auch in Montenegro hätten bislang keine Übergriffe auf Albaner stattgefunden, obwohl sich in Montenegro rund 13.000 albanisch-stämmige Kosovo-Flüchtlinge aufhielten. Die belangte Behörde hat dabei jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Beschwerdeführer insoweit eine besondere Stellung zukam, als ihm seitens der serbischen Behörden eine Zugehörigkeit zur Befreiungsarmee des Kosovo unterstellt wurde, weswegen er - so die Beschwerde - mittels polizeilichen Haftbefehls auf dem gesamten Gebiet der Bundesrepublik Jugoslawien gesucht worden sei. Die belangte Behörde weist zwar in ihrer Gegenschrift richtig darauf hin, dass die Behauptung, es werde nach dem Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet der Bundesrepublik Jugoslawien gefahndet, eine Neuerung darstellt. Diese ist im vorliegenden Zusammenhang jedoch deshalb nicht unbeachtlich, weil die belangte Behörde die ihr obliegende Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzte. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung gemäß Art. II Abs. 2 Z. 43a EGVG lagen entgegen ihrer Ansicht schon deshalb nicht vor, weil sie zur Frage der "inländischen Fluchtalternative" selbst ein Ermittlungsverfahren durchführte und gestützt auf dessen Ergebnisse zusätzliche, neue Sachverhaltsfeststellungen traf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0475).
Im Ergebnis gleicht der Bescheid vom 17. August 1998 damit jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 8. September 1999, Zl. 98/01/0614, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründung jenes Erkenntnisses verwiesen. Aus den dort angeführten Gründen war auch hier der angefochtene Bescheid - in seinem Ausspruch betreffend Asyl gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, in seinem Ausspruch gemäß § 8 AsylG gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. April 1999, Zl. 98/01/0566) - aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
2. Zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 9. Oktober 1998:
Durch die Entscheidung zu Punkt 1. ist der Bescheid vom 17. August 1998, mit dem das Verfahren abgeschlossen wurde und dessen Wiederaufnahme der Beschwerdeführer erfolglos begehrt hat, beseitigt worden und die Rechtssache gemäß § 42 Abs. 3 VwGG in die Lage zurückgetreten, in der sie sich vor Erlassung jenes Bescheides befunden hatte. Damit ist im Ergebnis die gleiche Rechtslage hergestellt, wie wenn dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattgegeben worden wäre (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 21. Oktober 1968, Slg. Nr. 7425/A). Im Sinne des Beschlusses des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1980, Slg. Nr. 10.092/A, ist dadurch die Beschwerde gegen den Bescheid vom 9. Oktober 1998, mit dem der Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens abgewiesen wurde, gegenstandslos geworden, ohne dass dies durch eine Klaglosstellung des Beschwerdeführers herbeigeführt worden wäre. Das Verfahren über die gegenstandslos gewordene Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen (vgl. den hg. Beschluss vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0050).
Bei der gemäß § 58 Abs. 2 VwGG zu fällenden Kostenentscheidung ist davon auszugehen, dass die Beschwerde gegen den die Wiederaufnahme des Asylverfahrens versagenden Bescheid erfolglos geblieben wäre: Einerseits hätten die behauptetermaßen neu hervorgetretenen Folgen der Schläge vom 23. Mai 1998 (Trommelfelldefekt) ausgehend von der Rechtsansicht der belangten Behörde über das Bestehen einer "inländischen Fluchtalternative" keinen anders lautenden Bescheid herbeizuführen vermocht, andererseits stellten die Ereignisse aus dem September 1998 (insbesondere Aufnahmestop für kosovo-albanische Flüchtlinge in Montenegro) im Hinblick auf die Erlassung des das Verfahren abschließenden Bescheides per 21. August 1998 keine nova reperta dar.
Nach dem Gesagten hätten im Verfahren Zl. 99/01/0022 allein der belangten Behörde Kosten zugesprochen werden können, diese hat jedoch keine Kosten verzeichnet.
Wien, am 6. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010535.X00Im RIS seit
20.11.2000