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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des SM in L, geboren am 1. Jänner 1964, vertreten durch Dr. Klaus Dorninger, Rechtsanwalt in 4021 Linz, Figulystraße 27, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 21. Dezember 1998, Zl. 202.889/0-V/14/98, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Algerien, der am 8. September 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 26. Februar 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 3. März 1998 niederschriftlich einvernommen. Die Behörde erster Instanz wies den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I Nr. 76/1997, ab und stellte fest, dass gemäß § 8 AsylG die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien zulässig sei. Die belangte Behörde gab die bei der Einvernahme vorgebrachten Fluchtgründe folgendermaßen wieder:
"In seiner Heimat würden unschuldige Menschen von Terroristen getötet und Militärdienstabsolventen nach ihrer Entlassung aus der Armee von Terroristen die Kehle durchgeschnitten. Er habe schon im Jahre 1992 - nach Ausbruch der Gewalt - an Flucht gedacht. Im Juni 1997 habe er einen Brief von den Terroristen erhalten. In diesem sei er aufgefordert worden, mit ihnen zu kämpfen. Einen weiteren Brief habe er im Juli 1997 erhalten. Da er dieser Aufforderung nicht hätte nachkommen wollen und gewusst hätte, dass eine Ablehnung den Tod bedeuten würde, habe er beschlossen, das Land zu verlassen. Des Weiteren führt der Asylwerber aus, dass die Briefe (ohne Absender) an seine Adresse geschickt worden seien und nur Parolen enthielten. Der Inhalt habe etwa gelautet: 'Du sollst mit der Waffe auf unserer Seite kämpfen!' Nach Erhalt der Briefe habe er sich bei Freunden versteckt. Auf die Frage, warum er nicht sofort nach Erhalt des ersten, zumindest nach Erhalt des zweiten Briefes ausgereist sei, gab er an, dass er schon 1992 ausreisen hätte wollen. Er habe aber Geld sparen, für seine Familie sorgen und auf sein Visum warten müssen.
Bis zu seiner Ausreise habe er zuletzt versteckt auf einem Gemüsemarkt als Träger gearbeitet. Er wisse nicht, ob nach ihm gesucht worden sei. Wäre er zur Behörde gegangen, hätte er die Auskunft erhalten, dass er sich selbst schützen solle. Er wisse dies von anderen Leuten, die sich an die Behörden gewandt hätten. Wahrscheinlich hätten solche Briefe auch andere Männer erhalten. Sein Vater habe ihm dann in der Folge geraten, das Land zu verlassen. Bei einer Rückkehr in sein Heimatland könnte es sein, dass er von den Leuten, die im Gebirge lebten, umgebracht werde. Auf den Vorhalt, dass er bei der BPD Linz angegeben hätte, keine konkreten, ihn selbst betreffenden Probleme zu haben, führt er aus, dass ihm damals nicht danach zumute gewesen sei, die Wahrheit zu sagen. Es wäre aber offensichtlich, dass jeder in Algerien ein Problem habe. Jeder junge Mann, der zum Militär einberufen werde, bekomme Probleme. Auf den Vorhalt, dass dies ihn selbst nicht betreffe, gab er an, dass er dies wisse. Jeder habe aber in Algerien 'ein Problem'."
Die Behörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen mit der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Beschwerdeführers. In der dagegen erhobenen Berufung erstattete der Beschwerdeführer zu seiner individuellen Situation kein neues Sachverhaltsvorbringen. Die allgemeine Situation in Algerien stelle jedoch eine "Gruppenverfolgung" aller algerischen Staatsangehörigen aufgrund ihrer Natioalität dar, aus der auf die ihm drohende individuelle Verfolgungsgefahr rückgeschlossen werden könne.
Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab und stellte mit Spruchpunkt 2. gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Algerien sei zulässig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858).
Die belangte Behörde hat das Vorbringen des Asylwerbers im Gegensatz zur Behörde erster Instanz als glaubwürdig qualifiziert und es als erwiesener Sachverhalt ihrer rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt. Erkennbar bringt die belangte Behörde zum Ausdruck, dass dem Beschwerdeführer keine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe. Denn außer dem Vorbringen, sich durch die allgemeine Lage in Algerien und dem Erhalt zweier Briefe mit Parolen verfolgt zu fühlen, seien den Angaben des Beschwerdeführers keine Anhaltspunkte für weitere, konkret gegen ihn gerichtete oder geplante Verfolgungshandlungen zu entnehmen. Er gebe selbst an, nicht zu wissen, ob er gesucht werde. Der belangten Behörde ist darin zuzustimmen, dass selbst vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage in Algerien der bloße Erhalt zweier Briefe mit der Aufforderung "Du sollst mit der Waffe auf unserer Seite kämpfen" ohne Absender und ohne jede Drohung für den Fall der Nichtbefolgung eine Verfolgungsgefahr nicht mit asylrechtlich maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen lässt und daher keine objektiv nachvollziehbare Furcht vor Verfolgung vorliege.
Der Verwaltungsgerichtshof kann der belangten Behörde auch nicht entgegentreten, dass sich aus den in der Berufung ausschnittsweise wiedergegebenen Berichten keine Verfolgung aller algerischen Staatsbürger im asylrechtlich relevanten Sinne ("Gruppenverfolgung") erkennen lasse. Eine systematische "Gruppenverfolgung aus Gründen der Nationalität" (das bedeutet im konkreten Fall wegen der algerischen Staatsbürgerschaft) scheidet begrifflich schon deshalb aus, weil die in den Berichten zitierte wechselweise Gewaltanwendung zwischen Angehörigen der (algerischen) Islamistenorganisationen und der (algerischen) Regierung sich nicht am Merkmal der algerischen Staatsangehörigkeit orientieren. Dass sich die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Berufung auf eine konkrete Untergruppe bezögen, ist ihnen jedoch nicht zu entnehmen, sodass der belangten Behörde kein Vorwurf dergestalt zu machen ist, dass sie hierüber kein Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Auch das Vorbringen in der Beschwerde zeigt nicht in konkreter Weise auf, weshalb entgegen der Ansicht der belangten Behörde schon alleine auf Grund des Umstandes, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen algerischen Staatsbürger handle, eine asylrelevante Verfolgung drohe.
Den Ausführungen der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe mangels konkreten, seine Person betreffenden Vorbringens nicht aufzeigen können, dass für ihn eine aktuelle Gefährdungs- bzw. Bedrohungssituation in Algerien im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz bestehe, tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde im Wesentlichen nur durch den Hinweis auf seine Ausführungen zur behaupteten Flüchtlingseigenschaft entgegen. Er zeigt aber keine über das Vorbringen zur Flüchtlingseigenschaft hinausgehenden konkreten Gründe dafür an, dass er einer der Gefahren im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 Fremdengesetz aktuell ausgesetzt sei. Es genügt demnach, auf die obigen Ausführungen zur Flüchtlingseigenschaft hinzuweisen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 6. Oktober 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999010279.X00Im RIS seit
20.11.2000