TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/19 W270 2170857-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.2018
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Entscheidungsdatum

19.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W270 2170857-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Günther GRASSL über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch RA Edward. W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2017, Zl. XXXX , betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX alias XXXX (in Folge: "Beschwerdeführer") stellte am 09.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner am selben Tag stattgefundenen Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er befragt zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, dass er den Iran verlassen habe, weil es dort weder Arbeit noch eine Chance auf ein besseres Leben gegeben habe. Außerdem sei sein Vater krank und habe es Probleme mit den iranischen Behörden gegeben. Er wolle sich in Österreich weiterbilden, um seine Eltern im Iran versorgen zu können.

3. Bei seiner Einvernahme am 14.06.2017 vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer zu den Gründen für seine Asylantragstellung befragt zusammengefasst an, dass sein Vater im gesagt habe, dass die Familie Afghanistan aufgrund einer Feindschaft verlassen hätte müssen. Genaueres wisse er jedoch diesbezüglich nicht. Im Iran sei das Leben schwer gewesen. Der Beschwerdeführer habe dort keine Rechte gehabt und sei ständig bei der Arbeit diskriminiert worden. Ein iranischer Polizist habe ihn auch einmal mit dem Motorrad verfolgt und sei dabei zu Sturz gekommen. Deswegen habe die iranische Polizei ihn dann gesucht und seiner Mutter gedroht, dass sie ihn als Verbrecher oder Drogendealer behandeln werde. Die Familie habe sich deswegen besprochen und beschlossen, dass der Beschwerdeführer das Land verlassen müsse. Er sei über Afghanistan nach Pakistan geflohen. In Afghanistan hätten ihn alle als Iraner wahrgenommen. Über Pakistan sei er dann nochmals für drei Wochen in den Iran gereist, um sich von seiner Familie zu verabschieden und sei dann weiter nach Europa geflohen.

4. Die belangte Behörde wies den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 i.V.m.

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) mit Bescheid vom 31.08.2017 ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 i.V.m. § 9 BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt III. und IV.).

Die belangte Behörde begründete ihren Bescheid im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer keine konkrete oder drohende Verfolgung glaubhaft gemacht habe. Er könne bei einer Rückkehr nach Kabul als arbeitsfähiger, junger Mann selbst für seinen Lebensunterhalt aufkommen, zumal er bereits über Arbeitserfahrung in der Landwirtschaft sowie am Schlachthof verfügt.

5. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird insbesondere eine inhaltliche Rechtwidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensfehlern gerügt und u.a. Beweismittel zur Situation der Hazara bzw. Schiiten, zum fehlenden staatlichen Schutz sowie zur einer mangelnden innerstaatlichen Fluchtalternative vorgelegt.

6. Am 26.09.2018 fand am Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt in deren Rahmen der Beschwerdeführer insbesondere zu einer möglichen Rückkehr in seinen Herkunftsstaat sowie seinem Leben in Österreich einvernommen wurde und weitere Urkunden zur Integration vorlegte. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurden bereits mit der diesbezüglich ergangenen Ladung weitere länderkundliche und sonstige Informationen in das Verfahren eingeführt, zu welchen der Rechtsvertreter im Zuge der mündlichen Verhandlung Stellung nahm.

7. Mit Verständigung vom 04.10.2018 wurde der Beschwerdeführer über die Absicht des Bundesverwaltungsgerichtes, weitere länderkundliche Informationen in das Verfahren einzuführen informiert und diesem für eine allfällige Stellungnahme eine Frist von sieben Tagen eingeräumt. Diese Verständigung wurde dem Beschwerdeführer am 05.10.2018 zugestellt. Der Beschwerdeführer erstattete dazu keine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Identität, Herkunft und Sprachkenntnisse:

1.1.1.1. Der Beschwerdeführer trägt den Namen XXXX und ist Staatsbürger der Islamischen Republik Afghanistan. Er wurde am XXXX in der Provinz Uruzgan geboren.

1.1.1.2. Im Alter von ungefähr zwei Jahren flüchtete der Beschwerdeführer mit seiner Familie in den Iran. Er war legal im Iran aufhältig und ist dort in der Stadt XXXX in der Provinz Teheran aufgewachsen.

1.1.1.3. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Neben dieser Sprache hat er noch Kenntnisse der Sprachen Farsi und Deutsch (s. dazu unten Pkt. II.1.3.).

1.1.2. Volksgruppe und Religion:

Der Beschwerdeführer gehört der afghanischen Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam.

1.1.3. Familiäre Situation und wirtschaftliche Lage:

1.1.3.1. Die Mutter sowie die beiden Brüder und vier Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor legal in der Stadt XXXX im Iran. Lediglich eine Schwester wohnt noch bei der Mutter des Beschwerdeführers, die anderen sind bereits ausgezogen. Da der Vater des Beschwerdeführers vor zwei Jahren verstorben ist, versorgt sein älterer Bruder nunmehr die Familie.

1.1.3.2.Eine Schwester des Beschwerdeführers lebt in Australien.

1.1.3.3. Seine Mutter verfügt im Iran über kein Vermögen.

1.1.3.4. Der Beschwerdeführer steht zu seiner Familie regelmäßig in Kontakt. Er telefoniert ungefähr zwei bis dreimal in der Woche mit dieser.

1.1.4. Ausbildung und Berufserfahrung:

1.1.4.1. Der Beschwerdeführer hat im Iran fünf Jahre lang eine afghanische Schule besucht, welche dann aber geschlossen wurde.

1.1.4.2. Danach arbeitete er mit seinem Vater in der Landwirtschaft und anschließend mit seinem Bruder in einem Schlachthaus. Er verfügt über eine jedenfalls vierjährige Arbeitserfahrung im Schlachthaus.

1.1.4.3. Von diesen Tätigkeiten verdiente er sich im Iran seinen Lebensunterhalt und konnte davon auch seine Familie versorgen.

1.1.5. Gesundheitszustand:

1.1.5.1. Der Beschwerdeführer leidet an einer depressiven Erkrankung, weswegen er auch die Medikamente "Sertralin", "Seroquel" und "Trittico" einnimmt.

1.1.5.2. Im Übrigen ist der Beschwerdeführer gesund und bei entsprechender medikamentöser Behandlung der zuvor erwähnten Erkrankung auch arbeitsfähig.

1.1.6. Ausreise aus dem Iran und Antragstellung in Österreich:

Der Beschwerdeführer hat den Iran endgültig ungefähr Ende Mai 2015 verlassen und stellte schließlich am 09.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zum individuellen Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Als der Beschwerdeführer zwei Jahre alt war verließ dessen Familie Afghanistan wegen einer persönlichen "Feindschaft" mit Personen, welche der Volksgruppe der Pashtunen zugehörig sind. Die näheren Umstände dieser Feindschaft bzw. deren Hintergründe sind unbekannt. Gegen den Beschwerdeführer persönlich wurden in Afghanistan keine Handlungen oder Maßnahmen gesetzt.

1.2.2. Der Beschwerdeführer hat den Iran nach Europa verlassen, weil das Leben im Iran sehr schwer war und er aufgrund seiner Nationalität u.a. auch bei der Arbeit diskriminiert wurde.

1.2.3. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer einmal von der iranischen Polizei mit Motorrädern verfolgt wurde und dabei ein Polizist zu Sturz kam, weswegen der Beschwerdeführer als Verbrecher bezeichnet wurde und die iranische Polizei nach ihm suchte.

1.2.4. Auch nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer während eines zweitätigen Aufenthaltes in Afghanistan von einem Mann homosexuell belästigt und von anderen Afghanen als "Iraner" betrachtet wurde.

1.3. Zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

1.3.1. Der Beschwerdeführer lebt in einer Unterkunft in XXXX .

1.3.2. In Österreich, konkret in Wien, lebt ein Cousin des Beschwerdeführers. Zu diesem hat er ungefähr drei Mal im Monat Kontakt.

1.3.3. Der Beschwerdeführer absolvierte bereits mehrere Deutschkurse und Deutschtrainings und hat auch schon die Prüfung für das Sprachniveau A2 bestanden. Er ist in der Lage, bei klarer Standardsprache über vertraute Dinge aus Arbeit, Schule, Freizeit usw. zu reden. Er besuchte zudem den Bildungskurs XXXX der XXXX im Ausmaß von 160 Stunden Anwesenheit, in welchem mit Unterlagen auf dem Sprachniveau A2 gearbeitet wurde. Des Weiteren partizipiert er auch an ehrenamtlich durchgeführten Deutschkursen von " XXXX ".

1.3.4. Der Beschwerdeführer besuchte außerdem im Jahr 2017 einen Erste-Hilfe-Kurs des Österreichischen Roten Kreuzes und absolvierte auch den ersten Teil der von dieser Organisation angebotenen Ausbildung zum Workshop-Leiter im Projekt " XXXX " erfolgreich.

1.3.5. Er war in seiner Wohnortgemeinde von April bis September 2018 für das Projekt " XXXX " im Amt für Land und Fortwirtschaft als Gärtner ehrenamtlich tätig.

1.3.6. In seiner Freizeit geht der Beschwerdeführer ins Fitnesscenter oder spielt mit seinen Freunden Fußball.

1.3.7. Der Beschwerdeführer hat ausschließlich afghanische Freunde. Bei diesen sind alle Volksgruppen vertreten. Seine österreichischen Kontaktpersonen sind seine Lehrer " XXXX " und " XXXX ".

1.3.8. Sein soziales Umfeld bezeichnet den Beschwerdeführer als verlässlich, integrationswillig, herzlich, engagiert, höflich und zuvorkommend.

1.3.9. Er war bisher in Österreich nicht erwerbstätig. Er lebt von der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Ferner verfügt er über keine Einstellzusage.

1.3.10. Der Beschwerdeführer ist in Österreich unbescholten.

1.4. Zur persönliche Situation des Beschwerdeführers bei Rückkehr nach Afghanistan:

1.4.1. Der Beschwerdeführer könnte bei Rückkehr nach Afghanistan in geringfügigem Ausmaß und vorübergehend von seiner im Iran lebenden Familie finanziell unterstützt werden.

1.4.2. Für den Beschwerdeführer besteht außerdem die Möglichkeit, staatliche Rückkehrhilfe zu beziehen:

Von 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2019 implementiert die Internationale Organisation für Migration (IOM), Landesbüro für Österreich, das Projekt "RESTART II - Reintegrations-unterstützung für Freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und Iran". Das Projekt wird durch den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU und das Österreichische Bundesministerium für Inneres kofinanziert.

Im Rahmen des Projekts können Drittstaatsangehörige bei ihrer freiwilligen Rückkehr in die Islamische Republiken Afghanistan und Iran sowie bei ihrer nachhaltigen Reintegration im jeweiligen Herkunftsland unterstützt werden.

Das Projekt sieht die Teilnahme von 490 Personen vor. Pro Haushalt kann nur eine Person teilnehmen.

Die Maßnahmen, die die Rückkehrer/innen bei ihren Reintegrationsbemühungen unterstützen, werden gemeinsam mit den Teilnehmer/innen erarbeitet und sind auf deren individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten abgestimmt.

IOM setzt im Rahmen des Projekts folgende Maßnahmen um:

Rückkehrunterstützung

* Informationsgespräche vor der Abreise in Österreich;

* Möglichkeit der Erhebung der familiären Situation im Rückkehrland im Falle der Rückkehr von unbegleiteten Minderjährigen;

* Logistische Organisation der Reise (inklusive Kauf des Flugtickets);

* Unterstützung bei der Abreise am Flughafen Wien Schwechat;

* Empfang und Unterstützung bei der Ankunft sowie Organisation der Weiterreise zum endgültigen Zielort in Afghanistan und der Islamischen Republik Iran;

* Temporäre Unterkunft nach der Ankunft im Rückkehrland.

Reintegrationsunterstützung

* Beratung der Projektteilnehmer/innen nach der Rückkehr bezüglich ihrer Möglichkeiten unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten, ihres Ausbildungs- und beruflichen Hintergrunds und ihrer persönlichen Lebenssituation;

* Finanzielle Unterstützung in Form von Bargeld: EUR 500,- für jede/n Projektteilnehmer/in, um die dringendsten Bedürfnisse direkt nach der freiwilligen Rückkehr in das Herkunftsland abzudecken;

* Unterstützung in Form von Sachleistungen wie

* Unterstützung bei Gründung von oder Beteiligung an einem Unternehmen (z.B. Kauf von Ausstattung, Waren);

* Aus- und Weiterbildung;

* Unterkunft;

* Unterstützung für Kinder;

* Medizinische Unterstützung;

* Leitfaden zur Unternehmensgründung und Weitervermittlung zu kostenlosen Business Trainings.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5.1. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil.

Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren.

Die Provinz Kabul verzeichnete die höchste Zahl ziviler Opfer - speziell in der Hauptstadt Kabul: von den 1.612 registrierten zivilen Opfer (440 Tote und 1.172 Verletzte). Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung entscheidungsrelevanter Passagen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 letzte Kurzinformation eingefügt am 22.08.2018 [in Folge: "LIB"], Pkt. 4. "Sicherheitslage")

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Allgemeines

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus.

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen. Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren. Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet.

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird.

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan. Die Gründe dafür sind verschiedene:

das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten.

Taliban

Die Taliban führten auch ihre Offensive "Mansouri" weiter; diese Offensive konzentrierte sich auf den Aufbau einer "Regierungsführung" der Taliban (Engl. "governance") bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gewalt gegen die afghanische Regierung, die ANDSF und ausländische Streitkräfte. Nichtsdestotrotz erreichten die Taliban, die Hauptziele dieser "Kampfsaison" laut US-Verteidigungsministerium nicht. Operation Mansouri sollte eine Mischung aus konventioneller Kriegsführung, Guerilla-Angriffen und Selbstmordattentaten auf afghanische und ausländische Streitkräfte werden. Auch wollten sich die Taliban auf jene Gegenden konzentrieren, die vom Feind befreit worden waren. Laut NATO Mission Resolute Support kann das Scheitern der Taliban-Pläne für 2017 auf aggressive ANDSF-Operationen zurückgeführt, aber auch auf den Umstand, dass die Taliban den IS und die ANDSF gleichzeitig bekämpfen müssen.

Im Jahr 2017 wurden den Taliban insgesamt 4.385 zivile Opfer (1.574 Tote und 2.811 Verletzte zugeschrieben. Die Taliban bekannten sich nur zu 1.166 zivilen Opfern. Im Vergleich zum Vorjahreswert bedeutet dies einen Rückgang um 12% bei der Anzahl ziviler Opfer, die den Taliban zugeschrieben werden. Aufgrund der Komplexität der in Selbstmord- und komplexen Anschlägen involvierten Akteure hat die UNAMA oft Schwierigkeiten, die daraus resultierenden zivilen Opfer spezifischen regierungsfreundlichen Gruppierungen zuzuschreiben, wenn keine Erklärungen zur Verantwortungsübernahme abgegeben wurde. Im Jahr 2017 haben sich die Taliban zu 67 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen bekannt; dies führte zu 214 zivilen Opfern (113 Toten und 101 Verletzten). Auch wenn sich die Taliban insgesamt zu weniger Angriffen gegen Zivilist/innen bekannten, so haben sie dennoch die Angriffe gegen zivile Regierungsmitarbeiter/innen erhöht - es entspricht der Linie der Taliban, Regierungsinstitutionen anzugreifen.

Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten. Die Taliban halten auch weiterhin großes Territorium in den nördlichen und südlichen Gegenden der Provinz Helmand. Die ANDSF haben, unterstützt durch US-amerikanische Truppen, in den ersten Monaten des Jahres 2018 an Boden gewonnen, wenngleich die Taliban nach wie vor die Hälfte der Provinz Helmand unter Kontrolle halten. Helmand war lange Zeit ein Hauptschlachtfeld - insbesondere in der Gegend rund um den Distrikt Sangin, der als Kernstück des Taliban-Aufstands erachtet wird (JD News 12.3.2018; vgl. Reuters 30.3.2018). Die Taliban haben unerwarteten Druck aus ihrer eigenen Hochburg in Helmand erhalten:

Parallel zu der Ende März 2018 abgehaltenen Friedens-Konferenz in Uzbekistan sind hunderte Menschen auf die Straße gegangen, haben eine Sitzblockade abgehalten und geschworen, einen langen Marsch in der von den Taliban kontrollierten Stadt Musa Qala zu abzuhalten, um die Friedensgespräche einzufordern. Unter den protestierenden Menschen befanden sich auch Frauen, die in dieser konservativen Region Afghanistans selten außer Hauses gesehen werden.

Die Taliban geben im Kurznachrichtendienst Twitter Angaben zu ihren Opfern oder Angriffen. Ihre Angaben sind allerdings oft übertrieben. Auch ist es sehr schwierig Ansprüche und Bekennermeldungen zu verifizieren - dies gilt sowohl für Taliban als auch für den IS.

IS/ISIS/ISIL/ISKP/ISIL-K/Daesh - Islamischer Staat

Höchst umstritten ist von Expert/innen die Größe und die Gefahr, die vom IS ausgeht. So wird von US-amerikanischen Sicherheitsbeamten und weiteren Länderexpert/innen die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan mit zwischen 500 und 5.000 Kämpfern beziffert. Jeglicher Versuch die tatsächliche Stärke einzuschätzen, wird durch den Umstand erschwert, dass sich die Loyalität der bewaffneten radikalen Islamisten oftmals monatlich oder gar wöchentlich ändert, je nach ideologischer Wende, Finanzierung und Kampfsituation. Auch wurde die afghanische Regierung bezichtigt, die Anzahl der IS-Kämpfer in Afghanistan aufzublasen. Zusätzlich ist wenig über die Gruppierung und deren Kapazität, komplexe Angriffe auszuführen, bekannt. Viele afghanische und westliche Sicherheitsbeamte bezweifeln, dass die Gruppierung alleine arbeitet.

Die Fähigkeiten und der Einfluss des IS sind seit seiner Erscheinung im Jahr 2015 zurückgegangen. Operationen durch die ANDSF und die US-Amerikaner, Druck durch die Taliban und Schwierigkeiten die Unterstützung der lokalen Bevölkerung zu gewinnen, störten das Wachstum des IS und verringerten dessen Operationskapazitäten. Trotz erheblicher Verluste von Territorium, Kämpfern und hochrangigen Führern, bleibt der IS nach wie vor eine Gefährdung für die Sicherheit in Afghanistan und in der Region. Er ist dazu in der Lage, öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen (HPA) in städtischen Zentren zu verüben. Der IS hat sich nämlich in den vergangenen Monaten zu einer Anzahl tödlicher Angriffe in unterschiedlichen Teilen des Landes bekannt - inklusive der Hauptstadt. Dies schürte die Angst, der IS könne an Kraft gewinnen. Auch haben örtliche IS-Gruppen die Verantwortung für Angriffe auf Schiiten im ganzen Land übernommen.

Im Jahr 2017 wurden dem IS 1.000 zivile Opfer (399 Tote und 601 Verletzte) zugeschrieben sowie die Entführung von 81 Personen; er war damit laut UNAMA für 10% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich - eine Zunahme von insgesamt 11% im Vergleich zum Jahr 2016. Im Jahr 2017 hat sich der IS zu insgesamt 18 willkürlichen Angriffen auf Zivilist/innen oder zivile Objekte bekannt; er agiert wahllos - greift Einrichtungen der afghanischen Regierung und der Koalitionskräfte an, aber auch ausländische Botschaften. Fast ein Drittel der Angriffe des IS zielen auf schiitische Muslime ab - sechs Angriffe waren auf schiitische Glaubensstätte. Der IS begründet seine Angriffe auf die schiitische Gemeinschaft damit, dass deren Mitglieder im Kampf gegen den IS im Mittleren Osten involviert sind.

Zusätzlich dokumentierte die UNAMA im Jahr 2017 27 zivile Opfer (24 Tote und drei Verletzte) sowie die Entführung von 41 Zivilist/innen, die von selbsternannten IS-Anhängern in Ghor, Jawzjan und Sar-e Pul ausgeführt wurden. Diese Anhänger haben keine offensichtliche Verbindung zu dem IS in der Provinz Nangarhar.

Der IS rekrutierte auf niedriger Ebene und verteilte Propagandamaterial in vielen Provinzen Afghanistans. Führung, Kontrolle und Finanzierung des Kern-IS aus dem Irak und Syrien ist eingeschränkt, wenngleich der IS in Afghanistan nachhaltig auf externe Finanzierung angewiesen ist, sowie Schwierigkeiten hat, Finanzierungsströme in Afghanistan zu finden. Dieses Ressourcenproblem hat den IS in einen Konflikt mit den Taliban und anderen Gruppierungen gebracht, die um den Gewinn von illegalen Kontrollpunkten und den Handel mit illegalen Waren wetteifern. Der IS bezieht auch weiterhin seine Mitglieder aus unzufriedenen TTP-Kämpfern (Tehreek-e Taliban in Pakistan - TTP), ehemaligen afghanischen Taliban und anderen Aufständischen, die meinen, der Anschluss an den IS und ihm die Treue zu schwören, würde ihre Interessen vorantreiben.

Auch ist der IS nicht länger der wirtschaftliche Magnet für arbeitslose und arme Jugendliche in Ostafghanistan, der er einst war. Die Tötungen von IS-Führern im letzten Jahr (2017) durch die afghanischen und internationalen Kräfte haben dem IS einen harten Schlag versetzt, auch um Zugang zu finanziellen Mitteln im Mittleren Osten zu erhalten. Finanziell angeschlagen und mit wenigen Ressourcen, ist der IS in Afghanistan nun auf der Suche nach anderen Möglichkeiten des finanziellen Überlebens.

(Auszüge aus dem LIB, Pkt. 4. "Sicherheitslage")

Grundversorgungs- und Wirtschaftslage

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan auf dem Human Development Index (HDI) Rang 169 von 188. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu.

Die Verbraucherpreisinflation bleibt mäßig und wurde für 2018 mit durchschnittlich 6% prognostiziert. Der wirtschaftliche Aufschwung erfolgt langsam, da die andauernde Unsicherheit die privaten Investitionen und die Verbrauchernachfrage einschränkt. Während der Agrarsektor wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen im Jahr 2017 nur einen Anstieg von ungefähr 1.4% aufwies, wuchsen der Dienstleistungs- und Industriesektor um 3.4% bzw. 1.8%. Das Handelsbilanzdefizit stieg im ersten Halbjahr 2017, da die Exporte um 3% zurückgingen und die Importe um 8% stiegen.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 22. "Grundversorgung und Wirtschaft")

Rechtsschutz und Justizwesen in Afghanistan

Im Bereich des Rechtsschutzes und des Justizwesens in Afghanistan gibt es legislative Fortschritte; dennoch gibt es keine einheitliche und korrekte Anwendung der verschiedenen Rechtsquellen und werden Dispute überwiegend außerhalb des formellen Justizsystems gelöst. Das formale Justizsystem ist in den städtischen Zentren relativ stark verankert, in den ländlichen Gebieten aber schwächer ausgeprägt. Dem Justizsystem mangelt es an Leistungsfähigkeit, teils mangels qualifizierten Personals (insbesondere in ländlichen Gebieten), teils wegen der eingeschränkten Zugänglichkeit von Gesetzestexten; die Situation bessert sich jedoch. Innerhalb des Gerichtswesens ist auch Korruption vorhanden und sind Richterinnen und Richter und Anwältinnen und Anwälte oftmals Ziel von Bedrohung oder Bestechung durch lokale Anführer oder bewaffnete Gruppen.

(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 5. "Rechtsschutz/Justizwesen")

Sicherheitsbehörden in Afghanistan

In Afghanistan gibt es drei Ministerien, die mit der Wahrung der öffentlichen Ordnung betraut sind: das Innenministerium (MoI), das Verteidigungsministerium (MoD) und das National Directorate for Security (NDS). Das MoD beaufsichtigt die Einheiten der afghanischen Nationalarmee (ANA), während das MoI für die Streitkräfte der afghanischen Nationalpolizei (ANP) zuständig ist.

Die afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte (ANDSF) umfassen militärische, polizeiliche und andere Sicherheitskräfte. Bestandteile der ANDSF sind die afghanische Nationalarmee (ANA), die afghanische Nationalpolizei (ANP) und die afghanischen Spezialsicherheitskräfte (ASSF). Die ANA beaufsichtigt alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte inklusive der konventionellen ANA-Truppen, der Luftwaffe (AAF), des ANA-Kommandos für Spezialoperationen (ANASOC) des Spezialmissionsflügels (SMW) und der afghanischen Grenzpolizei (ABP) (die ABP seit November 2017, Anm.). Die ANP besteht aus der uniformierten afghanischen Polizei (AUP), der afghanischen Nationalpolizei für zivile Ordnung (ANCOP), der afghanischen Kriminalpolizei (AACP), der afghanischen Lokalpolizei (ALP), den afghanischen Kräften zum Schutz der Öffentlichkeit (APPF) und der afghanischen Polizei zur Drogenbekämpfung (CNPA). Auch das NDS ist Teil der ANDSF.

Die ASSF setzen sich aus Kontingenten des MoD (u. a. dem ANASOC, der Ktah Khas [Anm.: auf geheimdienstliche Anti-Terror-Maßnahmen spezialisierte Einheit] und dem SMW) und des MoI (u.a. dem General Command of Police Special Unit (GCPSU) und der ALP) zusammen.

Schätzungen der US-Streitkräfte zufolge betrug die Anzahl des ANDSF-Personals am 31. Jänner 2018 insgesamt 313.728 Mann; davon gehörten 184.572 Mann der ANA an und 129.156 Mann der ANP. Diese Zahlen zeigen, dass sich die Zahl der ANDSF im Vergleich zu Jänner 2017 um ungefähr 17.980 Mann verringert hat. Die Ausfallquote innerhalb der afghanischen Sicherheitskräfte variiert innerhalb der verschiedenen Truppengattungen und Gebieten. Mit Stand Juni 2017 betrug die Ausfallquote der ANDSF insgesamt 2.31%, was im regulären Dreijahresdurchschnitt von 2.20% liegt.

Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. In einer öffentlichen Erklärung der Taliban Führung zum Beginn der Frühjahrsoffensive 2018 (25. April 2018) hieß es: "Die Operation Al-Khandak wird sich neuer, komplexer Taktiken bedienen, um amerikanische Invasoren und ihre Unterstützer zu zermalmen, zu töten und gefangen zu nehmen". Bereits der Schwerpunkt der Frühjahroffensive 2017 "Operation Mansouri" lag auf "ausländischen Streitkräften, ihrer militärischen und nachrichtendienstlichen Infrastruktur sowie auf der Eliminierung ihres heimischen Söldnerapparats.". Afghanische Dolmetscher, die für die internationalen Streitkräfte tätig waren, wurden als Ungläubige beschimpft und waren Drohungen der Taliban und des Islamischen Staates (IS) ausgesetzt.

Aktuelle Tendenzen und Aktivitäten der ANDSF

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt. Die USA erhöhten ihren militärischen Einsatz in Afghanistan: Im ersten Quartal des Jahres 2018 wurden US-amerikanische Militärflugzeuge nach Afghanistan gesandt; auch ist die erste U.S. Army Security Force Assistance Brigade, welche die NATO-Kapazität zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Sicherheitskräfte verstärken soll, in Afghanistan angekommen. Während eines Treffens der NATO-Leitung am 25.5.2017 wurde verlautbart, dass sich die ANDSF-Streitkräfte zwar verbessert hätten, diese jedoch weiterhin Unterstützung benötigen würden.

Die ANDSF haben in den vergangenen Monaten ihren Druck auf Aufständische in den afghanischen Provinzen erhöht; dies resultierte in einem Anstieg der Angriffe regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Zivilisten in der Hauptstadt. Wegen der steigenden Unsicherheit in Kabul verlautbarte der für die Resolute Support Mission (RS) zuständige US-General John Nicholson, dass die Sicherheitslage in der Hauptstadt sein primärer Fokus sei. Die ANDSF weisen Erfolge in urbanen Zentren auf, hingegen sind die Taliban in ländlichen Gebieten, wo die Kontrolle der afghanischen Sicherheitskräfte gering ist, erfolgreich. Für das erste Quartal des Jahres 2018 weisen die ANDSF einige Erfolge wie die Sicherung der Konferenz zum Kabuler Prozess im Februar und den Schutz der Einweihungszeremonie des TAPI-Projekts in Herat auf. Nachdem die Operation Shafaq II beendet wurde, sind die ANDSF-Streitkräfte nun an der Operation Khalid beteiligt und unterstützen somit Präsident Ghanis Sicherheitsplan bis 2020.

Reformen der ANDSF

Die afghanische Regierung versucht die nationalen Sicherheitskräfte zu reformieren. Durch die Afghanistan Compact Initiative sollen u.a. sowohl die ANDSF als auch ihre einzelnen Komponenten ANA und ANP reformiert und verbessert werden. Ein vom Joint Security Compact Committee (JSCC) durchgeführtes Monitoring der afghanischen Regierung ergab, dass die für Dezember 2017 gesetzten Ziele des Verteidigungs- und des Innenministeriums zum Großteil erreicht wurden. Das Aufstocken des ANASOC, der Ausbau der AAF, die Entwicklung von Führungskräften, die Korruptionsbekämpfung und die Vereinheitlichung der Führung innerhalb der afghanischen Streitkräfte sind einige Elemente der 2017 angekündigten Sicherheitsstrategie der afghanischen Regierung. Auch soll diese im Rahmen der neuen US-amerikanischen Strategie für Südasien Beratung und Unterstützung bei Lufteinsätzen bekommen.

Mit Unterstützung der RS-Mission implementieren und optimieren das MoI und das MoD verschiedene Systeme, um ihr Personal präzise zu verwalten, zu bezahlen und zu beobachten. Ein Beispiel dafür ist das Afghan Human Resource Information Management System (AHRIMS), welches alle Daten inklusive Namen, Rang, Bildungsniveau, Ausweisnummer und aktuelle Position des ANDSF-Personals enthält. Auch ist das Afghan Personnel Pay System (APPS), das die AHRIMS-Daten u.a. mit Vergütungs- und in Lohndaten integrieren wird, in Entwicklung.

Geheimdienstliche Tätigkeiten

Das Sammeln sowie der Austausch von geheimdienstlichen Daten verbesserte sich sowohl im Verteidigungs- als auch im Innenministerium. Die drei geheimdienstlichen Verbindungszentren, das Network Targeting and Exploitation Center (NTEC) im Innenministerium, das National Military Intelligence Center (NMIC) in der ANA (unter dem Verteidigungsministerium, Anm.) und das Nasrat, auch National Threat Intelligence Center, unter dem NDS, tauschen sich regelmäßig aus. Obwohl der Austausch von geheimdienstlichen Informationen als Stärke der ANDSF gilt, blieb Mitte 2017 die geheimdienstliche Analyse schwach. Gemäß einem Bericht von SIGAR finden Ausbildungen zur Verbesserung der geheimdienstlichen Fähigkeiten des MoI und des MoD im Rahmen der Resolute Support Mission statt.

Das National Directorate for Security (NDS) fungiert als Geheimdienst und ist für die Untersuchung von Strafsachen zuständig, welche die nationale Sicherheit betreffen. Die Ermittlungsabteilung des NDS betreibt ein Untersuchungsgefängnis in Kabul. Die Bush- und die Obama-Administration konzentrierten sich auf den Ausbau des ANAund ANP-Personals und vernachlässigten dadurch den afghanischen Geheimdienst. Die Rekrutierungsmethode für NDS-Personal war mit Stand Juli 2017 sehr restriktiv und der Beitritt für Bewerber ohne Kontakte fast unmöglich.

Afghan National Police (ANP) und Afghan Local Police (ALP)

Die ANP gewährleistet die zivile Ordnung und bekämpft Korruption sowie die Produktion und den Schmuggel von Drogen. Der Fokus der ANP liegt derzeit aber auf der Bekämpfung von Aufständischen gemeinsam mit der ANA. Das Langzeitziel der ANP ist es weiterhin, sich in einen traditionellen Polizeiapparat zu verwandeln. Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug das ANP-Personal etwa 129.156 Mann. Im Vergleich zu Jänner 2017 hat sich die Anzahl der ANP-Streitkräfte um 24.841 Mann verringert.

Quellen zufolge dauert die Grundausbildung für Streifenpolizisten bzw. Wächter acht Wochen. Für höhere Dienste dauern die Ausbildungslehrgänge bis zu drei Jahren. Lehrgänge für den höheren Polizeidienst finden in der Polizeiakademie in Kabul statt, achtwöchige Lehrgänge für Streifenpolizisten finden in Polizeiausbildungszentren statt, die im gesamten Land verteilt sind. Die standardisierte Polizeiausbildung wird nach militärischen Gesichtspunkten durchgeführt, jedoch gibt es Uneinheitlichkeit bei den Ausbildungsstandards. Es gibt Streifenpolizisten, die Dienst verrichten, ohne eine Ausbildung erhalten zu haben. Die Rekrutierungs- und Schulungsprozesse der Polizei konzentrierten sich eher auf die Quantität als auf den Qualitätsausbau und erfolgten hauptsächlich auf Ebene der Streifenpolizisten statt der Führungskräfte. Dies führte zu einem Mangel an Professionalität. Die afghanische Regierung erkannte die Notwendigkeit, die beruflichen Fähigkeiten, die Führungskompetenzen und den Grad an Alphabetisierung innerhalb der Polizei zu verbessern.

Die Mitglieder der ALP, auch bekannt als "Beschützer", sind meistens Bürger, die von den Dorfältesten oder den lokalen Anführern zum Schutz ihrer Gemeinschaften vor Angriffen Aufständischer designiert werden. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur lokalen Gemeinschaft wurde angenommen, dass die ALP besser als andere Streitkräfte in der Lage sei, die Sachverhalte innerhalb der Gemeinde zu verstehen und somit gegen den Aufstand vorzugehen. Die Einbindung in die örtliche Gemeinschaft ist ein integraler Bestandteil bei der Einrichtung der ALP-Einheiten, jedoch wurde die lokale Gemeinschaft in einigen afghanischen Provinzen diesbezüglich nicht konsultiert, so lokale Quellen. Finanziert wird die ALP ausschließlich durch das US-amerikanische Verteidigungsministerium und die afghanische Regierung verwaltet die Geldmittel.

Die Personalstärke der ALP betrug am 8. Februar 2017 etwa 29.006 Mann, wovon 24.915 ausgebildet waren, 4.091 noch keine Ausbildung genossen hatten und 58 sich gerade in Ausbildung befanden. Die Ausbildung besteht in einem vierwöchigen Kurs zur Benutzung von Waffen, Verteidigung an Polizeistützpunkten, Thematik Menschenrechte, Vermeidung von zivilen Opfern usw.

Die monatlichen Ausfälle der ANP im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 ca. 2%. Über die letzten zwölf Monate blieben sie relativ stabil unter 3%.

Afghanische Nationalarmee (ANA)

Die afghanische Nationalarmee (ANA) überwacht und kommandiert alle afghanischen Boden- und Luftstreitkräfte. Die ANA ist für die externe Sicherheit verantwortlich, dennoch besteht ihre Hauptaufgabe darin, den Aufstand im Land zu bekämpfen.

Mit Stand 31. Jänner 2018 betrug der Personalstand der ANA 184.572 Mann. Im Vergleich zum Jänner 2017 ist die Anzahl der ANA-Streitkräfte um 6.861 Mann gestiegen. Die monatlichen Ausfälle der ANA im vorhergehenden Quartal betrugen mit Stand 26. Februar 2018 im Durchschnitt 2%. Im letzten Jahr blieben sie relativ stabil unter 2%.

Quellen zufolge beginnt die Grundausbildung der ANA-Soldaten am Kabul Military Training Center (KMTC) und beträgt zwischen sieben und acht Wochen. Anschließend gibt es verschiedene weiterführende Ausbildungen für Unteroffiziere und Offiziere.

Resolute Support Mission (RS)

Die "Resolute Support Mission" ist eine von der NATO geführte Mission, die mit 1. Jänner 2015 ins Leben gerufen wurde. Hauptsächlich konzentriert sie sich auf Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsaktivitäten auf ministerieller und Behördenebene sowie in höheren Rängen der Armee und Polizei. Die Personalstärke der Resolute Support Mission beträgt 13.000 Mann (durch 39 NATO-Mitglieder und andere Partner). NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg verlautbarte am 9. November 2017, dass sie zukünftig auf 16.000 Mann angehoben werden soll. Die RS-Mission befasst sich mit zahlreichen Aspekten bzw. Problematiken der afghanischen Sicherheitsbehörden. Involviert ist die Mission z. B. in die Förderung von Transparenz, in den Kampf gegen Korruption, den Ausbau der Streitkräfte, die Verbesserung des Geheimdienstes usw.

Das Hauptquartier befindet sich in Kabul/Bagram mit vier weiteren Niederlassungen in Mazar-e Sharif im Norden, Herat im Westen, Kandahar im Süden und Laghman im Osten. Die US-amerikanischen Streitkräfte in Afghanistan (United States Forces-Afghanistan, USFOR-A) und die Resolute Support Mission werden von General John Nicholson koordiniert. Korruption, Vetternwirtschaft, schwache Führung usw. sind einige der Faktoren, welche die Leistungsfähigkeit der ANDSF unterminieren. Einer Quelle zufolge ist der Einsatz von ausländischen Sicherheitskräften ein wirksames Mittel für die Verbesserung von einigen Bereichen wie die Institutionalisierung einer meritokratischen Anwerbung, Beförderungen im afghanischen Sicherheitsbereich und die Entpolitisierung der ANDSF.

(Auszug aus dem LIB, Pkt. 6. "Sicherheitsbehörden")

Folter und unmenschliche Behandlung

Laut den Artikeln 29 und 30 der afghanischen Verfassung ist Folter verboten. Aussagen und Geständnisse, die durch Zwang erlangt wurden, sind ungültig. Auch ist Afghanistan Vertragsstaat der vier Genfer Abkommen von 1949, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) sowie des römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC). Am 22. April 2017 genehmigte die afghanische Regierung ein neues Anti-Folter-Gesetz und erweiterte das im ursprünglichen Strafgesetzbuch enthaltene Folterverbot. Das neue Gesetz bezieht sich jedoch nur auf Folterungen, die im Rahmen des Strafrechtssystems erfolgt sind, und nicht eindeutig auf Misshandlungen, die von militärischen sowie anderen Sicherheitskräften verübt werden. Fehlende Regelungen zur Entschädigung von Folteropfern wurden im August 2017 durch ein entsprechendes Addendum ergänzt.

Trotz dieser Vorgaben gibt es zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch Regierungsbeamte, Sicherheitskräfte, Gefängnispersonal und Polizei. Quellen zufolge wenden die Sicherheitskräfte weiterhin exzessive Gewalt an, einschließlich Folter und Gewalt gegen Zivilisten. Personen, die im Rahmen des bewaffneten Konflikts festgenommen wurden, werden insbesondere während des ersten Verhörs gefoltert, um Geständnisse zu erhalten.

Im Zuge einer Befragung gaben für den Zeitraum 1.1.2015 - 31.12.2016 181 (39%) von 469 befragten Personen an, von den afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräften (ANDSF) gefoltert worden zu sein. Auch 38 (45%) von 85 befragten Kinder gaben an im Berichtszeitraum Opfer von Folter oder Missbräuchen geworden zu sein. Die meisten Misshandlungen fanden unter der Obhut des National Directorate of Security (NDS) und der afghanischen Nationalpolizei statt (ANP).

Zwei Jahre nach der Verlautbarung des Nationalplans von 2015 zur Eliminierung der Folter durch die afghanische Regierung, hat diese einige dauerhafte Fortschritte gemacht, insbesondere auf der Gesetzesebene. Zahlreiche im Nationalplan eingegangene Hauptverpflichtungen wurden jedoch nur teilweise verwirklicht

(Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 7. "Folter und unmenschliche Behandlung")

Binnenflüchtlinge

Wegen des Konflikts wurden im Jahr 2017 insgesamt 475.433 Menschen in Afghanistan neu zu Binnenvertriebenen (IDPs). Im Zeitraum 2012-2017 wurden insgesamt 1.728.157 Menschen im Land zu Binnenvertriebenen.

Zwischen 1.1.2018 und 15.5.2018 wurden 101.000 IDPs registriert. 23% davon sind erwachsene Männer, 21% erwachsene Frauen und 55% minderjährige Kinder (UN OCHA 15.5.2018).

Zwischen 1.1.2018 und 29.4.2018 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Kunduz und Faryab (USAID 30.4.2018). Mit Stand Dezember 2017 waren die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Binnenvertriebenen Herat, Nangarhar, Kabul, Kandahar, Takhar, Baghlan, Farah, Balkh, Herat, Kunduz, Kunar, Khost, Nimroz, Logar, Laghman und Paktya. Vertriebene Bevölkerungsgruppen befinden sich häufig in schwer zugänglichen und unsicheren Gebieten, was die afghanischen Regierungsbehörden und Hilfsorganisationen bei der Beurteilung der Lage bzw. bei Hilfeleistungen behindert. Ungefähr 30% der 2018 vertriebenen Personen waren mit Stand 21.3.2018 in schwer zugänglichen Gebieten angesiedelt.

Die meisten IDPs stammen aus unsicheren ländlichen Ortschaften und kleinen Städten und suchen nach relativ besseren Sicherheitsbedingungen sowie Regierungsdienstleistungen in größeren Gemeinden und Städten innerhalb derselben Provinz. Mit Stand Dezember 2017 lebten 54% der Binnenvertriebenen in den afghanischen Provinzhauptstädten. Dies führte zu weiterem Druck auf die bereits überlasteten Dienstleistungen sowie die Infrastruktur sowie zu einem zunehmenden Kampf um die Ressourcen zwischen den Neuankömmlingen und der einheimischen Bevölkerung.

Die Mehrheit der Binnenflüchtlinge lebt, ähnlich wie Rückkehrer aus Pakistan und Iran, in Flüchtlingslagern, angemieteten Unterkünften oder bei Gastfamilien. Die Bedingungen sind prekär. Der Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und wirtschaftlicher Teilhabe ist stark eingeschränkt. Der hohe Konkurrenzdruck führt oft zu Konflikten. Ein Großteil der Binnenflüchtlinge ist auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Der begrenzte Zugang zu humanitären Hilfeleistungen führt zu Verzögerungen bei der Identifizierung, Einschätzung und rechtzeitigen Unterstützung von Binnenvertriebenen. Diesen fehlt weiterhin Zugang zu grundlegendem Schutz, einschließlich der persönlichen und physischen Sicherheit sowie Unterkunft. Vor allem binnenvertriebene Familien mit einem weiblichen Haushaltsvorstand haben oft Schwierigkeiten grundlegende Dienstleistungen zu erhalten, weil sie keine Identitätsdokumente besitzen. Berichten zufolge werden viele Binnenvertriebene diskriminiert, haben keinen Zugang zu angemessenen Sanitäranlagen sowie anderen grundlegenden Dienstleistungen und leben unter dem ständigen Risiko, aus ihren illegal besetzten Quartieren delogiert zu werden.

Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Rückkehrende sind wegen des Mangels an landwirtschaftlichem Besitz und Vermögen besonders gefährdet. Berichten zufolge brauchen mehr als 80% der Binnenvertriebenen Nahrungsmittelhilfe. Die afghanische Regierung kooperierte mit dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, Rückkehrern und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Unterstützungsfähigkeit der afghanischen Regierung gegenüber vulnerablen Personen - inklusive Rückkehrern aus Pakistan und Iran - ist beschränkt und auf die Hilfe durch die internationale Gemeinschaft angewiesen. Die Regierung hat einen Exekutivausschuss für Vertriebene und Rückkehrer sowie einen politischen Rahmen und einen Aktionsplan eingerichtet, um die erfolgreiche Integration von Rückkehrern und Binnenvertriebenen zu fördern. Im Rahmen der humanitären Hilfe wurden IDPs je nach Region und klimatischen Bedingungen unterschiedlich unterstützt, darunter Nahrungspakete, Non-Food-Items (NFI), grundlegende Gesundheitsdienstleistungen, Hygienekits usw.

Organisationen wie Afghanaid, Action Contre La Faim (ACF), Agency for Technical Cooperation and Development (ACTED), Afghan Red Crescent Society (ARCS), Afghanistan National Disaster Management Authority (ANDMA), CARE, Danish Committee for Aid to Afghan Refugees (DACAAR), IOM, Danish Refugee Council (DRC), New Consultancy and Relief Organization (NCRO), Save the Children International (SCI), UN's Children Fund (UNICEF), UNHCR, World Food Programme (WFP) bieten u.a. Binnenvertriebenen Hilfeleistungen in Afghanistan an.

Flüchtlinge in Afghanistan

Die afghanischen Gesetze sehen keine Gewährung von Asyl oder Flüchtlingsstatus vor und es existiert kein staatliches System zum Schutz von Flüchtlingen aus anderen Ländern.

In Afghanistan leben pakistanische Flüchtlinge, die 2014 aus Nord-Waziristan in die Provinzen Khost und Paktika geflüchtet sind.

42.262 dieser Flüchtlinge sind in der Provinz Khost registriert: Das Gulan-Flüchtlingslager in Khost beherbergt 13.167 pakistanische Flüchtlinge und der Rest lebt in anderen Distrikten der Provinz Khost. In der Provinz Paktika wurden 2016 35.949 pakistanische Flüchtlinge registriert. In den Provinzen Khost und Paktika wurden ca. 76.925 pakistanische Flüchtlinge aus Nord-Waziristan registriert und verifiziert. In den urbanen Zentren leben ungefähr 505 Asylwerber, die auf die Verabschiedung eines Asylgesetzes warten. Ihre lokale Integration ist aus rechtlichen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und anderen Gründen derzeit unmöglich; auch bleiben die Umsiedlungsmöglichkeiten eingeschränkt.

(Auszug aus dem LIB, Pkt. 21. "Binnenflüchtlinge")

1.5.2. Lage der Heimatprovinz bzw. dem Heimatdistrikt des Beschwerdeführers in Afghanistan:

Die Provinz ist auch unter den Namen Rozgan oder Uruzganis bekannt und liegt in Zentralafghanistan. Sie grenzt nördlich an die Provinz Daikundi, südlich an Zabul und Kandahar, südwestlich an Helmand und östlich an Ghazni. Die Provinz-Hauptstadt ist Tarinkot. Sie besteht ausfolgenden Distrikten: Shahid-e-Hassas/Charchino, Dehrawud, Tarinkot/Tirinkot, Chora/Chinarto, Khasuruzgan und Gizab. Der Distrikt Gizab, früher Teil von Daikundi, fällt nun unter die Verwaltung von Uruzgan. Eine Abzweigung der Ring Road, die sogenannte Kandahar-Uruzgan-Autobahn, führt durch die Provinz.

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 362.253 geschätzt. Uruzgan ist mehrheitlich von Paschtunen und ihren Teilstämmen Popalzi, Achakzai, Noorzai, Barakzai, Alkozai, Durrani bewohnt. Weitere in der Provinz lebende Ethnien sind Hazara und Kuchi.

Uruzgan war 2017 die Provinz mit der viert-höchsten Opium-Produktion Afghanistans. Die Regierung plant das Anlegen von Pistazien-Feldern in Kandahar, Uruzgan und Helmand, um den lokalen Bauern eine Alternative zur Opium-Produktion zu bieten. Die Provinz Uruzgan soll 140 Felder bekommen.

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Der Provinz Uruzgan - lange Zeit eine der umstrittensten Provinzen im Süden des Landes - wird nachgesagt, der Geburtsort des Talibangründers Mullah Omar zu sein. Im Jahr 2001 war sie Ort einer Guerillaoperation - geführt vom ehemaligen Präsident Karzai - um die Taliban zu vertreiben. Die Provinz hat somit für beide Seiten des Konfliktes symbolischen Wert. Sowohl im Dezember 2017, als auch im Jänner und März 2018 zählte Uruzgan Berichten zufolge zu den volatilen Provinzen im Süden Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen sind in einer Anzahl von Distrikten aktiv. Auch zählt Uruzgan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 170 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Uruzgan 575 zivile Opfer (87 getötete Zivilisten und 488 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 26% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Uruzgan gehört zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge im Jahr 2017.

Militärische Operationen in Uruzgan

Die afghanischen Sicherheitskräfte sowie die afghanische Armee führen hartnäckig Anti- Terrorismus Operationen in der Provinz durch, um die Aktivitäten von Aufständischen und Terroristen zu verringern. Insbesondere in den unruhigen Distrikten der Provinz werden regierungsfeindliche bewaffnete Kräfte bekämpft.

In den Distriken Chora, Charchino, Gizab und der Hauptstadt Tirinkot werden Antiterror- Operationen durchgeführt, um Aufständische zu bekämpfen (Pajhwok 17.2.2018; vgl. Pajhwok 28.11.2017, Tolonews 11.4.2017, Khaama Press 9.2.2017, Borneo Bulletin 28.1.2017, Tolonews 23.1.2017, Khaama Press 1.1.2017); dabei werden Aufständische getötet - manchmal auch hochrangige Anführer. Luftangriffe werden durchgeführt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt.

Um die nationalen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen die Taliban zu unterstützen, greifen Hunderte von Bewohnern der Distrikte Tirinkot, Khasuruzgan, Charchino und Dehrawud Ende Jänner 2018 zu Waffen. Die Maßnahme wurde von der Provinzregierung begrüßt.

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Uruzgan

Uruzgan gehört zu den Provinzen des Landes, in denen die Opium-Produktion und dadurch die Präsenz der Taliban im Laufe des Jahres 2017 gestiegen ist. Einige Distrikte der Provinz sind umkämpft. Berichten zufolge sind in den Distrikten Chora, Charchino, Gizab und Tirinkot die Taliban aktiv. So wurde beispielsweise das Hauptkrankenhaus der Provinz im September aufgrund von Drohungen der Taliban gegenüber Ärzten vorübergehend geschlossen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden im Süden und im Nordosten der Provinz Uruzgan Zusammenstöße zwischen dem IS und den Streitkräften gemeldet, während zwischen dem 16.7.2017 und dem 31.1.2018 keine Vorfälle registriert wurden.

(Auszug bzw. Zusammenfassung aus dem LIB, Pkt. 3.32. "Uruzgan")

1.5.3. Lage in der Stadt Mazar-e Sharif:

Allgemeines

Mazar-e Sharif ist die Provinzhauptstadt der Provinz Balkh, die sich im Norden Afghanistans befindet. Die Bevölkerung von Balkh ist heterogen, wobei Tadschiken und Paschtunen die größten Gruppen bilden, gefolgt von Usbeken, Hazara, Turkmenen, Arabern

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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