Entscheidungsdatum
21.10.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I415 2158906-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Manuel Dietrich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge: BFA) vom 05.05.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 05.10.2018 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer nigerianischer Herkunft reiste am 21.01.2015 legal per Schengenvisum nach Griechenland. Von dort gelangte er auf der Ladefläche eines LKW nach Österreich, wo der Beschwerdeführer am 05.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, den er mit seiner Homosexualität begründete. Er führte weiters aus bereits verheiratet zu sein und drei Söhne in Nigeria zu haben.
2. Am 03.02.2017 erging seitens des StandesamtsXXXX eine Anfrage an das BFA mit der Bitte um Übermittlung aller relevanter Daten sowie den aktuellen Status im Asylverfahren hinsichtlich des Beschwerdeführers, weil dieser in XXXX die Ehe schließen möchte.
3. Am 06.04.2017 wurde der Beschwerdeführer im Beisein seiner Lebensgefährtin vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Befragt nach seinem Fluchtgrund führte er aus vor 17 Jahren herausgefunden zu haben, dass er sich in betrunkenem Zustand zu Männern hingezogen fühle. Jedes Mal, wenn er zu Partys gegangen sei, habe er sich von Männern angezogen gefühlt. 2014 habe ihn seine Frau in flagranti mit seinem Partner erwischt. Daraufhin sei sein Freund geflohen und habe der Beschwerdeführer ein paar Dinge genommen und sei auch weggegangen. Dieser Vorfall habe die Beziehung zu seiner Frau beendet. Homosexuelle Kontakte pflege er auf Nachfrage in Österreich nicht, habe er doch deswegen seine Familie zurücklassen müssen. Beim XXXX Verkauf habe er schließlich seine Freundin kennengelernt. Er wohne in der Eigentumswohnung seiner Lebensgefährtin mit dieser und dem gemeinsamen Sohn.
4. Mit angefochtenem Bescheid vom 27.07.2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria gemäß (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Als Frist für seine freiwillige Ausreise legte die belangte Behörde einen Zeitraum von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).
5. Mit Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 18.05.2017, bei der belangten Behörde eingelangt am 22.05.2017, erhob der Beschwerdeführer vollinhaltlich Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dabei wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde ihren Bescheid im Wesentlichen damit begründe, dass dem Beschwerdeführer nicht geglaubt werde, dass er homosexuell sei. Diesbezüglich monierte der Beschwerdeführer auch nicht lediglich ausgeführt zu haben homosexuell, sondern bisexuell zu sein. Hierin bestehe bekanntermaßen ein eklatanter Unterschied. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einvernahme ja auch angegeben traditionell verheiratet zu sein. Da er sich allerdings auch zu Männern hingezogen fühle, pflege er auch sexuelle Beziehungen mit Männern. Es liege staatliche Verfolgung vor, da es keinerlei staatliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren in Nigeria gebe. Hinzukomme, dass Transsexuelle während der Verbüßung der Haftstrafen von den Vollzugsbeamten drangsaliert und gepeinigt werden. Auch Folter sei diesbezüglich nicht selten an der Tagesordnung. Bezüglich seiner Bisexualität liege eine unrichtige, weil widersprüchliche Beweiswürdigung vor. Insbesondere werde weiters Spruchpunkt III. des Bescheides der belangten Behörde bekämpft, wonach kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt wurde. Hier sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen in einer Beziehung stehe, welcher auch ein Kind entsprungen sei.
6. Mit am 07.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz brachte der Beschwerdeführer, nunmehr vertreten durch RA Mag. Manuel Dietrich, einen Fristsetzungsantrag wegen Verletzung der Entscheidungspflicht beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Mit Schreiben vom 19.09.2018 übermittelte der Beschwerdeführer eine Reihe von Unterstützungserklärungen und sonstige Unterlagen als Nachweis seiner Integrationsbemühungen.
8. Am 05.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung und der belangten Behörde eine mündliche Beschwerdeverhandlung durch, wobei die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers zeugenschaftlich einvernommen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der unbescholtene Beschwerdeführer ist volljährig, Staatsangehöriger Nigerias, christlichen Glaubens (Penticostal) und gehört der Volksgruppe der Esan an. Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist legal aus Nigeria mit einem vom 25.01.2015 bis 22.02.2015 gültigen griechischen Schengen Visum ausgereist und hält sich (mindestens) seit 05.02.2015 in Österreich auf.
Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig und ist er daher auch erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer ist mit einer nigerianischen Staatsangehörigen verheiratet und hat mit dieser drei minderjährige Kinder. Frau, Kinder und Mutter des Beschwerdeführers leben allesamt im Herkunftsstaat und hat der Beschwerdeführer regelmäßig telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und über diese auch zu seinen Kindern.
Der Beschwerdeführer hat in Nigeria zwölf Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer arbeitet in Österreich als Straßenzeitungsverkäufer - zuerst in XXXX, mittlerweile in der XXXX Marktgemeinde XXXX, was naturgemäß mit langwierigem Pendeln von drei Stunden pro Richtung, sohin sechs Stunden pro Tag einhergeht - und bezieht seit Mitte 2017 auf eigenen Wunsch hin - außer der Krankenversicherung - keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung. Der Beschwerdeführer legte eine Einstellungszusage als Abwäscher und Küchenhilfe bei einem Restaurant in XXXX vor, wobei er in einer 35-Stunden-Woche € 1.349,- netto ins Verdienen bringen würde.
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner österreichischen Lebensgefährtin, mit der der Beschwerdeführer seit November 2015 ein Paar ist und seit Jänner 2017 an gemeinsamer Adresse wohnt, und des gemeinsamen am XXXX geborenen Sohnes, der ebenfalls österreichischer Staatsbürger ist, wobei eine gemeinsame Obsorge seitens der Eltern gem. § 177 Abs ABGB vor dem Standesamt XXXX erklärt wurde. Seine Lebensgefährtin arbeitet zwei Mal pro Woche als Rezeptionistin in einem Hotel. In dieser Zeit passen der Beschwerdeführer oder die Eltern der Lebensgefährtin auf den gemeinsamen Sohn auf. Der Beschwerdeführer leistet monatliche Alimentationszahlungen für seinen Sohn an seine Lebensgefährtin: diese betrugen bis November 2017 € 150,- pro Monat, seitdem € 250,- pro Monat. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Lebensgefährtin in der Kindesbetreuung.
Betreffend seine Integration brachte der Beschwerdeführer zahlreiche Unterstützungsschreiben vornehmlich von Bekanntschaften aus seiner Tätigkeit als Zeitungsverkäufer und eine Liste an Unterschriftserklärungen für ein Bleiberecht in Österreich in Vorlage. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis. Sonstige tiefergehenden sozialen Bindungen oder Vereinsmitgliedschaften konnten nicht festgestellt werden. In Ermangelung sonstiger Anknüpfungspunkte wird festgestellt, dass kein schützenswertes Privatleben vorliegt.
Der Beschwerdeführer brachte ein Deutsch Zertifikat Niveau A2 in Vorlage. Der Beschwerdeführerbesucht aktuell keinen Deutschkurs, jedoch hilft ihm seine Lebensgefährtin beim Deutschlernen.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war oder sein wird.
Es haben sich im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine homo- oder bisexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ergeben und konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria deshalb Probleme mit seiner nigerianischen Ehefrau bekommt hat und deshalb sein Herkunftsland verlassen hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Nigeria aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen bzw. eine solche im Falle der Rückkehr zu befürchten habe.
Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.
Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 05.05.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria auszugsweise zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens wurden dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung die aktuellen Länderberichte übermittelt.
Es ist auch keine maßgebliche Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen aktuellen Ausführungen zu Nigeria vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Die individuelle Situation für den Beschwerdeführer hinsichtlich seines Herkunftsstaates Nigeria hat sich nicht in einem Umfang verändert, der auf eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes schließen lässt. Auch die Rechtslage blieb, soweit entscheidungsrelevant, unverändert.
Die wesentlichen Feststellungen lauten:
Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.
In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.
Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.
Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.
In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.
Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.
Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.
Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.
Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert. Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.
Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige. Es kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existentiellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird.
Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10% der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.
Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.
Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind - unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen - sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).
In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" (SSMPA) in Kraft getreten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship"). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deutschen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz gekommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).
Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität - weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).
Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei involviert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeitraum 172 Übergriffe bzw. (Menschen-)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).
Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z.B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der Generalinspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).
Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).
Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).
Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).
UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).
Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).
Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).
Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homosexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).
Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche - im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen - unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" freizukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).
Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015)
Nordnigeria - Boko Haram
In den ersten eineinhalb Jahren Amtszeit hat es Buhari geschafft, die Bedrohung durch Boko Haram (Jama'atu Ahlis Sunna Lidda'awati wal-Jihad (USDOS 2.6.2016) weitgehend einzudämmen (AA 4.2017a). Boko Haram ist seit Mitte 2010 für zahlreiche schwere Anschläge mit tausenden von Todesopfern verantwortlich. Seitdem fielen diesem Konflikt unterschiedlichen unabhängigen Schätzungen zufolge zwischen 20.000 und 30.000 Menschenleben zum Opfer (AA 4.2017a).
Im Nordosten und Zentrum Nigerias hatte sich die Sicherheitslage insgesamt verbessert. Die nigerianischen Streitkräfte konnten den Großteil der von Boko Haram eingenommenen Territorien wieder zurückerobern, allerdings gelingt es ihnen kaum, diese Gebiete zu sichern (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 19.7.2017). In den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es weiterhin zu tödlichen Anschlägen der Islamisten; nur die Distriktzentren gelten als sicher (AA 21.11.2016).
Die von Boko Haram betroffenen Staaten haben sich im Februar 2015 auf die Aufstellung einer 8.700 Mann starken Multinational Joint Task Force (MNJTF) zur gemeinsamen Bekämpfung von Boko Haram verständigt (AA 4.2017a). Bei der im April gestarteten Offensive des Militärs im Sambisa Forest, dem wichtigsten Rückzugsraum Boko Harams, konnten bis Anfang Mai ca. 700 von Boko Haram entführte Frauen und Kinder befreit werden (AA 21.11.2016). Bis Oktober 2015 konnte Boko Haram aus allen von ihr kontrollierten Städten und aus fast allen Landkreisen im Nordosten Nigerias vertrieben werden, ohne das es den nigerianischen Sicherheitsbehörden bisher gelungen ist, diese Gebiete dann auch abzusichern und vor weiteren Angriffen der Islamisten zu schützen. Mit Selbstmordanschlägen in den Städten und Angriffen auf einzelne Orte vor allen in ländlichen Regionen, bleiben die Islamisten weiterhin aktiv (AA 4.2017). In den Bundesstaaten Adamawa und Borno gab es die meisten Anschläge (USDOS 19.6.2017). Boko Haram übte weiterhin Morde, Bombenanschläge, Selbstmordanschläge und Angriffe auf zivile und militärische Ziele aus (USDOS 19.7.2017). Beim verheerendsten Angriff der Boko Haram seit Monaten sind in Nigeria mindestens 50 Menschen ums Leben gekommen, als ein Konvoi mit Mitarbeitern des staatlichen Ölkonzerns NNPC am 25.7.2017 im Nordosten des Landes in einen Hinterhalt geriet. Auch Soldaten und Mitarbeiter der Universität Maiduguri waren unter den Opfern. Der Konvoi wurde nahe Magumeri im Bundesstaat Borno angegriffen (DS 28.7.2017).
Frauen und Kinder gerieten in den vergangenen zwei Jahren zunehmend auch ins Visier von Boko Haram, die sie nach ihrer Entführung zur Konversion zum Islam und zur Heirat mit Kämpfern zwangen, als Arbeitssklaven missbrauchten oder verkauften (AA 21.11.2016). Viele von den Frauen werden sexuell versklavt oder zu Kämpferinnen ausgebildet (AI 14.4.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und als Selbstmordattentäterinnen eingesetzt (AI 24.2.2016). Außerdem setzt Boko Haram Kindersoldaten ein (USDOS 3.3.2017). Nach langen Verhandlungen mit der nigerianischen Regierung hat die Extremistengruppe Boko Haram 82 weitere der über 200 Mädchen freigelassen - im Austausch für einige von den Behörden festgehaltene Boko-Haram-Verdächtige (DS 6.5.2017; vgl. FAZ 6.5.2017). Die 82 freigelassenen Mädchen gehören zu den rund 270 meist christlichen Schülerinnen, die im April 2014 in der Stadt Chibok im Nordosten Nigerias in der Nacht entführt worden waren (DW 6.5.2017).
Boko Haram möchte eine Version vom Islam durchsetzen, die es für Muslimen "haram" macht oder ihnen verbietet an irgendeiner politischen oder sozialen Tätigkeit teilzunehmen, die mit dem Westen assoziiert wird. Dazu gehört das Wählen, das Tragen von Hemden und Hosen oder säkulare Bildung. Boko Haram betrachtet den nigerianischen Staat als von Ungläubigen betrieben, ungeachtet dessen, ob der Präsident muslimisch ist oder nicht (BBC 24.11.2016). Grob datiert werden kann die Entstehung der Gruppe auf das Jahr 2002. Sie hat sich in Maiduguri im Norden Nigerias formiert. Ihr Vorgehen war zunächst friedlich. Experten sehen die anfängliche Attraktivität von Boko Haram vor allem in den politischen und sozialen Verhältnissen im Norden Nigerias begründet: Die Gesellschaft ist ethnisch und religiös zersplittert, Armut und Arbeitslosigkeit sind höher als in anderen Landesteilen. Der Staat kommt seinen Aufgaben nur bedingt nach, die Lokalregierungen sind oft korrupt. Etwa ab 2009 radikalisierte sich die Gruppe und bekämpft seither aktiv den nigerianischen Staat. Seit 2011 kommt es beinahe im Wochenrhythmus zu Überfällen auf Kirchen, Polizeistationen, Schulen, Universitäten und andere Einrichtungen des Staates. Markenzeichen von Boko Haram sind sogenannte Drive-by-Shootings, gezielte Tötungen vom Motorrad aus, die sogar zu einem Motorrad-Verbot in Maiduguri führten. Aufgrund des anhaltenden Terrors rief der ehemalige nigerianische Präsident Goodluck Jonathan im Mai 2013 in den drei nördlichen Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa den Notstand aus. Der Konflikt weitete sich inzwischen auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus. Seit November 2013 wird Boko Haram von den USA als Terrororganisation eingestuft. Die finanziellen Mittel Boko Harams stammen einerseits von Überfällen, bei denen in den vergangenen Jahren mutmaßlich Millionen von Dollar erbeutet wurden. Die Organisation wird aber auch von anderen Terrororganisationen wie Al-Kaida und ihrem nordafrikanischen Ableger Al-Kaida im islamischen Maghreb (Aqmi), der somalischen al-Schabab oder dem Islamischen Staat unterstützt. Der Chef von Boko Haram war von 2010 bis 2016 Abubakar Shekau. Wie viel Kontrolle Shekau über die diversen Gruppierungen von Boko Haram hatte, ist fraglich. Im August 2016 meldete das IS-Magazin Al-Naba, dass Shekau als Chef von Boko Haram entmachtet wurde. Als Nachfolger nannte das Magazin den bisherigen Sprecher der Organisation, Abu Musab al-Barnawi (Zeit 18.1.2017). Es gibt Berichte, dass Boko Haram sich in zwei Gruppierungen aufgeteilt hat, eine wird von Abubakar Shekau geführt und die andere von Abu Musab al-Barnawi (NW 15.3.2017; vgl. DW 4.8.2016). Boko Haram soll in untergeordneten, lokalen Zellen organisiert sein. Zudem soll es einen Rat geben, der das oberste Entscheidungsorgan der Gruppe ist und auf dessen Zustimmung der Anführer bei Entscheidungen angewiesen ist (Zeit 18.1.2017).
Im Jahr 2015 hat die nigerianische Regierung mehrere Schritte im Kampf gegen Boko Haram unternommen. So wurde im Laufe des Jahres von Mitgliedern des nigerianischen Militärs berichteten, dass seit Buhari sein Amt antrat, sie zunehmend die erforderlichen Ressourcen im Kampf gegen Boko Haram erhalten haben (USDOS 2.6.2016). Buhari ordnete im Mai an, dass das nigerianische Militär sein Hauptquartier nach Maiduguri verlegt, damit Boko Haram besser bekämpft werden kann (USDOS 2.6.2016, BBC 8.6.2015). Boko Haram war aufgrund der Versuche des nigerianischen Militärs die Organisation zu isolieren zunehmend auf das Sambisa Waldgebiet beschränkt (USDOS 2.6.2016) und im Dezember 2016 erklärte das nigerianische Militär den Sambisa Wald frei von Boko Haram (VOA 31.3.2017). Boko Haram übte trotzdem sporadische Angriffe im Sambisa Waldgebiet aus und verstärkte Überfälle auf Dörfer und Städte in der Suche nach Nahrungsmitteln (DW 28.3.2017)
Die nigerianische Armee beging bei ihrem Kampf gegen Boko Haram zwischen 2011 und 2015 Kriegsverbrechen und mögliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Präsident Buhari versprach, Hinweisen auf mehrere Kriegsverbrechen des Militärs im Zeitraum Juni bis Dezember 2015 nachzugehen. Es wurden jedoch keine weiteren Maßnahmen ergriffen, um unabhängige und unparteiische Untersuchungen einzuleiten (AI 24.2.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Die Sicherheitskräfte unter dem Kommando der 7. und 3. Division der nigerianischen Armee, die Polizei und das Department of State Service (DSS) haben weiterhin militärische Operationen gegen Boko Haram im Nordosten des Landes durchgeführt. Einige der Truppen töteten mutmaßliche Boko Haram Mitglieder. Auch gab es Massenverhaftungen von Männern und Buben, die auch gefoltert wurde. Laut einem AI-Bericht hat das nigerianische Militär in den Jahren 2013 und 2014 im Zuge von militärischen Operationen 1.200 außergerichtliche Tötungen durchgeführt (USDOS 3.3.2017). Sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International haben das in ihren verschiedenen Berichten seit mehreren Jahren massiv kritisiert und verwiesen dabei vor allem auf Fälle immer wieder auftretender Folterungen von Gefangenen durch die Polizei im ganzen Land, extra-legaler Tötungen und das Verschwindenlassen angeblicher Boko Haram-Mitglieder im Norden des Landes. Seit März 2011 sollen nach Angaben von AI (Juni 2015) im Nordosten Nigerias über 7.000 Menschen während ihrer Haft ums Leben gekommen sein, von denen seit Februar 2012 durch das nigerianische Militär mehr als über 1.200 Gefangene bewusst getötet worden wären (AA 21.11.2016).
Auch hat sich eine Civilian Joint Task Force (CJTF) als Reaktion auf die Aufständischen und das Militär im Jahr 2013 in Maiduguri gebildet (TNY 22.12.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Das nigerianische Militär gab den Mitgliedern der CJTF Fahrzeuge und Uniformen unter der Bedingung, dass sie bei einem Ausbildungsprogramm - geführt durchs Militär - teilnehmen (TNY 22.12.2015; vgl. IRIN 9.5.2017). Jedoch musste das Trainingslager in ein Flüchtlingslager umstrukturiert werden und so konnte nur eine geringe Zahl der CJTF Mitglieder ausgebildet werden (TNY 22.12.2015). Laut der UN und anderen internationalen Organisationen rekrutierte die CJTF (manchmal auch mit Gewalt) Kinder, um sie als Kindersoldaten einzusetzen. Die Regierung verbietet den Einsatz von Kindersoldaten und behauptet, dass die CJTF keine Kindersoldaten einsetzte. Dennoch wird die CJTF finanziell von der Regierung des Bundesstaates Borno unterstützt (USDOS 3.3.2017). Es gibt auch Berichte, dass Frauen in IDP-Lager von Mitgliedern der CJTF und des Militärs sexuell ausgebeutet und missbraucht werden (AI 6.2017). Die CJTF hat aus Angst vor weiblichen Selbstmordattentätern für Frauen in Maiduguri eine Ausgangssperre verhängt. Frauen, die diese nicht einhalten, werden verprügelt. Trotz Versprechungen der Regierung die CJTF unter Kontrolle zu bringen, gibt es weiterhin Berichte, dass CJTF-Mitglieder ihre Opfer schikanieren, foltern und misshandeln (IRIN 9.5.2017).
In Lagos gibt es keine Fälle von Tötungen durch Boko Haram. Die Terroristen sind nicht in der Lage, eine Person überall in Nigeria aufzuspüren. Wenn sich Menschen von Boko Haram bedroht fühlen, dann können sie im Land umsiedeln (VA1 16.11.2015). Im Süden gibt es Schläfer-Zellen der Boko Haram. Trotzdem können z.B. Deserteure der Boko Haram in den Süden umsiedeln, wo sie sicher sind (VA2 16.11.2015).
Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr und ergaben sich auch amtswegig keine diesbezüglichen Hinweise.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria mit Stand 07.08.2017 und in die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2018. Außerdem wurden Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Herkunft und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung.
Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers steht aufgrund des vorgelegten und bereits vom StandesamtsXXXX geprüften nigerianischen Reisepasses mit der Nummer XXXX fest.
Bezüglich des Familienstandes des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass er in der Erstbefragung angegeben hat, traditionell und standesamtlich verheiratet zu sein. Die vom Beschwerdeführer dem StandesamtsXXXX vorgelegten nigerianischen Dokumente sprechen allerdings davon, dass der Beschwerdeführer niemals verheiratet gewesen sei. Beim Behördentermin am 01.03.2017 vor dem StandesamtsXXXXaufgrund der geplanten Heirat mit seiner österreichischen Lebensgefährtin führte der Beschwerdeführer aus geschieden zu sein und lediglich traditionell verheiratet gewesen zu sein. Auch in der Einvernahme vor dem BFA am 06.04.2017 führte der Beschwerdeführer ausdrücklich aus nur traditionell verheiratet gewesen zu sein und bezüglich einer standesamtlichen Ehe bei der Erstbefragung falsch verstanden worden zu sein. Eine Scheidung erwähnte der Beschwerdeführer wiederum mit keinem Wort. In der mündlichen Verhandlung führte der Beschwerdeführer auf Nachfrage der belangten Behörde aus wie folgt:
BehV: Ihre Ehefrau [gemeint wohl: Lebensgefährtin] hat Ihren Heiratsantrag zurückgezogen, warum?
BF: Das Problembestand darin, dass ich in Nigeria nur traditionell verheiratet war und nicht vor dem Standesamt. Ich habe aber bei der Befragung vor dem BFA angegeben, dass ich verheiratet bin und das hat dazu geführt, dass das Standesamt hier in Österreich ein Hinderungsgrund sah. Ich bin davon ausgegangen, dass meine traditionell geschlossene Ehe aufgelöst ist. Aufgelöst ist die Ehe dann, wenn die Ehefrau den Entschluss fasst, nichts mehr mit dem Ehemann zu tun haben wollte. Das war der Fall und dazu brauchte es keine Dokumente. Am Standesamt in Österreich haben sie uns gesagt, dass wenn wir den Antrag nicht zurückziehen, wir vor Gericht gehen müssen. Wir hatten damals viel zu tun, dass wir das dann nicht machen wollten und haben den Antrag dann als gemeinsame Entscheidung zurückgezogen.
BehV: Ich erlaube mir darauf, auf die im Akteninhalt betreffend die Ausführungen des Standesamtes hinzuweisen, wo sich halt aus Sicht des Standesamtes der BF verheiratet wäre. Dazu hat er vor dem Standesamt eine offensichtlich gefälschte Ledigkeitsbestätigung vorgelegt.
BehV: Hat Frau R. gewusst, dass Sie bereits verheiratet sind?
BF: Ich war verheiratet. Ich betone noch einmal, ich war verheiratet. Ich habe in Nigeria nicht standesamtlich geheiratet. Ich muss kein Dokument vorweisen, dass die Scheidung bescheinigen würde. Frau R. wusste Bescheid. Ich habe ihr alles erzählt und auch den Grund, warum diese Ehe zerstört wurde.
Wie schon die belangte Behörde zutreffend festhielt, ist das Bestehen dieser Ehe ein zentraler Punkt im Asylvorbringen des Beschwerdeführers und ist auch der offensichtlich nach Belieben vorgebrachte Ehestatus seiner persönlichen Glaubwürdigkeit nicht zuträglich. Der erkennende Richter folgt den Ausführungen des Standesamtes und geht daher - wie auch schon die belangte Behörde - von einem verheiraten Status des Beschwerdeführers in Nigeria aus. Mit den dem Standesamt vorgelegten nigerianischen Dokumenten wollte der Beschwerdeführer nachvollziehbar einen ledigen Beziehungs-Status glaubhaft machen, um damit die Heirat im Bundesgebiet mit der österreichischen Lebensgefährtin zu beschleunigen.
Dass der Beschwerdeführer regelmäßigen telefonischen Kontakt zu seiner Mutter und seinen drei Kindern in Nigeria pflegt, erläuterte der Beschwerdeführer glaubhaft vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung.
Die Feststellungen zu seinem österreichischen Sohn ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer beigebrachten österreichischen Dokumenten. Dass der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin seit November 2015 ein Paar ist und seit Anfang 2017 im gemeinsamen Haushalt lebt, ergibt sich aus einer Nachschau im ZMR und den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers und seiner Lebensgefährtin in der Verhandlung. Dass er von dieser beim Deutschlernen unterstützt wird und er diese bei der Betreuung des gemeinsamen Sohnes tatkräftig unterstützt, brachten beide glaubhaft in der mündlichen Verhandlung vor. Die Alimentationszahlungen und deren Höhe ergeben sich aus den vom Beschwerdeführer beigebrachten monatlichen Kontobewegungen.
Eine bestandene Deutschprüfung im Niveau A2 wies der Beschwerdeführer durch Vorlage eines entsprechenden Zertifikates nach. Betreffend das Bemühen Deutsch zu sprechen konnte sich der erkennende Richter im Rahmen der mündlichen Verhandlung ein Bild machen, in der der Beschwerdeführer selbst ausführte, aktuell keinen Kurs zu besuchen, jedoch von seiner Lebensgefährtin im Selbststudium unterstützt zu werden.
Es wird diesbezüglich vom erkennenden Richter nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer durch seine Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 durchaus integrative Schritte gesetzt hat und die von ihm vorgelegten zahlreichen Empfehlungsschreiben seine persönlichen Kontakte in Österreich widerspiegeln. Es wird aber auch nicht verkannt, dass sich der Beschwerdeführer erst seit drei Jahren und neun Monaten im Bundesgebiet aufhält und ist in diesem Zusammenhang auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale darstellen, sodass eine Ausweisung auch nach einem 3-jährigen Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen ist. Zudem war der Beschwerdeführer in weiten Teilen der Verhandlung auf den Dolmetscher angewiesen.
Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer vorgebrachten privaten Kontakte, entsprechen, selbst wenn sie objektiv vorhanden und für Ihn subjektiv von Bedeutung sind, nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK, sowohl in zeitlicher Hinsicht was seinen relativ kurzen Aufenthalt in Österreich betrifft als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität. Dies ergibt sich aus seinen Angaben und nicht zuletzt seinen beträchtlichen, in der Verhandlung näher erläuterten Pendelzeiten:
RI: Wie gestalten Sie sonst Ihre Freizeit? Haben Sie Freunde? Sind Sie Mitglied eines Vereines oder sonstige soziale Kontakte, die Sie mir nennen möchten?
BF: Weil ich größte Zeit damit verbringe, nach Vorarlberg zu fahren, verbringe ich die meiste Zeit mit meiner Familie.
Die legale Ausreise aus Nigeria wird angesichts des bestehenden griechischen Touristenvisums als glaubhaft erachtet.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Es wurde keine gesundheitliche Beeinträchtigung vorgebracht, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnte. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar.
Dass der Beschwerdeführer als Straßenzeitungsverkäufer in XXXX tätig war und in XXXX tätig ist sowie die damit korrelierenden langen, werktäglichen Pendelzeiten, ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden, glaubhaften Aussagen, seinen monatlichen Abbuchungsaufträgen zu Gunsten der Verkehrsverbünde XXXX und XXXX sowie den damit in Relation stehenden zahlreichen Unterstützungserklärungen. Dass der Beschwerdeführer seit Mitte 2017 außer der Krankenversicherung keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus seinen Aussagen in der mündlichen Verhandlung und den damit übereinstimmenden Auszügen aus der GVS.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Beschwerdeführer eine Einstellungszusage als Abwäscher und Küchenhilfe bei einem Restaurant in XXXX vor, wobei er in einer 35-Stunden-Woche € 1.349,-
netto ins Verdienen bringen würde.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
2.3. Zu den Fluchtgründen und der individuellen Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:
Im Hinblick darauf, dass im Asylverfahren die Aussage des Beschwerdeführers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt, stützt sich das erkennende Gericht vor allem auf die unmittelbaren Angaben des Beschwerdeführers.
Die Behörde und in weiterer Folge das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation eines Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten - z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht. Auch wurde vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass es der Verwaltungsbehörde [nunmehr dem erkennenden Gericht] nicht verwehrt ist, auch die Plausibilität eines Vorbringens als ein Kriterium der Glaubwürdigkeit im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung anzuwenden. (VwGH v. 29.6.2000, 2000/01/0093).
Neben den bereits oben erwähnten Widersprüchlichkeiten betreffend den Ehestatus des Beschwerdeführers sei an dieser Stelle auch erwähnt, dass der Beschwerdeführer vor den Sicherheitsbehörden bei seiner Asylantragstellung vorgab, seinen Reisepass in Griechenland verloren zu haben. Zur beabsichtigten Ehe mit seiner österreichischen Lebensgefährtin war er dann jedoch sehr wohl im Stande seinen originalen nigerianischen als verloren behaupteten Reisepass beim behördlichen Termin vor dem Standesamt zwei Jahre später in XXXX in Vorlage zu bringen. Es ist der belangten Behörde diesbezüglich zuzustimmen, dass es unwahrscheinlich anmutet, dass der laut Erstbefragung vor der Polizei in XXXX in Griechenland verloren geglaubte Reisepass (AS 13) rein "zufällig" wieder auftaucht und ist auch dies seiner persönlichen Glaubwürdigkeit jedenfalls nicht zuträglich.
Der Beschwerdeführer führte bei der Erstbefragung am 05.02.2015 vor der den Sicherheitsbehörden der LPD XXXXaus homosexuell zu sein und dass dies sein einziger Fluchtgrund sei. Er sei zwar verheiratet, lebe diese Neigungen aber seit 15 Jahren ohne Wissen seiner Frau aus. Als zuletzt sein Liebhaber mit zu ihm nach Hause gekommen sei, habe ihn seine Ehefrau dabei beobachtet. Seitdem seine Frau in Kenntnis sei, habe er Angst, dass sie etwas unternimmt bzw. der Behörde meldet und sei er daher aus Angst geflohen. Auf Nachfrage führte er an, seinen Reisepass in Griechenland verloren zu haben.
Bei der Einvernahme durch das BFA am 06.04.2017 führte der Beschwerdeführer befragt zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass er vor 17 Jahren herausgefunden habe, sich in betrunkenem Zustand zu Männern hingezogen zu fühlen. Er habe dieser Neigung aber niemals nachgegeben bis ins Jahr 2014, als er einen anderen Mann kennengelernt und mit diesem geheim eine Beziehung geführt habe, bis er in flagranti von seiner Frau daheim erwischt worden sei. Der Freund sei geflohen und auch der Beschwerdeführer habe durch diese Handlung seinen Familiennamen und seine Ehe ruiniert und sei ebenfalls davongerannt. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer weiters an, dass der als XXXX bezeichnete Freund sein einziger homosexueller Partner gewesen sei und er mit diesem fast zwei Monate eine Beziehung geführt habe.
Wie die belangte Behörde zutreffend im angefochtenen Bescheid festhält, sind die Angaben zwischen den Eckpfeilern der der beiden Vorbringen ungewöhnlich verschieden ausgefallen und erscheint es daher nicht glaubhaft, dass sich Besagtes überhaupt so zugetragen hat:
So macht es jedenfalls durchaus einen Unterschied, ob man - wie in der Erstbefragung ausgeführt - seine Homosexualität 15 Jahre geheim auslebt oder - wie in der Einvernahme durch das BFA dargelegt - nur eine Beziehung gehabt hat, welche lediglich zwei Monate gedauert habe.
In der mündlichen Verhandlung wiederholte der Beschwerdeführer im Wesentlichen die vor dem BFA dargetane Version:
RI: Wann sind Sie sich Ihrer Homosexualität konkret bewusst worden?
BF: In den frühen 20ern. Ich war auf einer Party, ich war betrunken und habe dann bemerkt, dass ich mich zu Männern hingezogen fühle.
RI: Sie haben sich also nur zu Männern hingezogen gefühlt, ohne dass Sie einen konkreten Partner gehabt haben. Ist das richtig? Ihre Homosexualität war also vorerst im "Verborgenen"?
BF: Wenn ich auf Partys war und ich betrunken war, habe ich nicht gewusst, wie ich mit dieser Situation umgehen soll, da ich mich zu Männern hingezogen fühlte.
RI: Wann hatten Sie schlussendlich Ihre ersten homosexuellen Kontakte in Nigeria?
BF: Es hat einen Vorfall gegeben. Das war der erste und der letzte gewesen. Ich habe einen Mann auf einer Party kennengelernt und das war im Jahr 2014. Diese Beziehung ging zwei Monate.
RI: Wie viele Jahre liegen dazwischen, dass Sie herausgefunden haben, dass Sie homosexuell sind und Sie den ersten sexuellen Kontakt mit einem Mann hatten?
BF: Der Zeitpunkt, wo ich meine Bisexualität entdeckt habe, war im Jahr 2002. Ich habe keinen Partner gefunden bis zum Jahr 2014.
Der Beschwerdeführer präzisierte sein Vorbringen in der Verhandlung dahingehend, dass es bei diesem einzigen homosexuellen Kontakt geblieben ist, er in Österreich keine (weiteren) homosexuellen Kontakt gehabt habe. Daher ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seinen Erzählungen zu Folge lediglich einen homosexuellen Partner in seinem Leben gehabt hat, und zwar jenen, mit dem er vorgibt, von seiner Frau daheim in flagranti erwischt worden zu sein.
RI: Sie haben also erst 2014 Ihren homosexuellen Partner kennengelernt. Hatten Sie bis dahin lediglich heterosexuellen Kontakt mit Ihrer Ehefrau?
BF: Das stimmt. In dieser Zeit habe ich auch versucht, wenn ich auf Part