TE Bvwg Erkenntnis 2018/10/30 W111 1258000-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.10.2018
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Entscheidungsdatum

30.10.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W111 1258000-3/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX, geb.XXXX, StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2014, Zl. 750098705-14004944, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß den §§ 7 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4, 8 Abs. 1 Z 2, 10 Abs. 1 Z 4, 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF, §§ 46 iVm 52 Abs. 2 Z 3 und Abs. 9 FPG idgF sowie § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG idgF mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:

Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG wird nicht erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer reiste gemeinsam mit seiner Mutter unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte durch seine Mutter als seine gesetzliche Vertreterin am 21.01.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In Stattgabe der Berufung gegen den in der Folge durch das Bundesasylamt am 22.09.2005 zu Zl. 05 00.987-BAE erlassenen Bescheid, wurde dem Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 31.05.2007 gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Eine inhaltlich gleichlautende Entscheidung erging an die Mutter des Beschwerdeführers. Begründend hielt der Unabhängige Bundesasylsenat im Wesentlichen fest, dass sich unter Zugrundelegung der Angaben der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers das Vorliegen einer aktuellen Verfolgungsgefahr wegen unterstellter staatsfeindlicher Gesinnung ergebe. Aufgrund der geschilderten Unterstützung von Widerstandskämpfern durch den Vater und die beiden Brüder des Beschwerdeführers erscheine es schlüssig, dass die russischen Behörden, respektive mit diesen in Tschetschenien kooperierende Gruppen, die Brüder des Beschwerdeführers festgenommen und misshandelt sowie dessen Vater verschleppt hätten.

Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge mehrfach straffällig (im Detail vgl. die unter Punkt II.1. festgestellten Verurteilungen).

Am 18.11.2009 wurde der damals minderjährige Beschwerdeführer im Zuge des vor dem Bundesasylamt in der Folge eingeleiteten Verfahrens zur Aberkennung des Asylstatus im Beisein seiner Mutter als seiner gesetzlichen Vertreterin sowie seiner damaligen gewillkürten Vertreterin niederschriftlich einvernommen (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 349 bis 359). Auf Vorhalt mehrerer gegen seine Person vorliegender Anzeigen wegen Vermögensdelikten erklärte der Beschwerdeführer, diese Taten begangen zu haben. Bis zu seiner Verhaftung habe er die Hauptschule und zuletzt ein Polytechnikum besucht; vor seiner Verhaftung habe er bei seinem Bruder von Sozialhilfe sowie durch Unterstützung seines Bruders und seiner Mutter gelebt. Auf Vorhalt, dass sich die Situation in seiner Heimat seit dem Zeitpunkt der Asylgewährung nachhaltig verbessert hätte, gaben die gesetzliche und die gewillkürte Vertreterin des Beschwerdeführers an, dass keine Veränderung eingetreten sei, in der Heimat würden nach wie vor Personen verschwinden; die Mutter des Beschwerdeführers sei sich sicher, dass sie im Falle einer Rückkehr Probleme bekommen würden. Der Beschwerdeführer lebe seit 2005 mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern in Österreich und besuche die Schule, in seinem Herkunftsstaat würden ebenfalls noch Verwandte, insbesondere seine Tante und eine Großmutter, leben.

Mit Eingabe vom 01.12.2009 wurden eine handschriftliche Stellungnahme der Mutter des Beschwerdeführers zur aktuellen Situation in Tschetschenien (mitsamt deutscher Übersetzung) sowie ein Hauptschul-Jahreszeugnis des Beschwerdeführers in Vorlage gebracht.

Mit Aktenvermerk des Bundesasylamtes vom 18.01.2010 wurde das eingeleitete Aberkennungsverfahren infolge der ersten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wieder geschlossen, da für diesen zum damaligen Zeitpunkt noch eine günstige Zukunftsprognose zu erkennen gewesen wäre.

Infolge einer weiteren strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom XXXX wurde durch das Bundesasylamt am 25.03.2011 neuerlich ein Aberkennungsverfahren eingeleitet.

Im Rahmen dieses Verfahrens wurde der Beschwerdeführer am 24.05.2011 im Beisein seiner gesetzlichen Vertreterin und einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesasylamt einvernommen (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 413 bis 415). Der Beschwerdeführer gab zusammenfassend zu Protokoll, in Österreich befänden sich seine Mutter und seine beiden Brüder, ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestünde lediglich zu seiner Mutter; der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache gut, ginge keiner legalen Arbeit nach, habe jedoch eine halbjährige Lehre als Mechaniker absolviert. Seinen Lebensunterhalt finanziere er aktuell im Rahmen der Strafhaft, welche voraussichtlich noch acht Monate dauern würde. Nach den Gründen seiner wiederholten Straffälligkeit gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, seine Freunde - dabei handle es sich um Türken, Albaner und Österreicher - seien schuld. Er habe vier Jahre lang die Hauptschule besucht, anschließend ein Polytechnikum, und er habe die erwähnte Lehre gemacht. In der Russischen Föderation lebe eine Tante, welche jedoch krank sei. Nach seinen Rückkehrbefürchtungen gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, in der Russischen Föderation niemanden zu haben und nicht zu wissen, was mit ihm passieren würde. Er müsste auf der Straße leben.

Die belangte Behörde holte in der Folge Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation sowie von ACCORD zur Rückkehrsituation von unbegleiteten Minderjährigen, insbesondere betreffend das Vorhandensein staatlicher Unterbringungsmöglichkeiten, ein (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 421 bis 435), welche dem Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Ländervorhalt zur Lage in der Russischen Föderation im Rahmen des schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurden.

Mit Aktenvermerk vom 17.08.2011 wurde das Aberkennungsverfahren durch das Bundesasylamt abermals geschlossen, da zum damaligen Zeitpunkt einerseits nicht vom Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens, sowie andererseits nicht von gesicherteren Unterbringungsmöglichkeiten für abgeschobene Minderjährige in der Russischen Föderation auszugehen gewesen wäre.

Am 18.08.2011 langte eine auf die übermittelten Länderberichte bezugnehmende Stellungnahme der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers ein.

Infolge einer abermaligen strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers vom XXXX wurde erneut ein Aberkennungsverfahren eingeleitet. Am 10.09.2014 wurde der - zwischenzeitlich volljährige - Beschwerdeführer im Rahmen jenes Verfahrens vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen (vgl. Verwaltungsakt, Seiten 481 bis 485). Der Beschwerdeführer gab auf diesbezüglichen Vorhalt an, nicht genau zu wissen, weshalb er immer wieder straffällig werde; er habe kein Geld gehabt und sei mit unguten Freunden zusammen gewesen. Die Mutter des Beschwerdeführers lebe in Österreich, seine Geschwister seien bereits verheiratet und hätten eigene Familien; seine Angehörigen würden ihn einmal wöchentlich in der Haft besuchen kommen, es gebe jedoch in Österreich keine Personen, zu denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestünde. Der Beschwerdeführer sei hier zur Schule gegangen, er habe Freundschaften geschlossen und beherrsche die deutsche Sprache sehr gut. Aktuell mache er eine Lehre als Karrosseur und wolle seinen Hauptschulabschluss nachholen. Er leide an keinen Erkrankungen, in der Russischen Föderation würden keine Familienmitglieder mehr leben. Er wisse nicht, ob er in der Russischen Föderation leben könnte.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.12.2014 wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 31.05.2007 zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG unter einem festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG, der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 4 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen und wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Im Rahmen der Entscheidungsbegründung wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zusammenfassend darauf hin, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 verwirklicht habe, da er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei (wobei auf die Verurteilung durch das XXXX vom XXXX abgestellt wurde) und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute, wobei keine positive Zukunftsprognose zu stellen wäre. Gegen den Beschwerdeführer lägen fünf rechtskräftige Verurteilungen aus den Jahren 2009 bis 2013 vor. Die Asylgewährung an seine Person habe auf einer Verfolgung aus ethnischen Gründen in Verbindung mit dem Umstand, dass sein Vater und seine Brüder Widerstandskämpfer unterstützt hätten, beruht. Er sei bis zu seiner Ausreise im Jahr 2005, als er sich in einem Alter von XXXX Jahren befunden hätte, keiner individuellen Verfolgung ausgesetzt gewesen. Die Lage in seiner Heimat habe sich seit dem Zeitpunkt der Asylzuerkennung nachhaltig verändert und es bestünde keine begründete Furcht vor Verfolgung im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat mehr. Auch darüber hinaus seinen keine Gründe festzustellen, welche einer Rückkehr des Beschwerdeführers - bei welchem es sich um einen grundsätzlich gesunden, jungen Mann handle, dem eine Teilnahme am Erwerbsleben ebenso wie eine finanzielle Unterstützung durch seine in Österreich lebenden Verwandten möglich wäre - entgegenstehen würden. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 2005 in Österreich, habe die deutsche Sprache erlernt und es befänden sich mehrere Familienmitglieder im Bundesgebiet, welchen der Status von Asylberechtigten zukommen würde. Demgegenüber stünden dessen mangelnde Integration und die wiederholte Begehung von Straftaten, ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seinen hier lebenden Verwandten habe der Beschwerdeführer nicht behauptet. Trotz privater und familiärer Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet würden im Ergebnis die öffentlichen Interessen an einer Außerlandesbringung seiner Person überwiegen. Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens, unter Berücksichtigung des Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers sowie der in Österreich bestehenden familiären und privaten Anknüpfungspunkte, erweise sich die Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und demnach die Verhängung eines Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Dauer als gerechtfertigt.

3. Gegen den oben angeführten Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 29.12.2014 fristgerecht die verfahrensgegenständliche Beschwerde im vollen Umfang erhoben. Begründend wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass sich die Verhängung eines zehnjährigen Einreiseverbotes in Anbetracht der konkreten Umstände des Falles als nicht geboten erweise. Desweiteren wurde auf ein anbei übermitteltes handschriftliches Schreiben des Beschwerdeführers verwiesen, in welchem dieser zusammenfassend ausführte, sich aktuell in Haft zu befinden und die Nachholung seines Hauptschulabschlusses zu planen, seit einem Jahr arbeite er als Karrosseur. Er sei mit seiner Mutter aufgrund des in Tschetschenien herrschenden Krieges nach Österreich gereist; zurzeit sei alles ruhig, aber es gebe trotzdem Fälle, in denen Leute umgebracht würden. Er wüsste nicht, wo er im Falle einer Rückkehr hingehen sollte, da er niemanden in Tschetschenien kenne. Mittlerweile sitze er bereits seit 27 Monaten in Haft und denke, dass diese Strafe genüge; er habe eingesehen, dass es nicht so weitergehen könne und würde seine Taten jeden Tag bereuen. Seine Familie befände sich in Österreich.

4. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 07.01.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 10.01.2017 langte eine Verständigung über eine weitere rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers ein.

Mit hg. Schreiben vom 13.02.2018 (zugestellt am 21.02.2018) wurde dem Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs aktualisiertes Länderberichtsmaterial (Stand 07.02.2018) zur Lage in seinem Herkunftsstaat übermittelt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme binnen zweiwöchiger Frist eingeräumt. Bis zum Entscheidungszeitpunkt ist keine Stellungnahme des Beschwerdeführers eingelangt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen Lage in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien wird seitens des Bundesverwaltungsgerichts Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer führt die im Spruch genannten Personalien, ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe.

Der Beschwerdeführer reiste als XXXX gemeinsam mit seiner Mutter in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 21.01.2005 durch seine gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz. In Stattgabe einer Berufung gegen den in der Folge am 22.09.2005 durch das Bundesasylamt erlassenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer mit rechtskräftigem Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 31.05.2007 gemäß § 7 AsylG 1997 Asyl gewährt und gemäß § 12 AsylG festgestellt, dass diesem damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Der Beschwerdeführer weist die folgenden strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

XXXX

PAR 15 127 129/1 130 (1. FALL) PAR 223/2 229/1 241 E/3 StGB

Freiheitsstrafe 3 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 15.01.2017

(...)

XXXX

PAR 127 129/1 PAR 12 (3. FALL) 142/1 PAR 229/1 135/1 241 E/3 PAR 15 130 (1.4. FALL) PAR 15 169/1 StGB

Freiheitsstrafe 18 Monate, davon Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 15.01.2018

(...)

XXXX

PAR 127 128 ABS 1/4 130 (1. FALL) 229/1 241 E/3 StGB

Freiheitsstrafe 12 Monate

Jugendstraftat

Vollzugsdatum 04.01.2012

XXXX

§ 241e (1) StGB

§ 229 (1) StGB

§§ 127, 128 (2), 129 Z 1, 129 Z 2, 130 1. Fall, 130 4. Fall StGB § 15 StGB

§ 125 StGB

Datum der (letzten) Tat 13.10.2012

Freiheitsstrafe 4 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum 15.10.2016

XXXX

§§ 127, 129 Z 1, 130 4. Fall StGB § 15 StGB

Datum der (letzten) Tat 18.09.2012

Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf

XXXX RK

XXXX

Junge(r) Erwachsene(r)

Vollzugsdatum XXXX

XXXX

§ 15 StGB §§ 127, 129 (1) Z 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 18.06.2016

Freiheitsstrafe 2 Jahre 6 Monate

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt in der Russischen Föderation respektive Tschetschenien aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten bedroht wäre. Im Entscheidungszeitpunkt konnte keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation festgestellt werden.

Ebenfalls nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre. In diesem Zusammenhang wird insbesondere hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer unter keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet und einer Teilnahme am Erwerbsleben fähig ist.

In Österreich leben die Mutter sowie zwei volljährige Brüder des Beschwerdeführers als anerkannte Flüchtlinge. Mit diesen lebt der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt, auch besteht zu diesen kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis. Der Beschwerdeführer befindet sich seit Mitte Oktober 2012 durchgehend in Haft in Justizanstalten. Der Beschwerdeführer eignete sich Deutschkenntnisse an, zuletzt plante er eine Nachholung seines Hauptschulabschlusses und begann eine Lehre. Darüber hinaus kann keine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet erkannt werden.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde eine Gefährdung in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist.

1.2. Zum Herkunftsland des Beschwerdeführers (Russische Föderation respektive Tschetschenien) wird Folgendes festgestellt:

1. Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).

Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).

Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017

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FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017

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FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,

http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syria-chechens/, Zugriff 21.7.2017

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ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238-the-north-caucasus-insurgency-and-syria-an-exported-jihad.pdf, S. 16-18, Zugriff 21.7.2017

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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Mena Watch (10.5.2017): Russland setzt auf sunnitische Soldaten in Syrien,

http://www.mena-watch.com/russland-setzt-auf-sunnitische-soldaten-in-syrien/, Zugriff 21.7.2017

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Standard (25.4.2017): Al-Kaida reklamiert Anschlag auf U-Bahn in St. Petersburg für sich,

https://derstandard.at/2000056544365/Al-Kaida-reklamiert-Anschlag-auf-U-Bahn-in-St-Petersburg?ref=rec, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

0.1. Nordkaukasus allgemein

Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Aus dieser Region kommen in den letzten drei Jahren zwiespältige Nachrichten. Einerseits heißt es, der bewaffnete Untergrund sei deutlich geschwächt und zersplittert. Andererseits verlagerte sich der regionale Jihad, der sich als Kaukasus-Emirat manifestiert hatte, auf die globale Ebene, weil Kämpfer aus der Region sich islamistischen Milizen in Syrien und Irak anschlossen. Von dauerhafter Stabilität ist der Nordkaukasus wohl noch entfernt. Das zeigte zuletzt eine Serie von Anschlägen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien im Dezember 2016 und im März 2017. Zudem stellt sich für Russland, seine Nachbarn im Kaukasus und in Zentralasien wie auch für Europa die Frage, wie viele Jihadisten aus dem nun schrumpfenden IS-Territorium in ihre Heimatregionen zurückkehren werden. Für den Rückgang der Gewalt im Nordkaukasus werden unterschiedliche Gründe angeführt. Russische Sicherheitsorgane verweisen auf gesteigerte Effizienz bei der Bekämpfung des bewaffneten Untergrunds. In den letzten Jahren wurden dessen militärische und ideologische Führer in hoher Zahl bei gezielten Einsätzen von Eliteeinheiten getötet. Das Kaukasus-Emirat wurde innerlich gespalten, da viele seiner Führer sich von al-Qaida abwandten und dem sogenannten Islamischen Staat (IS) oder anderen Milizen in Syrien Treue schworen. Außerdem hieß es, russische Sicherheitsorgane hätten die Abwanderung von Kämpfern in den Mittleren Osten vorübergehend geduldet, wenn nicht sogar gefördert, um im eigenen Revier für Entlastung zu sorgen - besonders vor der Winterolympiade in Sotschi 2014. Seit 2016 sinkt die Jihad-Migration in den Mittleren Osten, da die Ressourcen des IS schrumpfen. Seine Anziehungskraft auf die nun zersplitternde Untergrundbewegung des Nordkaukasus hatte der IS in erster Linie seiner Territorialherrschaft zu verdanken, die in seinem Kerngebiet aber inzwischen zurückgedrängt wird. Auf seinem Staatsgebiet im Nordkaukasus favorisiert Russland militärische Einsätze, wenngleich in präzisierter, selektiver und gezielterer Form im Vergleich zur unverhältnismäßigen Gewalt in den beiden Tschetschenienkriegen, die nahezu in jeder tschetschenischen Familie Todesopfer gefordert hatte. Im Jahr 2009 eingeleitete Reformmaßnahmen, die auf sozioökonomische und politische Krisenursachen zielten, sind zugunsten der Agenda der "siloviki" (Sicherheitskräfte) wieder in den Hintergrund gerückt (SWP 4.2017).

In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben. Seit gut zehn Jahren liegt das Epizentrum von Gewalt nicht mehr in Tschetschenien. Dort konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017).

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 24.1.2017).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Die derzeitige Wirtschaftskrise und damit einhergehenden Einsparungen im Budget stellen eine potentielle Gefahr für die Subventionen an die Nordkaukasus-Republiken dar. Ein weiteres Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine harte Politik der Einschüchterung und Repression extremistischer Elemente. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer nach Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2016).

Im ersten Quartal des Jahres 2017 gab es im Nordkaukasus 45 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 36 Todesopfer (25 Aufständische, 11 Exekutivkräfte) und neun Verwundete (sieben Exekutivkräfte, zwei Zivilisten). In Tschetschenien wurden im selben Zeitraum elf Exekutivkräfte und 17 Aufständische getötet, zwei Zivilisten und sechs Exekutivkräfte wurden verletzt. In Dagestan wurden im selben Zeitraum acht Aufständische getötet und ein Polizist verletzt. In Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karatschay-Tscherkessien, Nordossetien-Alania und im Stavropol Gebiet gab es im selben Zeitraum keine Opfer (Caucasian Knot 15.5.2017).

Im Jahr 2016 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 287 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2015: 258; 2014: 525 Opfer). 202 davon wurden getötet (2015: 209; 2014: 341), 85 verwundet (2015: 49; 2014: 184) (Caucasian Knot 2.2.2017). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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Caucasian Knot (2.2.2017): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2016, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/38325/, Zugriff 18.7.2017

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Caucasian Knot (15.4.2017): Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2017,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/39216/, Zugriff 18.7.2017

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 18.7.2017

0.2. Tschetschenien

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, vor allem jedoch an der derzeit prominentesten und brutalsten Jihad-Front in Syrien und im Irak (SWP 4.2015).

2016 gab es in Tschetschenien 43 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2015: 30; 2014: 117), davon 27 Tote und 16 Verwundete (Caucasian Knot 2.2.2017).

Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat einen Anschlag auf einen russischen Militärstützpunkt in Tschetschenien für sich reklamiert. Sechs Angreifer hätten am Freitag, den 24.3.2017 eine Militärbasis der russischen Nationalgarde nahe dem Dorf Naurski im Nordwesten Grosnys in Tschetschenien gestürmt. Alle Angreifer seien bei den mehrstündigen Kämpfen auf dem Stützpunkt getötet worden (Zeit Online 24.3.2017). Nach Armeeangaben wurden bei dem Angriff auch sechs russische Nationalgardisten getötet. Die Nationalgarde erklärte, der Angriff sei in den frühen Morgenstunden bei dichtem Nebel erfolgt. Die Soldaten auf dem Stützpunkt hätten den Angriff zurückgeschlagen. Außer den Toten habe es auch Verletzte gegeben. Die im vergangenen Jahr gebildete Nationalgarde ist direkt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstellt. Sie hat den Auftrag, Grenzen zu schützen und Extremisten zu bekämpfen (Focus Online 24.3.2017).

Quellen:

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Caucasian Knot (2.2.2017): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2016, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/38325/, Zugriff 18.7.2017

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Focus Online (24.3.2017): Sechs Rebellen und sechs Soldaten bei Anschlag getötet,

http://www.focus.de/politik/ausland/in-tschetschenien-sechs-rebellen-und-sechs-soldaten-bei-anschlag-getoetet_id_6830787.html, Zugriff 18.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 18.7.2017

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Zeit Online (24.3.2017): IS bekennt sich zu Anschlag auf russischen Stützpunkt in Tschetschenien, http://www.zeit.de/news/2017-03/24/russland-is-bekennt-sich-zu-anschlag-auf-russischen-stuetzpunkt-in-tschetschenien-24162602, Zugriff 18.7.2017

1. Rechtsschutz/Justizwesen

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassung, Zivil, Administrativ und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO 3.2017). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen. In Strafprozessen kommt es nur sehr selten (lt. Amnesty International in 0,5% der Fälle) zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen. 2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte. Im Juli 2015 stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass wenn der EGMR von einer Konventionsauslegung ausgeht, die der Verfassung der Russischen Föderation widerspricht, Russland in dieser Situation aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Diese Position des Verfassungsgerichtshofs wurde im Dezember 2015 durch ein Föderales Gesetz unterstützt, welches dem VfGH das Recht einräumt, Urteile internationaler Menschenrechtsinstitutionen nicht umzusetzen, wenn diese nicht mit der russischen Verfassung im Einklang sind. Das Gesetz wurde bereits einmal im Fall der Verurteilung Russlands durch den EGMR in Bezug auf das Wahlrecht von Häftlingen angewendet (zugunsten der russischen Position) und ist auch für den YUKOS-Fall von Relevanz. Der russische Verfassungsgerichtshof zeigt sich allerdings weiterhin um Einklang zwischen internationalen gerichtlichen Entscheidungen und der russischen Verfassung bemüht (ÖB Moskau 12.2016, vgl. AA 24.1.2017).

Am 7. Juli 2016 wurden die unter dem Begriff Yarovaya-Paket zusammengefassten Änderungen der Gesetze zur Bekämpfung des Extremismus in Kraft gesetzt. Die geänderten Rechtsvorschriften waren zu weiten Teilen unvereinbar mit Russlands internationalen Verpflichtungen im Bereich der Menschenrechte. So wurden alle missionarischen Aktivitäten a

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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