TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/8 W103 1435338-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.2018
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Entscheidungsdatum

08.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
AsylG 2005 §9 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W103 1435338-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2018, Zl. 821878703-180527135, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 9 AsylG 2005 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass dieser zu lauten hat: "Der Ihnen mit Bescheid vom 06.05.2013, Zahl 12 18.787-BAL, zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten wird Ihnen gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 idgF von Amts wegen aberkannt. Es wird gemäß § 9 Abs. 2 2. Satz festgestellt, dass Ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia unzulässig ist."

II. In Erledigung der Beschwerde werden die Spruchpunkt VI. und VII. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde gemäß §§ 8 Abs. 4, 9 Abs. 4, 10 Abs. 1 Z 5, 57 AsylG 2005, §§ 52 Abs. 2 Z 4, 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger Somalias, stellte am 27.12.2012 infolge illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, zu welchem er am folgenden Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt wurde. Dabei gab der Beschwerdeführer insbesondere an, er sei in XXXX geboren, spreche Swahili und habe von 2001 bis 2008 die Grundschule in XXXX (Kenia) besucht, nachdem er Somalia im Jahr 2000 nach dem Tod seiner Eltern im Alter von fünf Jahren verlassen hätte. Er sei illegal in Kenia aufhältig und zuletzt obdachlos gewesen.

Mit Schreiben vom 01.01.2013 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er tatsächlich im Jahr XXXX (anstatt, wie im Protokoll der Erstbefragung festgehalten, im Jahr XXXX ) geboren wäre.

Am 18.03.2013 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem damaligen Bundesasylamt zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Der Beschwerdeführer gab zusammengefasst an, er spreche Swaheli im Mombasa-Dialekt; Somalisch beherrsche er nicht, da er XXXX mit acht Jahren verlassen hätte und Bajuni kein Somalisch sprechen würden. Zum Grund seiner Flucht nahm der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf Probleme mit der kenianischen Polizei Bezug. Somalia habe er im Jahr 2000 im Kindesalter wegen des Krieges und infolge des Todes seiner Mutter gemeinsam mit einer großen Gruppe von Flüchtlingen Richtung Kenia verlassen. Ob er in Somalia noch Verwandtschaft hätte, sei ihm nicht bekannt, er habe zu niemandem dort Kontakt. Nach Somalia könnte er nicht zurück, da es dort viel Krieg gebe, er dort niemanden habe und nicht wüsste, wie er dort überleben könnte.

Mit Eingabe vom 26.03.2013 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den ihm anlässlich der Einvernahme ausgehändigten Länderberichten ein.

2. Mit Bescheid vom 06.05.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers vom 27.12.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.05.2014 erteilt (Spruchpunkt III.), welche in der Folge wiederholt befristet verlängert wurde.

Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, die Identität des Beschwerdeführers habe mangels Vorlage eines unbedenklichen Identitätsdokuments nicht festgestellt werden können. Hinsichtlich der behaupteten somalischen Staatsbürgerschaft werde ihm Glauben geschenkt, da er über entsprechende Sprach- und Lokalkenntnisse verfüge. Eine dem Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat drohende asylrelevante Gefährdung habe nicht festgestellt werden können, zumal er eine solche weder behauptet hätte, noch hätten sich von Amts wegen Hinweise auf eine solche ergeben. Die in Bezug auf Kenia geschilderten Fluchtgründe würden für das gegenständliche Verfahren keine Relevanz aufweisen.

Eine in den Schutzbereich des Art. 3 EMRK fallende Maßnahme im Sinne einer unmenschlichen Behandlung ergebe sich weder aus dem Amtswissen, noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer habe jedoch glaubhaft dargetan, keinerlei Verwandtschaft mehr in Somalia zu haben und demnach auf sich alleine gestellt dort überleben müsste, was auch bei Betrachtung der Feststellungen der Staatendokumentation zu Somalia schwierig und somit schwer bedenklich erscheine. Im gegenständlichen Fall sei festzustellen, dass im Fall des Beschwerdeführers die Kriterien für eine ausweglose Lage aufgrund individueller Umstände und aufgrund der allgemein schwierigen Sicherheitslage als Angehöriger einer Minderheit vorliegen würden, da der Beschwerdeführer alleinstehend sei und sich glaubhaft auf keinerlei Verwandtschaft bei einer Rückkehr nach Somalia stützen könnte. Aus den Ausführungen der Staatendokumentation ginge klar hervor, dass derzeit alleinstehende Rückkehrer in Somalia mit extrem schwierigen Lebensumständen zu kämpfen hätten. Objektiv gesehen würden demnach zum Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus vorliegen.

Gegen Spruchpunkt I. des dargestellten Bescheides wurde mit Eingabe vom 17.05.2013 Beschwerde eingebracht, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die Behörde die Minderheitenzugehörigkeit des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine allfällige Asylrelevanz hätte beurteilen müssen.

Mit Eingabe vom 22.04.2014 übermittelte der Beschwerdeführer zum Beleg seiner Integrationsbemühungen aktuelle Einkommensnachweise.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2014, Zl. W105 1435338-1/4E, wurde die Beschwerde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF (Asylgesetz) als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Somalia sowie Angehöriger der Volksgruppe der Bajuni sei und einen großen Teil seines Lebens seit seinem 5. Lebensjahr im Nachbarstaat Kenia verbracht hätte. Der Beschwerdeführer habe sich seit dem Verlassen Somalias in seinen Kinderjahren nicht mehr in Somalia aufgehalten und sei aus diesem Grunde zu keinem Zeitpunkt Opfer zielgerichteter Verfolgungshandlungen oder diesbezüglicher Beeinträchtigungen gewesen. Ungeachtet der prekären Situation in Somalia sowie der traditionell herrschenden Clanstrukturen und der damit einhergehenden Probleme und Gefährdungen könne nicht erkannt werden, dass grundsätzlich alle Angehörigen der Minderheit bzw. Volksgruppe der Bajuni einem drastisch relevanten Risiko einer Verfolgung von Seiten der Angehörigen der Milizen oder Mehrheitsclans ausgesetzt seien. Ungeachtet auch der allgemein als latent unsicher bezeichneten Situation von Minderheitenangehörigen in Somalia könne nicht darauf geschlossen werden, dass die Minderheitenzugehörigkeit bereits per se ein dergestalt großes bzw. relevantes Risiko darstelle, um von einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit auszugehen, dass Angehörige einer Minderheit bei der derzeit gegebenen Situation in Somalia Opfer von Verfolgung würden. Einerseits sei dem Vorbringen bzw. den vorgelegten Unterlagen und Berichten nicht entnehmbar, dass Angehörige der Bajuni aktuell und akut einem maßgeblich wahrscheinlichen Verfolgungsrisiko - von welcher Seite auch immer - ausgesetzt wären. Dass Angehörige von Minderheiten gegenüber Angehörigen von Mehrheitsclans als vulnerabel zu betrachten wären, stünde außer Zweifel, jedoch sei den vorgelegten Berichten bzw. den getroffenen Feststellungen nicht entnehmbar, dass insbesondere die Angehörigen der Bajuni einer zielgerichteten Verfolgungspolitik oder Verfolgung von Seiten bestimmter anderer Clans oder Gruppierungen ausgesetzt wären. Dem generellen Risiko einer diskriminierenden Situation und damit einhergehender Beeinträchtigungen und Risiken sei durch die Gewährung subsidiären Schutzes durch die Behörde Rechnung getragen worden.

4. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs. 2 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten und einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen à EUR 10,-- (im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Als mildernd wurden die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie dessen Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie der längere Deliktszeitraum gewertet.

5. Am 07.06.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ein, im Rahmen dessen der Beschwerdeführer am 25.06.2018 niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Suaheli einvernommen worden ist. Der Beschwerdeführer brachte auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst vor, er spreche Suheli sowie ein bisschen Deutsch und Englisch. Er habe sich bis zum Jahr 2001 in Somalia, in der Nähe von XXXX , aufgehalten. Auf die Frage, weshalb er diesfalls kein Somali spreche, erklärte der Beschwerdeführer, er sei vom Süden, seine Volksgruppe Bajuni spreche Suaheli. Er fühle sich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage, sei gesund und habe im Verfahren bis dato wahrheitsgemäße Angaben erstattet, welche korrekt protokolliert und rückübersetzt worden wären.

Der Beschwerdeführer habe von 2001 bis 2004 die Grundschule in XXXX (Kenia) besucht und dort bis zum Jahr 2010 als Hilfsarbeiter gearbeitet. In Österreich sei er seit fünf Jahren als Küchenhilfe in unterschiedlichen Firmen tätig. Seine Zukunft in Österreich stelle er sich dergestalt vor, dass er die Sprache erlernen, eine gute Arbeit und eine Wohnung finden wolle; bislang habe er drei Monate einen Deutschkurs besucht und ginge einer Arbeit nach. Er habe keine Familie oder sonstigen Bindungen oder sozialen Kontakte in Österreich, sei in keinem Verein aktiv und ginge keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Seine Deutschkenntnisse bezeichne er als "noch nicht so gut." Der Beschwerdeführer habe keine Lebensgefährtin und keine Kinder. Er gehöre der Volksgruppe der Bajuni an und sei sunnitischer Moslem. Auf Vorhalt seiner strafgerichtlichen Verurteilung wegen Delikten nach dem Suchtmittelgesetz, fragte der Beschwerdeführer, wann sein Antrag auf Verlängerung des Status als subsidiär Schutzberechtigter entschieden würde. Ob er Verwandte im Heimaland habe, wisse der Beschwerdeführer nicht, sein Bruder lebe nach wie vor in XXXX und habe dort ein Kleidungsgeschäft. Zu weiteren Verwandten habe er keinen Kontakt. Der Beschwerdeführer habe von seiner Geburt bis 2001 in Somalia gelebt. Sein Vater sei bereits lange tot; seine Mutter habe in Somalia arbeiten können und so den Lebensunterhalt finanzieren können. Auch seine Mutter habe lediglich Suaheli gesprochen; nachgefragt, verstehe der Beschwerdeführer auch Somali.

Dem Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.05.2018 vorgehalten, derzufolge sich die Lage in XXXX verbessert hätte; in XXXX seien unzählige humanitäre Organisationen tätig, welche Hilfe und Unterstützung beispielsweise bei der Versorgung mit sicherem Trinkwasser, Ernährungsprogrammen uÄ anbieten würden. Außerdem gebe es für Rückkehrer organsierte Berufsausbildungskurse, wirtschaftliche Starthilfe oder Berufsberatung und hätten Rückkehrer in XXXX üblicherweise einen guten Zugang zu Geld- oder sonstiger Hilfe von Hilfsagenturen. Nach einer Stellungnahme gefragt, erklärte der Beschwerdeführer, er habe hierzu nichts zu sagen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass bereits vor der laufenden niederschlagsreichen Regenzeit manche Nahrungsmittelpreise begonnen hätten, sich auf Normalwerte einzupendeln und sei das Risiko einer Hungersnot durch den Regen reduziert worden. Insgesamt seien die Versorgungsprobleme nicht so gravierend, dass Teile der Bevölkerung in eine Hungersnot abrutschen würden. Hierzu gab der Beschwerdeführer an, dass es immer Bomben geben würde. Auf Vorhalt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann handeln würde, sodass davon ausgegangen werden könne, dass dieser in XXXX durch eigenständige Arbeit seinen Lebensunterhalt werde befriedigen können, zumal keine Informationen darüber vorliegen würden, dass es allen jungen und arbeitsfähigen Männern an einer Existenzgrundlage mangeln würde oder dass alle diese Männer keine Unterkunft hätten, erklärte der Beschwerdeführer, er habe dazu nichts zu sagen. Auf Vorhalt, dass das Bundesverwaltungsgericht bereits im Erkenntnis zu seiner damaligen Beschwerde festgestellt hätte, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr keine Verfolgung oder Bedrohung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe und aufgrund der vorliegenden aktuellen Feststellungen, insbesondere zu XXXX , davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer in dieser Stadt durch selbständige Arbeit und Unterstützung diverser Hilfsorganisationen seinen Lebensunterhalt befriedigen können werde und ihm eine Rückkehr daher zumutbar sei, gab der Beschwerdeführer an, es gebe dort Bomben und Leute würden sterben.

Der Beschwerdeführer verzichtete auf eine Einsichtnahme in bzw. Aushändigung der Länderinformationsblätter zu Somalia sowie der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu XXXX vom 11.05.2018. Abschließend erklärte der Beschwerdeführer, dass es keine Beweise für seine Straftat gebe, er sei dies nicht gewesen; es sei nur eine Geschichte gewesen. Er würde das nicht einsehen und nichts bereuen. Nach Rückübersetzung seiner Angaben bestätigte der Beschwerdeführer durch seine Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der aufgenommenen Niederschrift.

6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.07.2018 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 06.05.2013, Zahl: 12 18.787-BAL, zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die ihm im genannten Bescheid erteilte Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Absatz 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.). Sein Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 11.04.2018 wurde gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG abgewiesen (Spruchpunkt III.). Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt V.). Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG ausgesprochen, dass die Frist für dessen freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.).

Zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde begründend zunächst auf die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers verwiesen. Weiters wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer zum jetzigen Entscheidungszeitpunkt eine Rückkehr nach XXXX zumutbar wäre. Es könne nicht festgestellt werden, dass dieser in seinem Herkunftsstaat einem realen Risiko unterworfen wäre, einer Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Gefahr ausgesetzt zu sein oder einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen zu werden. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Somalia Gefahr laufen würde, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notsituation zu geraten. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Verwandten in Somalia und habe eigenen Angaben zufolge einen Bruder in Kenia. Obschon die Lage in Somalia nach wie vor teilweise prekär sei, stünde einer Rückkehr nach XXXX nichts entgegen; dem Beschwerdeführer drohe im Fall seiner Rückkehr weder eine Gefährdung seines Lebens oder seiner Sicherheit, noch laufe er Gefahr, in eine ausweglose Lage zu geraten. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, junger und arbeitsfähiger Mann, welcher selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen könne. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr von den Auswirkungen der Dürre betroffen wäre oder Gefahr laufen würde, notwenige Lebensbedürfnisse nicht befriedigen zu können. Auch eine sprachliche Barriere sei nicht ersichtlich, zumal der Beschwerdeführer Suaheli und Somali beherrschen würde. In XXXX hätte sich die Sicherheitslage vor allem durch AMISOM verbessert, ebenfalls habe sich die Dürre- und Versorgungssituation in Somalia verbessert und es werde eine bessere Versorgungssicherheit prognostiziert. Laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.05.2018 gebe es Unterstützungshilfe für Rückkehrer durch unzählige humanitäre Hilfsorganisationen. Von allfälligen negativen Lebensumständen in Somalia sei der Beschwerdeführer nicht in höherem Maße betroffen als andere Staatsbürger in einer vergleichbaren Lage. Weiters habe er in Österreich Berufserfahrung sammeln können, welche ihm bei einer Rückkehr nach XXXX von Vorteil sein könne. Der ökonomische Wiederaufbau in XXXX verlange sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften, als auch nach jungen Menschen ohne besondere Bildung oder Berufsausbildung; in der Stadt gebe es eine steigende Nachfrage an Hilfsarbeitern. Rückkehrer hätten bei der Arbeitssuche in XXXX wahrscheinlich Vorteile, da sie eher als gebildet und einfallsreicher erachtet würden. Aus den Länderberichten ginge desweiteren hervor, dass es ein ohne Bedingungen ausgegebenes Rückkehrpaket des UNHCR gebe, welches aus Sachgütern bestünde, eine einmalige Wiedereingliederungshilfe von USD 200,- pro Person, eine auf sechs Monate begrenzte Unterstützung mit Essensrationen, und - bei Auswahl - bis zu USD 1.000,- für eine Unterkunft sowie die Aufnahme in Selbsterhaltungsprojekte. Dem Beschwerdeführer stünde inzwischen die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd § 11 AsylG offen, da diesem in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die dessen Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden könne und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebiets zugemutet werden könne.

Der Beschwerdeführer ginge in Österreich einer Arbeit nach, habe jedoch seit der Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten keine besonderen Integrationsschritte unternommen. Der Beschwerdeführer sei trotz seines Aufenthalts seit dem Jahr 2012 der deutschen Sprache noch nicht mächtig, habe in Österreich keine Anknüpfungspunkte sozialer Natur, sei in keinem Verein aktiv und ginge keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach. Eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration seiner Person in Österreich könne nicht festgestellt werden; der Beschwerdeführer sei strafgerichtlich verurteilt worden.

Da der Beschwerdeführer die österreichische Rechtsordnung nachweislich missachtet hätte, erweise sich eine positive Zukunftsprognose nicht als realistisch. Anlässlich der Einvernahme habe der Beschwerdeführer keine Reue gezeigt und würden die Erschwerungsgründe gegenüber den Milderungsgründen überwiegen. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität, insbesondere des Suchtgifthandels, sei die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme auch bei ansonsten völliger sozialer Integration dringend geboten, da das maßgebliche öffentliche Interesse in diesen Fällen unverhältnismäßig schwerer wiege als das gegenläufige private Interesse des Fremden. Im Falle des Beschwerdeführers liege ein besonders gemeinqualifizierter Tatbestand des Suchtgiftmissbrauchs und -handels vor, und liege aus Sicht der Behörde sowohl subjektiv als auch objektiv eine erhebliche Gefahr für die Rechtsgüter der Allgemeinheit und somit ein besonderes schweres Verbrechen vor.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte seiner Entscheidung umfassende Feststellungen zur aktuellen Lage in Somalia zugrunde.

7. Gegen den dargestellten Bescheid wurde mit Eingabe vom 02.08.2018 unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch bezeichneten Vollmachtsverhältnisses die verfahrensgegenständliche Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtiger rechtlicher Beurteilung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung eingebracht. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit schwerwiegenden Folgen für den Beschwerdeführer verbunden wäre, zumal diesfalls wesentliche Rechtspositionen wie der Zugang zum Arbeitsmarkt für ihn verloren gingen. Der Beschwerdeführer sei zwar rechtskräftig wegen eines Verbrechens mit einer Strafdrohung von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe schuldig gesprochen worden, jedoch sei die vom Gericht verhängte Strafe - fünf Monate bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe - milde ausgefallen, was die Behörde bei ihrer Entscheidungsfindung nicht ausreichend berücksichtigt hätte. Entgegen der Ansicht der Behörde hätten Erschwerungs- und Milderungsgründe sich im Rahmen der Strafzumessung die Waage gehalten. Entgegen der Ansicht der Behörde bereue der Beschwerdeführer die von ihm begangenen Straftaten. Aufgrund seiner Arbeit bei XXXX sei der Beschwerdeführer selbsterhaltungsfähig. Die Annahme der Behörde, wonach der Beschwerdeführer eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, erweise sich schlichtweg als falsch. Der Beschwerdeführer habe Somalia bereits im Jahr 2001, also vor mehr als 17 Jahren, verlassen und habe demnach lediglich seine ersten neun Lebensjahre in Somalia verbracht, wo er keine Kontakte mehr hätte. Das Land sei für ihn völlig fremd. Aufgrund der Tatsache, dass er den Großteil seines Lebens nicht in Somalia verbracht hätte, mangels Berufsausbildung und aufgrund seiner Clanzugehörigkeit, würde ihn eine Rückkehr ungleich härter treffen, als vergleichbare andere Rückkehrer. Die Umstände, aufgrund derer ihm subsidiärer Schutz zuerkannt worden wäre, hätten sich nicht geändert. Die Lage in Somalia habe sich nicht verbessert, die Lage für alleinstehende Rückkehrer wäre äußerst schwierig. Falls von der Aberkennung subsidiären Schutzes nicht abgesehen werden könne, wäre deshalb gemäß § 9 Abs. 2 AsylG festzustellen gewesen, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Somalia unzulässig sei, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK; Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde.

8. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie der bezughabende Verwaltungsakt langten am 16.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Auf Grundlage des Verwaltungsaktes der belangten Behörde und der in diesem Verfahren herangezogenen Hintergrundberichte zur aktuellen relevanten Lage in Somalia, wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes Folgendes festgestellt:

1.1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte, ist volljähriger Staatsangehöriger Somalias, welcher der Volksgruppe der Bajuni und dem moslemisch-sunnitischen Glauben angehört. Infolge illegaler Einreise suchte der Beschwerdeführer am 27.12.2012 um internationalen Schutz in Österreich an und hält sich seit diesem Zeitpunkt durchgehend im Bundesgebiet auf. Er stammt ursprünglich aus XXXX , wo er bis zum Jahr 2001 gelebt hat, bevor er Somalia aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage im Kindesalter verlassen und fortan in der Nähe von XXXX in Kenia gelebt hat. Ein Bruder des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in Kenia und betreibt dort ein Kleidungsgeschäft; in Somalia verfügt der Beschwerdeführer über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte. Der Beschwerdeführer spricht Suaheli (im Kibajuni-Dialakt) auf muttersprachlichem Niveau, zudem versteht er Somali und verfügt über beginnende Kenntnisse in Deutsch und Englisch.

1.2. Mit Bescheid vom 06.05.2013 wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab und erkannte diesem gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2014 wurde die Beschwerde in Bezug auf die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine aktiven Kenntnisse der somalischen Sprache, war zuletzt im Jahr 2001 im Alter von neun Jahren in Somalia ( XXXX ) aufhältig und kann im Falle einer Rückkehr nach XXXX auf keine Unterstützung durch ein soziales Netz respektive seinen Clan zurückgreifen. Aufgrund der sprachlichen Barriere in Zusammenschau mit dem Nichtvorhandensein sozialer Unterstützungsmöglichkeiten sowie der fehlenden Vertrautheit des Beschwerdeführers mit den Gegebenheiten in XXXX kann im konkreten Fall nicht erkannt werden, dass die Umstände, derentwegen dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten ursprünglich zuerkannt worden war - nämlich im Wesentlichen die Gefahr, aufgrund seiner individuellen Umstände als Angehöriger einer Minderheit ohne verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage zu geraten - zum Entscheidungszeitpunkt weggefallen sind. Es kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer ohne aktive Kenntnisse der Sprache Somalisch im Falle einer Niederlassung in XXXX in der Lage sein wird, seinen Lebensunterhalt durch eigenständige Erwerbstätigkeit selbständig zu bestreiten. Fallgegenständlich kann daher nicht festgestellt werden, dass es dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit möglich sein wird, in XXXX - nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten -, Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.3. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine familiären Anknüpfungspunkte oder maßgeblichen privaten Beziehungen. Er befand sich seit Oktober 2013 mit kurzen Unterbrechungen in Beschäftigungsverhältnissen mit verschiedenen Arbeitgebern, vorwiegend als Küchenhilfe. Der seit dem Jahr 2012 in Österreich aufhältige Beschwerdeführer verfügt über keine nachgewiesenen Deutschkenntnisse und hat mit Ausnahme seiner Berufstätigkeit keine Bemühungen um eine Integration in die österreichische Gesellschaft dargetan. Der Beschwerdeführer geht keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nach und ist in keinem Verein Mitglied. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer tiefgreifenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1., 2. und 8. Fall, Abs. 2 SMG zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von fünf Monaten und einer Geldstrafe von 120 Tagsätzen à EUR 10,-- (im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge einem anderen überlassen hat, indem er im August 2017 über Auftrag eines abgesondert verfolgten Täters aus der Wohnung einer weiteren Person eine Tasche mit ca. 1 Kilogramm Cannabiskraut geholt und es jenem Mann, welcher ihn mit der Abholung beauftragt hatte, überlassen hat. Weiters wurde er für schuldig befunden, vorschriftswidrig Suchtgift ausschließlich zum persönlichen Gebrauch (teils von unbekannten Personen) erworben, besessen und einem anderen überlassen zu haben, indem er zumindest von November 2014 bis Mitte November 2017 regelmäßig (durchschnittlich ein- bis zweimal wöchentlich) insgesamt unbekannte Mengen an Cannabiskraut erworben hat und großteils zum Eigenkonsum sowie gemeinsamen (unentgeltlichen) Konsum mit Bekannten besessen hat; sowie am 14.11.2017 eine Menge von insgesamt 3,6 Gramm Cannabiskraut bis zur Sicherstellung durch Beamte des SPK besessen hat. Als mildernd wurden im Rahmen der Strafzumessung die bisherige Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie dessen Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie der längere Deliktszeitraum gewertet.

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen.

1.5. Zur Lage in Somalia wird unter Heranziehung der im angefochtenen Bescheid zitierten Länderberichte Folgendes festgestellt:

KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).

Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

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(FEWS 3.2018)

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a). Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b). Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).

Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:

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(FEWS 4.2018b)

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:

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(FAO 2018)

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen:

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia

-

Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

-

FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,

https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018

-

UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018

1. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017). Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017). Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g.

Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017). Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

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Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

-

BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

-

UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

-

WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

...

2. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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