TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/14 W195 2198249-1

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Veröffentlicht am 14.11.2018
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Entscheidungsdatum

14.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W195 2198249-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 16.12.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am selben Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF an, im November 2017 den Entschluss gefasst zu haben, sein Heimatland zu verlassen. Er sei zunächst zu Fuß nach Indien gegangen, anschließend in die Türkei geflogen und in weiterer Folge über den Landweg durch ihm unbekannte Länder nach Österreich gereist. Österreich sei das Reiseziel des BF gewesen, da sich hier eine seiner Schwester aufhalte. Nach jenen Gründen befragt, die den BF bewogen hätten, sein Heimatland zu verlassen, führte dieser aus, homosexuell zu sein und daher in Bangladesch eine soziale und strafrechtliche Verfolgung befürchten zu müssen. Am 27.11.2017 sei gegen ihn eine Beschwerde in der Polizeistation XXXX eingebracht worden, nachdem er und sein Partner am 24.11.2017 bei sexuellen Handlungen beobachtet worden seien. Diesbezüglich könne er einen Nachweis vorlegen. Im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch drohe ihm eine Verfolgung durch die Sicherheits- und Justizbehörden seines Heimatlandes. Zudem befürchte der BF, dass er im Falle einer Inhaftierung sexuell missbraucht werde.

I.2. Am 28.02.2018 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Aufgefordert, die wesentlichen Gründe für seine Ausreise aus Bangladesch darzulegen, verwies der BF auf seine Homosexualität und führte aus, dass Homosexuelle in seinem Heimatland keine Rechte hätten. Er sei schon immer homosexuell gewesen und hätten dies die Leute in Bangladesch nicht verstanden. Am 23.11.2017 sei er mit seinem Partner in das "Dorf Haus" in XXXX gegangen, wo sie am 24.11.2017 Sex gehabt hätten. Eine Person namens XXXX habe sie dabei gesehen, sie durch ein Fenster beschimpft und aufgefordert, dass Tor zu öffnen und rauszukommen. Dies hätten die beiden dann auch gemacht, wobei sie in weiterer Folge die besagte Person weggestoßen hätten und zu einer Tante des BF gelaufen seien, wo sie die Nacht verbracht hätten. Im Morgengrauen des 25.11.2017 habe der BF mit seinem Partner einen Freund in XXXX aufgesucht, mit dem sie den Vorfall, durch den im Dorf bekannt geworden sei, dass der BF homosexuell sei, besprochen hätten. Am selben Tag habe zur Mittagszeit der jüngere Bruder des BF diesen angerufen und dem BF mitgeteilt, dass XXXX auch bereits seinen Vater erzählt habe, dass der BF mit einem jungen Mann Sex gehabt habe. Der BF habe zwei bis drei Tage bei seinem Freund in XXXX verbracht und sei am 30.11.2017 - abermals von seinem Bruder - informiert worden, dass ein Polizist den Eltern des BF einen Zettel übergeben und ihnen mitgeteilt habe, dass gegen den BF ein Bericht bei der Polizeistation XXXX eingebracht worden sei. In weiterer Folge habe die Mutter des BF diesem vor einem Krankenhaus Geld und eine Tasche mit Kleidungsstücken übergeben und habe der BF am 30.11.2017 Bandgladesch in Richtung Indien verlassen. Der Freund des BF habe mangels entsprechender finanzieller Mittel nicht ausreisen können.

Danach befragt, wie der besagte XXXX im Zuge des erwähnten Vorfalls am 24.11.2017 den BF und seinen Freund sehen habe können, gab der BF an, dass er und sein Partner sich in einem Zimmer im Erdgeschoss aufgehalten und vergessen hätten, die Fenster zu schließen. Der Vorfall habe sich ungefähr um halb neun oder neun abends zugetragen. Das "Dorf Haus" sei im Besitz der Familie des BF und der BF habe dort acht oder neun Mal Sex mit seinem letzten Partner gehabt.

Auf entsprechendes Nachfragen gab der BF an, bereits zu Schulzeiten festgestellt zu haben, homosexuell zu sein. Am 07.08.2007 habe er mit Freunden zu einer Prostituierten gehen wollen, dabei jedoch keine Gefühle für die Frau entwickeln können. Während seiner Schul- bzw. Studienzeit sei der BF von Mitschülern ausgelacht und vernachlässigt worden. Bislang habe der BF in Bangladesch Beziehungen mit vier Männern gehabt. Mit allen vier sei es zu einem sexuellen Kontakt gekommen, wobei der BF und seine Partner dabei von niemandem gesehen worden seien. Die erste Beziehung habe von 2007 bis 2011 angehalten, die zweite von Mitte 2011 bis Mitte 2013, die dritte von 2013 bis 2016 und die vierte Beziehung des BF habe von Anfang 2016 bis zu seiner Ausreise angedauert. Sein letzter Partner habe etwa 1 1/2 Stunden vom Wohnort des BF entfernt gelebt. Der BF sei bei seinem Partner gewesen und dieser habe auch den BF in XXXX besucht. Sie hätten normalerweise Sex im "Dorf Haus" oder im Mietshaus der Familie des BF gehabt. Sonst seien sie in XXXX einkaufen oder etwas essen gegangen und hätten sich dabei auch in der Öffentlichkeit berührt und hätten Händchen gehalten.

Bei einem dem BFA vom BF vorgelegten Schreiben handle es sich um einen Bericht an die Polizei, wonach der BF und sein Partner am 24.11.2017 bei einer homosexuellen Handlung überrascht worden seien und die beiden im Zuge dieses Vorfalls die besagte Person namens XXXX mit einer Stange bzw. einem Stock angegriffen hätten. Wäre der BF in Bangladesch geblieben, wäre dieser Bericht zu Gericht gegangen und wäre über den BF eine Mindeststrafe von zehn Jahren Freiheitsstrafe verhängt worden. Von Gerichtsverurteilungen in Bangladesch wegen Homosexualität habe der BF noch nichts gehört. Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF verhaftet zu werden und die Akzeptanz in seiner Familie bzw. in der Gesellschaft zu verlieren. Wenn die Partei namens XXXX über die Homosexualität des BF erfährt, drohe dem BF der Tod.

In Österreich habe der BF noch keinen Kontakt zur homosexuellen Szene aufgenommen, da er hier neu sei, in seiner Unterkunft verschiedene Personen leben würden und der BF Angst habe, geschlagen zu werden.

I.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass dem Vorbringen des BF keine besonderen Umstände entnommen werden hätten können, aus denen hervorgehe, dass er in Bangladesch einer unmittelbaren oder mittelbaren staatlichen Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt gewesen sei bzw. im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland einer solchen ausgesetzt wäre. Insbesondere sprach das BFA dabei dem BF hinsichtlich seines Vorbringens betreffend jene Vorfälle, die sich seit Ende November 2017 zugetragen hätten, die Glaubwürdigkeit ab. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Insbesondere handle es sich beim BF um einen jungen und arbeitsfähigen Mann mit familiären Anknüpfungspunkten in Bangladesch. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.4. Mit Schriftsatz vom 07.06.2018 wurden die Spruchpunkte I. bis V. des Bescheides des BFA vom XXXX seitens des - nunmehr rechtsfreundlich vertretenen - BF wegen unrichtiger Beweiswürdigung, unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten.

Begründend wurde dabei zusammengefasst ausgeführt, dass dem BF in Bangladesch aufgrund seiner sexuellen Orientierung eine Verfolgung drohe. Homosexuelle würden in Bangladesch eine soziale Gruppe darstellen, deren Mitglieder von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet werden würden. Aus der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gehe hervor, dass von einem Asylwerber nicht erwartet werden könne, seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim zu halten. Im konkreten Fall liege eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe vor. Unter Berücksichtigung der Länderberichte sei das Vorbringen des BF als plausibel zu bewerten, was in weiterer Folge zu der rechtlichen Beurteilung führen müsse, dass die Fluchtgründe des BF von Asylrelevanz seien.

I.5. Mit Datum vom 11.06.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.6. Mit Schreiben vom 05.10.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem BF das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangaldesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den 24.10.2018 angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung.

I.7. Mit Datum vom 08.10.2018 übermittelte der BF eine (ergänzende) Stellungnahme, mit welcher er der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid entgegentrat, sowie ergänzende Beweismittel vorlegte.

I.8. Am 24.10.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen

Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und Angehöriger der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.

Der BF ist in der Stadt XXXX geboren und aufgewachsen. Er hat in seinem Heimatland von 1997 bis 2002 eine Grundschule, von 2002 bis 2007 eine Hauptschule und von 2007 bis 2009 ein College besucht. Anschließend hat er von 2010 bis 2015 an der Universität in XXXX studiert und den Bachelor-Lehrgang in Wirtschaft (Kostenrechnung und Buchhaltung) abgeschlossen. Vor seiner Ausreise aus Bangladesch hat er als Gebietsbetreuer bei der Firma XXXX gearbeitet und damit seinen Lebensunterhalt verdient. Der BF fühlt sich seinem Heimatland verbunden.

Die Eltern des BF sowie zwei seiner Schwestern und ein Bruder halten sich in Bangladesch auf. Diese befinden sich in einer sehr guten finanziellen Lage.

Der BF ist im Dezember 2017 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach. Der BF ist in Österreich kein Mitglied in einem Verein und engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht in einem nennenswerten Ausmaß ehrenamtlich. Er verfügt im Bundesgebiet über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte. Der BF verfügt über einen begrenzten deutschen Sprachwortschatz. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Eine Schwester des BF lebt in Österreich. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des BF in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des BF.

Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente und befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung.

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF auf Grund einer homosexuellen Orientierung in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.

Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung auf Grund einer homosexuellen Orientierung brachte der BF im Verfahren keine weiteren Gründe vor, auf Grund derer er in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.

II.1.3. Zur Situation in Bangladesch:

Kurzinformation vom 23.03.2018, Oppositionsführerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt:

Am 8. Februar 2018 wurde Begum Khaleda Zia, die frühere Premierministerin von Bangladesch und Vorsitzende der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (BNP) durch ein Gericht in Dhaka für schuldig befunden, während ihrer ersten Amtszeit von 1991 bis 1996 Spendengelder in Höhe von 21 Millionen Taka (etwa 200.000 Euro) veruntreut zu haben, die für die wohltätige Organisation Zia Orphanage Trust bestimmt waren. Das Gericht verurteilte Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft, vier Berater und ihren Sohn Tarique Rahman zu je zehnjährigen Haftstrafen (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018). Der in London im Exil lebende Tarique Rahman ist von der Parteiführung im Zuge des Urteils zum Leiter der BNP erkoren worden (Indianexpress 12.2.2018).

Die Anklage gegen Khaleda Zia und ihren älteren Sohn erfolgte bereits 2008 durch die damalige militärische Übergangsregierung (Indianexpress 12.2.2018).

BNP Generalsekretär Mirza Fakrul Islam Alamgir kritisierte das Urteil scharf als einen Versuch Khaleda Zia zu verunglimpfen und sie von der Teilnahme an den nächsten Wahlen auszuschließen und kündigte an, das Urteil anzufechten (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018).

Im Vorfeld der Urteilsverkündung gegen Khaleda Zia haben die Behörden am 30. Jänner damit begonnen landesweit Unterstützer der oppositionellen BNP zu verhaften (OMCT 22.3.2018). Die in Dhaka ansässigen Menschenrechtsorganisation Ain O Salish Kendra berichtet, dass in den acht Tagen vor der Urteilsverkündigung insgesamt 1.786 Personen, Mitglieder der BNP, der islamistischen politischen Partei Jamaat-e-Islami und parteilose, festgenommen wurden (HRW 8.2.2018). BNP-Sprecher Rizvi Ahmed spricht von der Verhaftung von ungefähr

3.500 Aktivisten und Funktionären (The Guardian 8.2.2018).

Noch vor der Urteilsverkündung kam es in Dhaka zu Zusammenstößen zwischen Gefolgsleuten der BNP und der Polizei. Im Fernsehen waren brennende Motorräder zu sehen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Demonstranten, die ein behördliches Versammlungsverbot missachtet hatten, zu zerstreuen (DW 8.2.2018).

Auch nach der Urteilsverkündung kam es in Bangladeschs Großstädten zu Zwischenfällen bei denen Polizeibeamte und Anhänger der BNP verletzt wurden. In der nordöstlichen Stadt Sylhet feuerten Polizisten mit Gummigeschossen auf Demonstranten, wobei vier Personen verletzt wurden. In der Hafenstadt Chittagong wurden mindestens sieben BNP-Funktionäre, darunter der lokale Parteivorsitzende verhaftet, nachdem es zu einem Handgemenge zwischen Anhänger der Opposition und der Polizei gekommen war (The Guardian 8.2.2018; vgl. BBC News 8.2.2018).

Etwa 5.000 Unterstützer der Opposition wurden bisher landesweit inhaftiert (OMCT 22.3.2018). Die Parteiführung der BNP fordert deren bedingungslose Freilassung ( Dhaka Tribune 10.2.2018).

Seit der Inhaftierung von Khaleda Zia hat die BNP bei verschiedenen, friedlichen Aktionen, wie eine landesweite Flugblattaktion am 1. März, die Bildung einer Menschenkette in Dhaka am 6. März, sowie Sit-ins, symbolische Hungerstreiks und Protestzüge, ihre Freilassung gefordert ( Dhaka Tribune 6.3.2018; vgl. Gulf Times 4.3.2018).

Am 19. März hat das Höchstgericht von Bangladesch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs von Dhaka, der ehemaligen Premierministerin Khaleda Zia Kaution zu gewähren, bis zum 8. Mai ausgesetzt (ANI 19.3.2018).

Quellen:

-

ANI - Asian News International (19.3.2018): B'desh SC stays Khaleda Zia's bail in orphanage graft case, https://www.aninews.in/news/world/asia/bdesh-sc-stays-khaleda-zias-bail-inorphanage-graft-case201803191613580001/, Zugriff 22.3.2018

-

BBC News (8.2.2018): Bangladesh ex-PM Khaleda Zia jailed amid clashes, http://www.bbc.com/news/world-asia-42987765, Zugriff 22.3.2018

-

Deutsche Welle (8.2.2018): Ex-Premierministerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt,

http://www.dw.com/de/ex-premierministerin-khaleda-zia-zu-f%C3%Bcnf-jahren-haftverurteilt/a-42499619, Zugriff 22.3.2018

-

Dhaka Tribune (10.2.2018): BNP announces more protest plans over Khaleda conviction,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/02/10/bnp-announces-protest-planskhaleda-conviction/, Zugriff 22.3.2018

-

Dhaka Tribune (6.3.2018): BNP forms human chain demanding Khaleda's release,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/03/06/bnp-forms-human-chaindemanding-khaledas-release/, Zugriff 22.3.2018

-

Gulf Times (4.3.2018): BNP announces fresh protest to demand release of Zia,

http://www.gulf-times.com/story/583845/BNP-announces-fresh-protest-to-demand-release-of-Z, Zugriff 22.3.2018

-

HRW - Human Rights Watch (8.2.2018): Bangladesh: End Crackdown on Opposition Supporters,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1423887.html, Zugriff 22.3.2018

-

Indianexpress (12.2.2018): The solitary prisoner, http://indianexpress.com/article/opinion/columns/khaleda-zia-bangladesh-politics-bnp-thesolitary-prisoner-5060031/, Zugriff 22.3.2018

-

OMCT -World Organisation Against Torture (22.3.2018): Bangladesh:

Bangladesh: Civil society decries mass arrests amid worsening human rights situation,

http://www.omct.org/monitoring-protectionmechanisms/statements/bangladesh/2018/03/d24780/, Zugriff 22.3.2018

-

The Daily Star (25.2.2018): ASK blasts cop action on BNP programme,

http://www.thedailystar.net/country/ain-o-salish-kendra-ask-blasts-police-action-bnpprogramme-153989, Zugriff 22.3.2018

-

The Guardian (8.2.2018): Violent protests as opposition leader is jailed in Bangladesh,

https://www.theguardian.com/world/2018/feb/08/violent-protests-opposition-leader-jailedbangladesh-khaleda-zia, Zugriff 22.3.2018

Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017).

Am 05.01.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30 % bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

-

HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

-

NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

-

ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). Die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

-

AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

-

AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. (AA 3.2017a). Zusätzlich behindern Korruption und ein erheblicher Verfahrensrückstand das Gerichtssystem. Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017). Straffälle gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2017). Richter des Obersten Gerichtshofs haben des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 12.2016). Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 3.2017a).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 3.3.2017). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 3.3.2017).

Bangladeschs Sicherheitskräfte haben eine lange Geschichte von willkürlichen Verhaftungen, erzwungenem Verschwinden-Lassen und außergerichtlichen Tötungen (HRW 12.1.2017). Obwohl gesetzlich verboten, gibt es Hinweise auf willkürliche Festnahmen, sowie auf die willkürliche Anwendung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gemäß den Spezialgesetzen "Special Powers Act" und "Public Safety Act". Diese erlauben die 30-tägige Inhaftierung ohne Angabe von Gründen, um Taten zu verhindern, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Nach 30 Tagen sind dem Angehaltenen die Haftgründe zu nennen, oder er muss entlassen werden. Die Praxis weicht davon ab. Die Arretierten haben keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Die davon hauptsächlich betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 12.2016). Des Weiteren gibt es Berichte von Folter und anderen Missbräuchlichen Handlungen in Polizeigewahrsam. Der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013 wird nur schleppend umgesetzt (AI 22.2.2017). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung:

Rapid Action Bataillons (RABs): Das Rapid Action Bataillon (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14) (AA 14.1.2016) mit insgesamt ca. 8.500 Mann. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen und die Terrorabwehr (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016). Die gut ausgebildeten und modern ausgerüsteten RABs sind hauptsächlich in den urbanen Zentren des Landes stationiert und verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Tötungen während Schusswechseln führt. Auch im Zuge von Demonstrationen setzten die RABs neben Gummigeschossen scharfe Munition ein, was auch hier zu Todesopfern führte. Insgesamt starben seit der Gründung 2004 laut Schätzungen über 800 Personen entweder durch Schusswechsel oder in RAB-Gewahrsam, es kam jedoch bisher zu keinen Verurteilungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Innenministerium, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB New Delhi 12.2016).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" (32 Personen) geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sogenannte "Town Defence Parties" (ÖB New Delhi 12.2016).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 14.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 12.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Folter und unmenschliche Behandlung

Obwohl Folter und grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, durch die Verfassung und Gesetze wie der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013, verboten sind, gibt es weiterhin Vorwürfe von Misshandlungen durch Sicherheitskräfte und Geheimdienste. Menschrechtsorganisationen berichten, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 acht Personen zu Tode gefoltert wurden (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Zusätzlich gab es 2016 laut Bericht von Odhikar 178 Fälle von außergerichtlichen Tötungen und 90 Fälle von erzwungenem Verschwinden Lassen (FH 1.2017).

Per Gesetz ist es Richtern möglich, über Verdächtige Untersuchungshaft zu verhängen, während Befragungen ohne Beisein eines Anwalts erfolgen können. Laut Menschrechtsorganisationen fanden viele Fälle von Folter in dieser Phase statt. Aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen kommt es selten zu Anzeigen, und folglich Bestrafungen oder Verurteilungen der verantwortlichen Sicherheitskräfte (USDOS 3.3.2017). 2013 hat sich mit der Praxis des "kneecapping" eine neue Art der Folter entwickelt. Dabei wird den Gefangenen in die Knie geschossen. Bei den Opfern, von denen einige invalide wurden, handelt es sich um Politiker, Journalisten und einfache Verdächtige. Diese Praxis hat auch 2016 angehalten (Odhikar 2017). Seit 2013 bis 2016 gab es 25 derartige Fälle (USDOS 3.3.2017)

Um Folter in Verwahrung zu reduzieren zu bekämpfen, hat der Oberste Gerichtshof Richtlinien für Strafverfolgungspersonal und Gerichte, bzgl. medizinischer Kontrollen und Ermittlungen zu Foltervorwürfen erlassen. Der Oberste Gerichtshof forderte außerdem die Regierung auf, einige Abschnitte des Strafprozessgesetzes zu ändern, um polizeilichen Missbrauch von Bürgern zu verringern (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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