TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/14 W195 2196249-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.2018
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Entscheidungsdatum

14.11.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W195 2196249-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 22.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen einer am 23.11.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab der BF an, im März oder April 2015 den Entschluss gefasst zu haben, sein Heimatland zu verlassen. Er sei zunächst mit dem Flugzeug in den Irak geflogen und von dort aus - nachdem er sich sieben bis acht Monate im Irak aufgehalten habe - anschließend über die Türkei, Griechenland und Serbien nach Österreich gereist. Nach jenen Gründen befragt, die den BF bewogen hätten, sein Heimatland zu verlassen, führte dieser aus, in Bangladesch politisch tätig gewesen zu sein und dabei das "Jamat" der Bangladesh National Party (im Folgenden: BNP) unterstützt zu haben. Anhänger und Unterstützer des "Jamat" seien einer Verfolgung durch die machthabende AWAMI League ausgesetzt und habe für den BF daher eine akute Gefahr in Bangladesch bestanden. Im Falle einer Rückkehr fürchte der BF um seine Sicherheit und sein Leben. Erst vor einer Woche sei in den Nachrichten berichtet worden, dass in seinem Heimatland Anhänger des "Jamat" inhaftiert und anschließend öffentlich hingerichtet worden seien.

I.2. Am 21.02.2018 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.

Dabei aufgefordert, all seine persönlichen Fluchtgründe darzulegen, führte der BF aus, dass er sich im Jahr 2010 der BNP angeschlossen habe. Der BF habe anfangs an Demonstrationen teilgenommen und am 16.06.2014 eine Bestätigung bekommen, politischer Mitarbeiter der BNP zu sein. Anhänger der AWAMI League hätten jedoch Druck auf ihn ausgeübt und den BF aufgefordert, die BNP zu verlassen und sich ihnen anzuschließen. Im Zuge eines Vorfalles sei er von Leuten der AWAMI League auf der Straße auch mit dem Tode bedroht worden. Zwei bis drei Tage später - am 31.12.2014 - sei gegen den BF eine Anzeige erhoben worden, in der ihm vorgeworfen worden sei, einen Brand in einem Fahrzeug gelegt zu haben. Informationen seiner Mutter zu Folge habe auch die Polizei nach dem BF gesucht. Da die Anzeige nicht über "seine" Polizeistation ergangen sei, habe der BF zunächst jedoch vermutet, dass die Anzeige fälschlicherweise gegen ihn erhoben worden sei. Als er am 17.02.2015 mit Leuten der BNP unterwegs gewesen sei, sei er gegen 21 oder 22 Uhr auf Anhänger der AWAMI League gestoßen. Diese hätten den BF darauf angesprochen, dass er sich ihnen nicht angeschlossen habe und hätten ihn gefragt, was er von der nun gegen ihn erhobenen Anzeige halte. Daraufhin sei es zunächst zu einer verbalen und in weiter Folge zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, im Zuge derer der BF ins Gesicht und am Körper geschlagen bzw. mit einem Messer verletzt worden sei. Er sei an den Unterarmen und am Bein verletzt worden und habe viel Blut verloren. Nachdem Leute auf den Vorfall aufmerksam geworden seien, seien die Angreifer geflohen und sei der BF in weiterer Folge von einer ihm unbekannten Person in ein Krankenhaus gebracht worden. Vom 18.02.2015 bis 27.02.2015 habe sich der BF in Behandlung im XXXX Hospital befunden. Der seitens seiner Eltern erfolgte Versuch, den Vorfall bei der Polizei zur Anzeige zu bringen, sei gescheitert. Die Polizei habe die Anzeige nicht aufgenommen und den BF als Verbrecher bezeichnet. Anschließend hätten sich die Probleme jedoch gesteigert, da die Leute, die den BF geschlagen hätten, erfuhren hätten, dass die Eltern des BF bei der Polizei gewesen seien. Der BF habe sich weiterhin in XXXX aufgehalten, nach 26 Tagen seinen Verband abnehmen lassen und dann mit der finanziellen Unterstützung seines Vaters Bangladesch Ende März/Anfang April in Richtung Irak verlassen. Im Falle einer Rückkehr nach Bangladesch werde der BF umgebracht. Nachdem sein Vater am 07.02.2018 oder 08.02.2018 aus Saudi-Arabien nach Bangladesch zurückgekehrt sei, habe dieser von einer neuerlich gegen den BF fälschlicherweise erhobenen Anzeige erfahren.

Im Zuge der Einvernahme vom 21.02.2018 legte der BF Unterlagen in englischer bzw. bengalischer Sprache (einen medizinischen Bericht, eine Anzeige, Unterlagen zu einem Strafverfahren, eine Bestätigung über die Mitgliedschaft zur BNP) sowie eine Lehrlingscard der WKO, einen Lohnzettel und Deutschkursbestätigungen vor.

I.3 Mit Datum vom 05.03.2018 übermittelte der BF ein weiteres Schriftstück, bei dem es sich um eine (weitere) gegen den BF fälschlich erhobene Strafanzeige handle.

I.4. Mit Schreiben vom 24.03.2018 gab das BFA die Übersetzung der vom BF im Rahmen der Einvernahme vom 21.02.2018 in englischer bzw. bengalischer Sprache vorgelegten Unterlagen in Auftrag.

I.5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX , Zl. XXXX , wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13

AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm

§ 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF kein konkretes und nachvollziehbares (Flucht-)Vorbringen erstattet, sondern bloß vage, unkonkrete (nicht asylrelevante) und widersprüchliche Angaben getätigt habe, weswegen das diesbezügliche Vorbringen des BF - auch unter Berücksichtigung des Inhalts der (übersetzten) vorgelegten Unterlagen - als nicht glaubhaft zu bewerten und die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen verfolgt zu werden, daher nicht begründet sei. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vor und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten.

I.6. Mit Schriftsatz vom 22.05.2018 wurde der Bescheid des BFA vom XXXX seitens des - nunmehr rechtsfreundlich vertretenen - BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Gänze angefochten.

Nach Wiedergabe des bisherigen Verfahrensverlaufes wurde dabei zusammengefasst begründend ausgeführt, dass die Behörde sich nicht ausreichend mit den vorgelegten Bescheinigungsmitteln auseinandergesetzt habe und das (Flucht-)Vorbringen des BF entgegen den Ausführungen im angefochtenen Bescheid sich nicht als unsubstantiiert darstelle. Die Gefahr von Verfolgungshandlungen durch Dritte liege im Falle des BF als Mitglied der BNP jedenfalls vor. Gewaltsame politische Konflikte zwischen der BNP und der AWAMI League seien medial und durch unabhängige Organisationen ausführlich dokumentiert und bestünden keine Zweifel an der Verfolgungsgefährdung des BF aus politischen Gründen.

Es wurden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass dem BF Asyl gewährt wird, in eventu den Bescheid dahingehend abzuändern, dass die Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF erklärt und ein befristetes Aufenthaltsrecht erteilt wird, in eventu den Bescheid dahingehend abzuändern, dass Spruchpunkt IV. behoben und festgestellt wird, dass die Ausweisung des BF auf Dauer unzulässig ist, in eventu den Bescheid zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Erstbehörde zurückzuverweisen.

I.7. Mit Datum vom 23.05.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

I.8. Mit Schreiben vom 25.09.2018 wurde zur Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht geladen und damit dem BF auch das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Bangaldesch zur allfälligen Stellungnahme bis längstens im Rahmen der für den XXXX angesetzten mündlichen Beschwerdeverhandlung, übermittelt.

I.9. Am XXXX führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali und des ausgewiesenen Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der BF ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Österreich befragt wurde.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte der Vertreter des BF zusätzlich Urkunden (25 Seiten) vor: einen Lehrlingsvertrag, sowie diverse Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Bescheinigungen über die Teilnahme an einen Rot-Kreuz-Kurs und eine Mitglieder-Bestätigung der Bangladesch-Österreichische Gesellschaft vom 08.07.2018. Weiters wurde ein englischsprachiges Papier hinsichtlich der Bestätigung eines Rechtsanwaltes XXXX vom XXXX , vorgelegt, in dem - zusammengefasst - bestätigt wird, dass dem BF in zwei gerichtsanhängigen Straffällen (Mit-)Täterschaft vorgeworfen werde. Als weiteres Schriftstück wurde eine Mitglied-Bestätigung vom 17.10.2018 übergeben, welche die Tätigkeit des BF in dem Verein Bangladesh Jatiotabadi Dall Austria seit 2016 bestätigt.

Jedenfalls führte der BF aus, dass er Asyl in Österreich ausschließlich aus politischen Gründen begehre. Er sei in Bangladesch Mitglied der BNP gewesen und habe an diversen Aktivitäten dieser Partei teilgenommen. Die konkrete Verfolgung habe zu Sylvester 2014 begonnen, weil er beschuldigt worden sei, an einer politisch motivierten Schlägerei am 31.12.2014 teilgenommen zu haben; er habe jedoch nie an einer derartigen Schlägerei teilgenommen. Er habe dann Großteils nicht mehr zu Hause, sondern nur noch bei Verwandten in der Nähe gewohnt. Am 17.02.2015 wollte er allein zwischen 21.00 und 22.00 von einem Freund zu seiner Tante gehen. Dabei sei er auf eine Gruppe von 5 - 7 Personen, den Angaben des BF nach Mitglieder der Awami League, gestoßen, welche - nach gegenseitigen Verbalattacken - ihn angegriffen hätten. Er habe sich lediglich verteidigt, sei aber mit einem Messerstich am Handrücken sowie nach seinem Sturz am rechten Knie (Innenseite) schwer verletzt worden. Durch seine Hilfeschreie wären letztlich Passanten und Geschäftsleute aufmerksam geworden und hätten ihm, nachdem die Angreifer geflohen seien, geholfen, in ein Spital gebracht, wo er erstversorgt wurde. In weiterer Folge flüchtete er.

Er sei durch seinen Großvater, der Mitglied bei der Jaamat-E-Islami gewesen sei, und welche der BNP nahe stünde, politisch geprägt worden.

Sein Vater, der als Geschäftsmann (Fischzucht und Landwirtschaft) tätig gewesen sei, habe oft Schlägern Schutzgeld bezahlen müssen, was ihn veranlasst habe, seine Tätigkeiten aufzugeben und ins Ausland zu gehen, um dort zu arbeiten; die Awami League Mitglieder seien eigentlich Schutzgelderpresser gewesen. Dies hätte es unter der Regierung der BNP nicht gegeben, es wäre aber jetzt ein generelles Problem.

Seine Familie lebe in Bangladesch, sein Vater arbeite im Ausland und würde regelmäßig nach Bangladesch kommen. Die Grundstücke der Familie seien momentan nicht bewirtschaftet, teilweise verkauft und die Fischzucht nicht mehr gepachtet. Er selbst habe nicht gearbeitet, und hätte er sich auch seit Dezember 2014, nämlich der Anzeige gegen ihn, auch nicht mehr politisch betätigt. Erst in Österreich habe er sich wieder politisch betätigt, etwa durch Teilnahme an einer Demonstration am 10.10.2018 bei der UNO-City.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen

Lebensumständen in Österreich:

Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali (gleichlautende Angaben in Erstbefragung VA 3ff sowie bei Einvernahme vom beim BFA VA 163 ff).

Der BF ist im Ort XXXX geboren und aufgewachsen. Er hat in seinem Heimatland für sechs Jahre eine Grundschule besucht und vor seiner Ausreise aus Bangladesch im März/April des Jahres 2015 seinem Vater, der eine Fischerei und eine Landwirtschaft betrieben hat, ab und zu geholfen, ansonsten "das Leben genossen" (VA 167). Er hat zwischen Dezember 2014 und Februar 2015 nicht gearbeitet (BVWG NS 13).

Der BF ist ledig. Die Mutter des BF, seine zwei jüngeren Brüder sowie die Großmutter halten sich bei der Mutter in Bangladesch auf, der Vater arbeitet, nachdem er die Fischzucht und die Landwirtschaft (wegen behaupteter Schutzgelderpressung) aufgegeben hat, in Saudi-Arabien und kommt gelegentlich nach Bangladesch (VA 166; BVwG NS 5). Zwischen dem BF und seinen Verwandten besteht aufrechter regelmäßiger Kontakt (BVwG NS 4).

Der BF ist im November 2015 nicht legal in das Bundesgebiet eingereist. Er hat von November 2015 bis Juli 2016 Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezogen und geht in Österreich seit Mai 2017 einer Tätigkeit als Küchenhilfe nach (VA 3ff; VA 167 ; BVwG NS 4, Beilage 1).

Der BF ist in Österreich kein Mitglied in einem Verein (AV 167; gegenteilige Behauptung in BVwG NS 14) und engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes nicht ehrenamtlich.

Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des BF in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des BF. Er verfügt im Bundesgebiet über keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte (VA 3ff; VA 167; BVwG NS 6).

Der BF verfügt über geringe Deutschkenntnisse (BVwG NS 5), legt jedoch eine Bestätigung über ÖSD Zertifikat A2 vor. Er ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF ist gesund. Er nimmt keine Medikamente und befindet sich nicht in ärztlicher Behandlung (VA 164; BVWG NS 4).

I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Als einzigen Fluchtgrund führt der BF politische Verfolgung an (BVWG NS 6).

Festgestellt wird, dass der BF als "Mitarbeiter" (VA 170) bzw Sympathisant (BVwG NS 7 und 11) der Bangladesh Nationalist Party (BNP), vermutlich seit 2010, tätig war (VA 170, BVWG 7). Am 31.12.2014 habe es eine Schlägerei gegeben, zu der der BF angibt, daran nicht beteiligt gewesen zu sein, jedoch sei ihm nach einigen Tagen bekannt geworden, dass er wegen einer Straftat angezeigt worden sei. (VA 168, BVWG NS 8); er habe daraufhin über Anraten seines Vaters und von Freunden bei Familienangehörigen gewohnt (VA 168) und seine politischen Aktivitäten, auch mangels Kontakt zu seinen Freunden, seit Dezember 2014 eingestellt (VA 170).

Am 17.02.2015 sei er, von seinem Wohnort ca drei bis vier Kilometer entfernt, am Abend von einem Freund zu seiner Tante gegangen (widersprüchlich ob "mit Freunden": VA 168; oder "allein": VA 168, gleicher Absatz; BVWG NS 9; vgl zu dieser Widersprüchlichkeit auch die Aussagen des BF, dass die Übersetzungen im gesamten Asylverfahren (somit auch vor dem BFA) ohne Probleme erfolgten: "Es gab keine Probleme und es wurde nichts falsch übersetzt" (BVWG NS 4); wiederum widersprüchlich dazu die Aussage des BF in der gleichen Verhandlung, auf Nachfrage seines Rechtsvertreters, dass seine Angaben, er sei mit Freunden unterwegs gewesen, "ein Übersetzungsfehler" beim BFA war). Am Weg dorthin habe er mehrere Personen getroffen, welche angeblich Anhänger der Awami League seien. Abzeichen oder andere besondere politische Erkennungszeichen hätten diese Personen nicht getragen, genau so wenig wie der BF selbst. Nach verbalen Auseinandersetzungen (VA 168, BVWG NS 9) sei er tätlich angegriffen worden, an der Hand und im inneren Kniebereich mit einem Messer verletzt und sodann von Passanten, welche zu Hilfe eilten, ins Spital gebracht worden (VA 168, BVWG NS 8).

In weiterer Folge sei er nach Bagdad/Irak geflohen, wo er gearbeitet habe; nach einer Bombenexplosion in Bagdad sei er nach Europa bis nach Österreich geflohen (VA 169). Mittlerweile sei Anfang Februar 2018 eine weitere Anzeige gegen ihn wegen einer behaupteten Straftat in Bangladesch erfolgt (VA 171, BVWG NS 11).

Hinsichtlich des Angriffes vom 17.02.2015 gibt der BF an, dass dies politische Gegner gewesen seien, welche er von Aktivitäten der Awami League kenne (VA 168, BVWG NS 8). Sie hatten jedoch keine Abzeichen, genauso wenig wie er. Weiters führte er aus, dass "die Awami League

Mitglieder ... eigentlich Schutzgelderpresser" waren (BVWG NS 10);

sein Vater habe öfter Schutzgeld oder Einladungen an Schläger bezahlen müssen, um seine Geschäfte betreiben zu können (BVWG NS 10); deswegen habe sein Vater auch seine Arbeit eingestellt und sei ins Ausland gegangen.

Auch wenn der BF darlegt, dass er die Ideen der Awami League nicht teilt und sich der BNP zugehörig fühlt (BVWG NS 11) kann nicht festgestellt werden, dass der BF auf Grund einer politischen Tätigkeit in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht. Der BF gibt an, dass er seit Dezember 2014 seine politischen Aktivitäten eingestellt habe. Weiters führt der BF selbst die Steigerung der Kriminalität und der Schutzgelderpressungen auf ein generelles Problem zurück, welches tausende Gemeinden betrifft, und erst nach der Machtübernahme der Awami League eingetreten sei.

In Österreich sei er seit 2016 Mitglied bei der BNP Österreich und politisch aktiv. Für diese Mitgliedschaft bezahlt er € 10 pro Jahr und bekommt eine schriftliche Bestätigung darüber vom Generalsekretär der BNP in Österreich (BVwG NS 13, 14); damit widerspricht sich der BF, welcher bei der Einvernahme am 21.02.2018 vor dem BFA aussagte, dass er bei keinem Verein Mitglied sei (AV 167).

II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:

Kurzinformation vom 23.03.2018, Oppositionsführerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt (relevant für Abschnitt 2. Politische Lage)

Am 8. Februar 2018 wurde Begum Khaleda Zia, die frühere Premierministerin von Bangladesch und Vorsitzende der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (BNP) durch ein Gericht in XXXX für schuldig befunden, während ihrer ersten Amtszeit von 1991 bis 1996 Spendengelder in Höhe von 21 Millionen Taka (etwa 200.000 Euro) veruntreut zu haben, die für die wohltätige Organisation Zia Orphanage Trust bestimmt waren. Das Gericht verurteilte Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft, vier Berater und ihren Sohn Tarique Rahman zu je zehnjährigen Haftstrafen (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018). Der in London im Exil lebende Tarique Rahman ist von der Parteiführung im Zuge des Urteils zum Leiter der BNP erkoren worden (Indianexpress 12.2.2018).

Die Anklage gegen Khaleda Zia und ihren älteren Sohn erfolgte bereits 2008 durch die damalige militärische Übergangsregierung (Indianexpress 12.2.2018).

BNP Generalsekretär Mirza Fakrul Islam Alamgir kritisierte das Urteil scharf als einen Versuch Khaleda Zia zu verunglimpfen und sie von der Teilnahme an den nächsten Wahlen auszuschließen und kündigte an, das Urteil anzufechten (DW 8.2.2018; vgl. The Guardian 8.2.2018).

Im Vorfeld der Urteilsverkündung gegen Khaleda Zia haben die Behörden am 30. Jänner damit begonnen landesweit Unterstützer der oppositionellen BNP zu verhaften (OMCT 22.3.2018). Die in XXXX ansässigen Menschenrechtsorganisation Ain O Salish Kendra berichtet, dass in den acht Tagen vor der Urteilsverkündigung insgesamt 1.786 Personen, Mitglieder der BNP, der islamistischen politischen Partei Jamaat-e-Islami und parteilose, festgenommen wurden (HRW 8.2.2018). BNP-Sprecher Rizvi Ahmed spricht von der Verhaftung von ungefähr

3.500 Aktivisten und Funktionären (The Guardian 8.2.2018).

Noch vor der Urteilsverkündung kam es in XXXX zu Zusammenstößen zwischen Gefolgsleuten der BNP und der Polizei. Im Fernsehen waren brennende Motorräder zu sehen. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Demonstranten, die ein behördliches Versammlungsverbot missachtet hatten, zu zerstreuen (DW 8.2.2018).

Auch nach der Urteilsverkündung kam es in Bangladeschs Großstädten zu Zwischenfällen bei denen Polizeibeamte und Anhänger der BNP verletzt wurden. In der nordöstlichen Stadt Sylhet feuerten Polizisten mit Gummigeschossen auf Demonstranten, wobei vier Personen verletzt wurden. In der Hafenstadt Chittagong wurden mindestens sieben BNP-Funktionäre, darunter der lokale Parteivorsitzende verhaftet, nachdem es zu einem Handgemenge zwischen Anhänger der Opposition und der Polizei gekommen war (The Guardian 8.2.2018; vgl. BBC News 8.2.2018).

Etwa 5.000 Unterstützer der Opposition wurden bisher landesweit inhaftiert (OMCT 22.3.2018). Die Parteiführung der BNP fordert deren bedingungslose Freilassung ( XXXX Tribune 10.2.2018).

Seit der Inhaftierung von Khaleda Zia hat die BNP bei verschiedenen, friedlichen Aktionen, wie eine landesweite Flugblattaktion am 1. März, die Bildung einer Menschenkette in XXXX am 6. März, sowie Sit-ins, symbolische Hungerstreiks und Protestzüge, ihre Freilassung gefordert (Dhaka Tribune 6.3.2018; vgl. Gulf Times 4.3.2018).

Am 19. März hat das Höchstgericht von Bangladesch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs von Dhaka, der ehemaligen Premierministerin Khaleda Zia Kaution zu gewähren, bis zum 8. Mai ausgesetzt (ANI 19.3.2018).

Quellen:

-

ANI - Asian News International (19.3.2018): B'desh SC stays Khaleda Zia's bail in orphanage graft case, https://www.aninews.in/news/world/asia/bdesh-sc-stays-khaleda-zias-bail-inorphanage-graft-case201803191613580001/, Zugriff 22.3.2018

-

BBC News (8.2.2018): Bangladesh ex-PM Khaleda Zia jailed amid clashes, http://www.bbc.com/news/world-asia-42987765, Zugriff 22.3.2018

-

Deutsche Welle (8.2.2018): Ex-Premierministerin Khaleda Zia zu fünf Jahren Haft verurteilt,

http://www.dw.com/de/ex-premierministerin-khaleda-zia-zu-f%C3%Bcnf-jahren-haftverurteilt/a-42499619, Zugriff 22.3.2018

-

Dhaka Tribune (10.2.2018): BNP announces more protest plans over Khaleda conviction,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/02/10/bnp-announces-protest-planskhaleda-conviction/, Zugriff 22.3.2018

-

Dhaka Tribune (6.3.2018): BNP forms human chain demanding Khaleda's release,

http://www.dhakatribune.com/bangladesh/politics/2018/03/06/bnp-forms-human-chaindemanding-khaledas-release/, Zugriff 22.3.2018

-

Gulf Times (4.3.2018): BNP announces fresh protest to demand release of Zia,

http://www.gulf-times.com/story/583845/BNP-announces-fresh-protest-to-demand-release-of-Z, Zugriff 22.3.2018

-

HRW - Human Rights Watch (8.2.2018): Bangladesh: End Crackdown on Opposition Supporters,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1423887.html, Zugriff 22.3.2018

-

Indianexpress (12.2.2018): The solitary prisoner, http://indianexpress.com/article/opinion/columns/khaleda-zia-bangladesh-politics-bnp-thesolitary-prisoner-5060031/, Zugriff 22.3.2018

-

OMCT -World Organisation Against Torture (22.3.2018): Bangladesh:

Bangladesh: Civil society decries mass arrests amid worsening human rights situation,

http://www.omct.org/monitoring-protectionmechanisms/statements/bangladesh/2018/03/d24780/, Zugriff 22.3.2018

-

The Daily Star (25.2.2018): ASK blasts cop action on BNP programme,

http://www.thedailystar.net/country/ain-o-salish-kendra-ask-blasts-police-action-bnpprogramme-153989, Zugriff 22.3.2018

-

The Guardian (8.2.2018): Violent protests as opposition leader is jailed in Bangladesh,

https://www.theguardian.com/world/2018/feb/08/violent-protests-opposition-leader-jailedbangladesh-khaleda-zia, Zugriff 22.3.2018

Politische Lage

Bangladesch ist eine Volksrepublik (People' s Republic of Bangladesh) mit einer seit 1991 wieder geltenden parlamentarischen Demokratie als Regierungsform (GIZ 5.2017).

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt Großteils zeremonielle Funktionen aus, die Macht liegt in den Händen des Premierministers als Regierungschef, der von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird. Der Premierminister, ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der 5-jährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige "Caretaker"-Regierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. GIZ 5.2017). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 5.2017). Aktuell hat Sheikh Hasina von der Awami League (AL) das Amt der Premierministerin inne (ÖB New Delhi 12.2016)

Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten Abgeordneten (ÖB New Delhi 12.2016) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (AA 14.1.2016). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der "Caretaker"-Regierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB New Delhi 12.2016).

Das politische Leben wird seit 1991 durch die beiden größten Parteien, die "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) bestimmt. Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind stark politisiert und parteipolitisch durchdrungen (AA 3.2017a). AL und BNP werden quasi-dynastisch von Sheikh Hasina und Begum Khaleda Zia geführt, die das politische Vermächtnis ihrer ermordeten Männer fortführen und eine unangefochtene Machtstellung in ihrer jeweiligen Partei genießen. Sie beeinflussen den Kandidatenauswahlprozess für Partei- und Staatsämter und geben den Takt für die politischen Auseinandersetzungen vor. Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potential, durch Generalstreiks (Hartals) großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 5.2017). Nennenswerte parlamentarische Stärke haben in der Vergangenheit sonst nur die Jatiya Party (JP) und die JI erzielt (GIZ 5.2017).

Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden innerparteiischen Demokratie hat de facto jedoch die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei nach ihrem Wahlboykott am 5.1.2014 überhaupt nicht mehr im Parlament vertreten ist. Wie schon die Vorgängerregierungen, so baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in der Verwaltung, im Rechtswesen und im Militär aus. Auch im Regierungskabinett folgen Ernennungen und Umbesetzungen meist dem Prinzip der Patronage (GIZ 5.2017).

Bereits am 30.7.2011 hat das Parlament bei nur einer Gegenstimme, die BNP und ihre Verbündeten haben der Parlamentssitzung nicht beigewohnt, in der 15. Verfassungsänderung den Islam als Staatsreligion bestätigt, jedoch den Zusatz "Absolutes Vertrauen und der Glauben an den Allmächtigen Allah soll die Basis allen Handelns sein" aus der Verfassung gestrichen. Ungeachtet der ausgeprägten Leistungsdefizite staatlicher Institutionen, der undemokratischen innerparteilichen? Entscheidungsstrukturen und der in der letzten Dekade verstärkt gewalttätig ausgetragenen Parteienrivalität ist der Glauben an die Demokratie innerhalb der Bevölkerung ungebrochen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017).

Am 05.01.2014 boykottierte die BNP die 10. Parlamentswahlen wodurch die AL eine verfassungsändernde Mehrheit erreichen konnte. Weitere Sitze gingen an Koalitionspartner der AL. Die sehr geringe Wahlbeteiligung von nur ca. 30% bei den Parlamentswahlen 2014 ist auf den Wahlboykott der Opposition zurückzuführen. Es gab Berichte über massive Einschüchterungsversuche wahlbereiter Bürger seitens oppositioneller Gruppen (GIZ 5.2017; vgl. AA 3.2017a). Am Wahltag wurden mindestens 21 Menschen getötet und über 130 Wahllokale in Brand gesetzt. Die Opposition reagierte bereits einen Tag nach den Wahlen mit Generalstreiks und in vielen Distrikten wurde über Attacken gegen ethnische und religiöse Minderheiten, v.a. Hindus, berichtet. Die AL versuchte mit gezielten Verhaftungen von Oppositionspolitikern den Druck auf das Regime zu schwächen (GIZ 5.2017).

Die verfassungsändernde Mehrheit im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration in den Händen der AL respektive der Regierung. Mit neuen Gesetzen zu Medien, Äußerungen im Internet, Absetzung von obersten Richtern und Förderung von NGOs aus dem Ausland wird diese Konzentration noch weiter verstärkt. Die derzeitige Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges von 1971 juristisch aufzuarbeiten. Angeklagt sind damalige Kollaborateure der pakistanischen Streitkräfte, von denen viele bis zur letzten innerparteilichen Wahl in führenden Positionen der islamistischen JI waren (AA 3.2017a). Auch die BNP ist dadurch in der Defensive (GIZ 5.2017). Die Prozesse und (häufig Todes-) Urteile öffnen alte Wunden und führen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen säkularen und islamistischen Kräften (AA 3.2017a). Mittlerweile wurden acht Todesurteile und mehrere lebenslange Haftstrafen ausgesprochen, sechs Hinrichtungen wurden vollstreckt. Dabei hat sich innerhalb der säkularen Zivilgesellschaft mit Blick auf das Kriegsverbrechertribunal ein grundlegender Dissens entwickelt: Während die einen auf rechtstaatliche Standards pochen und die Todesstrafe ablehnen, ist für andere, v.a. aus der urbanen Protestbewegung Shabagh, jedes Urteil unterhalb der Todesstrafe inakzeptabel (GIZ 5.2017).

Bei den am 30.12.2015 in 234 Stadtbezirken durchgeführten Kommunalwahlen in Bangladesch ist die regierende AL als Siegerin hervorgegangen (NETZ 2.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/334685/476437_de.html, Zugriff 9.6.2017

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NETZ - Partnerschaft für Entwicklung und Gerechtigkeit e.V. (2.1.2016): Bangladesch Aktuell, http://bangladesch.org/bangladesch/aktuell/detailansicht/news/detail/News/kommunalwahlen/cHash/781fa29261a9302cfb84107680f22794.html, Zugriff 9.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

Sicherheitslage

Es gibt in Bangladesch keine Bürgerkriegsgebiete (AA 3.2017).

Die Opposition organisierte Proteste und Straßenblockaden, unter denen die Wirtschaft leidet. Die Regierung reagiert mit Verhaftungen und mit Einschränkungen von Grundrechten. Sie will die öffentliche Ruhe mit allen Mitteln wiederherstellen. Die internationale Gemeinschaft verurteilte die Gewalt scharf und hat die Beteiligten zum Dialog aufgerufen (GIZ 5.2017).

Extremistische Gruppen, wie Jamaat-ul-Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansar al-Islam, die ihre Zugehörigkeit zu Daesh und Al Qaida auf dem indischen Subkontinent (AQIS) erklärten, haben Angriffe auf Angehörige religiöser Minderheiten, Akademiker, Ausländer, Menschenrechtsaktivisten und LGBTI-Personen, sowie weitere Gruppen durchgeführt (USDOS 3.3.2017; vgl. AI 22.2.2017). Medienberichten zufolge hat die Terrororganisation IS 2016 für 39 Morde die Verantwortung übernommen, der bengalische Al-Kaida-Ableger soll sich zu acht Taten bekannt haben (GIZ 5.2017). Die Sicherheitsbehörden waren zunächst nicht bereit, angemessene Schutzmaßnahmen zu veranlassen, gewährt aber in vielen Fällen inzwischen Personenschutz (AA 14.1.2016). Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu intra- und interreligiöser Gewalt (AA 3.2017a; vgl. AI 22.2.2017). Die Polizei tötete laut eigenen Angaben mindestens 45 mutmaßliche Terroristen in Schießereien (AI 22.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (14.1.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/336450/479091_de.html, Zugriff 28.6.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (5.2017): Bangladesch, Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/bangladesch/geschichte-staat/#c14332, Zugriff 9.6.2017

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Rechtsschutz/Justizwesen

Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof. Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die Gerichtsbarkeit ist überlastet und sieht sich von vielen Seiten Versuchen der Einflussnahme ausgesetzt. (AA 3.2017a). Zusätzlich behindern Korruption und ein erheblicher Verfahrensrückstand das Gerichtssystem. Gerichtsverfahren sind durch eine überlange Verfahrensdauer geprägt, was viele Angeklagten bei der Inanspruchnahme ihres Rechts auf ein faires Verfahren hindert. Weiters kommt es zu Zeugenbeeinflussung und Einschüchterung von Opfern (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017). Straffälle gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 1.2017). Richter des Obersten Gerichtshofs haben des Öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 12.2016). Durch eine kürzlich erfolgte Verfassungsänderung hat nunmehr das Parlament das Recht, oberste Richter abzusetzen (AA 3.2017a).

Auf Grundlage mehrerer Gesetze ("Public Safety Act", "Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act", "Women and Children Repression Prevention Act", "Special Powers Act") wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese "Speedy Trial" Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren ca. 200 Personen zum Tode verurteilt (ÖB New Delhi 12.2016).

Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB New Delhi 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2017a): Bangladesch, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Bangladesch/Innenpolitik_node.html, Zugriff 9.6.2017

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FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/341770/485095_de.html, Zugriff 28.6.2017

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ÖB New Delhi (12.2016): Asylländerbericht

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USDOS (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bangladesh, http://www.ecoi.net/local_link/337142/479908_de.html, Zugriff 12.6.2017

Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit und Recht und Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen. Diese Mechanismen werden aber nicht immer angewandt (USDOS 3.3.2017). Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 14.1.2016). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. Die Polizei hat Regeln für angemessene Gewaltausübung in ihre Grundausbildung einbezogen, um bürgernahe Polizeiarbeit umsetzen zu können (USDOS 3.3.2017).

Bangladeschs Sicherheitskräfte haben eine lange Geschichte von willkürlichen Verhaftungen, erzwungenem Verschwinden Lassen und außergerichtlichen Tötungen (HRW 12.1.2017). Obwohl gesetzlich verboten, gibt es Hinweise auf willkürliche Festnahmen, sowie auf die willkürliche Anwendung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen gemäß den Spezialgesetzen "Special Powers Act" und "Public Safety Act". Diese erlauben die 30-tägige Inhaftierung ohne Angabe von Gründen, um Taten zu verhindern, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Nach 30 Tagen sind dem Angehaltenen die Haftgründe zu nennen, oder er muss entlassen werden. Die Praxis weicht davon ab. Die Arretierten haben keinen Anspruch auf einen Rechtsbeistand. Die davon hauptsächlich betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 12.2016). Des Weiteren gibt es Berichte von Folter und anderen Missbräuchlichen Handlungen in Polizeigewahrsam. Der "Torture and Custodial Death (Prevention) Act" von 2013 wird nur schleppend umgesetzt (AI 22.2.2017). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben (AA 14.1.2016).

Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten "Bangladesch Police", die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weitere Einheiten zur Verfügung:

Rapid Action Bataillons (RABs): Das Rapid Action Bataillon (RAB), gegründet 2004, untersteht dem Innenministerium. Es unterhält 14 Standorte in Bangladesch (RAB-1 bis RAB-14) (AA 14.1.2016) mit insgesamt ca. 8.500 Mann. Ihre Aufgabe ist der Kampf gegen bewaffnete kriminelle Organisationen und die Terrorabwehr (ÖB New Delhi 12.2016; vgl. AA 14.1.2016). Die gut ausgebildeten und modern ausgerüsteten RABs sind hauptsächlich in den urbanen Zentren des Landes stationiert und verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete "Gang"-Mitglieder, was zu zahlreichen Tötungen während Schusswechseln führt. Auch im Zuge von Demonstrationen setzten die RABs neben Gummigeschossen scharfe Munition ein, was auch hier zu Todesopfern führte. Insgesamt starben seit der Gründung 2004 laut Schätzungen über 800 Personen entweder durch Schusswechsel oder in RAB-Gewahrsam, es kam jedoch bisher zu keinen Verurteilungen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Ansar: Gegründet im Jahr 1948 und ebenfalls dem Innenministerium unterstellt, gibt es aktuell ca. 23.000 leichtbewaffnete Ansars, die zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt werden und auch Zivilschutz-Aufgaben übernehmen (ÖB New Delhi 12.2016).

Bangladesch Rifles (BDRs): Diese ca. 40.000 Mann starke paramilitärische Truppe untersteht dem Innenministerium, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BDRs sind auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB New Delhi 12.2016).

Village Defence Parties (VDP): Gegründet 1976, sollte es in jedem Dorf des Landes je ein männliches und weibliches "Platoon" (32 Personen) geben, die der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der zivilen Behörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen dienen sollen. In Städten gibt es analog dazu sogenannte "Town Defence Parties" (ÖB New Delhi 12.2016).

Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, erfüllt die Funktion, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und ist mit der Spionageabwehr betraut. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 14.1.2016).

Quellen:

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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