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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §37;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/09/0118 Ra 2018/09/0120 Ra 2018/09/0119Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision 1. des A B, 2. der A B, 3. der E Z,
4. des G B, alle in W, vertreten durch Dr. Martin Drahos, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rathausstraße 11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juni 2018, W170 2000764- 1/80E, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesdenkmalamt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 12. Juli 2011 stellte das Bundesdenkmalamt im Sinn einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 Denkmalschutzgesetz (DMSG) fest, dass die Erhaltung der gesamten Außenerscheinung mit Dach und aller Keller auf sämtlichen Niveaus des Hauses Kleeblattgasse 1-3, Steindlgasse 2, Tuchlauben 9, in Wien 1, gemäß §§ 1 und 3 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei.
2 Der dagegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur gerichteten - sodann als Beschwerde zu behandelnden - Berufung gab das durch Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG in der Fassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, zuständige Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht Folge. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
3 Das Verwaltungsgericht sah angesichts der langen und lückenlosen Besitzergeschichte des Gebäudes seit 1368, der Dokumentation des Wiederaufbaus der Wiener Innenstadt nach den Schäden des zweiten Weltkriegs, des mehrgeschoßigen mittelalterlichen Kellersystems sowie einer in einer Kartusche an einer Fassade vorhandenen Madonnenfigur (Relief) eine geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung des Bauwerks als gegeben. Durch die Erhaltung des Objekts im beschriebenen Umfang werde der Einfluss des Apothekers August Moll auf die physische Konfiguration des Objekts im Rahmen des Umbaus eines mittelalterlichen Gewerbebürgerhauses mit barocker Fassade zu einem neuzeitlichen Apothekerhaus im Stil der Neorenaissance, der Typus eines mittelalterlichen Gewerbebürgerhauses samt einem gotischen Wohnturm, die Volumetrie samt Dachform und Dacherker eines im 17. Jahrhundert umgebauten mittelalterlichen Wohnhauses, die entsprechende Mauerwerks- und Steinbautechnik im Dachraum, der Wiederaufbau historischer Objekte nach den Schäden des zweiten Weltkriegs und die Veränderung eines Objekts in der Innenstadt von Wien im Laufe der Zeit dokumentiert. Das Haus dokumentiere auch die für die Innere Stadt Wien typische Anpassung an verschiedene Baustile, zuletzt an die Neorenaissance.
4 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.
5 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Zulässigkeit der gegenständlichen Revision wird zunächst damit begründet, dass die Rechtsfrage zu lösen sei, ob und unter welchen Voraussetzungen einem Sachverständigengutachten "in jedem Fall" auf gleicher fachlicher oder wissenschaftlicher Ebene entgegenzutreten sei. Das Verwaltungsgericht hätte das Vorbringen der Zweitrevisionswerberin und das von den revisionswerbenden Parteien vorgelegte Gutachten eines Sachverständigen zu berücksichtigen oder zumindest dahingehend zu prüfen gehabt, ob dadurch eine Unschlüssigkeit des Gutachtens der vom Gericht beigezogenen Sachverständigen dargetan worden wäre.
8 Die revisionswerbenden Parteien verweisen in ihrem Vorbringen in diesem Zusammenhang insofern zutreffend selbst auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Danach haben Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus, ebenso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch dann Gewicht, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insbesondere auch ohne Gegengutachten erhoben werden (VwGH 11.4.2018, Ra 2017/12/0090, ua).
9 Nach der auch auf das Verfahren vor Verwaltungsgerichten anwendbaren Rechtsprechung hat die Behörde (hier: das Verwaltungsgericht) - im Rahmen der Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts - das Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und sich im Rahmen der Begründung des Erkenntnisses mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen. Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. dazu etwa VwGH 28.6.2017, Ra 2017/09/0015, mwN).
10 Von dieser Rechtsprechung ist das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall entgegen den Revisionsausführungen nicht abgewichen. Dabei kann es hier dahingestellt bleiben, ob dem Gutachten der Gerichtssachverständigen von den revisionswerbenden Parteien auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wurde. So erörterte das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren das gegen den Inhalt des Gutachtens und dessen Schlüssigkeit gerichtete Vorbringen in Anwesenheit der Sachverständigen in einer mündlichen Verhandlung und es befasste sich in seinem Erkenntnis im Einzelnen mit den erhobenen Einwänden.
11 Ob ein Gutachten in seiner konkreten Ausgestaltung zu Recht als schlüssig qualifiziert wurde, stellt hingegen keine grundsätzliche Rechtsfrage, sondern eine einzelfallbezogene Beurteilung dar, welche jedenfalls dann keine Zulässigkeit der Revision begründet, wenn sie zumindest vertretbar ist (vgl. VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0027). Auch welchem von mehreren, einander widersprechenden Gutachten das Gericht folgt, hat es nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung danach zu prüfen, welchem die höhere Glaubwürdigkeit beizumessen ist (siehe VwGH 11.4.2018, Ra 2017/12/0034, ua). Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der in einem Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung aber nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (siehe auch dazu VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0027, mwN). Davon kann im vorliegenden Fall, auch im Hinblick auf die detaillierte Befassung mit den von den revisionswerbenden Parteien im Verfahren gegen das Gutachten der Gerichtssachverständigen erhobenen Einwänden durch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis jedoch nicht die Rede sein.
12 Für die Lösung der Frage, ob es sich bei einer Sache um ein Denkmal im Sinn des § 1 Abs. 1 DMSG handelt, und ob dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, dass es sich also gemäß § 1 Abs. 2 DMSG um ein Denkmal handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestands in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde, ist die in der Fachwelt vorherrschende Meinung ausschlaggebend, wobei insbesondere auf den Wissens- und Erkenntnisstand sachverständiger Kreise Bedacht zu nehmen ist. Grundlage einer solchen Feststellung kann nur ein Fachgutachten sein, aus dem sich jene geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung und jener Dokumentationscharakter im Sinn des § 1 Abs. 2 DMSG ableiten lässt, aus dem der rechtliche Schluss gezogen werden kann, dass die Erhaltung des Denkmals im öffentlichen Interesse gelegen ist (vgl. etwa VwGH 5.9.2013, 2012/09/0018; 28.3.2017, Ro 2016/09/0009, ua).
13 Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu ferner bereits ausgesprochen hat, muss einem Denkmal, damit seine Erhaltung im öffentlichen Interesse gelegen ist, keinesfalls "Alleinstellungscharakter" im Sinn einer Einzigartigkeit zukommen. Voraussetzung ist zwar ein Mindestmaß an Seltenheit sowie der von den Denkmalbehörden festzustellende Umstand, dass dem Objekt ein Dokumentationscharakter zukommt, eine "hervorragende" oder "außerordentliche" Bedeutung des Objekts ist aber nicht gefordert (vgl. VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091, mwN). Auch die von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführte kriegsbedingte Beschädigung und die nachfolgende Instandsetzung durch den (früheren) Eigentümer beweist weder, dass dadurch das Gebäude - wenigstens im Umfang einer Teilunterschutzstellung - seine Erhaltenswürdigkeit als Denkmal verloren hätte, noch steht dieser Umstand der Unterschutzstellung entgegen (siehe dazu auch VwGH 6.4.2005, 2002/09/0060). So vermögen spätere Veränderungen den Charakter eines Gebäudes als Denkmal für sich allein nicht zu hindern. Für das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Denkmals ist nicht wesentlich, ob dieses in allen Details im Originalzustand erhalten ist; entscheidend ist vielmehr, ob dem Denkmal noch Dokumentationscharakter zukommt (VwGH 5.9.2013, 2012/09/0018, mwN).
14 Die revisionswerbenden Parteien zeigen in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage auf, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
15 Auch zu der als weiteren Zulässigkeitsgrund angeführten Rechtsfrage, ob die Lage des Hauses in einer Schutzzone nach der Wiener Bauordnung eine Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz obsolet mache, besteht bereits Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, von der im angefochtenen Erkenntnis nicht abgewichen wurde. Schon aus kompetenzrechtlicher Sicht ist zwischen dem Denkmalschutz (Art. 10 Abs. 1 Z 13 B-VG) und dem Ortsbildschutz und der Ortsbildgestaltung als Teil des Baurechts (Art. 15 Abs. 1 B-VG) zu unterscheiden. Denkmalschutz hat die im öffentlichen Interesse gelegene Erhaltung von Baudenkmälern und damit den Schutz baulicher Gegenstände, die im Sinn des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 4680/1964 ihrer historischen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung wegen um ihres besonderen (eigenen) Wertes willen geschützt werden, zum Gegenstand (VwGH 29.4.2011, 2010/09/0230, mit Hinweis auch auf VfSlg. 7759/1976, zur Einordnung der Schutzzonen nach der Wiener Bauordnung). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 1 Abs. 1 DMSG ist in diesen Verfahren die im öffentlichen Interesse bestehende Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Gegenstandes zu prüfen. Baurechtliche Belange sind nicht maßgeblich (siehe auch dazu VwGH 29.4.2011, 2010/09/0230, sowie 30.6.1994, 93/09/0228). Die Erfassung eines Gebäudes in einer Schutzzone gemäß § 7 Wiener Bauordnung (das ist ein wegen seines örtlichen Stadtbildes in seinem äußeren Erscheinungsbild erhaltungswürdiges Gebiet) vermag eine Unterschutzstellung nach § 3 Abs. 1 DMSG wegen des unterschiedlichen Regelungsgehaltes der maßgeblichen Bestimmungen nicht zu ersetzen.
16 Die Revision, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignet, war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 25. Oktober 2018
Schlagworte
freie BeweiswürdigungBeweismittel SachverständigenbeweisAnforderung an ein GutachtenBeweiswürdigung Wertung der BeweismittelGutachten Parteiengehör ParteieneinwendungenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisGutachten Beweiswürdigung der Behörde widersprechende PrivatgutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090117.L00Im RIS seit
27.11.2018Zuletzt aktualisiert am
07.01.2019