TE Vfgh Beschluss 1997/9/29 B2032/97

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Veröffentlicht am 29.09.1997
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
ZPO §39

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Frist zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG wird Folge gegeben.

Begründung

Begründung:

1.1. Der angefochtene Bescheid wurde am 16. Juni 1997 der damaligen Rechtsberaterin des Beschwerdeführers zugestellt und am 16. Juli 1997 dem jetzigen Vertreter des Beschwerdeführers zur Verfassung einer Beschwerde übergeben.

Die für den Vertreter des Beschwerdeführers einschreitende Rechtsanwaltswärterin Magistra N L, bediente sich zur Überprüfung der Beschwerdefrist eines Standkalenders. Da auf diesem Kalender der 23. Juni und der 30. Juni 1997 in derselben Spalte eingetragen waren, unterlief der Konzipientin bei der Fristberechnung ein Fehler, und sie trug versehentlich den 31. Juli 1997 als Fristende ein.

Nach dem Vorbringen des Vertreters des Beschwerdeführers ist es in dessen Kanzlei üblich, einen Tag vor dem letzten Tag des Fristablaufes einzutragen. Da Magistra L bei dieser Berechnung auf den 4. August 1997 gekommen war und an Freitagen nach Kanzleiusus keine Fristabläufe eingetragen werden, trug sie den 31. Juli 1997 als letzten Tag ein.

Die Konzipientin entdeckte ihr Versehen am 30. Juli 1997 und der Wiedereinsetzungsantrag wurde unter gleichzeitiger Erhebung der Beschwerde am 4. August 1997 eingebracht.

1.2. Der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers stellt nunmehr den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhebt Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 4. Juni 1997, Z118.250/2-III/11/96.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wird vorgebracht, daß es sich bei Magistra N L um eine zuverlässige und seit fünf Jahren in der Kanzlei fehlerfrei arbeitende Rechtsanwaltsanwärterin handelt. Zum Beweis wurden eine eidesstättige Erklärung von Magistra N L und Kopien ihres Kalenders vorgelegt.

2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist ist begründet.

2.1. Gemäß §33 VerfGG 1953 kann in Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden.

Da das VerfGG 1953 in §33 die Voraussetzungen für diese Wiedereinsetzung nicht selbst regelt, sind nach §35 Abs1 VerfGG 1953 die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. zB VfSlg. 11186/1986).

Das Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag erscheint durchaus glaubhaft, zumal anhand des vorgelegten Kalenderblattes festgestellt werden konnte, daß ein derartiger Irrtum wohl selbst einem sorgfältigen Menschen unterlaufen hätte können. Auch wenn dieser Irrtum einem Bevollmächtigten des Beschwerdeführers zur Last fällt (vgl. §39 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG 1953), kann unter den gegebenen Umständen jedenfalls nicht von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden.

2.2. Der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist war daher - gemäß §33 und §19 VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung - Folge zu geben.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B2032.1997

Dokumentnummer

JFT_10029071_97B02032_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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