TE Vwgh Beschluss 2018/11/5 Ra 2018/08/0219

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Veröffentlicht am 05.11.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §32;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/08/0220

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen der

1. H GmbH (protokolliert zu Ra 2018/08/0219), 2. Dipl.-HTL-Ing. H

S (protokolliert zu Ra 2018/08/0220), beide in L, beide vertreten durch Mag. Peter Mayerhofer, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Domplatz 16, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10. August 2018, Zl. W228 2170836-5/2E, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens in einer Angelegenheit des ASVG und Verhängung einer Mutwillensstrafe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Gebietskrankenkasse), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

1 Den revisionswerbenden Parteien wurde entgegen ihrem Vorbringen keine Verfahrenshilfe zur Erhebung der Revisionen bewilligt. Ihr Vertreter hat sich auf eine ihm erteilte Vollmacht berufen.

2 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

3 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 Mit Spruchpunkt A des in Revision gezogenen Beschlusses wies das Verwaltungsgericht den Antrag der zweitrevisionswerbenden Partei vom 7. August 2018 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 19. April 2018, Zl. W228 2170836- 1/11E, abgeschlossenen Verfahrens (im Folgenden: Ausgangsverfahren) wegen entschiedener Sache zurück. (Die Revision gegen das genannte Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8.8.2018, Ra 2018/08/0176, als unzulässig zurückgewiesen.)

6 Der Zweitrevisionswerber habe am 7. August 2018 einen vierten auf § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG gestützten Wiederaufnahmeantrag betreffend das Ausgangsverfahren eingebracht und damit begründet, dass der Einzelrichter sowohl im Ausgangsverfahren als auch im ersten, zweiten und dritten Wiederaufnahmeverfahren befangen gewesen sei und die bereits genannten Strafrechtstatbestände verwirklicht habe. Dieser Wiederaufnahmeantrag stützte sich auf das bereits in den vorhergehenden Anträgen auf Wiederaufnahme erstattete Vorbringen und sei wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

7 Der Zweitrevisionswerber hatte einen ersten auf § 32 Abs. 1 Z 1 und Z 2 VwGVG gestützten Wiederaufnahmeantrag vom 5. Mai 2018 betreffend das Ausgangsverfahren eingebracht und damit begründet, dass der Einzelrichter im genannten Erkenntnis vom 19. April 2018 unrichtige Feststellungen getroffen habe. Es handle sich um eine offensichtlich wissentliche Falschentscheidung, durch die § 146, § 147, § 295 und § 302 StGB erfüllt werde, bzw. um haltlose Phantasien des entscheidenden Richters. Der Zweitrevisionswerber legte Beweismittel vor. Diesen ersten Wiederaufnahmeantrag hat das Verwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 5. Juni 2018, Zl. W228 2170836-2/2E, mit der Begründung abgewiesen, dass sich aus den Behauptungen des Zweitrevisionswerbers nicht einmal ansatzweise ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Richters erkennen lasse und dass die vorgelegten Beweismittel nicht neu hervorgekommen seien.

8 Der Zweitrevisionswerber hatte einen zweiten auf § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG gestützten Wiederaufnahmeantrag vom 8. Juli 2018 betreffend das Ausgangsverfahren eingebracht und damit begründet, dass der Einzelrichter sowohl im Ausgangsverfahren als auch im ersten Wiederaufnahmeverfahren befangen gewesen sei und die bereits genannten Strafrechtstatbestände verwirklicht habe. Diesen zweiten Wiederaufnahmeantrag hat das Verwaltungsgericht - unter Verneinung einer Befangenheit des Einzelrichters - mit Beschluss vom 10. Juli 2018, Zl. W228 2170836-3/2E, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

9 Der Zweitrevisionswerber hatte einen dritten Wiederaufnahmeantrag vom 24. Juli 2018 betreffend das Ausgangsverfahren eingebracht und damit begründet, dass der Einzelrichter sowohl im Ausgangsverfahren als auch im ersten und zweiten Wiederaufnahmeverfahren befangen gewesen sei und die bereits genannten Strafrechtstatbestände verwirklicht habe. Diesen dritten Wiederaufnahmeantrag hat das Verwaltungsgericht - unter Verneinung einer Befangenheit des Einzelrichters - mit Beschluss vom 25. Juli 2018, Zl. W228 2170836-3/2E, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

10 Mit Spruchpunkt B des in Revision gezogenen Beschlusses verhängte das Verwaltungsgericht gegen den Zweitrevisionswerber gemäß § 35 AVG wegen "offenbar mutwilliger Inanspruchnahme der Tätigkeit der Behörde" eine Mutwillensstrafe von EUR 100,--. Dem Zweitrevisionswerber sei bei der Zurückweisung des dritten Wiederaufnahmeantrags vom 25. Juli 2018, Zl. W228 2170836-3/2E, die Verhängung einer Mutwillensstrafe angedroht worden. Der Erstrevisionswerber habe in kurzen Abständen bewusst grund- und aussichtslose Wiederaufnahmeanträge gestellt, deren Mutwilligkeit für jedermann erkennbar sei. In Ansehung des vorliegenden (vierten) Wiederaufnahmeantrags werde die angedrohte Mutwillensstrafe verhängt.

11 Mit Spruchpunkt C des in Revision gezogenen Beschlusses sprach das Verwaltungsgericht gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

12 Die Revisionswerber erblicken entgegen diesem Ausspruch im Hinblick auf Spruchpunkt A eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung darin, dass "bei Erschleichung der Entscheidung durch den glaubhaften Verdacht auf (versuchte) Herbeiführung einer Aussage unter Druck durch parallel geführte Ermittlungsverfahren in den falsch angezeigten Strafverfahren" ein Wiederaufnahmegrund iSd § 32 Abs. 1 Z 1 VwGG vorliege.

13 Dem ist zu erwidern, dass es bei dem gegenständlichen verfahrensrechtlichen Bescheid der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nicht darauf ankommt, ob ein Wiederaufnahmegrund vorliegt.

14 Zu Spruchpunkt B bringen sie vor, dass eine Mutwillensstrafe bei Inanspruchnahme des Verwaltungsgerichtes durch einen Wiederaufnahmeantrag aus formalen Gründen nicht möglich sei. § 17 VwGVG sehe nur für Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 B-VG, nicht aber für Wiederaufnahmeanträge die (sinngemäße) Anwendung insbesondere des § 35 AVG vor.

15 § 17 VwGVG lautet:

"Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte."

16 § 17 VwGVG bezieht sich nicht nur auf Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht im engeren Sinn, sondern - nach dem dahin zu verstehenden Wortlaut "Verfahren über Beschwerden" - auch auf die mit einem Beschwerdeverfahren im Zusammenhang stehenden "Annexverfahren", wie insbesondere Verfahren über Anträge auf Wiederaufnahme eines Beschwerdeverfahrens nach § 32 VwGVG. Dem Gesetzgeber kann nicht unterstellt werden, er würde derartige Verfahren vor den Verwaltungsgerichten von dem Verweis des § 17 VwGVG ausnehmen und beträchtliche Bereiche des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hinsichtlich der allgemeinen Bestimmungen weitgehend ungeregelt lassen.

17 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer dieser maßgeblichen Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes ergangen wäre (VwGH 18.01.2018, Ra 2017/16/0183, 0184, mwN). In Anbetracht dessen, dass dem Zweitrevisionswerber die Mutwillensstrafe für den Fall einer nochmaligen Wiederholung des Wiederaufnahmsantrages angedroht worden war, konnte das Verwaltungsgericht von einem schuldhaften Handeln des Erstmitbeteiligten ausgehen.

18 In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen ohne dass auf die Frage der Revisionslegitimation der erstrevisionswerbenden Partei eigens einzugehen war.

Wien, am 5. November 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018080219.L00

Im RIS seit

27.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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