Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des H J, vertreten durch Mag. Clemens Lahner, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. April 2018, Zl. W124 2158629- 1/11E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein im Iran aufgewachsener afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 28. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, den er damit begründete, dass er im Iran schlecht behandelt und schikaniert worden sei. In Afghanistan würde er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur schiitischen Religionsgemeinschaft und der Volksgruppe der Hazara verfolgt oder gar getötet werden.
2 Mit Bescheid vom 3. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für eine freiwillige Ausreise betrage vierzehn Tage.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte es - zusammengefasst - aus, der Revisionswerber stamme aus der Provinz Zabul und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Im Alter von einem Jahr sei er mit seiner Familie in den Iran geflüchtet, wo er fünf Jahre lang die Schule besucht und Arbeitserfahrung als Fliesenleger, Maler und Maurer gesammelt habe. Seine Familie - Ehefrau und Kinder, sowie Eltern und acht Geschwister - lebe nach wie vor im Iran. Eine konkrete, individuelle Verfolgung bei Rückkehr nach Afghanistan könne nicht festgestellt werden, weil sein Vorbringen zu seiner Gefährdung in Afghanistan zu kursorisch sei und er - unter näherer Ausführung - keine konkreten Anhaltspunkte für eine individuelle Verfolgung habe darlegen können. Eine Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara sei zu verneinen. Auch subsidiärer Schutz sei dem Revisionswerber nicht zu gewähren, weil ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, welches von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichbar sei, zur Verfügung stehe. Er sei ein arbeitsfähiger, gesunder Mann, mit schulischer Grundausbildung, spreche die Landessprache und sei ausreichend mit den kulturellen Traditionen und Gepflogenheiten Afghanistans vertraut, weil er im afghanischen Familienverband aufgewachsen sei, sodass davon auszugehen sei, dass es dem Revisionswerber möglich sein werde, seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen und davon zu leben. Allenfalls stehe ihm auch die Möglichkeit offen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.
5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, welche nach Ablehnung der Behandlung der dagegen gerichteten Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 2018, E 208/2018-6, und Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben wurde.
Zu ihrer Zulässigkeit macht die Revision im Wesentlichen geltend, dem BVwG sei eine Verletzung der Ermittlungs- und Begründungspflicht anzulasten, weil der Revisionswerber nicht zu dessen allfälliger Apostasie und "westlicher Orientierung" befragt worden sei und keine diesbezüglichen Feststellungen getroffen worden seien, obwohl es entsprechende Indizien gegeben habe. Weiters habe der Revisionswerber dem BVwG zahlreiche Unterstützungserklärungen namentlich genannter Personen vorgelegt, welche nicht als Zeugen für seine "westliche Orientierung" einvernommen worden seien. Zwar habe er keinen diesbezüglichen Beweisantrag gestellt, dennoch wäre das BVwG im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflichten aber zu einem solchen Vorgehen verpflichtet gewesen und weiche somit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Vor diesem Hintergrund liege zudem eine Aktenwidrigkeit vor, wenn das BVwG feststelle, dass der Revisionswerber nicht aus asylrelevanten Gründen verfolgt werde. Die vom BVwG herangezogenen Länderberichte seien darüber hinaus veraltet und hinsichtlich der Sicherheitslage in Kabul, der Situation westlich orientierter Rückkehrer und jener von Apostaten bzw. der Hazara als unzureichend zu qualifizieren. Schließlich weiche das Erkenntnis auch insofern von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, als selbst anhand der herangezogenen Länderberichte nicht von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul ausgegangen werden könne.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Insofern der Revisionswerber Ermittlungsbzw. Begründungsmängel hinsichtlich einer erstmals in der Revision geltend gemachten "westlichen Orientierung" und Apostasie vorbringt, ist zunächst zu erwähnen, dass dem Revisionswerber im Rahmen des bisherigen Verfahrens, insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, ausreichend Gelegenheit geboten wurde, ein diesbezügliches Vorbringen zu erstatten, was dieser jedoch nicht konkret tat. Vielmehr gab er sogar selbst an, der schiitisch-muslimischen Religionsgemeinschaft anzugehören und - wenn auch nicht jeden Tag - zu beten. Vor diesem Hintergrund sind die monierten Ermittlungsmängel seitens des BVwG nicht ersichtlich und es war dieses auch nicht gehalten, diesbezügliche Feststellungen zu treffen.
10 Vielmehr ist diesem erstmals in der Revision erstatteten Vorbringen, wonach der Revisionswerber "westlich orientiert" und überdies ein Apostat sei, entgegenzuhalten, dass dieses gegen das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende aus § 41 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot verstößt und bereits aus diesem Grund keine Beachtung finden kann (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2016/18/0201, mwN).
11 Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision weiters gerügt wird, das BVwG sei trotz nicht gestellter Beweisanträge dazu verpflichtet gewesen, zumindest manche Personen, welche den Revisionswerber betreffende Unterstützungsschreiben ausgestellt hätten, als Zeugen einzuvernehmen, um sie zu einer allfälligen "westlichen Orientierung" und der religiösen Grundhaltung des Revisionswerbers zu befragen, ist zunächst erneut darauf hinzuweisen, dass ein derartiges Vorbringen erst in der Revision erstattet wurde und der behauptete Verfahrensmangel bereits aus diesem Grund nicht vorliegt.
12 Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass das zum Beleg der Rechtsansicht in der Revision zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 2015, Ra 2015/18/0082-0086, 0087, einen völlig anders gelagerten Sachverhalt betrifft und daher nicht einschlägig ist.
13 Insoweit die Revision moniert, das angefochtene Erkenntnis leide an "Aktenwidrigkeit", übersieht sie, dass eine Aktenwidrigkeit nur dann vorläge, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden wäre bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hätte (vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0019, mwN). Derartiges legt die Revision nicht dar. Ihr Vorbringen läuft vielmehr auf die Bekämpfung der rechtlichen Beurteilung hinaus und entfernt sich, indem es auf eine Verfolgung aufgrund der "westlichen Orientierung" und Apostasie des Revisionswerbers abstellt, vom festgestellten Sachverhalt.
14 Sofern weiters beanstandet wird, das BVwG habe Länderberichte herangezogen, die zum Entscheidungszeitpunkt nicht hinreichend aktuell gewesen seien bzw. die Sicherheitslage in Kabul und die Situation der Hazara sowie jene von Apostaten als auch westlich orientierten Rückkehrern unrichtig einschätzten, spricht die Revision zwar allfällige Schwächen der Begründung an, lässt aber nicht erkennen, worin die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel liege (vgl. zur Relevanzdarlegung von Verfahrensmängeln VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036-0039). Dies insbesondere, weil die Revision nicht aufzuzeigen vermag, dass dem Revisionswerber aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit - entgegen den Ausführungen des BVwG - eine Gruppenverfolgung drohen könnte (vgl. zur Gruppenverfolgung von Hazara bereits VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0377) und hinsichtlich einer allfälligen Apostasie und "westlichen Orientierung" kein entsprechendes Vorbringen erstattet wurde.
15 Insoweit die Revision schließlich ins Treffen führt, dass das BVwG nicht von einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative habe ausgehen dürfen, ist dem zu entgegnen, dass die diesbezügliche Einschätzung des BVwG zum Entscheidungszeitpunkt fallbezogen keinen Bedenken begegnet (vgl. zur insoweit einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001 und VfGH 12.12.2017, E 2068/2017, mwN).
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. November 2018
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180462.L00Im RIS seit
28.11.2018Zuletzt aktualisiert am
28.12.2018