Index
E000 EU- Recht allgemein;Norm
12010M004 EUV Art4 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek, die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching und Mag. Brandl sowie Hofrätin Mag. Liebhart-Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des A R F in E, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Grieskai 48, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Jänner 2018, Zl. W248 2149026-1/16E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Verfahrensgang:
1 Mit Bescheid vom 9. Februar 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
3 Das BVwG stellte - zusammengefasst - fest, der zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht ganz 21-jährige Revisionswerber stamme aus einem Dorf bei Mazar-e-Sharif, gehöre zur Volksgruppe der Tadschiken und bekenne sich zum sunnitischen Glauben. Er habe sechs Jahre lang die Schule besucht. Nach dem Tod seiner Eltern habe er beim Onkel väterlicherseits gelebt und in dessen Unternehmen als Hilfsarbeiter gearbeitet. Als er von seinem Onkel seinen Anteil an der Erbschaft seines Vaters eingefordert habe, sei er von diesem geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden. Eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung habe nicht festgestellt werden können. Eine aktuelle bzw. zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers sei nicht gegeben, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht vorlägen.
Angesichts des in Mazar-e-Sharif, der Heimatregion des Revisionswerbers, wohnhaften, gewalttätigen Onkels väterlicherseits sei eine allfällige Rückführung des Revisionswerbers dorthin mit einer ernstzunehmenden, wenn auch nicht asylrelevanten Gefahr für sein Leib und Leben verbunden. Eine Rückkehr in seine Heimatregion sei daher nicht zumutbar.
Der Revisionswerber leide zwar unter einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Beeinträchtigung des Hörvermögens sowie unter Sehproblemen auf dem rechten Auge und habe häufig Kopfschmerzen, zitternde Hände und Entzündungen im rechten Ohr, er sei jedoch nicht unmittelbar lebensbedrohend erkrankt. Die Ohrenentzündung sowie die posttraumatische Belastungsstörung würden medikamentös behandelt. Zudem verwende der Revisionswerber ein Hörgerät. In Afghanistan, insbesondere in Kabul, gebe es medizinische Einrichtungen, in denen die gesundheitlichen Probleme des Revisionswerbers behandelbar seien. Der Revisionswerber sei jung und arbeitsfähig, sodass eine Teilnahme am Erwerbsleben grundsätzlich möglich sei. Es sei ihm selbst ohne finanzielle Unterstützung durch seine Familie daher möglich, sich in Kabul ein für seinen Lebensunterhalt ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften. Im Übrigen sei eine Unterstützung des Revisionswerbers durch einen Teil seiner Familie in Mazar-e-Sharif, insbesondere durch seinen Onkel mütterlicherseits möglich. Weder könne aus der festgestellten Sicherheitslage in Kabul für jede dort lebende oder dorthin zurückkehrende Person das reale Risiko einer Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK sowie zu Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe geschützten Güter abgeleitet werden, noch handle es sich bei den gesundheitlichen Beschwerden des Revisionswerbers um solche akuten und schwerwiegenden Erkrankungen, die im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, soweit mit dem angefochtenen Erkenntnis die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die erlassene Rückkehrentscheidung sowie die damit im Zusammenhang stehenden Absprüche nach §§ 52 Abs. 9 und 55 FPG seitens des BFA bestätigt wurden. Die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten blieb unbekämpft.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
5 Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber zusammengefasst vor, das BVwG sei im Zusammenhang mit der Annahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative in der afghanischen Hauptstadt Kabul und der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme derselben von der näher dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Kabul sei nicht gerechtfertigt. Das BVwG habe es unterlassen, sich mit den festgestellten gesundheitlichen Einschränkungen des Revisionswerbers im Rahmen einer gesonderten Zumutbarkeitsprüfung der Inanspruchnahme der Fluchtalternative in Kabul iSd § 11 Abs. 1 erster Satz AsylG 2005 auseinanderzusetzen. Eine solche Prüfung hätte ergeben, dass der schwerhörige Revisionswerber aufgrund seines beeinträchtigten Gesundheitszustandes in Kabul bei der Deckung grundlegender existenzieller Bedürfnisse wie etwa bei der Suche nach Arbeit und Behausung zu scheitern drohe. Demgegenüber habe das BVwG entgegen der jüngsten näher dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Zumutbarkeitsprüfung durchgeführt, sondern ausschließlich eine Prüfung am Maßstab des Art. 3 EMRK vorgenommen.
6 Das Zulässigkeitsvorbringen ist unter Bedachtnahme, dass sich die Revision lediglich gegen die Abweisung des Antrags auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die damit verbundene Rückkehrentscheidung sowie die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan, nicht jedoch gegen die Abweisung des Antrags auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, zu beurteilen.
7 Die Revision erweist sich unter dem Blickwinkel des behaupteten Abweichens von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative (IFA) durch Orientierung am Maßstab des Art. 3 EMRK zu den grundsätzlichen Rechtsfragen nach den Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nach § 8 AsylG 2005 und darauf aufbauend nach dem Maßstab für die Prüfung einer IFA nach § 11 AsylG 2005 als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Vorbemerkungen
8 Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
9 Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist nach dieser Bestimmung gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
10 Demnach ist das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd § 11 Abs. 1 AsylG 2005 dann zu prüfen, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber in der Herkunftsregion seines Herkunftsstaats Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht bzw. die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen.
11 Gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997, hatte die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft war, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) drohte und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorlag. Nach § 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76/1997 in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2003, hatte die Behörde im Fall der Abweisung eines Asylantrags von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat zulässig war; diese Entscheidung war mit der Abweisung des Asylantrages zu verbinden (Abs. 1). Ergab die Prüfung die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Herkunftsstaat, so hatte die Behörde diesen Bescheid mit der Ausweisung zu verbinden (Abs. 2). Nach § 8 leg. cit. wurde eine (inhaltliche) Prüfung der Voraussetzungen für einen allfälligen Refoulementschutz in Bezug auf den Herkunftsstaat (Non-Refoulement-Prüfung) vorgesehen (vgl. zu allem VwGH 10.12.2014, Ra 2014/20/0013 und 0014, mwN).
12 Maßstab für die Non-Refoulement-Prüfung nach § 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 war (im Wege eines Verweises auf § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75, zuletzt in der Fassung der FrG-Novelle 2002, BGBl. I Nr. 126) neben Art. 2 EMRK und dem Protokoll Nr. 6 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe Art. 3 EMRK.
13 Mit dem im Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 30f) ausdrücklich ausgeführt wird - die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004) umsetzen. Diese legt neben dem Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. den 16. Erwägungsgrund zur Statusrichtlinie) für alle Mitgliedstaaten erstmals gemeinsame Mindestnormen zur Erlangung eines subsidiären Schutzstatus fest, der das Schutzregime der Flüchtlingskonvention ergänzen soll (24. Erwägungsgrund zur Statusrichtlinie; zu den Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie vgl. deren Art. 2 lit. e und Art. 15). Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder die Gewährung des subsidiären Schutzstatus zu erlangen, sieht die Statusrichtlinie in ihrem Art. 2 lit. g einen (einheitlichen) Antrag auf internationalen Schutz vor, der beide Schutzinstrumente (Flüchtlingseigenschaft oder subsidiärer Schutzstatus) umfasst. Mit dem durch das AsylG 2005 aus dem Gemeinschaftsrecht übernommenen "Antrag auf internationalen Schutz" erfuhr die Rechtslage insofern eine Änderung, als nun der Antrag des Asylwerbers nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Asylantrag), sondern hilfsweise für den Fall der "Nichtzuerkennung" dieses Status auch auf die Gewährung des subsidiären Schutzstatus gerichtet ist (insoweit treffen die Erläuterungen, nach denen der Antrag auf internationalen Schutz "dem bisherigen Asylantrag entspricht" nicht zu). Dem Asylwerber kommt also nach dem AsylG 2005 ein Antragsrecht in Bezug auf den subsidiären Schutz zu, das in seinem Antrag auf internationalen Schutz mitenthalten ist (vgl. zu allem VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
14 Betreffend die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz hat der Verwaltungsgerichtshof (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 EMRK abgestellt.
15 So hat der Verwaltungsgerichtshof (in Zusammenhang mit Afghanistan) auf die ständige Judikatur des EGMR verwiesen, wonach es - abgesehen von Abschiebungen in Staaten, in denen die allgemeine Situation so schwerwiegend ist, dass die Rückführung eines abgelehnten Asylwerbers dorthin eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde - grundsätzlich der abschiebungsgefährdeten Person obliegt, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos nachzuweisen, dass ihr im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 5.9.2013, Nr. 61204/09, I. gg. Schweden). Weiter verwies der Verwaltungsgerichtshof auf die Rechtsprechung des EGMR, wonach die allgemeine Situation in Afghanistan nicht so gelagert sei, dass die Ausweisung dorthin automatisch gegen Art. 3 EMRK verstoßen würde (vgl. VwGH 23.2.2016, Ra 2015/01/0134, mit Verweis auf EGMR 9.4.2013, Nr. 70073/10 und 44539/11, H. und. B. gg. Vereinigtes Königreich; 12.1.2016, jeweils gegen Niederlande: Nr. 8161/07, S.D.M.; Nr. 13442/08, A.G.R.; Nr. 25077/06, A.W.Q. und D.H.; Nr. 39575/06, S.S.; Nr. 46856/07, M.R.A. ua.). Diese Rechtsprechung wurde vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aufrechterhalten (vgl. für viele etwa VwGH 25.4.2017, Ra 2016/01/0307, bzw. 19.6.2017, Ra 2017/19/0095, jeweils mwN).
16 Bei der Behandlung von Amtsrevisionen gegen die Gewährung von subsidiärem Schutz (durch das BVwG betreffend Afghanistan) hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass bei Prüfung betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz eine Einzelfallprüfung vorzunehmen ist, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr ("real risk") einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. VwGH 25.5.2016, Ra 2016/19/0036; dem folgend aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2017/20/0361, mwN).
17 Im Erkenntnis vom 23. Jänner 2018, Ra 2018/18/0001, hielt der Verwaltungsgerichtshof zu § 11 Abs. 1 AsylG 2005 fest, dass mit dieser Norm der österreichische Asylgesetzgeber von der in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, dem Asylwerber keinen internationalen Schutz zu gewähren, sofern er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht (lit. a) oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden gemäß Art. 7 Statusrichtlinie hat (lit. b), und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist das Kriterium der "Zumutbarkeit" nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 gleichbedeutend mit dem Erfordernis nach Art. 8 Abs. 1 Statusrichtlinie, dass vom Asylwerber vernünftigerweise erwartet werden kann, sich im betreffenden Gebiet seines Herkunftslandes niederzulassen. Dieser Rechtsprechung folgte der Verwaltungsgerichtshof in weiteren Entscheidungen (vgl. etwa VwGH 27.06.2018, Ra 2018/18/0269, mwN).
18 Diese Rechtsprechung lenkt den Blick auf die Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Statusrichtlinie) und die dort für die Gewährung von subsidiärem Schutz normierten Voraussetzungen.
Rechtslage
Nationales Recht (AsylG 2005)
19 § 8 Abs. 1 und 3 sowie § 11 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100,
lauten (auszugsweise):
"4. Abschnitt
Status des subsidiär Schutzberechtigten
§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen
Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder
...
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
...
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
...
5. Abschnitt
Gemeinsame Bestimmungen
...
Innerstaatliche Fluchtalternative
§ 11. (1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."
Unionsrecht (Statusrichtlinie 2011/95/EU)
20 Die hier maßgeblichen Bestimmungen der (Neufassung der) Statusrichtlinie 2011/95/EU entsprechen inhaltsgleich den Bestimmungen der Vorgängerrichtlinie 2004/83/EG. Dies wird bereits vom Unionsgesetzgeber in der Entsprechungstabelle in Anhang II der Statusrichtlinie ausdrücklich klargestellt. Daher ist die zur Richtlinie 2004/83/EG ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) für die entsprechenden Bestimmungen der Statusrichtlinie weiterhin maßgeblich (vgl. idS bereits VwGH 21.4.2015, Ra 2014/01/0154; bzw. EuGH 12.4.2018, C-550/16, A und S, Rn. 52, wo der EuGH iZm der Statusrichtlinie auf seine Rechtsprechung zur Richtlinie 2004/83/EG verweist).
21 Die maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S. 9, in der Fassung der Berichtigung (des Art. 15 lit. a) ABl. L 167 vom 30.6.2017, S. 58 (Statusrichtlinie) lauten wie folgt:
"KAPITEL 1
ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN
...
Artikel 2
Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
...
f) ¿Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz' einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfüllt, der aber stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland oder, bei einem Staatenlosen, in das Land seines vorherigen gewöhnlichen Aufenthalts tatsächlich Gefahr liefe, einen ernsthaften Schaden im Sinne des Artikel 15 zu erleiden, und auf den Artikel 17 Absätze 1 und 2 keine Anwendung findet und der den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Gefahr nicht in Anspruch nehmen will;
...
Artikel 3
Günstigere Normen
Die Mitgliedstaaten können günstigere Normen zur Entscheidung darüber, wer als Flüchtling oder Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, und zur Bestimmung des Inhalts des internationalen Schutzes erlassen oder beibehalten, sofern sie mit dieser Richtlinie vereinbar sind.
KAPITEL II
PRÜFUNG VON ANTRÄGEN AUF INTERNATIONALEN SCHUTZ
...
Artikel 6
Akteure, von denen die Verfolgung oder ein ernsthafter
Schaden ausgehen kann
Die Verfolgung bzw. der ernsthafte Schaden kann ausgehen von
a) dem Staat;
b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen
wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen;
c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den
Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich
internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage
oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung bzw. ernsthaftem
Schaden im Sinne des Artikels 7 zu bieten.
Artikel 7
Akteure, die Schutz bieten können
(1) Der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden kann
nur geboten werden
a) vom Staat oder
b) von Parteien oder Organisationen einschließlich
internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.
(2) Der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden muss wirksam und darf nicht vorübergehender Art sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn die unter Absatz 1 Buchstaben a und b genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Antragsteller Zugang zu diesem Schutz hat.
(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz gewährleistet, ziehen die Mitgliedstaaten etwaige in einschlägigen Rechtsakten des Rates aufgestellte Leitlinien heran.
Artikel 8
Interner Schutz
(1) Bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz
können die Mitgliedstaaten feststellen, dass ein Antragsteller
keinen internationalen Schutz benötigt, sofern er in einem Teil
des Herkunftslandes
a) keine begründete Furcht vor Verfolgung hat oder keine
tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden,
besteht oder
b) Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden
gemäß Artikel 7 hat,
und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann,
dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann,
dass er sich dort niederlässt.
(2) Bei Prüfung der Frage, ob ein Antragsteller begründete Furcht vor Verfolgung hat oder die tatsächliche Gefahr einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht, oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden in einem Teil seines Herkunftslandes gemäß Absatz 1 in Anspruch nehmen kann, berücksichtigen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers gemäß Artikel . Zu diesem Zweck stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, eingeholt werden.
...
KAPITEL V
VORAUSSETZUNGEN FÜR SUBSIDIÄREN SCHUTZ
Artikel 15
Ernsthafter Schaden
Als ernsthafter Schaden gilt:
a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder
b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung
oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder
c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder
der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
...
KAPITEL VI
SUBSIDIÄRER SCHUTZSTATUS
Artikel 18
Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus
Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und V erfüllt, den subsidiären Schutzstatus zu."
Zu den Voraussetzungen für subsidiären Schutz
22 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner oben angeführten Rechtsprechung zu § 11 AsylG 2005 auf das Erfordernis einer richtlinienkonformen Auslegung vor dem Hintergrund der Statusrichtlinie hingewiesen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, Rn. 14, bzw. VwGH 5.4.2018, Ra 2018/19/0154 bis 0156, Rn. 10).
Rechtsprechung des EuGH zu Art. 15 lit. b und c der Statusrichtlinie
23 Zu den vom Unionsrecht vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz ist alleine die Rechtsprechung des EuGH maßgeblich (vgl. VwGH 17.10.2017, Ra 2016/01/0274, Rn. 16, zu der allein maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH für die Auslegung des Art. 20 Abs. 2 der Dublin III-Verordnung).
Ernsthafter Schaden
24 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH hat ein Drittstaatsangehöriger "nur dann Anspruch auf subsidiären Schutz ..., wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland tatsächlich Gefahr liefe, eine der drei in Art. 15 der Richtlinie definierten Arten eines ernsthaften Schadens zu erleiden" (vgl. zuletzt EuGH 24.4.2018, C-353/16, MP, Rn. 28, mwN).
25 Art. 15 der Statusrichtlinie definiert als "ernsthaften Schaden" die Todesstrafe oder Hinrichtung (lit. a), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland (lit. b) und "eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts" (lit. c).
Voraussetzung nach lit. c (bewaffneter Konflikt)
26 Zur letztgenannten Voraussetzung (lit. c) hat der EuGH bereits festgehalten, dass das "Vorliegen einer solchen Bedrohung ... ausnahmsweise als gegeben angesehen werden" kann, "wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt (...) ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein" (vgl. EuGH 17.2.2009, C-465/07, Elgafaji, Rn. 35).
27 Auch wenn der EuGH in dieser Rechtsprechung davon spricht, dass es sich hiebei um "eine Schadensgefahr allgemeinerer Art" handelt (Rn. 33), so betont er den "Ausnahmecharakter einer solchen Situation" (Rn. 38), "die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass die fragliche Person dieser Gefahr individuell ausgesetzt wäre" (Rn. 37).
28 Diesen Ausnahmecharakter betonte der EuGH in seiner jüngeren Rechtsprechung, Urteil vom 30. Jänner 2014, C-285/12, Diakite, Rn. 30, wie folgt:
"Außerdem wird das Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nur zur Gewährung subsidiären Schutzes führen können, sofern die Auseinandersetzungen zwischen den regulären Streitkräften eines Staates und einer oder mehreren bewaffneten Gruppen oder zwischen zwei oder mehreren bewaffneten Gruppen ausnahmsweise als ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person, die die Gewährung des subsidiären Schutzes beantragt, im Sinne von Art. 15 Buchst. c der Richtlinie angesehen werden, weil der Grad willkürlicher Gewalt bei diesen Konflikten ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein".
29 Die spezifische Betroffenheit eines Antragstellers kann aber nach dieser Rechtsprechung (vgl. EuGH 30.1.2014, C-285/12, Diakite, Rn. 31) wie folgt eine Rolle spielen:
"Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit der Antragsteller Anspruch auf subsidiären Schutz hat, umso geringer sein wird, je mehr er möglicherweise zu belegen vermag, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist".
Voraussetzung nach lit. b (Bedrohung durch Akteure)
30 Zum Vorliegen eines ernsthaften Schadens nach Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie nahm der EuGH im Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13, M'Bodj, Stellung. In diesem Urteil hat der EuGH erstmals die Reichweite des subsidiären Schutzes nach diesen Voraussetzungen klargestellt und insofern wie folgt ausgeführt:
"32 Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 definiert einen ernsthaften Schaden in Form von Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung eines Drittstaatsangehörigen in seinem Herkunftsland.
33 Aus dieser Bestimmung geht klar hervor, dass sie nur auf
die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung eines Antragstellers in seinem Herkunftsland anzuwenden ist. Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nur für den Fall vorgesehen hat, dass eine derartige Behandlung im Herkunftsland des Antragstellers stattfindet.
34 Bei der Auslegung dieser Vorschrift sind außerdem
bestimmte Gesichtspunkte in Bezug auf den Zusammenhang, in den sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 einfügt, ebenso zu berücksichtigen wie die Ziele dieser Richtlinie (vgl. in diesem Sinne Urteil Maatschap L. A. en D. A. B. Langestraat en P. Langestraat-Troost, C-11/12, EU:C:2012:808, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 So enthält Art. 6 dieser Richtlinie eine Liste der Akteure, von denen ein ernsthafter Schaden ausgehen kann, was dafür spricht, dass solche Schäden durch das Verhalten eines Dritten verursacht werden müssen und dass sie demnach nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslands sein können.
36 Im 26. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/83 wird auch erläutert, dass Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes allgemein ausgesetzt sind, für sich genommen normalerweise keine individuelle Bedrohung darstellen, die als ernsthafter Schaden zu beurteilen wäre. Daraus folgt, dass die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung absichtlich verweigert wurde, nicht ausreichen kann, um ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
37 Diese Auslegung wird darüber hinaus durch die
Erwägungsgründe 5, 6, 9 und 24 der Richtlinie 2004/83 gestützt, aus denen hervorgeht, dass diese Richtlinie zwar darauf abzielt, die in dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge festgelegte Schutzregelung für Flüchtlinge durch den subsidiären Schutz zu ergänzen und insoweit die Personen, die tatsächlich internationalen Schutz benötigen, zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil Diakite, EU:C:2014:39, Rn. 33), sich ihr Geltungsbereich aber nicht auf Personen erstreckt, die aus anderen Gründen, nämlich aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten verbleiben dürfen.
38 Die Verpflichtung, Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 unter Beachtung von Art. 19 Abs. 2 der Charta (vgl. in diesem Sinne Urteil Abed El Karem El Kott u. a., C-364/11, EU:C:2012:826, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung), wonach niemand in einen Staat abgeschoben werden darf, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung besteht, und unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK, dem er im Wesentlichen entspricht (Urteil Elgafaji, EU:C:2009:94, Rn. 28), auszulegen, kann diese Auslegung nicht in Frage stellen.
39 In diesem Zusammenhang ist zwar festzustellen, dass aus
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hervorgeht, dass Ausländer, die von einer Entscheidung betroffen sind, die ihre Abschiebung ermöglicht, grundsätzlich kein Recht auf Verbleib in einem Staat geltend machen können, um dort weiter medizinische, soziale oder andere Hilfe und Unterstützung durch diesen Staat zu erhalten, dass jedoch die Entscheidung, einen Ausländer, der an einer schweren physischen oder psychischen Krankheit leidet, in ein Land abzuschieben, in dem die Möglichkeiten einer Behandlung dieser Krankheit geringer sind als in dem entsprechenden Staat, in absoluten Ausnahmefällen Fragen unter dem Blickwinkel von Art. 3 EMRK aufwerfen kann, wenn die humanitären Erwägungen, die gegen die Abschiebung sprechen, zwingend sind (vgl. u. a. EGMR, Urteil vom 27. Mai 2008, N./Vereinigtes Königreich, Nr. 42).
40 Der Umstand, dass ein an einer schweren Krankheit
leidender Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in absoluten Ausnahmefällen nicht in ein Land abgeschoben werden kann, in dem keine angemessene Behandlung vorhanden ist, bedeutet deswegen aber nicht, dass es ihm erlaubt werden muss, sich auf der Grundlage des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten.
41 In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 dahin auszulegen, dass der darin definierte ernsthafte Schaden eine Situation nicht erfasst, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung wie die in der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung angeführte, die ein an einer schweren Krankheit leidender Antragsteller bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland erfahren könnte, auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in diesem Land zurückzuführen ist, ohne dass dem Antragsteller die Versorgung absichtlich verweigert würde."
31 Zusammengefasst hat der EuGH damit klargestellt, dass der Umstand, dass ein Drittstaatsangehöriger nach Art. 3 EMRK nicht abgeschoben werden kann, nicht bedeutet, dass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren ist. Subsidiärer Schutz (nach Art. 15 lit. a und b der Statusrichtlinie) verlangt nach dieser Auslegung durch den EuGH dagegen, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden muss und dieser nicht bloß Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten im Herkunftsland ist.
32 Diesen Unterschied zwischen der Gewährung von subsidiärem Schutz einerseits und der Non-refoulement-Entscheidung andererseits hat der EuGH im zeitgleichen Urteil C-562/13, Abdida, nochmals klargestellt (vgl. Rn. 33).
33 In seinem Urteil vom 24. April 2018, C-353/16, MP, Rn. 45 und 46, hat der EuGH diese Sichtweise bestätigt. Er führte nochmals aus, dass der Schutz vor Ausweisung nach Art. 3 EMRK auch unter Berücksichtigung von Art. 4 der GRC (Non-refoulement) von der Gewährung von subsidiärem Schutz nach der Statusrichtlinie zu unterscheiden ist:
"45 ... Die vorliegende Rechtssache betrifft mithin nicht
den Schutz vor Ausweisung, der sich nach Art. 3 EMRK aus dem Verbot ergibt, eine Person unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung auszusetzen, sondern die gesonderte Frage, ob der Aufnahmemitgliedstaat gehalten ist, den subsidiären Schutzstatus nach der Richtlinie 2004/83 einem Drittstaatsangehörigen zu gewähren, der von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und dessen schwere psychische Folgeschäden sich bei einer Rückkehr in dieses Land deutlich verschlimmern könnten, wobei die ernste Gefahr eines Suizids besteht.
46 Es trifft ebenfalls zu, dass nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs, auch wenn Art. 3 EMRK - wie in den Rn. 39 bis 41 des vorliegenden Urteils ausgeführt - der Abschiebung eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen in ein Land, in dem keine angemessenen Behandlungsmöglichkeiten bestehen, in absoluten Ausnahmefällen entgegensteht, ihm gleichwohl nicht gestattet werden muss, sich im Rahmen des subsidiären Schutzes nach der Richtlinie 2004/83 in einem Mitgliedstaat aufzuhalten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M'Bodj, C- 542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 40)."
34 Zu den Auswirkungen, die es haben kann, dass im Herkunftsland des Betroffenen eine geeignete Infrastruktur zur Behandlung physischer oder psychischer Folgeschäden der von den Behörden dieses Landes verübten Folterhandlungen fehlt, führte der EuGH in diesem Urteil aus, der Gerichtshof habe bereits entschieden, "dass der in Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 genannte ernsthafte Schaden nicht bloß die Folge allgemeiner Unzulänglichkeiten des Gesundheitssystems des Herkunftslandes sein darf. Die Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands eines an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen, die auf das Fehlen angemessener Behandlungsmöglichkeiten in seinem Heimatland zurückzuführen ist, ohne dass diesem Drittstaatsangehörigen die Versorgung vorsätzlich verweigert würde, kann keine ausreichende Rechtfertigung dafür sein, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Dezember 2014, M'Bodj, C-542/13, EU:C:2014:2452, Rn. 35 und 36)".
35 Schließlich hielt der EuGH in dieser Rechtssache fest, dass (unter anderem) Art. 15 lit. b der Richtlinie 2004/83/EG "im Licht von Art. 4 der Charta dahin auszulegen" ist, "dass ein Drittstaatsangehöriger, der in der Vergangenheit von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und bei der Rückkehr in dieses Land nicht mehr der Gefahr einer Folter ausgesetzt ist, aber dessen physischer und psychischer Gesundheitszustand sich in einem solchen Fall erheblich verschlechtern könnte, wobei die ernsthafte Gefahr besteht, dass er aufgrund eines auf den ihm zugefügten Folterhandlungen beruhenden Traumas Suizid begeht, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Betracht kommt, sofern eine tatsächliche Gefahr besteht, dass ihm in diesem Land eine angemessene Behandlung der physischen oder psychischen Folgeschäden dieser Folterhandlungen vorsätzlich vorenthalten wird". Dies zu prüfen sei Sache des nationalen Gerichts. Der EuGH ging insofern von einer Verursachung durch Dritte (Akteure) aus, wenn er es als maßgeblich erachtete, dass der Betroffene in der Vergangenheit von den Behörden seines Herkunftslands gefoltert wurde und ihm nunmehr von den Behörden eine angemessene Behandlung vorsätzlich vorenthalten wird.
36 Der in dieser Rechtssache (C-353/16) zuständige Generalanwalt Bot sieht "die Bestimmung eines Akteurs, von dem der Schaden ausgeht und vor dem geschützt werden muss" als "eines der wesentlichen Kriterien für die Zuerkennung subsidiären Schutzes" (vgl. Schlussanträge 24.10.2017, C-353/16, MP, Rn. 29).
Nach dem Generalanwalt "muss ... nachgewiesen werden, dass diese
Gefahr auf Faktoren beruht, die den Behörden dieses Landes direkt oder indirekt anzulasten und ihnen stets bewusst sind, und zwar entweder weil die Behörden des Staates, dem der Betroffene angehört, ihn persönlich bedrohen oder diese Bedrohung tolerieren, oder weil diese Bedrohung auf unabhängige Gruppen zurückgeht, vor denen die Behörden ihre Staatsangehörigen nicht wirksam schützen können" (Rn. 30). Andernfalls "ist eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes sachlich nicht erfüllt, nämlich die direkte oder indirekte Verantwortung der Behörden des Herkunftslands für die Zufügung eines ernsthaften Schadens, wogegen Schutz geboten ist" (Rn. 32). Aus "den Erwägungsgründen 5, 6, 9 und 24 der Richtlinie 2004/83" geht
hervor, "dass sich ihr Geltungsbereich ... nicht auf Personen
erstreckt, die aus anderen Gründen, nämlich aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten verbleiben dürfen. Dies kann durch die Verpflichtung, Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83 unter Berücksichtigung von Art. 3 EMRK, dem er im Wesentlichen entspricht, auszulegen, nicht in Frage gestellt werden" (Rn. 40).
"Der Gesetzgeber war ... ausweislich des neunten Erwägungsgrundes
der Richtlinie 2004/83 offensichtlich bestrebt, die Fälle, in denen humanitäre Gründe zum Tragen kommen, vom Geltungsbereich der Richtlinie auszuschließen" (Rn. 48).
Unzulässigkeit günstigerer nationaler Bestimmungen
37 Die Erlassung oder Beibehaltung günstigerer Bestimmungen durch einen Mitgliedstaat, die - unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - über diesen Maßstab für die Gewährung von subsidiären Schutz hinausgehen, hat der EuGH in seinem Urteil vom 18. Dezember 2014, C-542/13, M'Bodj, Rn. 43 bis 46, ausdrücklich als unionsrechts- bzw. richtlinienwidrig angesehen:
"43 Der Vorbehalt in Art. 3 der Richtlinie 2004/83 verwehrt es einem Mitgliedstaat jedoch, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, mit denen die in dieser Richtlinie vorgesehene Rechtsstellung einer Person mit Anspruch auf subsidiären Schutz einem an einer schweren Krankheit leidenden Drittstaatsangehörigen wegen der Gefahr der Verschlechterung seines Gesundheitszustands, die auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in seinem Herkunftsland zurückzuführen ist, zuerkannt wird, da solche Bestimmungen mit dieser Richtlinie nicht vereinbar sind. 44 Angesichts der Erwägungen in den Rn. 35 bis 37 des vorliegenden Urteils würde es nämlich der allgemeinen Systematik und den Zielen der Richtlinie 2004/83 widersprechen, die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechtsstellungen Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen.
45 Folglich kann eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren
in Rede stehende nicht nach Art. 3 dieser Richtlinie als günstigere Norm für die Entscheidung der Frage eingestuft werden, wer als Person gilt, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat. Drittstaatsangehörige, die eine Aufenthaltserlaubnis aufgrund einer solchen Regelung besitzen, sind daher keine Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und auf die die Art. 28 und 29 der Richtlinie 2004/83 anzuwenden sind.
46 Gewährt ein Mitgliedstaat eine solche, nationalen Schutz
beinhaltende Rechtsstellung aus anderen Gründen als dem, dass internationaler Schutz im Sinne von Art. 2 Buchst. a dieser Richtlinie gewährt werden muss, d. h. aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, so fällt diese Gewährung im Übrigen, wie im neunten Erwägungsgrund der Richtlinie klargestellt wird, nicht in deren Anwendungsbereich (Urteil B und D, EU:C:2010:661, Rn. 118)."
38 Nach dieser Rechtsprechung widerspricht es der Statusrichtlinie und ist es unionsrechtlich unzulässig, den in dieser Richtlinie vorgesehenen Schutz Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck dieses internationalen Schutzes aufweisen, etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen, die insbesondere auf Art. 3 EMRK gestützt sind.
39 Bereits in seinem Urteil vom 9. November 2010, C-57/09 und C-101/09, B und D, Rn. 118ff, hat der EuGH dargelegt, dass den Mitgliedstaaten die Gewährung einer anderen Form des nationalen Schutzes aus anderen Gründen als jenen, aus denen internationaler Schutz im Sinne des Art. 2 lit. a der Statusrichtlinie gewährt werden muss, wie etwa aus familiären oder humanitären Ermessensgründen gemäß Art. 3 der Statusrichtlinie nur dann möglich ist, wenn diese andere Form des Schutzes nicht die Gefahr der Verwechslung mit der Rechtsstellung des Flüchtlings oder der Person mit Anspruch auf subsidiärem Schutz im Sinne der Statusrichtlinie birgt. Damit stellte der EuGH klar, dass die Schutzgewährung aus familiären oder humanitären Gründen nicht in den Anwendungsbereich der Statusrichtlinie fällt und es für die Gewährung nationalen Schutzes aus solchen Gründen einer Form bedarf, die die Gefahr der Verwechslung mit der Schutzgewährung im Sinne der Statusrichtlinie ausschließt.
40 Jüngst hat der EuGH dies nochmals verdeutlicht, wenn er ausführt, "dass die in Art. 3 enthaltene Klarstellung, dass jede günstigere Norm mit der Richtlinie 2011/95 vereinbar sein muss, bedeutet, dass diese Norm die allgemeine Systematik oder die Ziele der Richtlinie nicht gefährden darf. Insbesondere sind Normen verboten, die die Flüchtlingseigenschaft oder den subsidiären Schutzstatus Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen zuerkennen sollen, die sich in Situationen befinden, die keinen Zusammenhang mit dem Zweck des internationalen Schutzes aufweisen" (vgl. EuGH 4.10.2018, C-652/16, Ahmedbekova, Rn. 71f, mit Verweis auf EuGH 18.12.2014, M'Bodj, C-542/13, vgl. dazu bereits auch VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040-0044, in Bezug auf das Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005).
Verhältnis der Statusrichtlinie zu § 8 Abs. 1 AsylG 2005 41 Ausgehend von dieser Rechtsprechung des EuGH sind nach der Statusrichtlinie vom subsidiären Schutz nur Fälle realer Gefahr, einen auf ein Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie zurückzuführenden ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zu erleiden (Art. 15 lit. a und b), sowie Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt (lit. c) umfasst. Nicht umfasst ist dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführender Verletzung von Art. 3 EMRK.
42 Wie aufgezeigt, ist es dem nationalen Gesetzgeber - auch unter Berufung auf Art. 3 der Statusrichtlinie - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.
43 Mit dem Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, wollte der Gesetzgeber - wie in den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 5) ausdrücklich angeführt wird - die Statusrichtlinie (Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004), insbesondere mit dem neu geregelten "Antrag auf internationalen Schutz" deren gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben (vgl. RV 952 BlgNR 22. GP, 30f) umsetzen (vgl. VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344).
44 Aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unter anderem dann zuzuerkennen ist, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Heimatstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK" bedeuten würde, ist dagegen (im Sinne der bisherigen Non-refoulement-Prüfung) ableitbar, dass für die Gewährung des subsidiären Schutzstatus bereits jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art. 3 EMRK an sich, unabhängig von einer Verursachung von Akteuren oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat ausreicht.
45 Insofern hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben der Statusrichtlinie zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinne der dargelegten Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b der Statusrichtlinie iVm Art. 3 Statusrichtlinie entgegen der oben angeführten Rechtsprechung des EuGH und somit fehlerhaft umgesetzt.
46 Die unmittelbare Anwendung und den Vorrang von unionsrechtlichen Bestimmungen haben sowohl die Gerichte als auch die Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten zu beachten. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH ist jedes im Rahmen seiner Zuständigkeit angerufene nationale Gericht als Organ eines Mitgliedstaats verpflichtet, in Anwendung des in Art. 4 Abs. 3 EUV niedergelegten Grundsatzes der Zusammenarbeit das unmittelbar geltende Unionsrecht uneingeschränkt anzuwenden (vgl. etwa VwGH 22.6.2015, 2015/04/0002, mwN).
47 Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH obliegt die sich aus einer Richtlinie ergebende Verpflichtung der Mitgliedstaaten, das in der Richtlinie vorgesehene Ziel zu erreichen, sowie deren Pflicht, alle zur Erfüllung dieser Verpflichtung geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zu treffen, allen Trägern öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten, einschließlich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten den Gerichten (vgl. etwa jüngst EuGH 7.8.2018, C-122/17, David Smith, Rn. 38, 39, mwN). Zur Erfüllung dieser Verpflichtung verlangt der Grundsatz der unionskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht. Allerdings findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (vgl. jüngst EuGH 4.10.2018, C-384/17, Dooel Uvoz-Izvoz Skopje Link Logistic N&N, Rn. 57, 58, mwN). Das Erfordernis einer unionsrechtskonformen Auslegung umfasst jedoch auch die Verpflichtung der nationalen Gerichte, eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern, wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist (vgl. jüngst EuGH 11.9.2018, C-68/17, IR, Rn. 64, mwN).
48 Zu einer derartigen richtlinienkonformen Auslegung hat der EuGH festgehalten, "auch wenn dieses Erfordernis der richtlinienkonformen Auslegung nicht so weit reichen kann, dass eine Richtlinie selbst und unabhängig von einem nationalen Umsetzungsakt Einzelnen Verpflichtungen auferlegt oder die strafrechtliche Verantwortlichkeit der ihren Bestimmungen Zuwiderhandelnden bestimmt oder verschärft, so ist doch anerkannt, dass der Staat grundsätzlich Einzelnen eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts entgegenhalten kann" (vgl. EuGH 5.7.2007 Kofoed, C-321/05, Rn. 45 mit Verweis auf seine Urteile Kolpinghuis Nijmegen, Rn. 12 bis 14, und