TE Vwgh Erkenntnis 2018/11/6 Ra 2016/18/0366

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.11.2018
beobachten
merken

Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1P;
E3R E19103000;
E3R E19104000;
E6J;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

12010P/TXT Grundrechte Charta Art47;
32013R0604 Dublin-III Art20 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art21 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art21 Abs3;
32013R0604 Dublin-III Art22 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art27 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art29 Abs1;
32013R0604 Dublin-III Art29 Abs2;
32013R0604 Dublin-III Art29;
32014R0118 Dublin-II DV;
62016CJ0201 Shiri VORAB;
62016CJ0360 Hasan VORAB;
62016CJ0670 Mengesteab VORAB;
AsylG 2005 §5 Abs1;
EURallg;
VwRallg;

Beachte

* Fortgesetztes Verfahren im VwGH nach EuGH-Entscheidung: Ra 2016/18/0366 B 21. Februar 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Oktober 2016, Zl. W192 2137597- 1/2E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: H S in P, vertreten durch Mag. Christian Kies, Rechtsanwalt in 3270 Scheibbs, Rathausplatz 8, als bestellter Verfahrenshelfer), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die mitbeteiligte Partei, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste seinen Angaben zufolge über den Iran und die Türkei nach Griechenland und in weiterer Folge über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich ein und wurde nach illegaler Weiterreise aus Deutschland wieder nach Österreich zurückgeschoben. In weiterer Folge stellte er am 20. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Da er angab, minderjährig zu sein, veranlasste das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine Röntgenuntersuchung zur Bestimmung seines Lebensalters mittels Handradiogramms, deren Ergebnis auf die Volljährigkeit des Revisionswerbers hinwies.

2 Am 11. Jänner 2016 richtete das BFA ein auf Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Aufnahmegesuch an Kroatien. In diesem Aufnahmegesuch, für welches das gemäß § 21 Abs. 3 Dublin III-VO vorgesehene Formblatt verwendet wurde, führte das BFA u.a. aus, dass die mitbeteiligte Partei in Österreich behauptet habe, minderjährig zu sein, dies jedoch aufgrund des Aussehens und mangels diese Angabe belegender Dokumente nicht glaubhaft sei. Dem Ergebnis einer der Behörde vorliegenden vorläufigen Alterseinschätzung zufolge sei die mitbeteiligte Partei volljährig. Zur Feststellung seines tatsächlichen Alters werde sich der Mitbeteiligte einer medizinischen Untersuchung unterziehen müssen.

3 Aus einem vom BFA eingeholten Sachverständigengutachten vom 17. Mai 2016 geht hervor, dass der Mitbeteiligte zum Zeitpunkt der Stellung des Asylantrags zweifelsfrei das 18. Lebensjahr vollendet hatte. Dieses Gutachten wurde in der Folge am 24. Juni 2016 vom BFA an die kroatischen Behörden übermittelt.

4 Mit Schreiben vom 31. August 2016 teilte das BFA den kroatischen Behörden mit, dass aufgrund des Unterbleibens der Beantwortung des Aufnahmegesuchs gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO die Zuständigkeit von Kroatien zur Überprüfung des gegenständlichen Asylantrags mit 26. August 2016 eingetreten sei.

5 Mit Bescheid von 28. September 2016 wies das BFA den Antrag der mitbeteiligten Partei auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück (Spruchpunkt I) und sprach aus, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei (Spruchpunkt II). Weiters wurde die Außerlandesbringung angeordnet und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Kroatien festgestellt (Spruchpunkt III).

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 20. Oktober 2016 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) der dagegen erhobenen Beschwerde statt. Es ließ das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz zu und behob den bekämpften Bescheid. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.

7 Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, dass infolge der nicht fristgerecht erfolgten Antwort der kroatischen Behörden auf das am 11. Jänner 2016 an Kroatien gestellte österreichische Aufnahmeersuchen mit 13. März 2016 gemäß Art. 25 Abs. 2 (gemeint wohl: Art. 22 Abs. 7) Dublin III-VO Kroatien aufgrund Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens der mitbeteiligten Partei zuständig geworden sei. Aus Form und Inhalt der behördlichen Erledigung vom 11. Jänner 2016 ergebe sich eindeutig, dass es sich bei dieser um ein Aufnahmegesuch im Sinn des Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO gehandelt habe und nicht um eine sonstige Form im Konsultationsverfahren; damit sei die Frist gemäß Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO ausgelöst worden, und nicht etwa durch das später nachgereichte medizinische Gutachten zur Altersfeststellung. Im Aufnahmegesuch sei die Übermittlung dieses Gutachtens nach der Aktenlage im Übrigen auch nicht angekündigt worden. Die Überstellung der mitbeteiligten Partei sei jedoch nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO festgelegten Frist von sechs Monaten erfolgt. Das Verfahren sei nicht ausgesetzt worden und es habe keine sonstige Fristverlängerung im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO stattgefunden, sodass die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO mit 13. September 2016 auf Österreich übergegangen sei.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, in der im Wesentlichen vorgebracht wird, es fehle Rechtsprechung zur Frage des Beginns des Fristenlaufs für die Antwort des ersuchten Mitgliedstaates im Fall eines mit Blick auf ausständige Ermittlungsergebnisse (medizinisches Altersgutachten) vorerst unvollständigen Aufnahmegesuchs sowie zur konkreten Berechnung der Fristen nach Art. 42 Dublin III-VO.

9 Mit Beschluss vom 21. Februar 2017 hat der Verwaltungsgerichtshof das Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-201/16 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 2016, EU 2016/0001 (Ra 2015/20/0231), vorgelegten Fragen ausgesetzt. Mit Urteil vom 25. Oktober 2017 hat der EuGH die Vorlagefragen beantwortet.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verfahrensakten und vom Mitbeteiligten erstatteter Revisionsbeantwortung erwogen:

11 Die Amtsrevision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, den kroatischen Behörden sei angekündigt worden, dass ein medizinisches Gutachten eingeholt werde, welches erst mit Schreiben vom 24. Juni 2016 an Kroatien übermittelt worden sei. Erst dadurch sei die Frist zur Beantwortung des Aufnahmeersuchens ausgelöst worden. Sohin sei erst zwei Monate später von einer Zustimmung Kroatiens auszugehen (nämlich am 26. August 2016) und habe erst ab diesem letztgenannten Zeitpunkt die sechsmonatige Überstellungsfrist nach Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zu laufen begonnen. Aus diesem Grund sei die Frist im Entscheidungszeitpunkt des BVwG noch nicht abgelaufen gewesen. Es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, zu welchem Zeitpunkt die Antwortfrist des ersuchten Mitgliedstaats beginne, wenn der ersuchende Mitgliedstaat (noch) nicht alle Beweismittel übermittelt und weitere Ermittlungen, wie ein Sachverständigengutachten (Altersdiagnose), veranlasst habe. Weiters führt die Revision aus, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle, ob nach Wochen oder Monaten bestimmte Fristen im Anwendungsbereich der Dublin III-VO aufgrund des Art. 42 lit a Dublin III-VO letztlich jeweils um einen Tag verlängert würden oder es hierauf bei nach Wochen oder Monaten bestimmten Fristen nach Art. 42 lit b Dublin III-VO nicht ankomme.

12 Die Revision ist zulässig, jedoch nicht begründet. 13 Gemäß Art. 21 Abs. 1 der Verordnung (EU)

Nr. 604/2013 (Dublin III-VO) kann ein Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde und der einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 Dublin III-VO, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen. Gemäß Art. 21 Abs. 3 Dublin III-VO ist für das Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat ein Formblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnissen und /oder sachdienlichen Angaben aus der Erklärung des Antragstellers enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaates prüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist. Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Aufnahmegesuchen fest. (...)

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 (Durchführungsverordnung) werden Aufnahmegesuche mithilfe eines Formblatts entsprechend dem Muster in Anhang I festgestellt. Das Formblatt enthält bestimmte obligatorische Felder, die in jedem Fall ausgefüllt werden müssen; die übrigen Felder sind nach Maßgabe der verfügbaren Daten auszufüllen. Ergänzende Angaben können in ein hierfür eigens vorgesehenes Feld eingetragen werden. (...)

Gemäß Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO nimmt der ersuchte Mitgliedstaat die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Abs. 1 (...) keine Antwort erteilt, ist gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

14 Die Revision geht davon aus, dass der Fristenlauf für die Beantwortung des Aufnahmeersuchens erst mit dem Schreiben vom 24. Juni 2016 begonnen habe, weil es sich bei dem "ersten" Aufnahmeersuchen um ein "offensichtlich mangelhaftes" Ersuchen gehandelt habe, zumal das medizinische Gutachten zur Altersdiagnose noch nicht übermittelt worden sei. Diese Ansicht kann nicht geteilt werden.

15 Das Aufnahmeersuchen des BFA vom 11. Jänner 2016 wurde unbestritten normkonform unter Verwendung des nach der Dublin III-VO sowie der Durchführungsverordnung dafür vorgesehenen Standardformblatts gestellt, wobei die vorgeschriebenen Datenfelder ausgefüllt wurden. Was die Frage der Minderjährigkeit oder Volljährigkeit des Mitbeteiligten angeht, gab das BFA im Aufnahmegesuch in der Rubrik "Other useful information" an, dass es aufgrund näher angeführter Indizien davon ausgehe, dass die Behauptung des Mitbeteiligten, minderjährig zu sein, nicht glaubwürdig sei, sowie dass eine vorläufige Altersbeurteilung ergeben habe, dass der Mitbeteiligte volljährig sei.

16 Die Ermittlungsergebnisse erwiesen sich für das BFA offenbar als ausreichend, um von der Volljährigkeit des Mitbeteiligten und daher von einer Zuständigkeit Kroatiens auszugehen und dementsprechend ein Aufnahmegesuch gemäß Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO zu stellen. Aus den Angaben im Aufnahmegesuch geht auch nicht hervor, dass das BFA Zweifel an der Volljährigkeit des Mitbeteiligten (gehabt) hätte; insoweit dort nämlich angeführt wurde, dass der Mitbeteiligte sich noch einer medizinischen Untersuchung werde unterziehen müssen, bezog sich dies lediglich auf die Feststellung des genauen Alters. Im Übrigen hätte das BFA, wenn es tatsächlich zum Zeitpunkt der Stellung des Aufnahmegesuchs angenommen hätte, der Mitbeteiligte sei minderjährig, wohl von der Anwendbarkeit des Art. 8 Dublin III-VO und daher der Zuständigkeit Österreichs für die Durchführung des Asylverfahrens ausgehen müssen und folglich gar kein Aufnahmegesuch nach Art. 21 Abs. 1 Dublin III-VO stellen können.

17 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass im Falle etwaiger Unklarheiten oder für eine Überprüfung ungenügender Angaben im Aufnahmegesuch Kroatien die Möglichkeit gehabt hätte, zusätzliche Informationen im Konsultationsverfahren anzufordern oder aber seine Zuständigkeit abzulehnen.

18 Vor diesem Hintergrund erweist sich die Einschätzung, das Aufnahmegesuch sei "offensichtlich mangelhaft" gewesen, fallbezogen als nicht zutreffend.

19 Der EuGH hat in seinem Urteil vom 25. Jänner 2018, C- 360/16, Aziz Hasan, festgehalten, dass die Fristen, die das Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin III-VO regeln, entscheidend zur Verwirklichung des Ziels einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz beitragen, indem sie gewährleisten, dass das Wiederaufnahmeverfahren ohne unberechtigte Verzögerung durchgeführt wird. Zu diesem Zweck gewährleisten die Fristen, dass der ersuchende Mitgliedstaat das Wiederaufnahmeverfahren innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt einleitet, zu dem er über Informationen verfügt, die es ihm erlauben, ein Wiederaufnahmegesuch an einen anderen Mitgliedstaat zu richten, wobei die in diesem Rahmen anwendbare Frist je nach der Art dieser Information variieren kann (Rn. 63).

20 Diese Aussage trifft unzweifelhaft auch auf Aufnahmeverfahren nach der Dublin III-VO zu. Fallbezogen ist daher davon auszugehen, dass das BFA sich aufgrund der ihm vorliegenden Informationen in der Lage sah, ein Aufnahmegesuch zu stellen.

21 Der EuGH hat in seiner jüngsten Rechtsprechung klargestellt, dass die im Verfahren nach der Dublin III-VO festgelegten Fristen - für die Stellung eines Aufnahmebzw. Wiederaufnahmegesuchs, für deren Beantwortung, oder für die Überstellung - zwingender Natur sind und nicht zur Disposition der Mitgliedstaaten stehen, weshalb sich der Antragsteller im Rechtsmittelverfahren gegen seine Überstellungsentscheidung auf die Einhaltung dieser Fristen berufen kann (vgl. Urteile vom 26. Juli 2017, Mengesteab, C-670/16, Rn. 49f, vom 25. Oktober 2017, Shiri, C-201/16, Rn. 31, vom 25. Jänner 2018, Aziz Hasan, C-360/16; vgl. auch VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0081).

22 Mit der Stellung des Aufnahmegesuchs am 11. Jänner 2016 wurde somit die zweimonatige Frist für die Antwort des ersuchten Mitgliedstaates gemäß Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO ausgelöst. Da Kroatien fallbezogen während der zweimonatigen Frist auf das Aufnahmegesuch nicht geantwortet hat, wurde es mit Fristablauf infolge der Zustimmungsfiktion des Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO (stillschweigende Annahme) zuständig. Dieser Zeitpunkt wiederum erweist sich, weil eine aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs zu keiner Zeit vorlag, als fristauslösend für den Lauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Dublin III-VO, welche im vorliegenden Fall ungenutzt verstrich (die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung gemäß Art. 29 zweiter Satz - Inhaftierung bzw. Flüchtigkeit - lagen fallbezogen nicht vor), und somit gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO zu einem Übergang der Zuständigkeit auf Österreich führte (vgl. in diesem Sinne - wenn auch zu anderer Fallkonstellation - VwGH 14.12.2017, Ra 2015/20/0231).

23 Bei diesem Ergebnis war die Überstellungsfrist daher zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung des BVwG jedenfalls schon abgelaufen, ohne dass es auf die in der Revision aufgeworfenen Fragen der Fristberechnung im Einzelnen ankäme.

24 Was die mit Blick auf das Vorabentscheidungsverfahren C- 201/16, Shiri, welches der EuGH mit Urteil vom 25. Oktober 2017 entschieden hat, beschlossene Aussetzung des gegenständlichen Revisionsverfahrens betrifft, hat der EuGH die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 31. März 2016, EU 2016/0001 (Ra 2015/20/0231), vorgelegten Fragen wie folgt beantwortet:

"Art. 29 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ist dahin auszulegen, dass die Zuständigkeit von Rechts wegen auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, sofern die Überstellung nicht innerhalb der in Art. 29 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung festgelegten sechsmonatigen Frist durchgeführt wird, ohne dass es erforderlich ist, dass der zuständige Mitgliedstaat die Verpflichtung zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person ablehnt.

Art. 27 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013, betrachtet vor dem Hintergrund ihres 19. Erwägungsgrundes, sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass eine Person, die internationalen Schutz beantragt hat, über einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf verfügen können muss, der es ihr ermöglicht, sich auf den nach dem Erlass der Überstellungsentscheidung eingetretenen Ablauf der in Art. 29 Abs. 1 und 2 der Verordnung festgelegten sechsmonatigen Frist zu berufen. Das aufgrund einer innerstaatlichen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden einem solchen Antragsteller zustehende Recht, sich im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung auf nach ihrem Erlass eingetretene Umstände zu berufen, genügt dieser Verpflichtung, einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf vorzusehen."

25 Damit ist klargestellt, dass der Zuständigkeitsübergang auf Österreich nicht (erst und nur) dann erfolgt, wenn der ersuchte Staat (hier Kroatien) die Verpflichtung zur Aufnahme - über nochmaliges Ersuchen der österreichischen Behörden - ablehnt.

26 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

27 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Wien, am 6. November 2018

Gerichtsentscheidung

EuGH 62016CJ0360 Hasan VORAB
EuGH 62016CJ0670 Mengesteab VORAB
EuGH 62016CJ0201 Shiri VORAB
EuGH 62016CJ0360 Hasan VORAB
EuGH 62016CJ0201 Shiri VORAB

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Gemeinschaftsrecht Verordnung EURallg5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2016180366.L00

Im RIS seit

28.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten