Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Univ.-Prof. Dr. Friedrich Harrer, Dr. Iris Harrer-Hörzinger, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, wegen 11.971,17 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2018, GZ 22 R 361/17t-48, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 22. August 2017, GZ 6 C 419/15f-44, über Berufung der beklagten Partei abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.194,72 EUR (darin 199,12 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.370,24 EUR (darin 156,54 EUR Umsatzsteuer und 1.431 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Eigentümerin eines Objekts ist bei der Klägerin gegen Gebäudeschäden versichert. Die Beklagte hat im Auftrag der Versicherungsnehmerin im Zug der Sanierung dieses Objekts im Sommer des Jahres 2013 Installationsarbeiten durchgeführt.
Am 17. 12. 2013 trat im Aufzugsschacht des Objekts ein Wasserschaden auf. Die Versicherungsnehmerin veranlasste die Sanierung des Wasserschadens, deren Kosten die Klägerin rückerstattete.
Ursache für diesen Wasserschaden war die Beschädigung eines Kelox-Modulrohrs, das die Beklagte im Kellergeschoß des Objekts verlegt hatte. Der Schaden am Rohr ist durch eine mechanische Einwirkung nach der von der Beklagten nach Verlegung vorgenommenen Druckprobe am 5. 8. 2013 und vor Anbringen des Estrichs entstanden. Die konkrete Art und Weise der mechanischen Beschädigung konnte nicht festgestellt werden, auch nicht, wann und wie der Schaden tatsächlich entstanden ist. Insbesondere steht nicht fest, ob die Beschädigung vor oder nach der manuellen Überprüfung des Rohres oder vor oder nach Anbringung der Isolierung durch die Beklagte passiert ist.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten zuletzt die Zahlung von 11.971,17 EUR samt Zinsen. Die Schadenersatzansprüche ihrer geschädigten Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten wegen der mangelhaften Ausführung ihres Gewerks seien gemäß § 67 VersVG auf die Klägerin übergegangen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gemäß § 924 ABGB leiste der Übergeber Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden seien. Dies werde bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkomme. Der Klägerin sei der Beweis für das Vorliegen des von der Beklagten angefertigten mangelhaften Gewerks als Ursache für den aufgetretenen und am 17. 12. 2013 entdeckten Wasserschadens gelungen. Denn das schadhafte Rohr sei als mangelhafte Leistung des vereinbarten funktionsfähigen Leitungssystems anzusehen. Auf der Tatsachenebene verbleibende Unklarheiten über den Zeitpunkt des Eintretens und die Ursache des Mangels gingen zulasten des Übergebers, wenn dieser den ihm gemäß § 924 Satz 3 ABGB obliegenden Entlastungsbeweis nicht erbringen könne. Die Beklagte habe nicht nachweisen können, dass der Mangel erst nach der Übergabe (dem Abschluss ihrer Tätigkeit, also zumindest nach dem Wiederanbringen der Isolierung) eingetreten und ihre Leistung bis zu diesem Zeitpunkt fehlerfrei gewesen sei. Daher habe sie dafür einzustehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin mache nicht Gewährleistung, sondern – auf Grundlage des § 67 VersVG – Schadenersatz für einen Wasserschaden geltend, der auf einen Mangel des von der Beklagten hergestellten Gewerks zurückzuführen sei. Ein solcher Anspruch auf Ersatz eines Mangelfolgeschadens richte sich nach Schadenersatzrecht. Daher würden die allgemeinen Beweislastregeln gelten. Es sei somit Sache des Geschädigten (hier: der Klägerin, die sich auf einen Forderungsübergang iSd § 67 VersVG berufe), die Pflichtverletzung der Beklagten und den dadurch verursachten Schaden zu beweisen. Im Anlassfall sei keinesfalls erwiesen, dass die Beklagte ihre Werkleistung mangelhaft erbracht habe. Irgendein der Beklagten anzulastendes Fehlverhalten sei nicht hervorgekommen. Ein Fehlverhalten der Beklagten (Verlegefehler) könne demnach auch nicht die Ursache für die geltend gemachten Behebungsschäden gewesen sein. Mangels Nachweises eines vorwerfbaren Verhaltens der Beklagten und damit zwangsläufig auch Fehlens der Kausalität eines solchen für den eingetretenen Schaden hafte die Beklagte nicht.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision über Antrag der Klägerin nach § 508 ZPO nachträglich zu. Es sei nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht die Beweislast für die hier geltend gemachten Mangelfolgeschäden unrichtig beurteilt habe und fälschlich davon ausgegangen sei, dass die Beklagte, die zwar keinen (eigenen) Verlegungsmangel zu vertreten habe, nicht doch für eine durch einen Dritten (einen anderen auf der Baustelle beschäftigten Handwerker) herbeigeführte Beschädigung des an den Besteller gelieferten Werks einzustehen habe.
In ihrer Revision macht die Klägerin die unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache geltend. Sie beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren zur Gänze Folge gegeben werde.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
1. Die Beklagte war nicht nur mit den Installationsarbeiten beauftragt, sie hatte auch die dafür erforderlichen Materialien zu liefern. Sie lieferte insbesondere auch das Kelox-Modulrohr, dessen mechanische Beschädigung zum Wasserschaden führte. Die entsprechende Prozessbehauptung der Klägerin hat die Beklagte nicht nur nicht substantiiert bestritten; dieser Umstand ergibt sich auch aus den vom Erstgericht ausdrücklich festgestellten Rechnungspositionen. Dass der Vertrag (dennoch) als Werkvertrag anzusehen ist, ist zwischen den Parteien ebenso
– zu Recht (vgl RIS-Justiz RS0021657) – nicht strittig.
2. Gemäß § 1167 ABGB kommen bei Mängeln des Werkes die für entgeltliche Verträge überhaupt geltenden Bestimmungen (§§ 922 bis 933b ABGB) zur Anwendung. Gemäß § 924 ABGB leistet der Übergeber Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.
3. Gemäß § 933a Abs 1 ABGB kann der Übernehmer Schadenersatz fordern, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat. § 933a Abs 1 ABGB schreibt als lex specialis, die den §§ 1295 ff ABGB vorgeht, den Grundsatz der vollen Konkurrenz zwischen Gewährleistung und Schadenersatz explizit im Gesetz fest (arg: „auch“); damit wird klargestellt, dass der Übernehmer wegen der vom Übergeber verschuldeten (= schuldhaft nicht vor Übergabe beseitigten) Mängel auch Anspruch auf Schadenersatz hat (RIS-Justiz RS0122651). Der Kläger kann daher den Ersatz von Mangelschäden und von (durch § 933a Abs 2 ABGB nicht betroffenen) Mangelfolgeschäden begehren (2 Ob 95/06v). Die Bedeutung der Unterscheidung von Mangel- und Mangelfolgeschaden beschränkt sich dabei auf die Frage, für welche Schäden der Vorrang der Verbesserung und des Austauschs gilt (3 Ob 191/13d). Die Beweislastregel des § 924 Satz 2 ABGB kommt hingegen in beiden Fällen zum Tragen (2 Ob 95/06v; RIS-Justiz RS0122652; P. Bydlinski in KBB5 § 933a Rz 2; § 924 ABGB Rz 11; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1167 ABGB Rz 41).
4. Die Beweiserleichterung des § 924 Satz 2 ABGB berührt nicht die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels an sich, sondern nur für den Zeitpunkt der Mangelhaftigkeit. Die Beweislast für das Vorliegen eines Mangels und dafür, dass dieser innerhalb von sechs Monaten ab der Übergabe hervorgekommen ist, trägt der Übernehmer der Sache oder Leistung (RIS-Justiz RS0124354 [T6]). Macht der Übernehmer den Schadenersatzanspruch nach § 933a ABGB geltend, muss er demnach den Mangel, dessen Hervorkommen innerhalb von sechs Monaten, dessen Ursächlichkeit für den eingetretenen Schaden und die Schadenshöhe beweisen. In Bezug auf das Verschulden statuiert § 1298 ABGB hingegen eine Beweislastumkehr. Demnach muss der Übergeber sein mangelndes Verschulden nachweisen (P. Bydlinksi in KBB5 § 933a Rz 14; vgl unten Punkt 6.).
5. Eine Sache ist gemäß § 922 Abs 1 ABGB mangelhaft, wenn sie nicht die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat. Bei einem Werkvertrag hat der Unternehmer das vertraglich geschuldete Werk herzustellen. Welche Eigenschaften das Werk aufzuweisen hat, ergibt sich in erster Linie aus der konkreten Vereinbarung, hilfsweise – soweit eine Detailvereinbarung nicht besteht – aus Natur und (erkennbarem) Zweck der Leistung, letztlich aus der Verkehrsauffassung, sodass das Werk so auszuführen ist, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RIS-Justiz RS0021694, RS0021716). Ein Schaden an einem Wasserrohr, der – wie hier – bei Benützung durch den Innendruck zu einem Wasseraustritt führt, ist zweifelsfrei ein Mangel iSd § 922 Abs 1 ABGB. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Mangel durch einen Verlegungsfehler der Beklagten entstand oder nicht. Nach den Feststellungen erfolgte die Beschädigung des Rohrs nach der Druckprobe am 5. 8. 2013. Der diesen Mangel aufzeigende Wasserschaden trat am 17. 12. 2013 auf. Die Klägerin hat demnach nicht nur die Mangelhaftigkeit des Werks, nämlich die mechanische Beschädigung am Kelox-Modulrohr, bewiesen, sondern auch, dass dieser Mangel innerhalb von sechs Monaten ab der Übergabe hervorgekommen ist. Es gilt somit die Vermutung des iSd § 924 Satz 2 ABGB und die Beklagte hätte zu behaupten und zu beweisen gehabt, dass der Mangel bei der Übergabe noch nicht vorhanden war. Dieser Beweis ist ihr aber – unabhängig von der Frage, wann im hier zu beurteilenden Fall die Übergabe iSd § 924 ABGB letztlich erfolgt ist (vgl etwa M. Bydlinski in KBB5 § 1167 Rz 2 und § 1168a Rz 4; Klete?ka in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1167 Rz 3; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1167 ABGB Rz 7 f) – nicht gelungen.
6. Errichtet ein Werkunternehmer das Werk mangelhaft, leistet er also den vertraglich geschuldeten Erfolg nicht, so trifft ihn zufolge § 1298 Satz 1 ABGB die Beweislast dafür, dass ihn (und seine Gehilfen, für die er nach § 1313a ABGB einzustehen hat) kein Verschulden trifft, dass er also die gebotene Sorgfalt – nach dem Maßstab des § 1299 ABGB – eingehalten hat (RIS-Justiz RS0112247). Die Beklagte hat diesen ihr obliegenden Beweis des mangelnden Verschuldens nicht erbracht. Dass ein Verlegefehler nicht erwiesen ist, reicht dafür nicht aus, weil der Übergeber auch für schuldhaft nicht vor Übergabe beseitigte Mängel einzustehen hat (10 Ob 51/15w; 9 Ob 14/14w; 7 Ob 23/13b; 10 Ob 52/07f; 2 Ob 95/06v). Der Mangel, der letztlich zum Wasserschaden geführt hat, nämlich die mechanische Beschädigung des von der Beklagten gelieferten und verlegten Rohrs, steht fest. Die Klägerin weist zutreffend darauf hin, dass im Hinblick auf die getroffenen Negativfeststellungen zum genaueren Zeitpunkt der Beschädigung die Möglichkeit besteht, dass die Beklagte diese im Zuge der erst nach der Druckprobe vorgenommenen manuellen Überprüfung und/oder im Zuge des Aufbringens der Isolierung übersehen hat, und dies ein Verschulden begründen würde.
7. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte daher für die geltend gemachten Mangelfolgeschäden einzustehen. Das Vorliegen der Voraussetzungen für den Übergang dieses Schadenersatzanspruchs auf die Klägerin nach § 67 VersVG ist im Revisionsverfahren ebenso wenig strittig, wie die Höhe der Klageforderung.
8. Der Revision war daher Folge zu geben und die (klagestattgebende) erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E123255European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00065.18X.1003.000Im RIS seit
27.11.2018Zuletzt aktualisiert am
19.02.2020