TE OGH 2018/11/6 12Os114/18h

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Veröffentlicht am 06.11.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 6. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Strafsache gegen Wilhelm K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Herbert E***** und Jaqueline L***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Mai 2018, GZ 84 Hv 11/18d-167, sowie über die Beschwerde des Angeklagten Herbert E***** nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Herbert E***** und Jaqueline L***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit hier von Bedeutung –

Herbert E*****

jeweils mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I./A./ und III./B./), Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15 Abs 1, 12 zweiter Fall, 201 Abs 1 StGB (III./A./), Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und nach § 207 Abs 1 StGB (III./C./1./ und 2./), Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 1 Z 1 StGB (I./B./), nach § 207a Abs 1 Z 2 fünfter Fall StGB (III./D./1./), nach § 207a Abs 3 erster Satz erster Fall StGB (III./D./2./a./) und nach § 207a Abs 3 zweiter Satz erster Fall StGB (III./D./2./b./) sowie

Jaqueline L*****

jeweils mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 2, 12 dritter Fall, 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und nach §§ 2, 12 dritter Fall, 207 Abs 1 StGB (IV./ iVm II./B./1./a./ und 2./) sowie Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 2, 12 dritter Fall, 212 Abs 1 erster Fall StGB (IV./ iVm II./D./1./) und der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach §§ 2, 12 dritter Fall, 207a Abs 1 Z 1 StGB (IV./ iVm II./E./1./a./ und b./)

schuldig erkannt.

Danach haben in W*****

I./ Wilhelm K***** und Herbert E***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB)

A./ mit unmündigen Personen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, nämlich

1./ im Dezember 2016 mit der am ***** 2009 geborenen L***** K*****, indem sie sich, während diese schlief, gemeinsam in ihr Kinderzimmer begaben, Herbert E***** sich neben sie legte, seinen erigierten Penis an ihrem Gesäß rieb, ihre Scheide intensiv mit seinen Fingern berührte und sie anal digital penetrierte, und anschließend Wilhelm K***** seinen Penis an ihrem Gesäß rieb, sie digital anal penetrierte und in weiterer Folge auch versuchte, sie anal mit seinem Penis zu penetrieren;

2./ im August/September/November 2016 mit dem am ***** 2011 geborenen W***** K*****, indem sie an diesem wiederholt den Oralverkehr vollzogen und Wilhelm K***** versuchte, mit seinem Penis in dessen After einzudringen;

3./ im Sommer 2016 mit dem am ***** 2012 geborenen P***** S*****, indem sie an diesem den Oralverkehr vollzogen und Herbert E***** seinen Penis zwischen dessen Beine steckte und seinen Unterleib wie bei einem tatsächlichen Geschlechtsverkehr vor und zurück bewegte;

B./ eine nicht mehr feststellbare Anzahl an pornographischen Darstellungen von minderjährigen Personen (§ 207a Abs 4 StGB) hergestellt, indem sie Lichtbilder und Videos von geschlechtlichen Handlungen an unmündigen Personen aufnahmen, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten, nämlich

1./ von der am ***** 2009 geborenen L***** K***** von den unter Punkt I./A./1./ genannten Handlungen, sowie Lichtbilder und Videos von ihrer Schamgegend;

2./ von dem am ***** 2011 geborenen W***** K***** von den unter Punkt I./A./2./ genannten Handlungen, sowie Lichtbilder und Videos von seinen Genitalien;

3./ von dem am ***** 2012 geborenen Philipp S***** von den unter Punkt I./A./3./ genannten Handlungen, sowie Lichtbilder und Videos von seinen Genitalien;

II./ Wilhelm K***** von 2010 bis zum Frühjahr 2017

A./ mit unmündigen Personen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung vorgenommen, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung des jeweiligen Opfers zur Folge hatten, nämlich

1./ wiederholt mit der am ***** 2009 geborenen L***** K*****, indem er diese digital penetrierte, versuchte, mit seinem Penis in ihren After und in ihre Scheide einzudringen, sowie tatsächlich mit seinem Penis und einem Dildo in ihren After und mit einem Dildo in ihre Scheide eindrang, wobei er sie bei einem Angriff im Jahr 2017 in besonderer Weise erniedrigte, indem er auf ihr Gesicht ejakulierte;

2./ wiederholt mit dem am ***** 2011 geborenen W***** K*****, indem er mit diesem den Oralverkehr vollzog;

B./ außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen oder von unmündigen Personen an sich vornehmen lassen, nämlich

1./ wiederholt an der am ***** 2009 geborenen L***** K*****, indem er diese

a./ mit seiner Zunge im Vaginalbereich berührte, ihre Beine spreizte und ihre Schamlippen auseinanderzog, es zuließ, dass diese seinen erigierten Penis an ihrer Scheide rieb und seinen Penis an ihrem Gesäß rieb;

2./ wiederholt an dem am ***** 2011 geborenen W***** K*****, indem er an diesem den Handverkehr vollzog und seinen Penis an dessen Gesäß rieb;

D./1./ wiederholt geschlechtliche Handlungen mit mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Personen vorgenommen, nämlich mit

a./ der am ***** 2009 geborenen L***** K***** durch die in Punkt I./A./1./, II./A./1./ und II./B./1./ genannten Handlungen;

b./ dem am ***** 2011 geborenen W***** K***** durch die in I./A./2./, II./A./2./ und II./B./2./ genannten Handlungen;

E./1./ wiederholt pornographische Darstellungen von unmündigen minderjährigen Personen (§ 207a Abs 4 StGB) – soweit nicht unter Punkt I./B./ erfasst – zum Zweck der Verbreitung hergestellt, nämlich eine nicht mehr festzustellende Anzahl von Lichtbildern und Videoaufnahmen der Genitalien und der Schamgegend, wobei es sich jeweils um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte
– wobei er diese teilweise beim Baden und beim Urinieren aufnahm und teilweise, während die Minderjährigen schliefen – die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten, sowie Lichtbilder und Videoaufnahmen von geschlechtlichen Handlungen an unmündigen minderjährigen Personen, und zwar zumindest

a./ 613 Dateien von der am ***** 2009 geborenen L***** K*****, indem er Lichtbilder und Videos von den zu Punkt II./A./1./, II./B./1./ und II./C./1./a./ genannten Handlungen herstellte;

b./ 109 Dateien von dem am ***** 2011 geborenen W***** K*****, indem er Lichtbilder und Videos von den zu Punkt II./A./2./, II./B./2./ und II./C./1./b./ genannten Handlungen herstellte;

III./ Herbert E*****

A./ im Jänner 2017 Wilhelm K***** dazu zu bestimmen versucht (§ 15 StGB), der am ***** 2009 geborenen L***** K***** und dem am ***** 2011 geborenen W***** K***** das von ihm erworbene Schlafmittel „Seda Plus“ zu verabreichen, um die Genannten in weiterer Folge mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung zu nötigen;

B./ im Jänner 2017 mit unmündigen Personen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er

a./ die am ***** 2009 geborene L***** K***** intensiv an ihrer Scheide berührte, sie vaginal mit einem Finger penetrierte und mit seiner Zunge im Vaginalbereich berührte;

b./ an dem am ***** 2011 geborenen W***** K***** den Oralverkehr durchführte;

C./ von Juli 2016 bis Jänner 2017 wiederholt außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen oder von unmündigen Personen an sich vornehmen lassen, wobei die Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung des jeweiligen Opfers zur Folge hatten, nämlich

1./ durch die am ***** 2009 geborene L***** K*****, indem er sie dazu verleitete, seinen erigierten Penis zu berühren, sowie an der Genannten, indem er seinen Penis an ihrem Gesäß rieb und ihre Scheide mit seinen Fingern intensiv berührte;

2./ durch den am ***** 2011 geborenen W***** K*****, indem er ihn dazu verleitete, seinen erigierten Penis zu berühren, sowie an dem Genannten, indem er an diesem den Handverkehr durchführte;

D./ seit zumindest 8. März 2015 bis zum 18. Mai 2017 wiederholt pornographische Darstellungen von minderjährigen Personen (§ 207a Abs 4 StGB)

1./ anderen zugänglich gemacht, indem er den Nutzern verschiedener einschlägiger Plattformen, unter anderem Wilhelm K*****, Michael-Uwe G***** und den Nutzern „Lovebabies“, „Nachteule“ und „Nepihunt“ eine nicht mehr feststellbare Zahl an Videos und Lichtbilder der Genitalien oder der Schamgegend von mündigen und unmündigen Minderjährigen, wobei es sich um reißerisch verzerrte, auf sich selbst reduzierte und von anderen Lebensäußerungen losgelöste Abbildungen handelte, die der sexuellen Erregung des Betrachters dienten, sowie von geschlechtlichen Handlungen sowohl an mündigen, als auch unmündigen Minderjährigen schickte;

2./ sich verschafft, indem er sich pornographische Darstellungen von Wilhelm K*****, vom abgesondert verfolgten Michael-Uwe G*****, von Clemens M***** und von verschiedenen Nutzern einschlägiger Plattformen, unter anderem „Lovebabies“, „Sham Doggie“, „Nachteule“ und „Nepihunt“ schicken ließ, sowie über die Plattform „Hardcandy“ auf verschiedene Foren und Boards zugriff, welche Videos und Lichtbilder von geschlechtlichen Handlungen an mündigen und unmündigen Minderjährigen enthielten, und die 126.043 erlangten Dateien auf verschiedenen Speichermedien abspeicherte, nämlich in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl betreffend

a./ mündige minderjährige Personen (§ 207a Abs 4 Z 3 und 4 StGB);

b./ unmündige Personen;

IV./ Jaqueline L***** zumindest seit August 2014 bis zum Frühjahr 2017 – mit Ausnahme des Zeitraums vom 15. September 2014 bis zum 30. Oktober 2014 – zur Tatausführung durch den unmittelbaren Täter Wilhelm K***** dadurch beigetragen, dass sie diese unter Vernachlässigung der ihr als Mutter der Opfer obliegenden Erfolgsabwendungspflicht (§ 2 StGB) nicht verhinderte und dadurch förderte, nämlich soweit sich diese Handlungen auf ihre Kinder L***** und W***** K***** bezogen, zu den unter II./B./1./a./ und 2./, II./D./1./ und II./E./1./a./ und b./ (unter Entfall des Zwecks zur Verbreitung hinsichtlich einer nicht mehr feststellbaren Anzahl) genannten strafbaren Handlungen, wobei die zu II./B./1./a./ und 2./ genannten Taten eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung bei L***** K***** und W***** K***** zur Folge hatten.

Die gegen dieses Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen der Angeklagte Herbert E***** auf Z 5, Z 10 und Z 11, die Angeklagte Jaqueline L***** auf Z 5 je des § 281 Abs 1 StPO.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Herbert E*****:

Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die Feststellung, wonach die Tathandlungen des Beschwerdeführers mitkausal für die bei L***** K***** und W***** K***** eingetretenen schwerwiegenden psychischen Schäden waren (US 19, 27). Indem sie die Passage des Gutachtens der psychologischen Sachverständigen, wonach es (richtig) sehr wahrscheinlich sei, dass bei beiden Opfern bereits im Jahr 2016 eine posttraumatische Belastungsstörung vorlag (ON 166 S 36), isoliert herausgreift und deren gesonderte Erörterung vermisst (Z 5 zweiter Fall), geht sie prozessordnungswidrig daran vorbei, dass Beweisergebnisse in ihrer Gesamtheit zu betrachten sind (RIS-Justiz RS0116504). Hat doch die Sachverständige im Rahmen ihrer weiteren Ausführungen dargelegt, dass ein „zusätzlicher Missbrauch“ durch eine fremde Person „sicher massiv zusätzlich schädigend“ war (ON 166 S 36).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) zu den Schuldsprüchen III./C./1./ und 2./ wendet sich gegen die Annahme der Qualifikation des § 207 Abs 3 erster Fall StGB.

Sie orientiert sich jedoch nicht an den oben angeführten, mit Mängelrüge erfolglos bekämpften Feststellungen, sondern argumentiert auf Basis eigener Erwägungen, wonach bereits die jahrelangen Missbrauchshandlungen des Wilhelm K***** (allein) die schwerwiegenden psychischen Schäden verursacht hätten. Damit verfehlt sie die prozessförmige Darstellung materiell-rechtlicher Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0099810 [insbesondere T25]).

Weiters vermisst die Beschwerde Feststellungen zur Fahrlässigkeitsschuld in Bezug auf die Herbeiführung der schweren Körperverletzungen. Dabei übergeht sie erneut die Urteilsannahmen, wonach der von Juli 2016 bis Jänner 2017 wiederholte sexuelle Missbrauch des sechs bzw sieben Jahre alten Mädchens sowie des vier bzw fünf Jahre alten Buben durch den Beschwerdeführer mitkausal für die bei L***** und W***** K***** eingetretenen schwerwiegenden psychischen Folgen war (US 19, 27). Ausgehend davon legt sie nicht dar, welche darüber hinausgehenden Konstatierungen für die vorgenommene rechtliche Beurteilung erforderlich sein sollten (vgl dazu RIS-Justiz RS0089555, RS0089151; Burgstaller in WK² StGB § 7 Rz 21 ff, 27). Ebenso wenig bezieht sie sich – wie es bei Geltendmachung eines Feststellungsmangels geboten wäre (RIS-Justiz RS0118580) – auf ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Tatsachensubstrat (etwa Anhaltspunkte für einen atypischen Kausalverlauf oder die Annahme, der Beschwerdeführer wäre infolge seiner individuellen geistigen Verhältnisse zur Tatzeit nicht wie jedermann in der Lage gewesen, den durch das konstatierte Tatverhalten eingetretenen Erfolg und – in den wesentlichen Zügen – den zu ihm führenden Kausalverlauf zu erkennen), welches Negativfeststellungen zur Erfolgszurechnung indizieren würde (RIS-Justiz RS0088955; RS0089230; RS0089253; zu objektiven und subjektiven Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts: 15 Os 166/12v). Solcherart ist sie nicht prozessordnungskonform ausgeführt.

Der Sanktionsrüge zuwider geht der Vorwurf einer gegen das Doppelverwertungsverbot (Z 11 zweiter Fall) verstoßenden straferschwerenden Heranziehung generalpräventiver Erwägungen schon deshalb ins Leere, weil die Tatrichter bloß die Verhängung der als schuldangemessen und dem Unrechtsgehalt der Tat entsprechenden Freiheitsstrafe auch aus generalpräventiven Gründen als geboten ansahen (US 40; vgl 12 Os 79/18m; zur Mitberücksichtigung der Generalprävention bei Bestimmung der Strafhöhe vgl Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 Rz 9 ff; Fabrizy, StGB12 Rz 7 jeweils zu § 32 StGB).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Jaqueline L*****:

Die Rüge (nominell Z 5 zweiter Fall) vermisst unter Hinweis auf die Aussage des Angeklagten Wilhelm K*****, der Beschwerdeführerin hätten während ihres mehrwöchigen Krankenhausaufenthalts im Herbst 2014 nach einem Nierenversagen und Koma beide Beine amputiert werden müssen (ON 166 S 12 ff), Feststellungen, wonach Jaqueline L***** im Herbst 2014 für eine Dauer von zumindest sechs Monaten nur eingeschränkt schuldfähig war. Mit diesem, auf die Annahme des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 „Z 22“ (gemeint wohl Z 11) StGB zielenden, Vorbringen wird keine Urteilsnichtigkeit geltend gemacht, sondern bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS-Justiz RS0116960, RS0099869 [insbesondere T13]).

Soweit die Mängelrüge (Z 5) die Feststellung bekämpft, wonach Wilhelm K***** der Beschwerdeführerin seine pädophilen Neigungen bereits vor der Verehelichung im Jahr 2009 offenbarte (US 17), wendet sie sich nicht gegen entscheidende Tatsachen (siehe zum Begriff Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 ff).

Im Übrigen richtet sich die Mängelrüge (Z 5) mit eigenen Beweiswerterwägungen zu dem in der Hauptverhandlung vorgeführten Video vom 2. August 2014 (CD-ROM bei ON 132), auf das die Tatrichter die Kenntnis der Beschwerdeführerin vom sexuellen Missbrauch der Kinder durch Wilhelm K***** und andere Täter sowie der Anfertigung von kinderpornografischen Darstellungen der Genannten gründeten (US 28 f), nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts.

Gleiches gilt, soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die Erwägungen des Schöffensenats wendet, wonach nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass es einem Täter nicht möglich sei, Kinder, die sich ab einem gewissen Alter problemlos sprachlich mitteilen könnten, über Jahre hinweg – vorerst noch in einer gemeinsamen Wohnung lebend und zuletzt bei aufrechtem engen Kontakt zum anderen Elternteil – regelmäßig sexuell zu missbrauchen, ohne dass die Mutter davon durch eigene Wahrnehmungen Kenntnis erlangt oder von den Opfern informiert werde (US 30).

Dass Wilhelm K***** die Kenntnis der Beschwerdeführerin von den Tathandlungen bestritt, haben die Tatrichter dem Beschwerdevorwurf (Z 5 zweiter Fall) zuwider sehr wohl berücksichtigt (US 29) und erläuternd ausgeführt, dass der Genannte solcherart bestrebt war, Jaqueline L***** als nunmehr einzige Bezugsperson für die Kinder einer strafrechtlichen Verantwortung zu entziehen (US 30).

Ausgehend von dem zu diesem Nichtigkeitsgrund geltenden Neuerungsverbot erübrigt sich ein Eingehen auf das mit der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorgelegte Schreiben des Wilhelm K*****.

Die Beurteilung der Überzeugungskraft von Aussagen kann zwar unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit mangelhaft erscheinen, wenn sich das Gericht mit gegen die Glaubwürdigkeit sprechenden Beweisergebnissen nicht auseinandergesetzt hat (RIS-Justiz RS0119422 [T2]). Mit dem Hinweis, Herbert E***** habe die Jaqueline L***** belastenden Angaben erst Monate nach seiner Festnahme getätigt, zeigt die Rüge aber keinen solchen erörterungsbedürftigen Umstand auf.

Die weitere „Undeutlichkeit“ behauptende Rüge (nominell Z 5 erster Fall) kritisiert, dem Urteil sei nicht zu entnehmen, wie viele der Wilhelm K***** zum Schuldspruch II./E./1./a./ und b./ zwischen 2010 und Frühjahr 2017 angelasteten Tathandlungen (US 3 iVm US 6) die Beschwerdeführerin beginnend mit August 2014 (US 10) als Beitragstäterin zu verantworten habe. Damit verkennt sie, dass der Schuldspruch wegen einer Vielzahl nur pauschal individualisierter gleichartiger Taten (im Sinn einer gleichartigen Verbrechensmenge; RIS-Justiz RS0119552) erfolgte. Die konkrete Anzahl der gegen die Opfer gerichteten Angriffe betrifft daher keine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidende Tatsache (RIS-Justiz RS0116736; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 33, 402). Der Wegfall der Täterschaft hinsichtlich einzelner Taten, mit anderen Worten eine von der Nichtigkeitswerberin angestrebte Reduktion der Anzahl der deliktischen Übergriffe, stellt weder einen Schuldspruch noch die Subsumtion der begangenen Tat in Frage (RIS-Justiz RS0116736 [T7]).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (bloß angemeldete) Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E123243

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00114.18H.1106.000

Im RIS seit

26.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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