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27 RechtspflegeNorm
EMRK Art7Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Mitnahme eines Fotoapparates und Anfertigung von Aufnahmen ohne Genehmigung beim Besuch eines UntersuchungshäftlingsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der Beschwerdeführer ist Rechtsanwalt in Wien. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 7. November 1994 wurde er von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen freigesprochen, er habe
"A) Zu D 224/93
1. am 25.11.1993 versucht, eine Unterredung zwischen ihm, H F und Prof. Dr. W W im Halbgesperre des Gefangenenhauses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien dadurch zu ermöglichen, daß er Prof. Dr. W W fälschlicherweise als Sachverständigen vorstellte;
2. es am 25.11.1993 in der offenkundigen Absicht, H F zu fotografieren, unterlassen, anläßlich eines Besuches H F einen von ihm ins Halbgesperre des Gefangenenhauses des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mitgenommenen Fotoapparat abzugeben;
3. am 26.11.1993 ohne entsprechende Erlaubnis Dr. G L veranlaßt, von ihm und von dem von ihm verteidigten Untersuchungshäftling H F im Gefangenenhaus des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Fotos aufzunehmen;
4. am 26.11.1993 versucht, Bezirksinspektor C K von einer Meldung des ad. 3. erwähnten Vorfalls abzuhalten und
B. zu D 227/93
im November 1993 ohne Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz ein Lichtbildaufnahmegerät in den Vorführraum für Jugendliche, Wien-Erdberg, mitgenommen und dort ein Lichtbild von dem in Untersuchungshaft befindlichen M K aufgenommen, das am 21.11.1993 in der Tageszeitung 'Kurier' veröffentlicht wurde."
Dieser Freispruch wurde hinsichtlich des Faktums A 3 sowie des Faktums B wie folgt begründet:
"Es ist ... grundsätzlich darauf abzustellen, ob durch die
Tathandlungen des DB zu den Vorwürfen zu A) ... 3, sowie B) des
Spruches tatsächlich eine Verletzung der bezughabenden Vorschriften gegeben war und der DB seinerzeit verpflichtet gewesen wäre, entsprechende Genehmigungen einzuholen.
... Nun ist zweifelsfrei, daß im Stadium des damals laufenden Geschworenenprozesses gegen H F die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft gerechtfertigt war, jedoch neben der Anwendung des §180 Abs7 StPO wohl nur die Möglichkeit einer Gefährdung der Untersuchungshaft gemäß §180 Abs2 Z. 1 gegeben war. Daß nunmehr durch die gegenständlichen Verhalten des DB das Recht des Staates auf Aufrechterhaltung der Sicherheit hätte gefährdet sein können, ist ebensowenig zu unterstellen. Hiefür gibt es keinen Anhaltspunkt, auch nicht einen aus der bezughabenden Zeugenaussage des Bezirksinspektor K.
Es war daher nach Ansicht des Disziplinarrates grundsätzlich nur die Frage zu überprüfen, ob durch die Tathandlungen des DB die Ordnung in der Anstalt gestört gewesen war oder gestört hätte werden können.
Nun geht hier der Disziplinarrat von der Überlegung aus, daß nach den Grundsätzen des derzeit geltenden Rechtes nicht alles verboten sein kann, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, sondern im Gegenteil, daß alles erlaubt sein muß, was nicht ausdrücklich verboten ist.
Der Disziplinarrat könnte sich vorstellen, daß die Vornahme von Lichtbildaufnahmen wohl dann die Ordnung in einer Anstalt stören kann, wenn sich in diesem Raum, wo die Aufnahmen gemacht werden sollen, allenfalls noch andere Untersuchungshäftlinge befinden oder falls die Vornahme von Lichtbildaufnahmen für irgendwelche unsittlichen Zwecke dienen sollen etc.; die bloße Tatsache einer Lichtbildaufnahme in einem abgesonderten Raum - so wie vom Disziplinarrat in den gegenständlichen Fakten festgestellt - kann zweifellos nicht die Ordnung stören.
... Zur Tatzeit war H F mit dem Verfassen eines Buches über seinen Prozeß befaßt oder hatte dieses Buch bereits fertig gestellt und besaß offensichtlich Interesse daran, daß in dieses Buch Fotos seiner Person eingebunden werden. Es gibt nun keine gesetzliche Bestimmung, die einem Untersuchungshäftling im Stadium vor seiner rechtskräftigen Verurteilung untersagt, ein kommerzielles Handeln zu setzen, es sei denn Ordnung und Sicherheit der Anstalt wären dadurch gefährdet, wofür aber - wie dargelegt - jedwede Anhaltspunkte fehlen.
... Dazu kommt aber noch ein weiterer Aspekt. Für H F hat zu diesem Zeitpunkt die Unschuldsvermutung zu gelten gehabt; das heißt, er durfte als Untersuchungshäftling nur in der Weise beschränkt werden, daß, wie schon oben ausgeführt, Sicherheit und Ordnung sowie der Zweck der Untersuchungshaft nicht gefährdet werden können. Darüber hinausgehende Beschränkungen eines Untersuchungshäftlings bergen nach Ansicht des Disziplinarrates in sich auch eine Gefahr einer Verurteilung nach der MRK, da dies als eine unzulässige, für den an sich zulässigen Haftgrund unnötige, damit die Würde des Untersuchungshäftlings verletzende Maßnahme gewertet werden müßte.
... In der Anzeige des Bundesministeriums für Justiz vom 6.12.1993 (ha. D 227/93) ist darauf hingewiesen, daß der DB anläßlich der von ihm durchgeführten Fotoaufnahmen des K über 'eine diesbezügliche Genehmigung im Sinne des §101 Abs3 StVG' nicht verfügt habe. Dies trifft zweifellos zu; vom Disziplinarrat war jedoch zu beurteilen, ob die gemäß §183 StPO sinngemäß (jedenfalls aber nicht ausnahmslos) anzuwendende erstgenannte Gesetzesbestimmung im Hinblick auf §184 StPO hier Beachtung verdient. Eine Judikatur zu dieser Rechtsfrage konnte der Disziplinarrat nicht feststellen, eine solche hätte die in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen jedoch derart auslegen müssen, daß sie - jedenfalls ab Beachtlichkeit der Grundsätze der MRK in Österreich - verfassungskonform sind. Eine derartige Auslegung - insbesondere des §184 StPO - kann aber wohl nicht durch Berücksichtigung allenfalls herrschender Gepflogenheiten, seien sie auch etwa durch frühere Normen gestützt gewesen, eine Rechtfertigung finden."
1.2. Gegen dieses Erkenntnis wurde mit Ausnahme des Freispruchs zum Faktum A 1 vom Kammeranwalt Berufung an die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) erhoben. Mit Erkenntnis der OBDK vom 11. März 1996 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, "am 26. November 1993 ohne entsprechende Erlaubnis Dr. G L veranlaßt (zu haben), von ihm und von dem von ihm verteidigten Untersuchungshäftling H F im Gefangenenhaus des Landesgerichtes für Strafsachen Wien Fotos aufzunehmen und im November 1993 ohne Genehmigung ein Lichtbildaufnahmegerät in den Vorführraum für Jugendliche, Wien-Erdberg, mitgenommen und dort ein Lichtbild von dem in Untersuchungshaft befindlichen M K aufgenommen (zu haben), das am 21. November 1993 in der Tageszeitung 'Kurier' veröffentlicht wurde." Der Beschwerdeführer wurde hiefür wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis der OBDK vom 26. Juni 1995, Z3 Bkd 1/95-8, zu einer Zusatzgeldbuße von S 50.000,-- sowie zum anteilsmäßigen Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.
Die OBDK begründete ihre Entscheidung wie folgt:
"Ausgehend nämlich davon, daß gemäß §188 StPO alle Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr eines Untersuchungshäftlings mit der Außenwelt beziehen (mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen) dem Untersuchungsrichter und alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in der Untersuchungshaft dem Anstaltsleiter oder den von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zustehen und §184 StPO ausdrücklich auf 'gesetzliche Bestimmungen' und darauf gegründete Vorschriften abstellt, kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Beantwortung der Frage, ob durch die Mitnahme eines Fotoapparates in eine Haftanstalt bzw. die Herstellung von Lichtbildern eines Untersuchungshäftlings Haftzwecke und/oder die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt beeinträchtigt werden können, dem zuständigen Behördenorgan obliegt, wobei es vorliegend unentschieden bleiben kann, ob im Sinne des §101 StVG das Bundesministerium für Justiz zur Ausstellung der betreffenden Bewilligung zuständig war oder - weil ja §183 StPO eine sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes vorsieht - beim jeweiligen Untersuchungsrichter der Antrag zu stellen gewesen wäre, Lichtbilder von den Untersuchungshäftlingen herstellen zu dürfen.
Daß dies auch dem Disziplinarbeschuldigten klar war, ergibt sich im übrigen nicht nur aus der im Falle F konstatierten, ersichtlich auf Täuschung der Aufsichtsorgane abgestellten Vorgangsweise der beteiligten Personen, sondern auch daraus, daß im Faktum K die von diesem angefertigten Lichtbilder der Presse, nicht aber dem Untersuchungsrichter oder der Staatsanwaltschaft übergeben wurden.
In Stattgebung der Berufung des Kammeranwaltes war mithin in den beiden in Rede stehenden Punkten mit Schuldsprüchen im Sinne des Einleitungsbeschlusses vorzugehen, sein Verhalten mithin als Berufspflichtenverletzung und als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu qualifizieren, weil ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen (§9 Abs1 RAO) und beide Verfehlungen einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangten.
Bei der Strafbemessung wertete der Senat als erschwerend, daß der Disziplinarbeschuldigte bereits durch die Anzeige des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. September 1992 in Kenntnis der gegebenen Vorschriften und der deshalb gegen ihn eingeleiteten disziplinären Untersuchung war sowie das Zusammentreffen zweier Verfehlungen, als mildernd hingegen, daß er - zumindest im Zweifel - sein vorschrifts- und standeswidriges Verhalten im Interesse seiner Mandanten setzte.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beschuldigten (siehe die Niederschrift vom 14. Oktober 1994) erschien dem Senat unter sinngemäßer Bedachtnahme gemäß §§31, 40 StGB auf das im Spruch angeführte Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission vom 26. Juni 1995, womit über ihn eine Geldstrafe von 50.000 S verhängt worden war, eine Zusatzstrafe von 50.000 S angemessen."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, daß seine disziplinäre Verurteilung in beiden Fakten den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Meinungsäußerung, auf Achtung des Privatlebens, dem allgemeinen Zensurverbot sowie Art7 EMRK widerspreche. In eventu wird die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen behauptet.
Im einzelnen führt der Beschwerdeführer im wesentlichen aus, daß eine mit Zustimmung des Abgebildeten erfolgte Verbreitung von Lichtbildern als Mitteilung eine "Information" über das Aussehen eines Menschen in einem bestimmten Stadium enthalte und somit in den Anwendungsbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung falle. Nach Ansicht des Beschwerdeführers gibt es keine Gesetzesbestimmung, welche die Anfertigung einer mit Wissen und Willen des Häftlings erfolgenden Lichtbildaufnahme und die Beförderung des hiefür verwendeten Films aus dem Gefangenenhaus regelt. Dem Disziplinarerkenntnis könne nicht entnommen werden, gegen welche konkreten Berufspflichten er verstoßen und welche Verstöße gegen Ehre und Ansehen des Standes er begangen habe. Dies verstoße gegen Art7 EMRK. Sollte es für seine disziplinäre Verurteilung dennoch eine gesetzliche Grundlage geben, so sei diese verfassungswidrig, weil sie den genannten Grundrechten widerspreche. Betreffend das Faktum B führt der Beschwerdeführer aus, daß sein Mandant anläßlich oder nach seiner Verhaftung nicht unbedeutende Verletzungen erlitten hatte, welche nach der ihm erteilten Information absichtlich durch Polizeibeamte zugefügt worden waren. "Einerseits wegen der gegebenenfalls rechtswidrigen Vorgangsweise von Beamten, andererseits weil dann gewisse Aussagen unter physischem Druck (zB entgegen §202 StPO) zustande gekommen sein könnten, waren sowohl mein jugendlicher Mandant wie auch ich als sein Verteidiger an einer im Verfahren relevanten Objektivierung und Beweisperpetuierung seines merkbaren Zustandes interessiert." Das Lichtbild habe eine für Juristen und Gerichtsmediziner erhöhten Informationswert gehabt, weil damit die Verletzungen objektiv festgestellt waren und nur noch zu prüfen war, auf welche Weise sie zugefügt worden waren; der Anfertigung und der Verwertung des Fotos sei damit auch eine Beweissicherungsfunktion zugekommen. Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, daß ausgehend davon, daß eine Verletzung von Berufspflichten nur das Verhältnis zwischen dem Klienten und dem Rechtsanwalt betreffen kann, der Schuldspruch wegen "Berufspflichtenverletzung" auszuscheiden sei, da er - insbesondere im Fall K - geradezu die Interessen seines Mandanten vertreten habe.
Schließlich wird geltend gemacht, daß das Ausmaß der verhängten Strafe unverhältnismäßig hoch sei.
3. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, auf die Erstattung einer Gegenschrift jedoch verzichtet.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Gemäß §183 Abs1 StPO sind auf die Anhaltung in Untersuchungshaft die Bestimmungen des StVG über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden, es sei denn, daß in der StPO selbst etwas Besonderes bestimmt ist.
Gemäß §185 StPO sind Untersuchungshäftlinge in dem Gefangenenhaus des für das Strafverfahren zuständigen Gerichtshofes anzuhalten. Nach §186 Abs1 erster Satz leg.cit. sind Untersuchungshäftlinge womöglich einzeln zu verwahren. Diese Regelungen legen fest, daß der Untersuchungshäftling mit Personen außerhalb des Gefangenenhauses grundsätzlich keinen Kontakt haben darf. Von dieser Grundkonzeption sehen einzelne gesetzliche Bestimmungen, wie etwa die §§187 und 188 StPO, gewisse Ausnahmen vor, wobei dem Untersuchungsrichter gemäß §188 Abs1 StPO die maßgeblichen Entscheidungsbefugnisse eingeräumt werden. Gemäß dieser Bestimmung stehen dem Untersuchungsrichter die Entscheidung darüber, mit welchen Personen die Untersuchungshäftlinge schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung des Briefverkehrs und der Besuche sowie alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der Untersuchungshäftlinge mit der Außenwelt beziehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen, für die §91 StVG maßgebend ist, zu (vgl. hiezu VfGH 9.12.1996 B3549/95).
Zufolge des §101 StVG sind schließlich von Besuchern Lichtbild- und Tonaufnahmegeräte abzugeben, soweit nicht das Bundesministerium für Justiz ausnahmsweise eine schriftliche Erlaubnis zur Verwendung solcher Geräte im Anstaltsbereich erteilt hat. Eine solche Erlaubnis darf nur erteilt werden, wenn die Verwendung der Geräte mit den Zwecken des Strafvollzuges vereinbar und nach der Person des Besuchers sowie nach den mit ihm getroffenen Vereinbarungen Gewähr dafür geboten ist, daß von den Lichtbildern und Tonaufnahmen kein Gebrauch gemacht wird, der geeignet wäre, den Strafvollzug oder rechtliche Interessen der Strafgefangenen zu schädigen.
4.2. Der Verfassungsgerichtshof hegt aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der genannten Gesetzesstellen.
Der Gerichtshof ist insbesondere der Auffassung, daß die Genehmigungspflicht zur Mitnahme von Lichtbild- und Tonaufnahmegeräten bei Besuchern von Inhaftierten sowie zur Verwendung dieser Geräte im Anstaltsbereich im Art10 Abs2 EMRK Deckung findet.
Soweit der Beschwerdeführer weiters geltend macht, die Genehmigungspflicht verstoße gegen Art8 EMRK, führt der Beschwerdeführer nicht aus, wodurch eine solche Verletzung bewirkt sein sollte; der Verfassungsgerichtshof vermag vor dem Hinter-grund des Tatbestandes der Verhinderung von strafbaren Handlungen des Art8 Abs2 EMRK auch nicht zu erkennen, daß eine Verletzung des genannten Grundrechtes vorläge.
Er sieht sich daher nicht veranlaßt, der Anregung des Beschwerdeführers auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens zu folgen.
4.3. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Bestimmungen könnte eine Verletzung des Beschwerdeführers durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Meinungsäußerung sowie auf Gleichheit oder Eigentum - Grundrechte, in die der Bescheid eingreifen konnte - nur bei einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung stattgefunden haben. All dies trifft jedoch nicht zu.
Vor dem Hintergrund der geschilderten Rechtslage ist es jedenfalls nicht unvertretbar, wenn die OBDK annimmt, daß es einem Rechtsanwalt verwehrt ist, ohne Genehmigung einen inhaftierten Mandanten mit einem Lichtbildaufnahmegerät aufzusuchen und Lichtbilder aufzunehmen. Dabei konnte die OBDK dahingestellt lassen, ob im vorliegenden Fall §101 StVG oder §188 StPO anzuwenden war, weil nach beiden Bestimmungen die Einholung einer Genehmigung vorgeschrieben ist.
Der Verfassungsgerichtshof kann der belangten Behörde somit nicht entgegentreten, wenn diese dem Beschwerdeführer zur Last legt, die gesetzlich vorgesehene Genehmigungspflicht mißachtet und deshalb gegen Berufspflichten und Ehre und Ansehen des Standes verstoßen zu haben, da nach §9 RAO ein Rechtsanwalt zur Achtung der Gesetze verpflichtet ist. Soweit sich der Beschwerdeführer zur Rechtfertigung seines Verhaltens hinsichtlich des zweiten ihm disziplinär angelasteten Faktums darauf beruft, daß er Spuren am Körper seines Mandanten zur Beweissicherung festhalten wollte, ist er darauf zu verweisen, daß dies nichts daran ändert, daß er zur Einholung einer Genehmigung für die Lichtbildaufnahmen verpflichtet gewesen war, wobei die Verweigerung der Genehmigung ihn berechtigt hätte, eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der ablehnenden Entscheidung zu begehren. Auch insofern ist es jedenfalls nicht unvertretbar, daß die OBDK dem Beschuldigten die Mißachtung der Genehmigungspflicht disziplinär anlastet.
4.4. Der Beschwerdeführer bringt schließlich weiters vor, daß seine Bestrafung im Hinblick auf Art7 EMRK verfassungswidrig sei.
Der Verfassungsgerichtshof vermag sich vor dem Hintergrund seiner Rechtsprechung zu Art7 EMRK (vgl. zB VfSlg. 11776/1988, 12962/1992, 13233/1992, 13526/1993, 13580/1993, 13606/1993 und VfGH 9.12.1996 B3549/95) auch dieser Ansicht nicht anzuschließen. Es war dem Beschwerdeführer ohne Zweifel auf Grund der Gesetzeslage erkennbar, daß er zur Einholung einer Genehmigung für die Mitnahme des Lichtbildaufnahmegerätes verpflichtet war.
4.5. Soweit der Beschwerdeführer die Höhe der über ihn verhängten Strafe bekämpft, behauptet er nur eine unrichtige Anwendung des Gesetzes. Einen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler vermag der Verfassungsgerichtshof auch insofern nicht zu sehen.
4.6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsvorschriften ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen verletzt wurde.
Ob der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verfassungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. zB VfSlg. 9454/1982, 10659/1985, 12697/1991 und 13606/1993).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
4.7. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Meinungsäußerungsfreiheit, Strafvollzug, Strafprozeßrecht, UntersuchungshaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:B1739.1996Dokumentnummer
JFT_10029071_96B01739_2_00