TE OGH 2018/11/13 11Os101/18i

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Veröffentlicht am 13.11.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 13. November 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der OKontr. Trsek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Samuel H***** wegen des Verbrechens nach § 3g VG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Geschworenengericht vom 12. Juli 2018, GZ 26 Hv 4/18w-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Samuel H***** der Verbrechen nach § 3g VG sowie der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG „idF BGBl I 2002/134“ (2/a) und nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG „idF BGBl I 2010/43“ (2/b) schuldig erkannt.

Danach hat er in Bregenz

1) sich ab der ersten Jahreshälfte 2014 bis 30. Mai 2016 auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er in Gegenwart mehrerer unbekannter Personen auf seinen Laptop die Zahl „88“, die Zahlen-Buchstabenkombination „C 18“, eine Triskele sowie den Schriftzug „SS“ aufmalte und den solcherart beschrifteten Laptop bis zur Sicherstellung des Geräts sichtbar für M***** und weitere namentlich nicht bekannte Freunde wiederholt zur Schau stellte;

2) in unbekannten Zeiträumen zwischen 9. [gemeint: 10.] März 2010 und 30. Mai 2016, wenn auch nur fahrlässig,

a) eine Stahlrute, eine Langwaffe, nämlich eine Kleinkaliberbüchse, vier Wurfmesser, einen Pfefferspray, einen Mehrzweckeinsatzstock Tonfa und eine Patrone Kaliber .22, somit Waffen und Munition besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten war, weil die Bezirkshauptmannschaft Bregenz über ihn zu GZ III-2500/0742 für die Zeit von 10. März 2010 bis 28. August 2016 ein Waffenverbot verhängt hatte;

b) eine an sich verbotene Waffe, nämlich die zu Punkt 2/a angeführte Stahlrute, unbefugt besessen.

Die Geschworenen haben die entsprechenden Hauptfragen (I, II und III) bejaht. Eventual- oder Zusatzfragen wurden nicht gestellt.

Dagegen richtet sich die aus § 345 Abs 1 Z 6, 8, 9, 10a, 11 lit a und 13 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Rechtliche Beurteilung

Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert unter Hinweis auf eine Alkoholisierung des Angeklagten zum Zeitpunkt des Aufmalens der inkriminierten Zeichen die Hauptfrage I als unzureichend im Sinn des § 312 Abs 1 StPO, weil der Beginn des Tatzeitraums nicht ausreichend konkretisiert und die Wendung „zur Schau stellen“ ein wertausfüllungsbedürftiger Begriff sei (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 27 ff).

Nach § 312 StPO sind alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in die (Haupt-)Frage aufzunehmen, und zwar dergestalt, dass nicht nur die Individualisierung der dem Täter angelasteten Tat(en) (nach Ort, Zeit, Gegenstand und dergleichen) zum Zwecke der Ausschaltung der Gefahr der neuerlichen Verfolgung und Verurteilung wegen derselben Tat sichergestellt ist, sondern auch deren Konkretisierung durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrunde gelegten Sachverhalts überhaupt erst ermöglicht und andererseits die Überprüfbarkeit dieser Subsumtion durch den Obersten Gerichtshof im Rechtsmittelverfahren (§ 345 Abs 1 Z 11 lit a, 12, 13 StPO) gewährleistet (RIS-Justiz RS0119082; Lässig, WK-StPO § 312 Rz 19 ff).

Davon ausgehend legt die Rüge nicht dar, inwiefern der genaue Zeitpunkt der Begehung einzelner Taten im angegebenen Tatzeitraum von entscheidender Bedeutung (vgl RIS-Justiz RS0098557) sein und insbesondere die Gefahr einer Doppelverfolgung bestehen sollte, der nur durch eine hinreichend konkrete Fragestellung begegnet werden könne. Ebenso bleibt unklar, inwieweit eine allfällige Alkoholisierung des Angeklagten bedeutend sein und weshalb ein juristischer Laie den Begriff „zur Schau stellen“ ohne weitere Auflösung von Sachverhaltselementen nicht rechtsrichtig anwenden können sollte (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 27).

Im Übrigen streiten aus einer pauschalen Individualisierung durch einen Schuldspruch wegen einer gleichartigen Verbrechensmenge resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung für die Annahme von Tatidentität und somit für das Vorliegen des Verfolgungshindernisses des ne bis in idem (vgl RIS-Justiz RS0119552 [T8 und T10]).

Soweit die Rüge die Stellung einer „Zusatzfrage“ in Richtung Tatbegehung mangels Entfernung der Zeichen reklamiert, indem sie einen tatbildlichen Vorsatz des Angeklagten beim Anbringen der Zeichen zufolge Alkoholisierung und das Wahrnehmen dieser Zeichen durch andere Personen als M***** bestreitet, nennt sie kein die begehrte Fragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis (RIS-Justiz RS0117447, RS0100860). Im Übrigen erklärt sie nicht, weshalb die mangelnde alternative Aufnahme der dargelegten Version in das Frageschema Nichtigkeit begründen sollte (vgl 11 Os 4/96; RIS-Justiz RS0100737).

Die mit Instruktionsrüge (Z 8) vermisste Belehrung der Geschworenen über das „zur Schau stellen“ bezieht sich auf konkrete Tatumstände, die nicht Gegenstand der – nach abstrakten Gesichtspunkten abzufassenden – schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 StPO), sondern der nach § 323 Abs 2 erster Satz StPO abzuhaltenden Besprechung vorbehalten sind (RIS-Justiz RS0109476).

Die weitere Kritik orientiert sich nicht am Gesetz (vgl RIS-Justiz RS0119071), weil der Inhalt der schriftlichen Rechtsbelehrung zum Begriff der Betätigung im nationalsozialistischen Sinn übergangen wird (vgl nämlich ON 38 S 41 ff, wo die diesbezügliche Zielsetzung zutreffend erläutert und unmissverständlich klargestellt wird, dass der Tätervorsatz das normative Tatbestandsmerkmal der nationalsozialistischen Wiederbetätigung umfassen muss).

Dass aus dem Wahrspruch zur Hauptfrage I
(trotz deren Bejahung ohne Streichungen – ON 38 S 23) nicht eindeutig hervorgehen soll (Z 9), ob die Geschworenen auch das Aufmalen der Zeichen auf den Laptop vor mehreren Personen als erwiesen angenommen haben (RIS-Justiz RS0101020), behauptet die Rüge bloß unsubstantiiert ohne einen nichtigkeitsbegründenden inneren Widerspruch oder eine Undeutlichkeit (vgl RIS-Justiz RS0101005, RS0100971) der Antwort der Geschworenen aufzuzeigen.

Ohne die gebotene Bezugnahme auf konkrete
– der Beweiswürdigung entgegenstehende – Beweismittel (RIS-Justiz RS0117446) bestreitet die Tatsachenrüge (Z 10a, teils nominell auch Z 9, 11 lit a und 13) zur Hauptfrage I eine vorsätzliche Betätigung im nationalsozialistischen Sinn und zu den Hauptfragen II und III das Wissen des Angeklagten um sein Zuwiderhandeln gegen die Bestimmungen des Waffengesetzes. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Tatsachen erweckt sie solcherart nicht (RIS-Justiz RS0118780, RS0119583), wobei im Übrigen § 50 Abs 1 WaffG das in Abrede gestellte Bewusstsein nicht fordert.

Die Behauptung (Z 11 lit a [richtig: b], nominell auch Z 10a) eines Rechtsirrtums mangels Betätigung im nationalsozialistischen Sinn übersieht, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist. Bejahen diese – wie hier – die Schuldfrage, ist davon auszugehen, dass sie jene Voraussetzungen als erwiesen angenommen haben, aufgrund derer das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht, sodass dessen Bejahung einer Anfechtung mit Rechts- oder Subsumtionsrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0119234; Lässig in WK² VG § 3g Rz 17).

Weshalb dem Wahrspruch zur Hauptfrage I die subjektive Tatseite nicht zu entnehmen sein soll (Z 11 lit a), obwohl der bedingte Vorsatz – sofern wie hier in einem Tatbestand keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz (§ 7 Abs 1) StGB abweichenden Vorsatzformen oder allfällige zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangt werden – vom Gesetz subintelligiert wird (RIS-Justiz RS0113270 [T4]), erklärt die Rüge nicht.

Indem die Sanktionsrüge (Z 13) die verhängte Strafe als überhöht beanstandet und die Annahme von Milderungsgründen fordert, erstattet sie ein Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0099911).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die – verfehlt bezeichnete – „Beschwerde gegen die Konfiszierung ...“ (vgl RIS-Justiz RS0088035, RS0130617) folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Bleibt mit Blick auf §§ 344, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO anzumerken, dass die vom Schuldspruch 2 erfassten Vergehen dem im Vergleich zum Tatzeitrecht gleich günstigen Urteilsrecht (RIS-Justiz RS0112939) zu unterstellen gewesen wären. Mangels eines darin gelegenen konkreten Nachteils für den Angeklagten (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f) besteht jedoch kein Anlass zu amtswegigem Vorgehen. Insoweit ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870; Ratz, WK-StPO § 290 Rz 27/1).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E123276

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0110OS00101.18I.1113.000

Im RIS seit

28.11.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.11.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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