TE Lvwg Erkenntnis 2018/10/31 LVwG-AV-1093/001-2018

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Veröffentlicht am 31.10.2018
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Entscheidungsdatum

31.10.2018

Norm

BAO §4 Abs1
ROG NÖ 2014 §20 Abs9

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des A und der B vom 7. Oktober 2018 gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 4. September 2018, Aktenzeichen: ***, mit welchem eine Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 25. Juni 2018, Aktenzeichen: ***, betreffend die Vorschreibung einer Standortabgabe, als unbegründet abgewiesen wurde, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe

1. Sachverhalt und verwaltungsbehördliches Verfahren:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 7. Februar 2018, Aktenzeichen: ***, wurde A und B (in der Folge: Beschwerdeführer) aufgrund eines Bauansuchens vom 27. November 2017 die baubehördliche Bewilligung für den Zubau eines Wintergartens zum bestehenden Wohnhaus auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft in ***, ***, auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, erteilt.

Das Grundstück befindet sich je zur Hälfte im bücherlichen Eigentum der beiden Beschwerdeführer und ist im Flächenwidmungsplan der Gemeinde *** als Grünland Land- und Forstwirtschaft gewidmet, das bestehende Gebäudes ist als erhaltenswertes Gebäude (GEB) ausgewiesen. Das bewilligte Bauvorhaben sieht eine Vergrößerung der Wohnnutzfläche des bestehenden Gebäudes auf 373,02 m² vor. Dieser Bescheid ist am 2. März 2018 in Rechtskraft erwachsen.

Mit Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 25. Juni 2018, Aktenzeichen: ***, wurde den Beschwerdeführern gemäß § 20 Abs. 9 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 eine Standortabgabe in der Höhe von € 6.643,39 vorgeschrieben.

Begründend wurde ausgeführt, dass mit Bescheid vom 7. Februar 2018 der Zubau eines Wintergartens und damit die Erweiterung eines Wohngebäudes gemäß § 20 Abs. 5 Z. 2 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 und damit eine Bruttogeschoßfläche von insgesamt über 170 m² genehmigt worden sei. Zudem enthält die Begründung neben der Wiedergabe des § 20 Abs. 9 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 die Darstellung der Abgabenberechnung. Von der berechneten Abgabe sei ein Betrag von € 1.225,- abzuziehen, den die Beschwerdeführer für die Asphaltierung eines nicht in ihrem Eigentum befindlichen Streifens im Zufahrtsbereich bezahlt hätten.

Der Abgabenbescheid wurde den Beschwerdeführern nachweislich am 12. Juli 2018 zugestellt.

Mit Schreiben vom 12. Juli 2018 erhoben die Beschwerdeführer Berufung gegen diesen Abgabenbescheid. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Bruttogeschoßfläche durch den Zubau des Wintergartens von 328,79 m² um 44,23 m² auf nunmehr 373,02 m² erweitert worden sei. Dadurch seien aber die 170 m² nie überschritten worden, weshalb nur die 44,23 m² der Berechnung zu Grunde zu legen seien.

Diese Berufung vom 12. Juli 2018 gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters vom 25. Juni 2018 wurde vom Gemeindevorstand der Gemeinde *** in seiner Sitzung vom 4. September 2018 behandelt. Dabei wurde vom Gemeindevorstand beschlossen, die Berufung abzuweisen.

Mit dem aufgrund dieses Beschlusses ausgefertigten, nunmehr angefochtenen Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** vom 4. September 2018, Aktenzeichen: ***, wurde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 25. Juni 2018 als unbegründet abgewiesen.

Durch die mit dem Bescheid vom 7. Februar 2018 erteilte Baubewilligung zum Zubau eines Wintergartens sei eine Erweiterung der Bruttogeschoßfläche auf nunmehr 373,02 m² erfolgt.

Es liege damit ein Anlassfall der Standortabgabe vor, zur Berechnung sei nicht die Bruttogeschoßfläche der Erweiterung, sondern die Bruttogeschoßfläche nach der Erweiterung heranzuziehen. Diese Rechtsansicht sei auch durch eine Auskunft der NÖ Landesregierung bestätigt worden. Der Berufungsbescheid wurde den Beschwerdeführern jeweils nachweislich am 11. September 2018 zugestellt.

Mit Schreiben vom 7. Oktober 2018 brachten die Beschwerdeführer die Beschwerde gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde *** ein und beantragten die Abänderung der Abgabenvorschreibung.

Seit Übernahme des Grundstückes 1987 sei nirgends ersichtlich gewesen, dass eine Forderung offen sei, das Grundstück sei lastenfrei übernommen worden, auch anlässlich eines Zubaus 2007 habe es keine Anzeichen einer Abgabenschuld gegeben. Auf die nunmehrige Berechnung der Standortabgabe sei nur das tatsächliche Ausmaß der Erweiterungsfläche von 44,23 m² anzuwenden.

Die Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes am 16. Oktober 2018 zur Entscheidung vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten, unbedenklichen Verwaltungsakt.

Es konnte festgestellt werden, dass die Bruttogeschoßfläche vor der nunmehrigen Erweiterung 328,78 m² (Erdgeschoß 164,39 m², Obergeschoß 164,39 m²) betragen hat. Durch den Zubau des Wintergartens über beide Etagen wurde die Bruttogeschoßfläche um insgesamt 44,24 m² erweitert auf nunmehr insgesamt 373,02 m² (Erdgeschoß 186,51 m², Obergeschoß 186,51 m²).

Das mit € 1.225,- angenommene Ausmaß der für die Erschließung des Grundstückes erbrachten Vorleistung ist im gesamten Verfahren unbestritten geblieben.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 4. (1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

2.2. NÖ Raumordnungsgesetz 2014 – NÖ ROG 2014,
LGBl. Nr. 3/2015 idF LGBl. Nr. 65/2017:

§ 20 Grünland

(1) Alle nicht als Bauland oder Verkehrsflächen gewidmeten Flächen gehören zum Grünland.

(5) Für erhaltenswerte Gebäude im Grünland gilt:

1. Eine bauliche Erweiterung von “erhaltenswerten Gebäuden im Grünland” darf nur dann bewilligt werden, wenn die bauliche Maßnahme

a) für die Nutzung des Gebäudes erforderlich ist und

b) gegenüber dem ursprünglichen Baubestand in einem untergeordneten Verhältnis steht und

c) nicht auch durch eine Änderung des Verwendungszweckes und eine Adaptierung bestehender Gebäudeteile (z. B. Dachboden, Stallraum, Futterkammer u. dgl.) erreicht werden kann.

Bemessungsgrundlage für alle späteren baulichen Erweiterungen ist immer die Bausubstanz zum Zeitpunkt der Festlegung als “erhaltenswertes Gebäude im Grünland”. Wurde das Höchstausmaß bereits ausgeschöpft, sind weitere Zubauten unzulässig. Die Errichtung von Nebengebäuden ist nur dann zulässig, wenn der beabsichtigte Verwendungszweck nicht auch durch eine Adaptierung bestehender Nebengebäude erreicht werden kann. Neue Nebengebäude müssen in einem untergeordneten Verhältnis zur Grundrissfläche des Hauptgebäudes stehen (dabei darf die Summe der Grundrissflächen aller Nebengebäude maximal 50 m² umfassen) und müssen im Nahbereich zum Hauptgebäude situiert werden.

2. Bei nach Ausstattung und Größe ganzjährig bewohnbaren Wohngebäuden – ausgenommen solche nach Z 6 – ist unabhängig von der Bestandsgröße abweichend von Z 1 lit. b für den familieneigenen Wohnbedarf des Gebäudeeigentümers eine Erweiterung der Bruttogeschoßfläche auf höchstens 400 m² zulässig, sofern nicht eine Einschränkung im Sinne des § 20 Abs. 2 Z 4 vorletzter Satz erfolgt ist. Die Unterteilung in mehrere Wohnungen gemäß § 47 NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, ist zulässig.

3. Eine Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden darf nur dann bewilligt werden, wenn

a) die angestrebte Nutzung des Gebäudes keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärm- und Geruchsbelästigung sowie sonstige schädliche Einwirkungen auf die Umgebung verursachen kann und

b) der ursprüngliche Baubestand in Substanz und äußerem Erscheinungsbild weitestgehend erhalten bleibt und

c) mit der vorhandenen Infrastruktur das Auslangen gefunden oder die erforderliche Infrastruktur (Abwasserbeseitigung u. dgl.) ergänzt wird und

d) keine wesentlichen Veränderungen oder Nutzungseinschränkungen der angrenzenden unbebauten Flächen eintreten.

Bei der Nutzungsänderung bestehender Gebäude für zukünftige Wohnzwecke gelten die in Z 2 erster und zweiter Satz festgelegten Obergrenzen nicht.

4. Durch Elementarereignisse (Brand, Blitzschlag u. dgl.) vollständig zerstörte Gebäude dürfen wiedererrichtet werden. Die Bewilligung zur Wiedererrichtung darf jedoch nur dann erteilt werden, wenn der Umfang dem ursprünglichen Bestand entspricht, wobei Zubauten in dem unter Z 1 und Z 2 vorgesehenen Umfang zulässig sind.

5. Zur Instandsetzung darf jene Bausubstanz ausgetauscht werden, deren Erhaltung technisch nicht möglich oder unwirtschaftlich wäre.

6. Die Wiedererrichtung eines erhaltenswerten Gebäudes bzw. Gebäudeteils im Grünland ist für den Eigenbedarf des Gebäudeeigentümers bis zu einer Bruttogeschoßfläche von 170 m² zulässig (sofern nicht eine Einschränkung im Sinne des Abs. 2 Z 4 vorletzter Satz erfolgt ist), wenn die Gemeinde dies mit dem Widmungszusatz „Standort“ festgelegt hat und die Nutzung des Gebäudes auf Wohnnutzung eingeschränkt wurde. Dabei darf nur eine Wohnung im Sinne des § 47 NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, pro Grundstück errichtet werden.

Bei der Wiedererrichtung eines erhaltenswerten Gebäudes bzw. Gebäudeteils im Grünland muss die Überschneidung mit dem Grundriss des Bestandes zu 50 % gegeben sein.

Die Bewilligung zur Wiedererrichtung darf nur dann erteilt werden, wenn der geplante Neubau das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigt. Über diese Frage hat die Baubehörde ein Gutachten eines Amtssachverständigen des Landes Niederösterreich einzuholen.

(9) Aus Anlass der Erlassung des letztinstanzlichen Baubewilligungsbescheides für die Wiederrichtung eines erhaltenswerten Gebäudes oder Gebäudeteils (Abs. 5 Z 6), einer Baubewilligung für die Erweiterung eines Wohngebäudes gemäß Abs. 5 Z 2, wenn damit die Bruttogeschoßfläche insgesamt 170 m² übersteigt, sowie der Änderung eines bisher betrieblich genutzten Gebäudes oder eines Teiles davon auf eine Wohnnutzung ist dem Gebäudeeigentümer, ist dieser nicht bekannt, dem Grundeigentümer eine Standortabgabe als eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, vorzuschreiben.

Deren Höhe beträgt grundsätzlich die Hälfte jenes Betrages, der sich aus dem Produkt einer Berechnungslänge von 30, einem Bauklassenkoeffizienten von 1,25 und dem in der jeweiligen Gemeinde aktuellen Einheitssatz gemäß § 38 der NÖ Bauordnung 2014, LGBl. Nr. 1/2015 in der geltenden Fassung, ergibt.

Die so errechnete Standortabgabe ist

         1.       im Falle der Wiederrichtung jeweils mit dem Ausmaß der wiedererrichteten Fläche zu multiplizieren und durch 170 zu dividieren.

         2.       im Falle der Erweiterung mit der Bruttogeschoßfläche nach Erweiterung zu multiplizieren und durch 400 zu dividieren. Bei jeder nachfolgenden Erweiterung ist mit dem tatsächlichen Ausmaß der Erweiterungsfläche zu multiplizieren und durch 400 zu dividieren.

         3.       im Falle der Nutzungsänderung mit dem Ausmaß der geändert genutzten Fläche zu multiplizieren und durch 400 zu dividieren, wobei bei einer geändert genutzten Fläche über 400m² und bei mehreren aufeinanderfolgenden Nutzungsänderungen max. die Standortabgabe in voller Höhe vorzuschreiben ist.

Die zur Errichtung jener Straßen geleisteten Interessentenbeiträge, welche unter anderem der Erschließung dieser Gebäude dienen, sind auf die Standortabgabe anzurechnen.

Der Ertrag der Abgabe ist für die Herstellung von staubfrei befestigten Straßen im Grünland zu verwenden. Dieser Abgabenbescheid hat dingliche Wirkung.

2.3. Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde *** auf Grund des Beschlusses vom 14. November 2012 für die Berechnung der Aufschließungsabgabe:

„Bei der Berechnung der Aufschließungsabgabe im Sinne des § 38 Abs. 6 NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, wird der Einheitssatz mit € 450,- festgesetzt.

Diese Verordnung tritt im 1. Jänner 2013 in Kraft.“

2.4. NÖ Bauordnung 2014:

§ 70 Übergangsbestimmungen

(2) Verordnungen, mit denen nach … § 38 Abs. 6 der NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200, Einheitssätze für die Berechnung von Aufschließungsabgaben … festgelegt worden sind, gelten als Verordnungen nach diesem Gesetz.

3. Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt 1:

Mit der angefochtenen Berufungsentscheidung wurde eine Berufung gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde *** vom 25. Juni 2018, Aktenzeichen: ***, inhaltlich abgesprochen und eine Standortabgabe durch Abweisung der Berufung in zweiter Instanz vorgeschrieben.

Die bescheidmäßige Vorschreibung einer Abgabe setzt ganz allgemein den Bestand einer Abgabenschuld (bzw. eines Abgabenanspruches der Gemeinde) voraus.

Der Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches ist bedeutsam u.a. für die Abgabenfestsetzung, welche vor diesem Zeitpunkt nicht zulässig ist. (vgl. dazu Ritz, BAO3, Tz 2 ff u. Tz 14 zu § 4, sowie VwGH 10.8.2008, 2007/17/0012).

Die Erfüllung des abgabenrechtlichen Tatbestandes ist Voraussetzung für die Vorschreibung einer Abgabe (vgl. VwGH 12.10.1984, 82/17/0085).

Nach § 4 Abs. 1 der von den Abgabenbehörden hier anzuwendenden Bundesabgabenordnung entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.

Als Abgabentatbestand sieht § 20 Abs. 9 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 die Erlassung einer Baubewilligung für die Erweiterung eines Wohngebäudes gemäß Abs. 5 Z 2 („bei nach Ausstattung und Größe ganzjährig bewohnbaren Wohngebäuden“) vor, wenn damit die Bruttogeschoßfläche insgesamt 170 m² übersteigt.

Für die Verwirklichung des Abgabentatbestandes kommt im gegenständlichen Fall nur die Baubewilligung vom 7. Februar 2018 in Betracht. Ein Abgabentatbestand konnte daher nur nach der zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides geltenden Rechtslage verwirklicht werden.

Anders als in nach dem AVG (bzw. VwGVG) zu führenden Verfahren, bei welchen nach der ständigen Rechtsprechung – vorbehaltlich abweichender gesetzlicher Anordnungen – auch für die materiell-rechtliche Beurteilung die Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich ist, führt im Abgabenverfahren der Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgabenregelungen dazu, dass die Anwendung einer neuen Rechtslage in Fällen, in denen der Abgabentatbestand bereits verwirklicht wurde, ausdrücklich anzuordnen wäre (vgl. VwGH 4.5.1977, 898/75, Slg. 9315 A/1977; 20.5.1988, 86/17/0178 uva). Eine solche Anordnung fehlt in dem NÖ Raumordnungsgesetz 2014 jedoch.

Zufolge des Grundsatzes der Zeitbezogenheit von Abgaben (VwGH 22.05.1975, 0174/75; 12.11.1981, 3706/80; uva.) sind für die Vorschreibung einer Abgabe die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches vorliegenden Verhältnisse maßgebend, das heißt die Sach- und Rechtslage in diesem Zeitpunkt.

Es liegt also einer jener Fälle vor, deren der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4.5.1977, 898/75, Slg 9315 A/1977, gedacht hat, wenn er ausführte, eine "andere Betrachtungsweise" (nämlich eine andere als das Abstellen auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung) werde "auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war". Der sogenannte Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgaben stellt eine solche aus der Systematik der Abgabengesetze gewonnene rechtliche Regel dar. Es ist jene Rechtslage maßgebend, unter deren zeitlicher Geltung der Abgabentatbestand verwirklicht wurde.

Nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben ist auch im gegenständlichen Fall die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches geltende Rechtslage, hier also jene nach dem NÖ Raumordnungsgesetz 2014 idF LGBl. Nr. 65/2017 heranzuziehen.

Gemäß § 20 Abs. 9 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 ist aus Anlass der Erlassung des letztinstanzlichen Baubewilligungsbescheides für die Erweiterung eines Wohngebäudes, wenn damit die Bruttogeschoßfläche insgesamt 170 m² übersteigt, dem Gebäudeeigentümer bzw. dem Grundeigentümer eine Standortabgabe vorzuschreiben.

Nun sieht im gegenständlichen Fall die Baubewilligung vom 7. Februar 2018, Aktenzeichen: ***, die Erweiterung des bestehenden Wohngebäudes mit der Festlegung als GEB (erhaltenswertes Gebäude im Grünland) vor.

Durch diese Erweiterung wird die bestehende Bruttogeschoßfläche von 328,78 m² durch den Zubau eines Wintergartens über zwei Etagen um 44,24 m² erweitert auf nunmehr insgesamt 373,02 m².

Die Beschwerdeführer vermeinen, dass der Tatbestand des § 20 Abs. 9 Z.2 erster Fall NÖ Raumordnungsgesetz 2014 („Erweiterung der Bruttogeschoßfläche“) im gegenständlichen Falle nicht erfüllt sei, sondern stattdessen lediglich der Tatbestand des § 20 Abs. 9 Z.2 zweiter Fall NÖ Raumordnungsgesetz 2014 („nachfolgende Erweiterung“), da durch die nunmehrige Erweiterung eine Bruttogeschoßfläche von 170 m² nicht erstmals überstiegen werde. Deshalb habe die Abgabenberechnung nur aufgrund des tatsächlichen Ausmaßes der Erweiterungsfläche (44,24 m²) zu erfolgen und nicht – wie von den Abgabenbehörden vorgenommen – aufgrund der Bruttogeschoßfläche nach der Erweiterung (373,02 m²).

Tatsächlich liegt jedoch die erstmalige Erweiterung des Wohngebäudes nach Inkrafttreten der Standortabgabe (NÖ ROG 2014 einschließlich dessen § 20 Abs. 9 sind am 1. Februar 2014 in Kraft getreten) vor. Dass die Bruttogeschoßfläche bereits davor mehr als 170 m² betragen hat, schließt den Abgabentatbestand nicht aus.

Entscheidend ist vielmehr, dass durch die nunmehr bewilligte Erweiterung die Bruttogeschoßfläche insgesamt 170 m² übersteigt. Damit sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer Standortabgabe gemäß § 20 Abs. 9 Z.2 erster Fall NÖ Raumordnungsgesetz 2014 erfüllt.

Die Höhe der Standortabgabe beträgt grundsätzlich die Hälfte jenes Betrages, der sich aus dem Produkt einer Berechnungslänge von 30, einem Bauklassenkoeffizienten von 1,25 und dem in der Gemeinde *** geltenden Einheitssatz gemäß § 38 der NÖ Bauordnung von € 450,- ergibt.

Die so berechnete Standortabgabe (0,5 x 30 x 1,25 x € 450,- = € 8.437,50) ist im Falle der Erweiterung (§ 20 Abs. 9 Z.2 erster Satz NÖ Raumordnungsgesetz 2014) mit der Bruttogeschoßfläche nach der Erweiterung (373,02 m²) zu multiplizieren und durch 400 zu dividieren (€ 8.437,50 x (373,02/400,00).

Daraus ergibt sich eine Standortabgabe im Betrag von € 7.868,39.

Darauf anzurechnen sind gemäß § 20 Abs. 9 vorletzter Satz NÖ Raumordnungsgesetz 2014 die zur Errichtung jener Straßen geleisteten Interessentenbeiträge, welche der Erschließung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes (GEB) dienen. In Zusammenschau mit § 38 Abs. 9 NÖ Bauordnung 2014 werden darunter auch frühere Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung der angrenzenden Straße zu verstehen sein. Insofern erscheint die Anrechnung der von den Beschwerdeführern erbrachten Vorleistung für die Asphaltierung des Zufahrtsbereiches auch gerechtfertigt. Das Ausmaß des mit € 1.225,- festgestellten Anrechnungsbetrages ist im gesamten Verfahren unbestritten geblieben.

Der von den Abgabenbehörden vorgeschriebene Betrag einer Standortabgabe von € 6.643,39 kann dementsprechend weder dem Grunde noch der Höhe nach beanstandet werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer nicht beantragt. Auch aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

3.2. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist die Rechtsfrage relevant, ob nach § 20 Abs. 9 NÖ Raumordnungsgesetz 2014 durch die nach Inkrafttreten dieser Bestimmung erstmalige Erweiterung eines Wohngebäudes, welches davor und zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits mehr als 170 m² Bruttogeschoßfläche aufwies, der Tatbestand der Standortabgabe nach § 20 Abs. 9 Z.2 erster Fall NÖ Raumordnungsgesetz 2014 („Erweiterung der Bruttogeschoßfläche“) erfüllt wird. Zu dieser Bestimmung bzw. zu der hier relevanten Rechtsfrage liegt noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, weshalb die ordentliche Revision zuzulassen war.

Schlagworte

Finanzrecht; Standortabgabe; Abgabenbescheid; Zeitbezogenheit; Geschoßfläche;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2018:LVwG.AV.1093.001.2018

Zuletzt aktualisiert am

22.11.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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